Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Beratung des Haushalts des Bundesministe-
riums des Innern gibt insbesondere zu zwei Dingen An-
lass: auf vier erfolgreiche Jahre deutscher Innenpolitik
zurückzublicken
und zugleich einen Blick auf die vor uns liegende Zeit zu
werfen. Dabei gilt: Reformwillig- und -fähigkeit
sind ebenso Markenzeichen sozialdemokratisch geprägter
Innenpolitik wie die sorgfältige Wahrnehmung der
Sicherheitsinteressen unseres Landes und seiner Bevölke-
rung.
Markenzeichen der Union hingegen scheinen Reform-
blockade und, wenn man Herrn Strobl zugehört hat, In-
strumentalisierung statt Lösung von Problemen zu sein.
Ich habe mir nicht vorstellen können, dass ich mir eines
Tages Herrn Marschewski als Vertreter der Union her-
beisehnen würde,
aber Sie haben mich in diese unvorstellbare Situation ge-
bracht, Herr Strobl. Das muss man schon sagen.
Ich darf hier an die wichtige und zentrale Reform
des Staatsangehörigkeitsrechts erinnern, die sich nach-
haltig positiv auf die Entwicklung unserer Gesellschaft
auswirken wird, weil wir Schluss damit gemacht haben,
dass die Zugehörigkeit zu unserer Gesellschaft auf die
Frage der Abstammung reduziert bleibt. Herr Strobl, Sie
Susanne Jaffke
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002
Sebastian Edathy
sollten schon darüber nachdenken, ob Sie diese wichtige
Entscheidung grundsätzlich diskreditieren wollen, indem
Sie hier Fälle vorführen, die durch das neue Recht weit-
gehend ausgeschlossen werden, in dem wir nämlich ge-
rade die Maßnahmen zur Sicherheitsüberprüfung im
Einbürgerungsverfahren eher verstärkt haben.
Aber gleichzeitig haben wir gesagt: Die Menschen, die
Teil unserer Gesellschaft sind, sollen es in der Tat auch
leichter haben, sich über die Einbürgerung zu dieser
Gesellschaft bekennen zu können.
Auch die Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes
hat Maßstäbe gesetzt, nicht zuletzt, weil es gelungen ist,
ein lange Zeit mit viel Ideologie befrachtetes Thema so zu
behandeln, dass man mit ihm vernünftig umgehen kann.
Wir sind auf das In-Kraft-Treten des neuen Gesetzes vor-
bereitet. Das kann man auch dem Entwurf des Bundes-
haushalts für das Jahr 2003 entnehmen. Allein 169 Mil-
lionen Euro werden gemäß dem Haushaltsentwurf für
Sprachfördermaßnahmen nach dem neuen Recht zur
Verfügung gestellt. Für das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge, das aus dem bisherigen Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hervorgeht, sind
im Haushaltsentwurf 290Millionen Euro vorgesehen. Sie
können daran sehen, meine Damen und Herren: Reden
und Handeln stimmen bei dieser Regierung überein.
Für die finanzielle Absicherung der Belange der deut-
schen Innenpolitik gilt: Auch der Haushaltsplan des Bun-
desinnenministeriums ist selbstverständlich vom alterna-
tivlosen Weg der Konsolidierung des Bundeshaushalts
nicht ausgenommen. Aber es gilt genauso, dass gerade in
diesem Haushalt in einem besonders akzentuierten Maße
Schwerpunkte der Bundespolitik zum Ausdruck kommen.
Das gilt insbesondere für den Bereich der inneren Sicher-
heit und für den Bereich des Katastrophenschutzes.
Ich möchte hier ins Gedächtnis rufen, dass der Bun-
desinnenminister und insbesondere die heutige Bundesjus-
tizministerin und damalige Staatssekretärin im Innenmini-
sterium, Frau Zypries, im Sommer überaus erfolgreich mit
einem effektiven und unbürokratischen Krisenmanagement
den Folgen der Hochwasserkatastrophe begegnet sind.
Weil es angesprochen worden ist: Die für den Zivil-
schutz bereitgestellten Mittel wachsen im nächsten Jahr
auf 62 Millionen Euro deutlich an und es werden 10 Mil-
lionen Euro zur Anschubfinanzierung eines Programms zur
Verbesserung der Einsatzfähigkeit des Technischen Hilfs-
werks bei Hochwasserkatastrophen bereitgestellt. Das darf
man auch dann anerkennen, wenn man nicht zur Mehrheit
dieses Hauses gehört, weil hier deutlich wird: Deutsche In-
nenpolitik zeichnet sich aus, weil sie nahe bei den Men-
schen ist, und vor allen Dingen, weil sie handlungsfähig ist.
Unsere Innenpolitik orientiert sich am Menschen und
deshalb folgen alle Entscheidungen, die wir zum Schutz
unseres Staates auf den Weg bringen, dem Leitbild des de-
mokratischen Rechtstaates, der die Grundlage für die Frei-
heit und Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger ist.
Auch da kann man Herrn Strobl widersprechen. Freiheit
und Sicherheit sind eben keine Gegensätze, sondern das
Leben in Freiheit wird erst dann ermöglicht, wenn wir Si-
cherheit so definieren, dass sie eben Risiken mindert,
ohne die Freiheit zu opfern.
Das ist ein Markenzeichen unserer Politik. Man kann
nicht nur als Sozialdemokrat, sondern überhaupt als De-
mokrat froh darüber sein, dass die CDU/CSU die Bun-
destagswahl im September eben nicht gewonnen hat.
Dem Ziel der Sicherheit dient nicht zuletzt die kon-
sequente Bekämpfung von Extremismus, die ich ab-
schließend ansprechen will. Dabei gilt: Die Unterstützung
der politischen Bildung – wir erhöhen beispielsweise die
Mittel für die politische Bildungsarbeit der Bundeszen-
trale für politische Bildung auf 18,2 Millionen Euro im
nächsten Jahr – sowie Maßnahmen der Intervention und
Prävention sind Querschnittsaufgaben, insbesondere aber
Aufgaben der Innenpolitik.
Wir werden – ich hoffe, über die Fraktionsgrenzen hin-
weg – weiterhin sicherstellen, dass in unserem Land
Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus
entschlossen entgegengetreten wird.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir die Debatte über die
Herausforderungen, die sich als Folge des 11. September
2001 ergeben haben, verantwortungsbewusst geführt und
deutlich gemacht haben, dass dort der Begriff der Reli-
gionsgemeinschaft für abscheuliche Taten missbraucht
wurde. Das diskreditiert keine Religionsgemeinschaft, son-
dern nur diejenigen, die sich über jedes Recht und über die
Menschenwürde hinwegsetzen. Wir tragen dem Rechnung.
Ich denke, als Demokraten sollten wir das gemeinsam tun.
Bundesinnenminister Otto Schily genießt aufgrund
seiner hervorragenden Arbeit in der Bevölkerung zu
Recht ein hohes Ansehen.
Für diese Arbeit wird er weiterhin die volle Unterstützung
der SPD-Bundestagsfraktion haben.
Vielen Dank.
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