Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
vorgelegte Verteidigungsetat ist – ich kann es nicht anders
beschreiben – ein einziges Armutszeugnis,
weil die Bundeswehr – davon ist schon gesprochen wor-
den –, die unsere Anerkennung für ihren schweren Einsatz
und Dienst verdient, nicht das bekommt, was sie für ihre
Aufgaben braucht.
Die Bundeswehr leidet unter der rot-grünen Bundesre-
gierung. Diese Bundesregierung will auf der einen Seite
außenpolitisch in der ersten Reihe sitzen, ist aber nicht be-
reit, der Bundeswehr die Mittel zu geben, die ihr zur Ver-
fügung gestellt werden müssten.
Herr Bundesverteidigungsminister, so einsam, wie Sie
jetzt auf der Regierungsbank sitzen, so einsam sitzen Sie
anscheinend auch im Kabinett; das ist jedenfalls mein
Eindruck.
Die Bundeswehr und ihre Angehörigen leiden darun-
ter, dass die rot-grüne Bundesregierung das politische
Verhältnis zum größten NATO-Partner, den USA, in einer
Weise belastet hat, wie es noch nie in der Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland vorgekommen ist.
Noch vor vier Jahren schrieb die Koalition in ihre Ko-
alitionsvereinbarung wörtlich:
Die USA sind der wichtigste außereuropäische Part-
ner Deutschlands. Die enge und freundschaftliche
Beziehung zu den USA beruht auf gemeinsamen
Werten und gemeinsamen Interessen.
Das ist richtig und so in Ordnung. Nur, dann frage ich
mich: Warum handeln Sie nicht danach?
Mein Fraktionsvorsitzender Wolfgang Gerhardt hat in
der heutigen Debatte schon einmal die Ministerin
Wieczorek-Zeul zitiert. Ich will noch etwas hinzufügen:
Was, glauben Sie, halten deutsche Soldaten, die mit Ame-
rikanern zusammen im Ausland sind, davon, dass Frau
Wieczorek-Zeul in einem Fernsehinterview erklärt, die
USA-Regierung öffne die Büchse der Pandora. – Falls Sie
nicht wissen, was es mit der Büchse der Pandora auf sich
hat, will ich es Ihnen erklären. Pandora ist eine Frau in der
griechischen Mythologie, die alles Unheil dieser Welt in
einem Gefäß trägt, um es auf Anweisung von Zeus aufzu-
machen.
Ich sehe, dass nun gar kein Minister mehr auf der Re-
gierungsbank sitzt.
– Sie sind als Abgeordneter da, Kollege Struck.
Ich kann nur sagen: Wer solche Äußerungen gegenüber
unseren amerikanischen Partnern macht, muss aus dem
Kabinett rausgeschmissen werden.
Das ist ein Niveau, das nicht dazu beiträgt, das deutsch-
amerikanische Verhältnis zu verbessern. Das ist ein Ni-
veau, das vielleicht gerade noch für den Vorsitzenden ei-
nes Ortsvereins irgendwo in Hessen-Süd reicht.
In der neuen Koalitionsvereinbarung heißt es nun, dass
sich die Bundeswehr im Wandel zu einer Armee im Ein-
satz befinde. – Das habe ich mit großem Interesse gelesen,
weil dem auch die Grünen zugestimmt haben. Es heißt wei-
ter – das ist natürlich auch richtig –: „Dafür sind moderne,
gut ausgerüstete und schnell verfügbare Einsatzkräfte er-
forderlich.“ Ich frage mich, warum Sie das nicht im Haus-
halt umsetzen, wenn Sie es in die Koalitionsvereinbarung
hineinschreiben. Warum machen Sie das nicht? Das haben
Sie uns, Herr Minister, bisher noch nicht vorgetragen.
Der Bundeswehr fehlt es an allen Ecken und Enden.
Die Liegenschaften sind in einem katastrophalen Zustand
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002 953
und die Besoldung unserer Soldaten, vor allem in den un-
teren Dienstgraden, ist kaum noch zu verantworten. In
vielen Bereichen ist das Material älter als die Wehrpflich-
tigen. Wohin man in der Bundeswehr auch schaut, überall
herrscht Planwirtschaft über Planwirtschaft.
Das Heer soll nun weniger Kampfhubschrauber be-
kommen. Die Luftwaffe soll bei der Beschaffung des
Transporthelikopters NH 90 strecken und bei der Marine
sollen starke Abstriche gemacht werden usw.
Herr Minister, der Haushalt, den Sie uns heute vorle-
gen, ist zum ersten Mal Ihr Haushalt. Wir als FDP können
weder in der Koalitionsvereinbarung noch im Etat die
Handschrift des Verteidigungsministers Struck erkennen.
Wir erkennen einzig und allein die Handschrift des
Bundesfinanzministers Eichel. Sie, Herr Bundesverteidi-
gungsminister, sind nicht Gestalter, sondern im Auftrag
von Herrn Eichel Konkursverwalter des Etats.
Das Motto dieser Regierung lautet: mehr Einsätze der
Bundeswehr für weniger Geld. Der Kollege Austermann
hat das Transportflugzeug A400M bereits angespro-
chen. Ihr Vorgänger, Herr Minister Struck, hat in der De-
batte über das Transportflugzeug A400M am 24. Januar
dieses Jahres für die Koalitionsfraktionen erklärt, die Be-
schaffung von 73 Transportflugzeugen bewege sich eher
an der unteren Grenze des Erforderlichen.
Da Sie jetzt reduzieren, frage ich Sie: War die Aussage
von damals falsch oder richtig? Ist Ihre Aussage richtig?
Sie, Herr Bundesverteidigungsminister, erklären uns jetzt,
wahrscheinlich werden nur 60 Transportflugzeuge be-
schafft, Sie müssen reduzieren. Herr Minister, ich will Sie
nur der Ordnung halber darauf aufmerksam machen, dass
die Koalition – es waren nicht die Oppositionsparteien,
die waren schon rausgegangen – einen Antrag über die
Beschaffung von 73 Transportflugzeugen eingebracht
hat. Diesen Antrag – das ist die Drucksache 14/8024 vom
22. Januar 2002 – hat der Deutsche Bundestag mit den
Stimmen der Koalition beschlossen. Heben Sie diesen
Beschluss erst einmal auf!
Übrigens ist eines ganz interessant: Der Antrag trägt
die Unterschrift des Fraktionsvorsitzenden Dr. Peter
Struck.
Vielleicht lernt er noch dazu. Dass er noch etwas dazu-
lernen muss, ist nichts Schlimmes. Einen Lernerfolg hat
er ja schon gehabt. Inzwischen kann er einen Spürpanzer
Fuchs von einem Transportpanzer Fuchs unterscheiden.
Nur, Herr Minister – deswegen spreche ich das an; an-
sonsten finde ich es sympathisch, dass Sie sich vor Ihre
Leute stellen –, wir wüssten gern, wie Sie und die Bun-
desregierung zu den israelischen Anforderungen nach
Ausstattung mit einem Transportpanzer Fuchs stehen.
Ich weiß natürlich, dass das eine geheime Entscheidung
des Bundessicherheitsrates ist. Wenn aber der Vorsitzende
des Verteidigungsausschusses, der von mir sehr ge-
schätzte Kollege Robbe, sagt, das müsse man machen,
und die Grünen einstimmig im Chor sagen, das kommt
überhaupt nicht in Frage, dann haben wir eine öffentliche
Diskussion. Dann können Sie das nicht mehr in einem ge-
heimen Zirkel lassen. Dann müssen Sie uns einmal sagen,
wie die Bundesregierung dazu steht, wenn der eine hü und
der andere hott sagt.
Herr Bundesverteidigungsminister, Sie persönlich ha-
ben vor der Bundestagswahl wörtlich versprochen: Auf-
trag und Mittel der Bundeswehr werden in Einklang ge-
bracht.