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ID1500501700

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    Vokabeln: 10
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 173 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Frak- tionen (Drucksache 15/18) . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Bestim- mung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen (Drucksache 15/17) . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen der SPD, CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP: Einsetzung von Aus- schüssen (Drucksache 15/19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . . . . . 173 B Ronald Pofalla CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 174 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 C Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 B Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der Aussprache zur Regie- rungserklärung des Bundeskanzlers Wolfgang Clement, Bundesminister BMWA 177 B Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 184 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 D Rainer Brüderle FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 A Ludwig Stiegler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 D Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 195 D Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 A Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 199 D Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 D Dr. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 203 B Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 C Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 208 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 214 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 A Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 221 B Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 227 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 C Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . . 233 A Plenarprotokoll 15/5 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 5. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 I n h a l t : Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 D Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . . 236 C Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . 241 A Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 B Arnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 245 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 C Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . 250 B Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 A Eduard Oswald CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 255 A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 A Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . 258 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF 261 A Georg Schirmbeck CDU/CSU . . . . . . . . . 262 B Angelika Volquartz CDU/CSU . . . . . . . . 262 D Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 265 B Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 268 B Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 A Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 273 B Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ 274 C Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 277 B Nicolette Kressl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 279 C Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . 280 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 C Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 D Nicolette Kressl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 C Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 B Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 287 A Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 289 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 D Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 293 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 173 5. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    (A) (B) (C) (D) 290 (A) (C) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 291 Berichtigung 4. Sitzung, Seite 11 (B), Zweiter Absatz, der ersten Satz ist wie folgt zu lesen: „Sie, Herr Kollege Struck, drohen die erforderliche Strategiediskussion vollkommen zu verschlafen und laufen Gefahr, diese wie unser Engage- ment mit KSK in Afghanistan vor unserer deutschen Bevölkerung verheimlichen zu wollen.“ Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 293 (C)(A) van Essen, Jörg FDP 30.10.2002 Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 30.10.2002 Joseph DIE GRÜNEN Koschyk, Hartmut CDU/CSU 30.10.2002 Möllemann, Jürgen W. FDP 30.10.2002 Niebel, Dirk FDP 30.10.2002 Nolting, Günther FDP 30.10.2002 Friedrich Dr. Nüßlein, Georg CDU/CSU 30.10.2002 Otto (Frankfurt), FDP 30.10.2002 Hans-Joachim Pieper, Cornelia FDP 30.10.2002 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 30.10.2002 Schröter, Gisela SPD 30.10.2002 entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ludwig Stiegler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-

    Fraktion begrüßt den neuen Bundesminister und dankt
    ihm, dass er das schönste Amt, das Deutschland nach dem
    des Kanzlers zu vergeben hat, verlassen hat, um hier zu ar-
    beiten. Wir werden ihn bei seiner Arbeit unterstützen, be-
    gleiten und gelegentlich auch mit ihm streiten.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Rainer Brüderle




    Ludwig Stiegler

    Herr Brüderle hat in einem lucidum intervallum ge-
    sagt, der Wahlkampf sei vorbei. Aber er hat, wie auch Herr
    Merz, offenkundig noch die Schallplatte des Wahlkamp-
    fes aufgelegt.


    (Rainer Brüderle [FDP]: Der Wahlkampf war viel härter!)


    Wenn ich solche Reden höre, muss ich an Kurt Tucholsky
    denken. Er hat irgendwann einmal gesagt: Habe ich das
    schon gegessen oder soll ich das noch essen? Mir ergeht
    es so wie mit dem Lungenhaschee.


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich muss sagen: Diese Chance war vertan. Bei Herrn
    Merz erkenne ich durchaus an, dass er deutlicher als im
    Wahlkampf geworden ist. Im Wahlkampf wurden die
    Sozialausschüsse als Mauer vorgeschoben und ins Schau-
    fenster gestellt. Jetzt sind sie wieder in der Requisitenkam-
    mer. Nun beginnt der Kampf gegen die Betriebsverfassung,
    das Tarifvertragsgesetz sowie die Teilzeitbeschäftigung.

    Herr Merz, nehmen Sie zur Kenntnis: CDU/CSU sind
    nicht gewählt worden, weil sie eine Gesellschaftsordnung
    wollten, die die Menschen nicht wollen. Wir wollen in den
    Betrieben den aufrechten Gang und Menschenwürde. Die
    Menschen haben uns gewählt, weil wir für Chancen ste-
    hen. Wir wollen keine Lösung der wirtschaftlichen
    Schwierigkeiten auf Kosten der Menschen. Wir wollen
    die Fasane nicht mit einem strengen Winter in die Küche
    treiben. Bei uns stehen Menschenwürde und wirtschaftli-
    che Sicherheit der Menschen im Mittelpunkt.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: So ein Schwachsinn!)


    Herr Merz und Herr Brüderle haben um Herrn Clement
    gebuhlt, weil sie meinen, er müsse jetzt schwarz-liberale
    Politik machen. Nein, wir werden mit ihm zusammen so-
    zialdemokratische und rot-grüne Politik gestalten. Wir ha-
    ben die Wahlen gewonnen, während Ihre Konzeption
    keine Mehrheit gefunden hat.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die SPD in Bayern hat mordsmäßig zugeschlagen!)


    Die gegenwärtigen Schwierigkeiten sind weltwirt-
    schaftlich bedingt.


    (Zurufe von der CDU/CSU: Ah!)

    Helmut Schmidt hat einst in Anlehnung an den Beitrag
    von Walther Rathenau „Die Wirtschaft ist das Schicksal“
    geschrieben: Die Weltwirtschaft ist unser Schicksal. Auch
    die Gutachter sehen die Sorgen, die wir haben: Irak, Öl,
    Verfall der Aktienkurse, verbunden mit Vermögensabbau,
    Auswirkungen auf die Unternehmensfinanzierung usw.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Vertrauensmissbrauch!)


    Von außen werden insofern erhebliche Einflüsse wirksam.

    Wir haben aber durchaus Möglichkeiten, uns zu enga-
    gieren. Ich erkenne ausdrücklich an, wie sich Eichel oder
    Wieczorek-Zeul in den internationalen Gremien um die
    Stabilisierung der Weltwirtschaft bemühen.


    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Wir umschwärmen auch die Europäische Zentralbank,
    den Zins so festzulegen, dass er investitionsfördernd
    wirkt, und wir erwarten, dass Europa immer dann, wenn
    Amerika schwächelt, eine gewisse Vorreiterrolle über-
    nimmt. Wir müssen uns auch dieser weltpolitischen
    Führungsverantwortung stellen.


    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir alle haben uns kor-

    rigieren müssen, was die Wachstumserwartungen an-
    betrifft. Alle – Sachverständigenrat wie auch die ent-
    sprechenden Institute – haben ein hohes Wachstum
    prognostiziert; gegenwärtig ist aber von einem Wachstum
    in Höhe von nur 1,5 Prozent auszugehen. Die meines Wis-
    sens Einzige, die mit ihrer Wachstumsprognose richtig ge-
    legen hat, ist die Kollegin Sigrid Skarpelis-Sperk. Sie hat
    uns das vor einem Jahr vorausgesagt, wir sind ihrer Ein-
    schätzung aber nicht gefolgt. Ich möchte ihr an dieser
    Stelle meine Anerkennung ausdrücken.


    (Beifall bei der SPD – Ernst Hinsken [CDU/ CSU]: Sie muss in den Wirtschaftsrat!)


    – Was wahr ist, ist wahr.
    Die Korrektur des erwarteten Wirtschaftswachstums

    hat gravierende Folgen für den Haushalt und die sozialen
    Sicherungssysteme. Wir werden eine ganze Menge tun
    müssen, damit die Risiken, die in Sachen Irak und Öl drin-
    stecken, nicht durchschlagen.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das größte Risiko sind Sie selber!)


    Deshalb bin ich dankbar, dass der Bundesfinanzminister
    den mit 29 Milliarden Euro ausgestatteten großen Inves-
    titionshaushalt ermöglicht hat. Es besteht insofern kein
    Problem im Zusammenhang mit den Bundesinvesti-
    tionen, sondern eher mit den Investitionen der Länder
    und Gemeinden.


    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)

    Wir führen das Infrastrukturprogramm durch. Die

    Neuregelungen bei der Ganztagsbetreuung, die Hochwas-
    serhilfe und die Reform der kommunalen Finanzen wer-
    den nachfragewirksam gestaltet. Auch die neuen Instru-
    mente wie Public Private Partnership werden Wirkung
    entfalten. Wir betreiben insofern eine Politik, die Inves-
    titionen fördert, und damit schaffen wir dauerhafte Vo-
    raussetzungen für Wachstum und Beschäftigung. Das
    sollten Sie unterstützen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir fördern des Weiteren die Selbstständigkeit. Ich
    möchte der KfW und der DtA ausdrücklich danken, dass
    sie bereit sind, die Mittelstandsfinanzierung auf breitere
    Grundlagen zu stellen.


    (Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Das ist doch schon längst beschlossen!)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    194


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Denn das Hauptproblem des Mittelstands stellen nicht die
    Steuern oder die Betriebsverfassung dar, sondern es liegt
    in dem vorhandenen Eigenkapital und in der Kreditfinan-
    zierung.


    (Beifall bei der SPD)

    Unsere Hauptaufgabe in dieser Legislaturperiode besteht
    in diesem Bereich darin, die Kreditfinanzierung zu regeln
    und mehr Beteiligungskapital – ob bei Mitarbeitern oder
    bei regionalen Beteiligungsgesellschaften – zu mobilisie-
    ren, um damit möglichst vielen zu helfen. Deshalb ist
    auch „Kapital für Arbeit“ so wichtig.

    Dort hinten sitzt Ernst Hinsken, dem es sicherlich nicht
    anders geht als mir: Jede Woche rufen Mittelständler an,
    die sich darüber beklagen, dass sie keinen Auftrag anneh-
    men könnten, weil ihre Bank die Finanzierung nicht über-
    nehme. Wenn die Regelung der Auftragsfinanzierung ge-
    lingt, werden auch die Banken in die Puschen kommen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Deshalb muss die Zusammenarbeit zwischen den Banken
    und dem Mittelstand organisiert werden.

    Es ist allgemein bekannt, welche Sorgen die Banken
    derzeit plagen. Basel II stellt für die Mittelstandsfinanzie-
    rung kein Problem mehr dar. Die Konditionen stimmen.
    Sorgen bereiten den Banken vielmehr die Abenteuer, auf
    die sie sich in der Vergangenheit eingelassen haben. Ich
    denke in diesem Zusammenhang beispielsweise an die
    Münchener Banken. Die Hypo-Vereinsbank und die Lan-
    deshauptstadt München müssen für Stoibers Kirch-Aben-
    teuer schwer büßen und bluten. Aber so etwas darf nicht
    zulasten der kleinen und mittleren Unternehmen gehen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Zur Beschäftigungsförderung tragen der Aufbau Ost,
    die Infrastrukturförderung, die Förderung der unterneh-
    merischen Kräfte und die Fortsetzung der Gemein-
    schaftsaufgaben bei. Ich, der ich als Oberpfälzer in einer
    Region groß geworden bin, die vergleichbare Infrastruk-
    turprobleme hat, werde mich zusammen mit Manfred
    Stolpe sowie mit den Kolleginnen und Kollegen aus den
    neuen Bundesländern ernsthaft um den Aufbau Ost küm-
    mern. Gerade als Bayer habe ich mich immer darüber
    geärgert, wie sich die CSU gelegentlich gegenüber den
    neuen Bundesländern aufgeführt hat.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ohne Bayern wären die neuen Länder gar nicht zu finanzieren!)


    Wir werden den Bundeswirtschafts- und Arbeitsmi-
    nister bei der Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kom-
    mission unterstützen nach dem Motto: strikte Einhaltung,
    volle Anwendung! Wir werden fördern und fordern und
    nicht wie die FDP und die CDU/CSU quälen und jagen.
    Das ist der Unterschied. Wir werden die Menschen dort
    abholen, wo sie stehen, und mitnehmen. Die Einbezie-
    hung der Menschen ist unser Programm.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Dazu wird Klaus Brandner gleich noch mehr sagen.
    Unser Leitbild ist eine solidarische Leistungsgesell-

    schaft und nicht eine Shareholder-Value-Gesellschaft, in
    der alles auf Kapitalvermehrung ausgerichtet ist. Wir wol-
    len eine Gesellschaft, in der die Arbeitnehmer genauso
    wie die Städte und Gemeinden sowie die Kultur am Wirt-
    schaftsgeschehen Anteil nehmen. Sie sollten den Staat
    nicht wie einen ungeliebten stillen Gesellschafter der Un-
    ternehmen betrachten und meinen, dass nur das, was man
    dem Staat verweigert, gut sei. Wer Bildung, Forschung,
    Infrastruktur sowie innere und äußere Sicherheit will,
    braucht einen handlungsfähigen und leistungsfähigen
    Staat. Das geht nicht im Gegeneinander, sondern nur im
    Miteinander von Staat und Wirtschaft.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    In diesen Zusammenhang gehören auch eine neue

    Ethik des Wirtschaftens und die Verantwortung für die
    Gemeinschaft. Es würde gerade den Unionsparteien gut
    anstehen, gelegentlich die Soziallehren der Kirchen nach-
    zulesen, in denen nicht das Kapital, sondern der Mensch
    und die Menschenwürde im Mittelpunkt stehen. Darauf
    müssen wir im Umgang mit den Älteren und den Arbeits-
    losen achten. Wenn Sie von der Senkung der Lohnneben-
    kosten reden, dann sollten Sie daran denken, dass mit die-
    sen die Renten unserer Eltern, der Gesundheitsschutz für
    die Kranken und die Versorgung der Pflegebedürftigen
    bezahlt werden.


    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie plündern doch die beiden Kassen!)


    Wer immer nur über die Lohnnebenkosten schimpft, der
    verletzt unsere solidarischen Pflichten gegenüber denje-
    nigen, die durch die Lohnnebenkosten finanziert werden.
    Letztlich arbeiten wir, um uns das leisten zu können, und
    nicht, um wie König Midas nur das Gold zu vermehren.
    Das ist der Ansatz.


    (Beifall bei der SPD)

    Wir sollten über die Ethik des Wirtschaftens mitei-

    nander streiten und uns über sie verständigen. Wenn man
    über die Lohnnebenkosten redet, kann man natürlich auch
    über die Effizienzgewinne diskutieren. Aber man darf
    nicht eine älter werdende Gesellschaft beklagen und dann
    die Folgen nicht tragen wollen. Wir sagen: Unser ganzes
    Wirtschaften und Arbeiten dient dazu, dass wir mitei-
    nander gut leben können. Das ist der Leitsatz, an dem wir
    uns orientieren.

    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Nächste Rednerin in der Debatte ist die Kollegin

Dagmar Wöhrl, CDU/CSU-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dagmar G. Wöhrl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kol-

    lege Stiegler, ich wünsche Ihnen auch in Ihrem neuen Amt

    Ludwig Stiegler




    DagmarWöhrl
    eine glückliche Hand. Ich habe während Ihrer Rede eben
    versucht, herauszufinden, warum Ihr Kollege Ude, der
    Münchener Oberbürgermeister, Ihnen ein Einreiseverbot
    erteilt hat.


    (Beifall des Abg. Dr. Peter Ramsauer [CDU/ CSU] – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Daran muss erinnert werden!)


    Letztlich habe ich mir das aber nicht erklären können.
    Vielleicht teilen Sie mir später den Grund mit.

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, eines müs-
    sen wir der rot-grünen Koalition lassen: Sie haben eine
    enorme Geschwindigkeit an den Tag gelegt. Ich kann es
    wirklich nicht fassen, in welcher Rekordzeit Sie es ge-
    schafft haben, Ihren Wahlsiegerbonus zu verspielen,


    (Peter Dreßen [SPD]: Den muss man erst mal haben! Woher wollen Sie das wissen?)


    die Bürger zu enttäuschen und die Wirtschaft zu frustrie-
    ren. Ich hätte auch nicht gedacht, dass nach der Wahl ein
    Aufkleber mit dem Text „Jammert mir nichts vor, ich habe
    CDU gewählt“ unwahrscheinlichen Absatz findet.


    (Peter Dreßen [SPD]: Wunschdenken ist das!)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben uns

    einen Koalitionsvertrag vorgelegt, der nicht nur über-
    hastet erstellt wurde. Er ist mutlos, er ist kraftlos. Er ba-
    siert auf Zahlen, die nicht mehr aktuell sind. Er geht von
    einem viel zu niedrigen Defizit und viel zu hohen Wachs-
    tumsraten aus. Er ist nichts anderes als ein wirres Knäuel
    von irgendwelchen Notmaßnahmen, ein heilloses Durch-
    einander, ein hektischer Versuch, notdürftig selbst produ-
    zierte Haushaltslöcher zu schließen.

    Notwendige echte Reformen fehlen vollständig. Kein
    einziger Punkt darin führt zu mehr Arbeitsplätzen. Alles
    geht in nur eine Richtung: mehr Schulden, mehr Steuern,
    mehr Abgaben. Es zeigt sich uns ein Dokument der Vi-
    sionslosigkeit, wie es schlimmer nicht sein kann.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Ludwig Stiegler [SPD]: Danke für die Krokodilstränen!)


    Der Fehlstart, den Sie jetzt hinlegen, ist noch viel
    schlimmer als Ihr Fehlstart 1998. Das ist doch alles ein
    chaotisches Hin und Her: Finanzpläne werden beschlos-
    sen und danach wieder relativiert oder total aufgehoben.
    Keiner weiß, woran er ist. Was ist jetzt mit den Spekula-
    tionsgewinnen? Was ist jetzt mit der Eigenheimzulage?
    Was ist mit der Spendenabzugsfähigkeit? Klären Sie doch
    endlich einmal auf! Sie hätten besser Ihre Überlegungen
    angestellt, noch bevor Sie das alles in einen Koalitions-
    vertrag geschrieben haben. Sie sind doch nur noch ein Re-
    paraturbetrieb.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Jeder Punkt auf Ihrer Streichliste ist beliebig angreif-
    bar.


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Diese Rede haben Sie schon einmal gehalten!)


    Warum? – Weil Sie kein Konzept haben. Sie haben keine
    Strategie und Sie können nichts weiter als ratlose Flick-
    schusterei.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Klaus Brandner [SPD]: Sagen Sie doch mal etwas zu Ihrem Konzept! Erzählen Sie uns doch mal etwas Inhaltliches, Frau Wöhrl! Klären Sie uns doch mal auf!)


    – Warten Sie ab, lieber Kollege!
    Wo sind denn Ihre Impulse? Wo ist denn die Auf-

    bruchstimmung, die wir brauchen? Wo ist die Hoffnung,
    die vor allem kleine und mittlere Betriebe brauchen, da-
    mit wir aus diesem Wirtschaftskoma wieder herauskom-
    men? Sie haben doch das Vertrauen schon ganz am An-
    fang zutiefst enttäuscht.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das ist das große Problem; denn wir alle wissen, dass
    Wirtschaftspolitik zu 50 Prozent Psychologie ist.

    Nicht nur die Stimmung des Mittelstandes ist im
    Keller: Der Ifo-Geschäftsklima-Index sinkt nun zum
    fünften Mal in Folge.


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Und die Welt geht übermorgen unter!)


    Die aktuelle Herbstumfrage von Creditreform zeigt,

    (Ludwig Stiegler [SPD]: Der Himmel stürzt ein!)

    dass die Investitionsbereitschaft der kleinen und mitt-
    leren Betriebe drastisch gesunken ist; der entsprechende
    Wert liegt bei 25,8 Prozent, ein Rückgang um 17,4 Pro-
    zent zum letzten Jahr. Die DIHK-Umfrage hat ergeben:
    Ein Drittel aller mittelständischen Betriebe will Arbeits-
    plätze abbauen, von der Schaffung neuer Arbeitsplätze
    ganz zu schweigen. Sie machen genau das Gegenteil von
    dem, was nötig wäre, was ökonomisch intelligent wäre.
    Ihnen fehlen nicht nur die Fantasie und die Kraft, sondern
    Sie sind auch noch beratungsresistent, meine Damen und
    Herren.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    In ihrem Herbstguthaben fordern die Wirtschaftsexper-
    ten zu Recht, weder die Steuern noch die Sozialabgaben
    zu erhöhen, um die Wachstumskräfte nicht zu schwä-
    chen. Das ist ja auch logisch. Es ist doch sonnenklar:
    Wenn eine Wirtschaft am Boden liegt, wenn die Konjunk-
    tur daniederliegt, darf man auf die Belastungen nicht noch
    draufsatteln, sondern man muss entlasten, um einen Wirt-
    schaftsaufschwung zu bekommen. Und was machen Sie?


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Nur schwarz malen und schwarz reden!)


    Sie produzieren ein grandioses Steuererhöhungspro-
    gramm auf breiter Front.

    Meine Damen und Herren von der Regierung, so wer-
    den Sie keinen Beitrag zu dem EU-Beschluss von Lissabon
    2000 leisten, wonach angestrebt wird, Europa in zehn Jah-
    ren zum dynamischsten Wirtschaftsraum der ganzen Welt


    (A)



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    zu machen. Im Gegenteil, Ihr Programm ist kontrapro-
    duktiv. Sie arbeiten daran, dass es nicht so sein wird.


    (Klaus Brandner [SPD]: Jetzt sagen Sie uns mal etwas zu Ihrem Programm! – Ludwig Stiegler [SPD]: Bitte stürzen Sie sich nicht aus dem Fenster vor lauter Verzweiflung!)


    Tatsache ist doch, dass schon vorher Steuererhöhungen
    beschlossene Sache waren: 12 Milliarden Euro zum 1. Ja-
    nuar 2003. In der nächsten Stufe der Ökosteuer in Höhe
    von 2,8 Milliarden Euro kommt die Erhöhung von Ta-
    baksteuer und Versicherungsteuer ebenso hinzu wie die
    Verschiebung der Steuerreform mit einem Volumen von
    6,3 Milliarden Euro. Jetzt folgt noch die Mehrbelastung
    im Zusammenhang mit den Beschlüssen aus der Koaliti-
    onsvereinbarung. Allein der Bund wird in den nächsten
    vier Jahren den Arbeitnehmern und den Betrieben 30Mil-
    liarden Euro mehr aus der Tasche ziehen. Sie werden gna-
    denlos geschröpft.

    Wir haben ein großes Problem mit unserer Binnen-
    konjunktur, weil keine Kaufkraft mehr vorhanden ist.
    Wenn Sie den Menschen immer mehr Geld aus der Tasche
    ziehen, werden Sie nicht zu einer Stärkung der Kaufkraft
    beitragen.

    Sie planen die Abschaffung der Ökosteuerermäßigung
    für das produzierende Gewerbe. Haben Sie denn verges-
    sen, warum das damals vereinbart worden ist? Das hing
    damit zusammen, dass diese Betriebe keinen Wettbe-
    werbsnachteil gegenüber ihren ausländischen Mitbewer-
    bern erleiden sollten. Das war der Grund. Das hing damit
    zusammen, dass von diesem Bereich der Wirtschaft eine
    Selbstverpflichtung betreffend Energieeinsatz und Pro-
    duktion übernommen worden ist. Alles vergessen! „Pacta
    sunt servanda“ hat es einmal geheißen.


    (Zuruf des Abg. Ludwig Stiegler [SPD])

    – Sie wissen es auch, Herr Stiegler. Sie sind doch Jurist.
    Vielleicht sollten Sie sich ab und zu einmal daran erinnern.

    Zum Thema Mindeststeuer. Sie suggerieren nach
    draußen, steuerfaule Unternehmen müssten sich im Inte-
    resse des Gemeinwohls auch beteiligen.


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Was hat denn der Stoiber im Wahlkampf gesagt?)


    Lügen Sie hier doch nicht so!

    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Was Sie damit auf den Weg bringen, ist nichts weiter als
    ein bürokratisches Monster. Es belastet Existenzgründer,
    es belastet forschungsintensive Projekte. Damit bekom-
    men wir eines nicht hin, was wir doch alle wollen, näm-
    lich mehr Selbstständigkeit.


    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die SPD nicht!)


    Wir wollen mehr Selbstständigkeit, die auch Arbeitsplätze
    schafft. Wir wollen wieder einen Innovationsgeist in un-
    serem Unternehmen Deutschland haben.

    Wie soll denn ein Existenzgründer motiviert werden,
    wenn man ihm sagt: „Wenn du deine Anfangsverluste

    nicht in den ersten sieben Jahren wieder hereinholst,
    bleibst du drauf sitzen“? Da ist es doch nicht motivierend,
    sich selbstständig zu machen! Das ist doch unsinnig.

    Ich erinnere Sie daran, dass Sie vor der Wahl im Zu-
    sammenhang mit der Eigenheimzulage von einer gesell-
    schaftspolitischen Aufgabe gesprochen haben. Sie haben
    dieser Zulage einen hohen gesellschaftspolitischen Stel-
    lenwert gegeben. Was ist jetzt? Es gibt eine erneute Kür-
    zung, nachdem Sie schon in der letzten Legislaturperiode
    gekürzt haben. Diese Kürzung jetzt bedeutet praktisch das
    Aus. Privaten Bauherren wird jeglicher Investitionsreiz
    genommen. Es ist ein Tiefschlag gegen die Bauwirtschaft
    ohnegleichen. Dabei liegt der Wohnungsbau ohnehin
    schon am Boden und die Beschäftigtenzahl in diesem Be-
    reich geht nach unten. Allein in diesem Jahr ist da mit ei-
    nem Verlust von 60 000 Jobs zu rechnen.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Ein Skandal!)

    Das alles geschieht vor dem Hintergrund einer ohnehin

    schon schlechten Lage des Mittelstandes. Völlig zu Recht
    ist die geringe Eigenkapitalquote des Mittelstands – sie
    liegt zum Teil unter 5 Prozent – angesprochen worden.
    Für den Mittelstand gilt aber noch etwas anderes: Der
    Mittelstand arbeitet immens personalintensiv. Dort sind
    die meisten Menschen in Brot und Arbeit. Wenn Sie die
    Arbeit teurer machen, indem Sie die Sozialversicherungs-
    beiträge nach oben schrauben, wie im Koalitionsvertrag
    geplant, und die Lohnnebenkosten erhöhen, dann – das
    wissen Sie genau – führt das zu einer zusätzlichen Belas-
    tung in dem Bereich, die viele Betriebe in der Zukunft
    nicht mehr werden tragen können.

    Es drohen Insolvenzen und das wissen Sie. Wenn man
    schon weiß, dass Insolvenzen drohen, dann muss man
    eine Wirtschaftspolitik machen, die das verhindert, und
    darf nicht noch weiter draufsatteln nach dem Motto: Na
    ja, wenn es noch ein paar Insolvenzen mehr werden, dann
    macht das auch nichts. – Das ist Ihre Politik. Das ist eine
    falsche Politik.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Allein durch die Pleitewelle in diesem Jahr haben
    310 000 Menschen ihre Arbeitsplätze verloren. Daran
    hängen Schicksale. Daran hängen Familien. Das muss
    man bedenken, wenn man Gesetze auf den Weg bringt.

    Ihre Koalitionsvereinbarung könnte man als eine ganz
    große Tarnkappe bezeichnen. Sie tarnen Steuererhöhun-
    gen als Sparmaßnahmen, aber Sie sparen nicht. Statt zu
    sparen machen Sie genau das Gegenteil. Sie betreiben
    eine massive Verschuldungspolitik – weg von Ihrem so
    genannten Konsolidierungspfad, den Sie immer so sehr
    proklamiert haben. Dabei ist es doch notwendig, unser
    Land mit Reformen fit zu machen. Jetzt haben Sie die
    Chance dazu. Wann hat man die beste Chance, Reformen
    anzugehen? Das ist doch am Anfang und nicht am Ende
    einer Legislaturperiode der Fall. Sie dagegen erwecken
    die längst begrabene Politik des Deficitspending zum Le-
    ben. Hallo, Lafontaine ist wieder da – na, wunderbar! Ich
    frage mich, warum Sie ihn nicht gleich in Ihr Kabinett ge-
    holt haben.

    Die staatlichen Ausgabenprogramme, die Sie jetzt
    auf den Weg bringen, zeugen wirklich nicht von einem

    DagmarWöhrl




    DagmarWöhrl
    wirtschaftspolitischen Neuanfang. Ihre Politik orientiert
    sich – wie alles, was Sie bisher angepackt haben – ganz
    einfach an dem Motto: Nach mir die Sintflut!


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Klaus Brandner [SPD]: Und jetzt das Konzept von Ihnen!)


    Glauben Sie denn wirklich allen Ernstes, dass die
    Schornsteine wieder rauchen werden, wenn man dem
    Wirtschaftskreislauf ein paar Finanzmittel zuführt? So
    geht es wirklich nicht. Hinter Ihrem Vorgehen steht der für
    Sie typische Glaube an die Allmacht des Staates.


    (Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/ CSU] – Klaus Brandner [SPD]: Wann kommt denn das Konzept von Ihnen?)


    Sie schaffen kein Wachstum, indem Sie den Menschen
    und den Betrieben mehr Geld aus der Tasche ziehen, neue
    Schulden machen und die „Maastricht-Latte“ reißen.


    (Hubertus Heil [SPD]: Jetzt kommen Ihre Alternativen!)


    Sie dürfen die Leistungsträger in diesem Land nicht
    verprellen; vielmehr sollten Sie darüber nachdenken, wie
    wir das Vertrauen der Investoren zurückgewinnen, damit
    es wieder zu den notwendigen Investitionen kommt. Ich
    habe bereits angesprochen, wie wichtig psychologische
    Faktoren in der Wirtschaftspolitik sind. Verlässlichkeit
    spielt zum Beispiel eine große Rolle. Ein Unternehmer
    will sich auf die Gesetzgebung verlassen können.

    Wachstum und mehr Arbeitsplätze schaffen wir nur
    durch kreatives Sparen, durch eine Entriegelung des Ar-
    beitsmarktes und durch steuerliche Entlastungen. Der
    Mittelstand braucht Luft zum Atmen:


    (Hubertus Heil [SPD]: Luft haben wir genug!)

    ein modifiziertes Günstigkeitsprinzip, ein modernes Kün-
    digungsrecht, bei dem die Lage von Problemgruppen mit
    bedacht ist – ich erinnere an ältere Arbeitslose und Lang-
    zeitarbeitslose, die auf dem Arbeitsmarkt wirklich keine
    guten Chancen haben.

    Darüber hinaus brauchen wir die Öffnung des Nied-
    riglohnsektors. Hören Sie doch auf mit dem Alibigesetz,
    das Sie zur Erleichterung der Beschäftigung von Haus-
    haltshilfen auf den Weg bringen wollen! Das sind doch
    Peanuts, das ist doch ein Tropfen auf den heißen Stein.
    Es handelt sich nur um eine Neuregulierung. Neue
    Streichfälle sind vorprogrammiert. Wir brauchen einen
    Niedriglohnsektor auf breiter Basis.

    Wir müssen zum Abbau von Einstellungshemmnissen
    kommen. Wir müssen dafür sorgen, dass wieder investiert
    wird; denn nur so werden auch zukünftig neue Jobs ent-
    stehen. Das Wichtigste ist: Wir brauchen eine neue Wirt-
    schaftsdynamik, Herr Stiegler, und keinen neuen Messias
    à la Hartz. Ich sage ganz offen, wie es ist: Von Hartz ist
    hier ja nur noch in der Form die Rede, dass man ankün-
    digt, die von ihm aufgestellten Forderungen im Verhältnis
    eins zu eins in die Praxis umzusetzen. Sein Papier wird
    hier als Bibel für den Arbeitsmarkt dargestellt. Das Ende
    der Massenarbeitslosigkeit wird verkündet. Was hier ab-
    läuft, ist doch ein Riesenbluff. Es wird kein Wunder ge-

    schehen und es werden keine Jobs vom Himmel herun-
    terregnen. Das wissen Sie ganz genau. Die Umsetzung
    dieses Konzepts wird bei weitem nicht das erfüllen, was
    Sie versprechen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es gibt einen ganz unverdächtigen Zeugen, nämlich

    Wilhelm Schickler. Von ihm kommt die Idee der Perso-
    nalserviceagenturen. Er, der Präsident des Landesarbeits-
    amtes Hessen, rechnet mit einer Vermittlung von bes-
    tenfalls 375 000 Menschen, und zwar innerhalb von
    fünf Jahren.


    (Peter Dreßen [SPD]: Das ist doch auch ein Wort!)


    Was verspricht Hartz? Die Vermittlung von 520 000Men-
    schen, und das pro Jahr. Ich stelle mir schon die Frage, wie
    er auf diese Zahl kommt. Diese Wunderwaffe wird nicht
    funktionieren.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Genau so ist es! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das haben Wunderwaffen an sich, dass sie nicht funktionieren!)


    Das Hartz-Konzept hat einen Geburtsfehler: Es be-
    kämpft die Symptome und nicht die Ursachen. Durch eine
    Vermittlungsoffensive allein kann der Arbeitsmarkt nicht
    gesunden. Zwei Drittel der Arbeitslosigkeit sind struktu-
    rell bedingt. Da helfen nur Strukturreformen. Sie müssen
    den Mut und die Kraft haben, diese Reformen anzugehen.
    Haben Sie doch endlich den Mut, das zu tun, was die Men-
    schen erwarten!


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es hilft nur eine Reform des Arbeitsrechts, die zur Ent-
    bürokratisierung führt. Das wissen Sie auch.

    Wir brauchen nicht nur Jobvermittler, sondern auch
    Jobschaffer. Das sind nun einmal die kleinen und mittle-
    ren Unternehmen. Sie vergraulen durch höhere Steuern
    und höhere Abgaben geradezu die vielen kleinen Leis-
    tungsträger in unserem Land, also diejenigen, die hier
    Arbeitsplätze schaffen wollen. Das Herbstgutachten be-
    stätigt das. Es heißt dort:

    Die Vorschläge der Hartz-Kommission können die
    hoch gesteckten Erwartungen auf eine rasche Entlas-
    tung am Arbeitsmarkt nicht erfüllen. Sie können eine
    ursachengerechte Therapie nicht ersetzen.

    Das sagt nicht die Opposition, das entstammt dem Herbst-
    gutachten.

    Herr Clement, ich glaube, es nützt auch nichts, wenn
    Sie den Gutachtern vorwerfen, sie verstünden nicht, wo-
    von sie reden.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich habe das Gefühl, dass diese rot-grüne Regierung
    selbst nicht weiß, was sie redet, und vor allem nicht weiß,
    was sie tut. Was Sie hier als neuen Fahrplan für Ihre
    zweite Amtszeit vorlegen, das ist dilettantisch, das ist
    konfus, das ist konzeptionslos. Sie versuchen zu galop-
    pieren, aber Sie galoppieren leider in die falsche Rich-
    tung. Denn Ihre Richtung heißt – auch wenn Sie es hun-
    dertmal anders beteuern –: abwärts. Sie können sich ja
    ruhig abwärts bewegen, aber Sie reißen leider andere mit.


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    Deshalb ist das ein Problem, das uns alle hier im Hause
    angeht. Dagegen werden wir uns wehren.

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)