Rede von
Detlef
Dzembritzki
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Wir debattieren über keinen der ganz
großen Haushalte, obwohl man nach dem Gestus des Kol-
legen Weiß annehmen könnte, wir hätten jetzt die Gene-
raldebatte über all die Fragen, über die wir insgesamt im
Rahmen der Haushaltsberatungen gestern und heute dis-
kutiert haben und morgen noch diskutieren werden.
Der Einzelplan 23 macht gerade einmal 1,5 Prozent des
bundesdeutschen Gesamthaushalts aus und in diesen
1,5 Prozent liegt schon eine Steigerung; denn im Vorjahr
waren es weniger. Dennoch ist die Arbeit, die in diesem
Bereich geleistet wird, zu einem wesentlichen Teil ver-
antwortlich für das hohe Ansehen, welches die Bundes-
republik in weiten Teilen der Welt genießt. Würden Per-
sonen aus den Ländern des Südens, aus Ländern, mit
denen wir partnerschaftlich zusammenarbeiten, bei uns zu
Gast sein oder sich zu Gesprächen hier aufhalten und die-
ser Debatte folgen, würden sie die Köpfe schütteln über
gewisse Diskussionsbeiträge, zum Beispiel über den zu-
letzt gehörten von Herrn Weiß.
Ich will an dieser Stelle, weil das heute noch nicht ge-
schehen ist, nicht nur der Ministerin und deren Mitarbei-
terinnen und Mitarbeitern, sondern insgesamt den vielen
Menschen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den
Entwicklungsprojekten, und im Entwicklungsbereich
herzlich danken.
Sie sind diejenigen, die den guten Ruf der Bundesrepublik
mit vertreten und nach draußen tragen.
Wenn beispielsweise von afghanischer Seite seit Mo-
naten darauf gedrängt wird, dass wir dort eine stärkere, ja
eine Führungsrolle übernehmen, dann ist das auch darauf
zurückzuführen, dass die afghanische Regierung die Er-
fahrung gemacht hat, dass wir verlässliche Partner sind,
dass man sich auf die Zusammenarbeit mit uns einstellen
kann und dass wir dort tatsächlich konkrete Hilfe geleis-
tet haben und weiter leisten werden.
Nun gehört es – wem in diesem Raum sage ich es? –
zur Natur einer Mediendemokratie, dass unterschiedliche
Positionen in der Öffentlichkeit überspitzter und plakati-
ver dargestellt werden – wir haben es eben erlebt –, als das
beispielsweise in unseren Fachausschüssen geschieht.
Frau Kollegin Kortmann hat bedauernd angesprochen,
dass all das Fachliche, was hier möglicherweise bei eini-
gen noch nicht abrufbar war, durchaus hätte abgerufen
werden können. Vielleicht wird das bei konstruktiver Ar-
beit in den Fachausschüssen möglich.
Lieber Kollege Ruck, wenn ich Ihren Zeigefinger sehe,
möchte ich sagen: Im Grunde wissen es ja alle von Ihnen
viel besser, als sie es hier vortragen. Sie wissen, wie ge-
schätzt und geachtet unsere Arbeit in diesem Bereich ist.
Ich hatte überhaupt nichts dagegen, dass Sie das Haar in
der Suppe als Schwerpunkt der heutigen Auseinanderset-
zung sahen, aber es wäre schon besser, wenn Sie zu einer
konstruktiven, differenzierten und kritischen Oppositi-
onsarbeit kämen. Ich weiß nicht, ob das schädlich für Sie
ist, Herr Kollege Ruck: Sie haben es ja ein bisschen ver-
sucht. Vielleicht lässt sich daraus Hoffnung schöpfen.
Auf jeden Fall kann ich sagen, dass die SPD-Fraktion
sich der Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit
sehr wohl bewusst ist, übrigens nicht erst nach dem
11. September des vergangenen Jahres, sondern auch
schon vorher. Natürlich gehört auch die Bekämpfung der
Ursachen des Terrors zum Themenbereich unserer Ent-
wicklungszuammenarbeit.
Die Bundesregierung hat einen Haushalt vorgelegt, der
entgegen dem durch die Sparzwänge gesetzten generellen
Trend einen beachtlichen Aufwuchs aufweist. Sie können
ja lange diskutieren, lieber Kollege Weiß, aber wenn Sie
PeterWeiß
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002
Detlef Dzembritzki
die Entwurfszahlen und die tatsächlichen Zahlen verglei-
chen, werden Sie eine Steigerung feststellen.
Es ist doch Haarspalterei, wenn wir nun anfangen,
Terrorismusbekämpfungsmittel und Stabilitätspaktmittel
hinzu- oder herauszurechnen. Es sind Mittel,
die wir – Sie wissen, dass das die Konzeption des Hauses
ist – zum Aufbau der Zivilgesellschaft einsetzen, um
gemäß dem präventiven Charakter unserer Arbeit aggres-
sive Entwicklungen zu verhindern, um dafür Chancen zu
bieten, dass Menschen ihre Konflikte friedlich miteinan-
der lösen und es nicht zu Krieg und Spannungen bzw. zur
Zerstörung ihres Landes kommt.
Wir haben in Afghanistan – Sie haben den Stabilitätspakt
angesprochen – bewiesen, dass durch das Instrument der
Entwicklungszusammenarbeit nicht nur Chancen eröffnet
worden sind, sondern Wesentliches erreicht wurde. Gerade
vor dem Hintergrund der Entwicklung in Mazedonien kön-
nen wir ein Stück weit zufrieden damit sein, dass diese In-
strumente gegriffen und wir so eine schlimme Entwicklung
verhindert haben.
Im Haushaltsplan sehen wir einen guten Mix von mul-
tilateraler und bilateraler Zusammenarbeit vor. Herr
Kollege Ruck, ich stimme Ihnen zu, dass wir bei verschie-
denen internationalen Organisationen und Strukturen
schauen müssen, ob dort noch stärker als bei uns Bürokra-
tie abgebaut werden muss. Es ist richtig – Sie haben das
angesprochen –, dass zum Beispiel das Volumen des
Europäischen Entwicklungsfonds im Entwurf ein wenig
reduziert wurde, weil wir wissen, dass die Mittel aus die-
ser Pipeline nicht so fließen, wie wir uns das wünschen.
Hier sind die richtigen Konsequenzen gezogen worden.
Wir sollten aber nicht in den Fehler verfallen, multi-
laterale und bilaterale Zusammenarbeit gegeneinander
auszuspielen.
Vielmehr sollten wir sehen, dass beide Instrumente für
uns von Bedeutung sind und genutzt werden müssen. Das
liegt in unserem Interesse. In der außenpolitischen De-
batte haben Sie vorhin gefordert, dass gerade von deut-
scher Seite aus die multilaterale Zusammenarbeit ange-
gangen werden müsse; in dieser Debatte fordern Sie jetzt,
dass das nicht in der gleichen Weise verfolgt werden solle.
Sie müssen sich schon entscheiden, wofür Sie sich hier
aussprechen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich mir die
Haushaltsdebatte des letzten Jahres anschaue, stelle ich
fest, dass der Herr Kollege von Schmude – er war damals
Berichterstatter für den Haushalt – in seiner Rede kriti-
siert hat, dass die Mittel im Haushalt des Ministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nicht
in gleichem Maße erhöht wurden wie andere. In diesem
Jahr haben wir eine entgegengesetzte Entwicklung: Trotz
einer Reduzierung des gesamten Haushalts verzeichnen
wir für den Etat des Entwicklungshilfeministeriums einen
Anstieg der Baransätze und einen wesentlichen Anstieg
der Verpflichtungsermächtigungen. All das, was damals
gefordert wurde, wird mit diesem Haushaltsplan umge-
setzt. Ich hätte es als angenehm empfunden, wenn das von
Ihrer Seite konstruktiv-kritisch begleitet worden wäre.
Im Haushaltsplan haben wir – ich denke, das ist ein
wichtiger Hinweis – insbesondere die Vorhaben der zivil-
gesellschaftlichen Gruppen, der Nichtregierungsorgani-
sationen, der kirchlichen Träger, der politischen Stiftun-
gen und des zivilen Friedensdienstes bei den Baransätzen
und bei den Verpflichtungsermächtigungen berücksich-
tigt. Die hervorragende Arbeit, die gerade von diesen Or-
ganisationen und Institutionen geleistet wird, verdient un-
seren Dank und unsere Unterstützung. Bei dem von Ihnen
angeführten Zitat des Vorsitzenden von Venro hat sich ge-
zeigt, dass diese Organisationen wissen, dass sie in uns ei-
nen verlässlichen Partner haben.
Die von uns vorgenommene Steigerung bei der politi-
schen Bildungsarbeit ist ebenfalls wichtig für uns alle.
Auch in Zukunft wird es darauf ankommen, dass wir in
unserer Bevölkerung ein Verständnis für die Notwendig-
keit dieser internationalen Zusammenarbeit wecken. Wir
müssen dafür sorgen, dass die Steigerung im Bereich der
Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttosozialpro-
dukts, die wir gemeinsam wollen, in der Bevölkerung ver-
standen wird. Die politische Bildungsarbeit ist eine we-
sentliche Voraussetzung dafür.
Von dieser Stelle aus möchte ich der evangelischen und
der katholischen Kirche Dank sagen, dass sie in Schwerin
bzw. Trier die großen Aktionen „Brot für die Welt“ und
„Adveniat“ gestartet haben. Diese Arbeit ist sehr wichtig,
weil sie in die Breite geht und weil dort nicht nur nach öf-
fentlichen Geldern gerufen wird, sondern weil mit den
Spenden der Bevölkerung ein wesentlicher Beitrag dazu
geleistet wird, dass internationale Solidarität wahrgenom-
men werden kann.
Ich finde es interessant – auch wenn wir vier Jahre Re-
gierungszeit hinter uns haben, werde ich Sie aus der Ver-
antwortung nicht entlassen –, dass Sie, Herr Löning, und
auch die Kollegen Ruck und Weiß sich über die finanziell
offensichtlich katastrophale Situation in Uganda Gedan-
ken machen. Die finanzielle Situation, die Sie uns hinter-
lassen haben, trägt eben nach wie vor dazu bei, dass wir
uns hinsichtlich der ODA-Quote der sozialdemokrati-
schen Zielmarke nur schrittweise annähern können.