Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Kollegin Freitag, ich werde auf das Thema Sport
nicht zu lange eingehen. Ich möchte Sie – Sie sind schon
in der dritten Wahlperiode Abgeordnete dieses Parla-
ments – allerdings an eines erinnern: Das, was im Etat
steht, und das, was hinterher vollzogen wird, ist immer
noch zweierlei.
Ich bin seit 1990 Mitglied im Haushaltsausschuss und
kann davon ein Lied singen.
Niemand in diesem Hohen Hause wird wohl ernsthaft
in Zweifel ziehen, dass Sicherheit ihren Preis hat. So ver-
mittelt auch der Haushalt des Bundesinnenministeriums
vom äußeren Erscheinungsbild her den Eindruck einer so-
liden Finanzausstattung.
Er wächst um 9,8 Prozent auf. Sie werden gleich hören,
warum ich das anmahne.
Seit dem 11. September 2001 gibt es keine veröffent-
lichte Meinung, die für Sicherheit benötigte Gelder – sei
es durch die Erhöhung der Tabaksteuer, der Versiche-
rungsteuer oder welcher Steuer auch immer – infrage
stellt. „Freudige Zahlungsbereitschaft“ aller Bürger be-
gleitet unsere innere Sicherheit.
Doch auch die fürchterlichen Ereignisse, die seit dem
11. September allabendlich als Hiobsbotschaften in un-
sere Wohnzimmer flimmern – seien es Anschläge in
Djerba, in Kenia, in Afghanistan, in Israel, auf Bali oder
wo auch immer –, sollten uns nicht dazu verleiten, mit der
Schwerpunktsetzung im Haushalt des Bundesinnenminis-
teriums unkritisch umzugehen.
Selbstverständlich darf man nicht übersehen – jetzt
komme ich darauf zurück, Herr Kollege –, dass über allen
Etatansätzen eine globale Minderausgabe von 1,5 Mil-
liarden Euro schwebt, die nicht ausgeplant ist und die
auch den Bundesinnenminister treffen kann – es sei denn,
die Mehrheiten, die Sie stellen, wissen das zu verhindern,
was ich mir wünsche.
Lassen Sie mich einige Gedanken zur Problematik der
Sicherheit an der derzeitigen EU-Außengrenze aus-
führen, einem Gebiet, das von der Bundesregierung oft
sträflich vernachlässigt wird,
obwohl es nur wenige Kilometer von hier entfernt ist. Seit
wenigen Wochen ist beschlossen, dass die Republiken Po-
len und Tschechien, wie andere MOE-Staaten, ab 2004 zur
Europäischen Union gehören werden. Sicher ist allen Be-
teiligten klar, dass die Grenzen damit nicht automatisch of-
fen sein werden. Eine Freizügigkeit ohne jegliche Kon-
trolle wird nicht sofort stattfinden. Sicher ist allen auch
klar, dass die Bedingungen des Schengener Abkommens
durch die jungen Demokratien nicht sofort umsetzbar sind.
Gestatten Sie hier die Frage: Warum wird dann in dem
Haushaltsentwurf 2003 der Etatansatz zur Unterstützung
der polizeilichen Ausbildung und Ausstattung in den
MOE-Staaten zurückgeführt? Ist es nicht dringlicher, ge-
rade jetzt die Anstrengungen zu verstärken, damit die
Schengen-Standards auch in den östlichen Ländern
schnell erfüllt werden können?
Wie selbst Staatssekretär Körper auf eine schriftliche
Anfrage bestätigt, werden in den nächsten fünf Jahren
auch wesentliche Veränderungen in der Organisations-
und Einsatzstruktur des BGS unausweichlich sein.
Deshalb hier einige Anmerkungen.
Wie konsequent wird zum Beispiel die digitale Funk-
technik in den Einsatzfahrzeugen eingeführt? Der derzei-
tige Ausstattungszustand wird den modernen Erfordernis-
sen nicht gerecht.
Fahndungsabfragen bzw. Überprüfungen bei Aufgriffen
vor Ort an der grünen Grenze sind ohne eine solche Tech-
nik nicht möglich. Der Minister hat darauf verwiesen und
bittet Sie um Unterstützung.
Selbstverständlich wird sich eine Verringerung der Per-
sonenkontrollen an der Außengrenze als stationäre Kon-
trolle ergeben und selbstverständlich wird das zu einer Aus-
weitung der so genannten räumlichen Kontrolle führen.
Aber soweit ich von meinen BGS-Beamten vor Ort infor-
miert bin – ich habe nun einmal in meinem Wahlkreis die
gesamte EU-Außengrenze des Landes Mecklenburg-Vor-
pommern, die in zwei BGS-Bereiche aufgeteilt ist; ich habe
das große Vergnügen, Bereiche der EU-Außengrenze durch
den BGS Nord und durch den BGS Ost betreut zu wissen –,
sind weder technische noch personell-strategische Schritte
unternommen worden, um die Beamten, die vor Ort ihren
Kopf und ihre Schienbeine hinhalten, auf diese neuen He-
rausforderungen vorzubereiten.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002 991
Im Übrigen: Eine Diskussion um Streichung, Kap-
pung, Halbierung oder Ähnliches von Weihnachtsgeld,
Urlaubsgeld oder was auch immer befördert nicht die Ein-
satzfreude unserer Beamten, sondern eher Gleichgültig-
keit gegenüber dem Dienstherrn.
Lassen Sie mich an dieser Stelle auch erwähnen – viel-
leicht ein wenig berufsbedingt veranlasst –, dass die Aus-
stattung an dieser sensiblen grünen Grenze mit den sehr
nützlichen vierbeinigen Helfern nicht nur zu gering ist,
sondern auch nicht spezifiziert genug. Ich habe erfahren,
dass Hundeführerstellen nicht korrekt im Stellenplan aus-
gewiesen sind. Damit kommen nicht nur zu wenig Hunde
zum Einsatz, sondern auch die Aus- und Weiterbildung
wird damit gefährdet.
Soweit ich es in Erfahrung bringen konnte, gibt es auch
nur Rauschgiftspürhunde, keine Sprengstoffspür-
hunde, was ich für einen Fehler halte, Herr Kollege
Hacker, gerade vor dem Hintergrund der eingangs kurz er-
wähnten Sicherheitsrisiken und der auch von Amts wegen
festgestellten Bedrohungslage für Deutschland. Im Übri-
gen: Wo Geld für Pferde in Berlin ist, sollte auch welches
für Rauschgift- und für Sprengstoffspürhunde an der
EU-Außengrenze, an dieser sensiblen grünen Grenze, ge-
funden werden.
Sie wissen sehr genau, dass die Ströme des unkontrol-
lierten Gutes über diese Grenze zunehmen, vor allen Din-
gen beim Kinder- und Frauenschmuggel. – Wenn Sie da-
rüber lachen können, Frau Kollegin, ich kann es nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich bitte
noch darauf eingehen, dass es seit dem 11. September
2001 auch in unserem Land eine neue Sensibilisierung für
den direkten zivilen Schutz der Bevölkerung in unserem
Land gibt. Das Technische Hilfswerk, in seiner Zustän-
digkeit immer nur dann gewürdigt, wenn es sehr erfolg-
reich im internationalen Einsatz ist bzw. wenn Sturm oder
Flug im eigenen Land Katastrophen verursachen, wird
nun endlich in seiner materiell-technischen Ausstattung
erneuert.
Ich hoffe, dass dieses Verfahren beibehalten wird. Es ist
dringend notwendig.
Gleichzeitig haben die Ereignisse im August in Sach-
sen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Niedersachsen
und Mecklenburg-Vorpommern durch das Jahrhun-
derthochwasser an Elbe und Nebenflüssen nicht nur dazu
geführt, dass eine Welle ungeahnter Solidarität ausgelöst
wurde – wofür allen Beteiligten Dank und Anerkennung
gebührt –, sondern auch dazu, dass die Überlegungen zur
Errichtung einer zentralen Koordinierungsinstanz zur Be-
wältigung solcher Katastrophen wieder intensiviert wer-
den. Das ist in Ordnung. Ich hoffe, dass die Konzeption
bald vorliegt – der Minister hat es versprochen – und de-
ren Umsetzung zügig in Angriff genommen werden kann,
ohne dass behördliche oder föderale Eitelkeiten blockie-
rend wirken. Haushaltsansätze in diesem Zusammenhang
zu überprüfen und zu verändern ist angesagt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungs-
koalition, an gemeinsamen Lösungen im Interesse des Si-
cherheitsbedürfnisses und Schutzes unserer Bevölkerung
ist der CDU/CSU gelegen. So die Vorschläge konstruktiv
umsetzbar sind, arbeiten wir daran mit.
Ich danke.