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  • tocInhaltsverzeichnis
    Änderung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . 20033 A Begrüßung des Vizepräsidenten des spani- schen Abgeordnetenhauses, Herrn Lopez, und seiner Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20038 C Tagesordnungspunkt I: (Fortsetzung) a) Zweite Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2002 (Haushaltsgesetz 2002) (Drucksachen 14/6800, 14/7537) . . . . 20033 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unter- richtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2001 bis 2005 (Drucksachen 14/6801, 14/7324, 14/7538) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20033 B 16. Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt (Drucksachen 14/7304, 14/7321) . . . . . . . 20033 B Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 20033 D Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 20038 C Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . . 20048 B Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20053 A Hans-Peter Repnik CDU/CSU . . . . . . . . . 20055 D Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . . 20057 B Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20057 D Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20060 A Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 20064 C Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20073 D Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . . 20076 D Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20078 C Klaus Hagemann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20080 D Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 20081 D Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 20083 D Lothar Mark SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20085 D Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 20087 D Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 20088 D Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20089 C 17. Einzelplan 05 Auswärtiges Amt (Drucksachen 14/7305, 14/7321) . . . . . . . 20092 A Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 20092 A Uta Titze-Stecher SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20094 A Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 20098 B Uta Titze-Stecher SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20099 B Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20099 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20102 D Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 20104 D Volkmar Schultz (Köln) SPD . . . . . . . . . . . . . 20106 D Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU . . . . . . 20108 A Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 20110 A Volker Rühe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 20113 C Plenarprotokoll 14/204 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 204. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 28. November 2001 I n h a l t : Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20116 D Volker Rühe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 20117 B Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . . 20118 A Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 20119 A Dr. Elke Leonhard SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 20120 C Steffen Kampeter CDU/CSU (zur GO) . . . . . 20121 C 18. Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung (Drucksachen 14/7313, 14/7321) . . . . . . . 20121 D Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 20122 A Volker Kröning SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20124 D Günther Friedrich Nolting FDP . . . . . . . . . . . 20127 A Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20128 C Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20131 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20131 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 20132 A Paul Breuer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 20133 B Volker Kröning SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 20134 D Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg 20137 A Helmut Rauber CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 20142 B Hildebrecht Braun (Augsburg) FDP . . . . . . . . 20142 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20143 D Heidi Lippmann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20144 D Manfred Opel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20145 D Kurt J. Rossmanith CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 20147 B Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . 20149 A, B Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20149 D, 20152 C 19. Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Drucksachen 14/7317, 14/7321) . . . . . . . 20154 B Michael von Schmude CDU/CSU . . . . . . . . . 20154 D Dr. Emil Schnell SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20156 C Joachim Günther (Plauen) FDP . . . . . . . . . . . 20159 A Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20160 C Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20162 C Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20163 D Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU . . . . . . . . . 20166 C 28. Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit (Drucksachen 14/7315, 14/7321) . . . . . . . 20168 B Jochen Borchert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 20168 C Waltraud Lehn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20170 C Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20173 A Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20175 C Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . 20176 C Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . 20177 C Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . . 20178 D Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 20180 A Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 20182 C Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20185 A Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 20187 B Christoph Matschie SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 20189 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20192 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 20193 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 204. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. November 2001II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 204. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. November 2001
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 204. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. November 2001 Vizepräsidentin Anke Fuchs 20192 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 204. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. November 2001 20193 (C) (D) (A) (B) Altmann (Aurich), BÜNDNIS 90/ 28.11.2001 Gila DIE GRÜNEN Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 28.11.2001 Marieluise DIE GRÜNEN Behrendt, Wolfgang SPD 28.11.2001 Buntenbach, Annelie BÜNDNIS 90/ 28.11.2001 DIE GRÜNEN Follak, Iris SPD 28.11.2001 Frick, Gisela FDP 28.11.2001 Friedrich (Altenburg), SPD 28.11.2001 Peter Girisch, Georg CDU/CSU 28.11.2001 Hauer, Nina SPD 28.11.2001 Heiderich, Helmut CDU/CSU 28.11.2001 Hornung, Siegfried CDU/CSU 28.11.2001 Jünger, Sabine PDS 28.11.2001 Kraus, Rudolf CDU/CSU 28.11.2001 Dr. Küster, Uwe SPD 28.11.2001 Lippmann, Heidi PDS 28.11.2001 Müller (Berlin), PDS 28.11.2001* Manfred Nahles, Andrea SPD 28.11.2001 Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 28.11.2001 Rübenkönig, Gerhard SPD 28.11.2001 Schenk, Christina PDS 28.11.2001 Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 28.11.2001 Schlee, Dietmar CDU/CSU 28.11.2001 Schultz (Everswinkel), SPD 28.11.2001 Reinhard Dr. Freiherr von CDU/CSU 28.11.2001 Stetten, Wolfgang Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 28.11.2001 Dr. Thomae, Dieter FDP 28.11.2001 Wiesehügel, Klaus SPD 28.11.2001 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 28.11.2001 Margareta DIE GRÜNEN Dr. Zöpel, Christoph SPD 28.11.2001 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Gerhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    – Man muss dies schon einmal deutlich sagen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Fest steht zweitens, dass unter Ihrer Regierung nied-

    rige Wachstumsraten während eines Booms in Amerika
    zu verzeichnen waren. Das ist bei uns nicht der Fall. Ich
    bitte Sie, sich mit diesen beiden Argumenten ernsthaft
    auseinander zu setzen.


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das kann man nicht! Das geht nicht!)


    Ich komme nun zur Erklärung der Wachstums-
    schwäche unter Ihrer Regierung im Vergleich zum euro-
    päischen Maßstab. Diese Wachstumsschwäche kann man
    genauso gut erklären, wie man die heutige erklären kann.
    Zunächst einmal muss man sagen, dass es ein großer Un-
    sinn ist, Volkswirtschaften wie die von Irland und Portu-
    gal mit der deutschen zu vergleichen. Es ist geradezu er-
    wünscht – die Kohäsions- und Strukturfonds sind extra
    dafür geschaffen worden –, dass die wirtschaftlich
    schwächeren europäischen Länder über höhere Wachs-

    tumsraten an den europäischen Durchschnitt herangeführt
    werden. Das ist ausdrücklich erwünscht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Dies nicht zu beachten ist der erste Fehler, der gemacht
    wird.

    Wenn man Deutschland mit den großen europäischen
    Ländern vergleicht, die zwar nicht identische, aber doch
    ähnliche Volkswirtschaften haben, dann kommt man zu
    dem Ergebnis, dass sowohl für die 90er- wie übrigens für
    die 80er-Jahre und auch für die jetzige Situation der von
    Ihnen vorgetragene Befund richtig ist. Was Sie aber nicht
    mitliefern, ist eine Begründung für diesen Befund. Eine
    Begründung habe ich bereits genannt.


    (Sylvia Bonitz [CDU/CSU]: Die Arbeitslosigkeit ist höher!)


    Ich will aber noch eine zweite Begründung hinzufü-
    gen. Anfang der 90er-Jahre, insbesondere in den Jahren
    1990/91, sind aufgrund des Baubooms in der ersten Phase
    der Wiedervereinigung Kapazitäten in der Bauwirt-
    schaft im Westen, aber vor allem im Osten entstanden
    – gestern hat Hans Eichel etwas dazu gesagt –, die Mitte
    der 90er-Jahre, beginnend mit den Jahren 1994/95, mas-
    siv abgebaut werden mussten und jetzt immer noch abge-
    baut werden. Genau dieser Abbau der Baukapazitäten hat
    den Deutschen einen Wachstumsverlust von rund 0,6 Pro-
    zent jährlich eingebracht. Wenn Sie diese Zahl in unsere
    Wachstumsraten einrechnen, dann kann man feststellen,
    dass wir uns im Durchschnitt des Wachstums der großen
    europäischen Länder befinden.

    Ich erwarte von der Opposition gar nicht, dass sie die-
    ses Argument in der öffentlichen Debatte anführt. Aber
    ich denke, in einer seriösen finanz- und wirtschaftspoliti-
    schen Diskussion im Deutschen Bundestag gehört dies
    dazu. Die Begründungen, die damals, zu Ihrer Zeit, ge-
    golten haben, gelten jetzt auch noch.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich komme zum Arbeitsmarkt.

    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Ja!)


    – Ja, natürlich. – Wer bestreitet denn, dass die Lage am Ar-
    beitsmarkt unbefriedigend ist? Ich werde das nicht tun.
    Warum? Die Arbeitslosigkeit ist in der Tat zu hoch. Ich
    bestreite auch nicht, dass wir nach allen Prognosen im
    letzten Jahr die begründete Erwartung haben konnten,
    dass wir bis zum Ende der Legislaturperiode die Arbeits-
    losigkeit auf unter 3,5 Millionen würden drücken können.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das konnten Sie damals schon nicht! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


    – Entschuldigung, ich habe doch noch im Ohr, was damals
    gesagt worden ist. Soll ich Ihnen Ihre eigenen Debatten-
    beiträgevorlesen?Siehabenmirdochvorgeworfen,dassdas
    Ziel von 3,5MillionenArbeitslosen zuwenig ehrgeizig sei.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – HansPeter Repnik [CDU/CSU]: Das ist es ja auch!)





    Bundeskanzler Gerhard Schröder

    20043


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    – Sehen Sie! – Vor einem Jahr haben alle Institute und alle
    Wissenschaftler gesagt: Ihr werdet in 2001 und in 2002
    Wachstumsraten von um die 3 Prozent, wenn nicht sogar
    darüber, haben.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist auch nicht wahr!)


    Sowohl Herr Jagoda als auch andere haben gesagt: Auf
    dieser Basis lässt sich die Zahl von 3,5 Millionen im Jah-
    resdurchschnitt unterbieten. Alle waren dieser Auffas-
    sung. Sie haben gesagt, dass es Ihnen zu wenig war. Ich
    war vorsichtig.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Daran wollten Sie doch gemessen werden!)


    – Es ist doch gar keine Frage, dass man daran gemessen
    wird. – Die Ursachen für diese Entwicklung haben wir ge-
    rade diskutiert.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Liegen alle in Amerika! So ein Unsinn!)


    Dass bei veränderten Wachstumsraten auch die Arbeits-
    marktziele nicht zu erreichen sind, hat sich in Deutschland
    nun wirklich herumgesprochen. Das werden auch Sie
    nicht außer Kraft setzen können.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Zitieren Sie doch mal die Sachverständigen dazu! – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das Wachstum ist doch toll, haben wir gerade gehört!)


    Fazit: Wir werden für die Erreichung des Ziels ein biss-
    chen länger brauchen,


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Nein, Sie nicht mehr!)


    und zwar wegen der Wachstumsschwäche, die wir gehabt
    haben. Wir werden diese Zeit auch bekommen; da seien
    Sie ganz sicher.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Gerade vor diesem Hintergrund bitte ich, sich zu erin-
    nern, wie die Situation bei der Jugendarbeitslosigkeit
    aussieht. Seit zwei Jahren haben wir einen Tatbestand, den
    Sie vorher nie erreicht haben: dass das Angebot und die
    Nachfrage bei den Ausbildungsplätzen gesamtwirtschaft-
    lich betrachtet im Gleichgewicht sind;


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: In jedem Jahr vor Ihnen war das so!)


    mancherorts ist die Nachfrage sogar geringer als das An-
    gebot. Klar, wir haben regionale Probleme, besonders im
    Osten. Deswegen sollten Sie auch aufhören, die Pro-
    gramme, die wir aufgelegt haben, zu diffamieren, und sich
    stattdessen vor Augen führen, dass sie den Jugendlichen
    nutzen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Nein, so einfach geht es nicht!)


    Zur „Schlusslichtdiskussion“: Bei der Reduzierung der
    Jugendarbeitslosigkeit liegen wir in Europa an der Spitze.
    Nach den Zahlen von Eurostat ist die Jugendarbeitslosig-
    keit im europäischen Durchschnitt doppelt so hoch wie in
    Deutschland. Auch zu diesem Tatbestand sollte von Ihnen
    hier einmal etwas gesagt werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Peter Repnik [CDU/ CSU]: Das war schon immer so! Das hat doch nichts mit Ihnen zu tun!)


    – Alles, was schlecht ist, hat mit meiner Regierung zu tun,
    und alles, was sich gut entwickelt, hat mit Ihnen zu tun.
    Das ist wahrscheinlich die Philosophie, nach der Sie le-
    ben. Aber so funktioniert das nicht; seien Sie da ganz si-
    cher.

    Ich komme jetzt dazu, was uns die Opposition zur
    Verbesserung der Situation auf diesem Sektor empfiehlt –
    zum Beispiel in einem Antrag, den Sie in Dresden be-
    schließen können. Hoffentlich kommt es dazu; darauf
    freue ich mich schon, weil man sich damit sehr gut aus-
    einander setzen kann. Was steht in diesem Antrag? Da
    wird unter anderem das Stichwort Flexibilisierung – wun-
    derbares Stichwort! – erläutert: Das heißt zum Beispiel,
    dass man den Kündigungsschutz abschafft.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist doch Unfug! Wer sagt das denn? Reden Sie doch nicht so daher!)


    Da steht also, dass man den Zustand, dessentwegen Sie
    abgewählt worden sind, wieder herstellen soll. Dass das
    ein Beitrag zur Wiederwahl sein soll, erschließt sich mir
    nicht; aber das ist Ihr Problem.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ziemlich billig, Herr Bundeskanzler!)


    Sie sagen also, der Kündigungsschutz solle verringert
    werden. Das sagen Sie in einer Situation – dazu will ich
    etwas hören –, in der Großbetriebe – wie ich finde: ohne
    Not – Massenentlassungen ankündigen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    In dieser Situation fällt der Opposition nichts anderes ein,
    als die Sicherheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
    mer weiter zu reduzieren. Sie wollen sie zu Abhängigen
    machen! Das ist Ihre Strategie.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ach, du lieber Gott!)


    – Wenn nicht, dann müssen Sie das sagen.
    IndemAntragstehtweiter,SiewollenbefristeteArbeits-

    verträge für, glaube ich, vier Jahre ermöglichen. Das be-
    deutet vier Jahre lang alle sechs Monate Unsicherheit.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Auch das ist doch Unsinn! – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Besser als arbeitslos ist es auf jeden Fall! Das sagen auch die Sachverständigen! – Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Jeder Arbeitslose wäre froh, er hätte so einen Vertrag!)





    Bundeskanzler Gerhard Schröder
    20044


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Sie werden sich wundern, wenn Sie mit dieser Art von
    Propaganda, mit dieser Art von Vorschlägen bei den Ar-
    beitnehmerinnen und Arbeitnehmern ankommen; denn
    die Leute, die es trifft und betrifft, brauchen wenigstens
    ein bisschen Planbarkeit ihres Lebens. Dafür werden wir
    sorgen; seien Sie sicher!


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Auf diese Auseinandersetzung freue ich mich wirklich.
    Dann werden wir sehen, was dabei herauskommt.

    Übrigens betrifft diese Regelung, bei der Sie die Befris-
    tung auf vier Jahre verlängern wollen, doch ein Gesetz,
    das Sie nicht verstetigt haben.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Jetzt ist das Gesetz plötzlich in Ordnung oder wie ist das?)


    Sie hatten doch damals in Ihrer Zeit nicht einmal den Mut,
    eine unbefristete Regelung zu schaffen, sondern haben sie
    bis zum 31. Dezember 2000 befristet. Diese Tatsache
    scheinen Ihre Freunde aus den Wirtschaftsverbänden aus
    den Augen verloren zu haben; aber so war es doch.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie kennen die Gründe genau!)


    Erst wir haben für eine sinnvolle Balance zwischen den
    Flexibilitätserfordernissen der Unternehmen auf der einen
    Seite und den Sicherheitsbedürfnissen der Arbeitnehme-
    rinnen und Arbeitnehmer auf der anderen Seite gesorgt,
    und zwar auf Dauer.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Und das Ergebnis ist höhere Arbeitslosigkeit!)


    So ist das Gesetz zu den befristeten Arbeitsverhältnissen
    entstanden.

    Sie haben jetzt vor, diese sorgsame Balance zwischen
    den Interessen der arbeitenden Menschen und den Inte-
    ressen der Unternehmen einseitig aufzulösen, die Arbeit-
    nehmerinnen und Arbeitnehmer in den Senkel zu stellen.
    Das ist der Inhalt Ihrer Politik.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir werden ja Gelegenheit haben, uns im Wahlkampf und
    anderswo darüber sehr intensiv auseinander zu setzen.

    Ich komme zu dem nächsten Punkt, den Sie vorschla-
    gen, nämlich die Abschaffung des Betriebsverfassungs-
    gesetzes. Das ist sehr interessant.


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Quatsch!)

    – Ja, was denn? Es geht jedenfalls um die Abschaffung des
    von uns gemachten Gesetzes. Sie müssen gleich einmal
    sagen – darauf bin ich sehr gespannt –, wie Ihres denn aus-
    sehen soll.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist eines Bundeskanzlers unwürdig!)


    Was bedeutet das denn? Das bedeutet nicht nur, dass Sie
    die Beschäftigten in ihren Rechten einschränken wollen.
    Nein, meine Damen und Herren, das ist auch ökonomisch
    unsinnig; denn es gehört zu den unbezweifelbaren

    Standortqualitäten Deutschlands, dass wir ein vernünfti-
    ges Mitbestimmungsrecht haben.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    In vielen unternehmerischen Krisen haben die Betriebs-
    räte Vorschläge dazu gemacht, wie es wieder aufwärts ge-
    hen kann.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich verstehe auch überhaupt nicht, dass Sie vorschla-
    gen, den Rechtsanspruch auf Teilzeitwieder abzuschaf-
    fen. Auch hier gibt es eine sinnvolle Balance zwischen
    den Betriebsinteressen einerseits und den Interessen ins-
    besondere von Frauen andererseits;


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Frauen werden nicht mehr eingestellt!)


    denn sie sind es, die in einer übergroßen Zahl eine Teil-
    zeitbeschäftigung haben wollen und manchmal auch ha-
    ben müssen, weil Kinderbetreuungsmöglichkeiten fehlen.

    Wir haben gesagt, dass wir diesen Rechtsanspruch
    schaffen wollen, damit klar wird, in welche Richtung wir
    auf diesem Gebiet wollen und auch müssen. Nur auf diese
    Weise lassen sich die Potenziale, vor allen Dingen glän-
    zend ausgebildeter Frauen, im Interesse der Wirtschaft
    nutzen und lässt sich garantieren, dass die Betroffenen
    ihre Möglichkeiten, was ebenso wichtig ist, auch nutzen
    können.


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Ja, das ist zu wenig Bürokratie! – Zuruf von der CDU/ CSU: Zwangsteilzeit!)


    – Hören Sie doch auf damit!

    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das sieht der Sachverständigenrat wie Herr Schäuble! Hier zitiert er ihn nicht!)


    Wir haben für den Rechtsanspruch auf Teilzeit gesorgt,
    weil wir das Ziel erreichen wollen. Die Betriebe erhalten
    – wenn es aus betrieblichen Gründen nicht geht – das
    Recht, zu sagen, dass sie das nicht organisieren können.
    Das stellt eine sinnvolle Balance zwischen den betriebli-
    chen Interessen einerseits und den Interessen der Be-
    schäftigten sowie der Volkswirtschaft andererseits dar.


    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Was sagt die Benchmarking-Gruppe dazu? – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Alles sehr defensiv!)


    Insofern kann ich nicht erkennen, wie Ihre Forderungen,
    wenn sie durchgesetzt werden könnten, erstens eine Bes-
    serung auf dem Arbeitsmarkt herbeiführen könnten und
    zweitens konkret Beschäftigten auch nur Ansätze von
    Hilfe geben könnten.

    Ich komme zu einer Frage, die sich mit der Perspektive
    für dieses Land beschäftigt.


    (Peter Rauen [CDU/CSU]: Das ist ein Schauspieler!)


    Wir haben früher eine große Diskussion über die Frage
    geführt, ob wir zu wenig in Forschung und Entwicklung




    Bundeskanzler Gerhard Schröder

    20045


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    investieren. In der Tat: Zu der Zeit, als Sie das zu verant-
    worten hatten, war das so.

    Eingangs habe ich aus guten Gründen von Konsolidie-
    rung geredet. Einen Bereich haben wir von der Konsoli-
    dierung ausgenommen – das entsprach auch der Anlage
    unserer Politik –: Seit 1999 ist der Haushalt für Forschung
    und Entwicklung unter schwierigsten Bedingungen um
    15 Prozent gewachsen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Aber nicht verdoppelt worden! Sie haben versprochen, ihn zu verdoppeln!)


    Er ist gewachsen, ohne dass jene 1,3 Milliarden DM ein-
    gerechnet worden wären, die wir deshalb ins BAföG ge-
    steckt haben, weil wir nicht wollen, dass es von Papas
    oder Mamas Geldbeutel abhängt, ob jemand zu Deutsch-
    lands höchsten Schulen gehen kann oder nicht. Deshalb
    haben wir die BAföG-Reform durchgeführt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die kontinuierliche Erhöhung des Forschungs- und
    Entwicklungshaushaltes beginnt sich bereits auszuzahlen.


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: In welchem Land leben wir eigentlich?)


    Ich habe auf die Biotechnologien hingewiesen. Ich könnte
    auch auf Edinburgh, die jüngste Konferenz zur Luft- und
    Raumfahrt, hinweisen, auf der sich gezeigt hat, dass nicht
    zuletzt durch unsere Anstrengungen Deutschland in die-
    sem so wichtigen Bereich inzwischen einen Spitzenplatz
    erobert hat.


    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Wenn ich es richtig sehe, sieht Chirac das anders! – Gegenruf des Abg. Dr. Peter Struck [SPD]: Davon haben Sie doch keine Ahnung!)


    – Ich sagte: in der Luft- und Raumfahrttechnologie! Das
    ist etwas anderes als der Flugzeugbau. Im Übrigen sieht
    Chirac das überhaupt nicht anders. Ich habe gerade mit
    ihm darüber gesprochen. Wenn Sie wollen, kann ich Ih-
    nen das aber gerne im Privatissimum erklären.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, das, was Sie auf dem Ge-

    biet der Bildung, der Weiterbildung und vor allen Dingen
    der Zuwanderung aufführen, ist eines der großen Trauer-
    spiele in unserem Land, weil es nicht auf die Zukunft un-
    seres Landes ausgerichtet ist.

    Diejenigen, die um die Situation der Zuwanderung
    wissen, sagen: Wir brauchen ein vernünftiges Gesetz zur
    Steuerung der Zuwanderung. – Dieses Gesetz muss zwei
    Bereiche umfassen. Zum einen geht es um das, was für
    uns selbstverständlich ist und bleiben wird – das sehen Sie
    vielleicht anders –, nämlich die humanitäre Verpflichtung
    gegenüber den Menschen, deren Leib und Leben in ihrem
    Heimatland aufgrund von Verfolgung bedroht sind und
    die deswegen das Recht auf Asyl haben müssen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Roland Claus [PDS])


    Natürlich muss man hier manchmal auch über Miss-
    brauch reden. Der Kern der humanitären Verpflichtung
    aber wird nicht angetastet.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das stellt auch niemand infrage!)


    – Ich hoffe, dass das niemand tut. Wie Sie wissen, bin ich
    immer für Konsens; das wird mir gelegentlich auch vor-
    geworfen. Aber wenn wir uns da einig sind, können wir
    dies ja gemeinsam umsetzen.

    Zum anderen brauchen wir ein Gesetz, das die Zuwan-
    derung in einem sinnvollen Maße auch aus wirtschaftli-
    chen Erwägungen ermöglicht. Dazu sind Vorschläge ge-
    macht worden, zunächst von Frau Süssmuth und ihrer
    Kommission und dann vom Bundesinnenminister. Diese
    liegen Ihnen vor. Dieses Gesetz entspricht den objektiven
    Notwendigkeiten der Entwicklung unserer Wirtschaft.

    Ich finde es schon merkwürdig, dass das Hin und Her
    zwischen Bayern und den übrigen Teilen der beiden
    christlichen Parteien dazu geführt hat, dass ein Gesetz,
    das die humanitäre Verpflichtung beinhaltet, was Sie ja
    abstrakt bejahen, und im Übrigen den objektiven Not-
    wendigkeiten einer zunehmend überalterten Gesellschaft
    entspricht, nämlich unserer, durch parteitaktische Win-
    kelzüge bei der Aufstellung der Kandidaten kaputtge-
    macht wird. Das ist ein Fehler.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das darf so nicht weitergehen. Deswegen sage ich an
    die Union gerichtet: Beendet dieses unwürdige Schau-
    spiel!


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


    Es besteht die Notwendigkeit der Einigung und es gibt Ei-
    nigungsmöglichkeiten. Dazu würde ich jetzt gerne einmal
    etwas hören. Das, was Sie jetzt machen, ist nicht gut für
    unser Land und die Entwicklung der Wirtschaft in unse-
    rem Land.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich möchte noch etwas zu dem sagen, was wir an fa-
    milienpolitischen Leistungen erbracht haben. Vonseiten
    der Union werden ja uferlose Forderungen gestellt; sie be-
    laufen sich auf einen Betrag von Hunderten von Milliar-
    den. Wir erinnern uns – vor allem die Bürgerinnen und
    Bürger erinnern sich daran –, dass das Bundesverfas-
    sungsgericht in Karlsruhe die Familienpolitik, die Sie
    über 16 Jahre betrieben haben, für verfassungswidrig er-
    klärt hat.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das war ein schlichter Satz des höchsten deutschen Ge-
    richts.

    Wir haben diesen schlichten, aber wirksamen Satz vor
    die Füße gelegt bekommen und mussten Ihre verfas-
    sungswidrige Familienpolitik – das haben Sie bescheinigt




    Bundeskanzler Gerhard Schröder
    20046


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    bekommen – beenden. Das haben wir getan, und zwar
    wiederum unter den schwierigen Bedingungen der Kon-
    solidierung.

    Was haben wir gemacht? Die Kindergelderhöhung
    habe ich schon angesprochen. Hans Eichel hat gestern
    ausgerechnet, dass die Steigerung des Kindergeldes von
    220 DM auf 300 DM für eine Verkäuferin realiter das
    13. Monatsgehalt bedeutet. Das ist kein Pappenstiel, son-
    dern eine große familienpolitische Leistung.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Ausgaben für die Familie sind in der Zeit, seit wir
    regieren, von etwa 70 Milliarden DM auf knapp 100 Mil-
    liarden DM gestiegen. Darin ist die Erhöhung des Wohn-
    geldes mit einem Volumen von 8Milliarden DM, was ins-
    besondere Familien mit Kindern zugute kommt, noch
    nicht enthalten.

    Das ist die Familienpolitik, die uns aus der von Ihnen
    verursachten Falle der Verfassungswidrigkeit herausge-
    führt hat. Dazu möchte ich gerne etwas hören. Sie aber
    stellen nur wohlfeile Forderungen in Höhe von Hunderten
    von Milliarden, die niemand finanzieren kann, anstatt zu
    sagen, was Sie konkret anders machen wollen. Wenn Sie
    den von Ihnen eingeschlagenen Weg weitergehen, nur un-
    gedeckte Schecks auf den Tisch zu legen, dann werden Sie
    scheitern. Dessen können Sie sicher sein. Wir werden den
    Weg weitergehen, den wir in dieser Frage eingeschlagen
    haben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich möchte abschließend gern noch etwas zur Außen-
    und Europapolitik sagen,


    (Peter Rauen [CDU/CSU]: Sagen Sie lieber, wie Sie die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt in Ordnung bringen wollen!)


    und zwar insbesondere dazu, was Michael Glos gesagt
    hat. Er hatte mir angekündigt, er sei heute relativ freund-
    lich. Das war im Kern auch so. Aber in diesem einem
    Punkt muss ich mich ernsthaft mit Ihnen auseinander set-
    zen. Was Sie dazu gesagt haben, ist gefährlich, weil es so
    aufgefasst werden könnte, als ob dieses Land nur darauf
    warten würde, irgendwo anders in der Welt – ob nötig oder
    nicht – militärisch zu intervenieren.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Ich dachte, Sie sagen etwas zur Telekom!)


    Ich hoffe, ich habe Sie richtig verstanden, dass Sie das
    nicht meinen, wenn Sie über den Irak und über Somalia
    reden.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Das habe ich so nicht gesagt!)


    – Herr Glos, was Sie sagen, nehme ich sehr ernst. Wenn
    Sie sagen, dass das so nicht zu verstehen war, ist das umso
    besser.

    Mir und dem Außenminister geht es darum, dass wir al-
    les tun, damit die Antiterrorkoalition, die in Afghanistan
    Erfolg hatte – und an der wir beteiligt sind, und zwar, so

    wie wir es versprochen haben und wie es von uns erwar-
    tet wird –, aufrechterhalten wird. Wir sollten vorsichtig
    sein, auf Kommentare in Magazinen oder Zeitungen, auch
    auf Äußerungen des einen oder anderen „Unterstaatsse-
    kretärs“ oder von wem auch immer, einzugehen


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Zöpel oder so!)

    – wo auch immer, ob in Deutschland oder anderswo in
    der Welt –, die sich jetzt schon mit der Suche nach neuen
    Zielen befassen. Insbesondere sollten wir bei einer Dis-
    kussion neuer Ziele im Nahen Osten sehr zurückhaltend
    sein. Dabei könnte uns mehr um die Ohren fliegen, als je-
    der von uns zu tragen in der Lage ist.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Wir suchen keine Ziele!)


    Wir werden das Notwendige tun. Wir werden uns aber
    auch vorbehalten, über das Notwendige zu entscheiden,
    um es dann zu tun. Da muss sich – so glaube ich – nie-
    mand in Deutschland über die Geradlinigkeit der deut-
    schen Außenpolitik beklagen. Das tut niemand in
    Deutschland und erst recht niemand in den Vereinigten
    Staaten; seien Sie dessen sicher. Da müssen Sie sich schon
    Stimmen bestellen, wenn Sie kritische Stimmen gegen
    uns hören wollten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Nun noch eine Bemerkung zur Afghanistan-Konfe-
    renz in Bonn. Dazu haben Sie gesagt, dass dafür Geld
    ausgegeben wird. Das ist wahr. Für diese Konferenz der
    Vereinten Nationen in Deutschland zahlen wir etwa 2Mil-
    lionen DM. Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist
    verdammt gut ausgegebenes Geld.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Ich habe nur gesagt: Hoffentlich ist das Geld auch im Haushalt!)


    Das ist deshalb gut ausgegeben, weil wir glauben, dass
    nicht zuletzt durch diese Konferenz – ob sie nun schon
    eine abschließende ist oder nicht, wird man sehen – das in
    Gang gesetzt wird, was man den Post-Taliban-Prozess
    nennt, und dass sie eine Perspektive für dieses so sehr ge-
    schundene Land Afghanistan bedeuten könnte. Ich muss
    Ihnen sagen: Ich bin froh darüber, dass wir gute Gastge-
    ber für diese Konferenz sein konnten und die Vereinten
    Nationen diese nach Deutschland gegeben haben.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Über die Europapolitik werden wir uns noch vor dem
    Gipfel in Laeken unterhalten. Ich denke, das wird eine
    Diskussion sein, die von gemeinsamen Grundpositionen
    ausgeht – das ist auch in Ordnung so –: Deutschland ist
    gleichermaßen an Erweiterung wie an Vertiefung interes-
    siert. Deutschland ist daran interessiert, dass die europä-
    ischen Institutionen besser funktionieren, als das in der
    Vergangenheit gelegentlich der Fall war. Deutschland
    wird, was den Konvent, also den Post-Nizza-Prozess




    Bundeskanzler Gerhard Schröder

    20047


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    angeht, sehr darauf achten, dass wir eine starke Kommis-
    sion behalten bzw. bekommen, dass das Parlament seine
    Kontrollrechte überall wirksam ausüben kann und dass
    die Kompetenzabgrenzung zwischen den Nationalstaaten
    und Europa sinnvoll gestaltet ist. Darüber hinaus wird es
    in diesem Prozess um die Frage gehen, wie das Gesicht
    Europas – und nicht nur die Gesichter einzelner National-
    staaten – in Zukunft sichtbar gemacht werden kann, wenn
    es um Ereignisse wie die in Afghanistan geht.

    Für die deutsche Regierung, für den Außenminister
    und mich, kann die Antwort auf die Vorgänge in Afghanis-
    tan und die Tatsache, dass die Hilfeleistungen, die Bei-
    standsverpflichtungen, nicht europäisch erbracht werden
    konnten, sondern national erbracht werden mussten, weil
    wir in Europa noch nicht so weit sind, nur lauten: nicht
    weniger, sondern mehr Integration in Europa!


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Lassen Sie mich abschließend sagen: Wer sich ernst-
    haft mit der Finanz- und Wirtschaftspolitik auseinander
    setzt,


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sie haben das heute aber nicht getan! – Gegenruf der Abg. Susanne Kastner [SPD]: Was haben Sie denn gemacht?)


    der wird sehen, dass es zum Kurs der Konsolidierung, den
    wir vorgeschlagen und durchgesetzt haben und der bis
    2005 im Gesetzblatt steht, zum Kurs der Stärkung der Fa-
    milien, der Investitionen in Forschung und Entwicklung,
    in Bildung und Ausbildung, zum Kurs einer vernünftigen,
    gesteuerten Zuwanderung, die auch den Interessen der
    deutschen Wirtschaft nutzt, keine – ich sollte sagen: keine
    vernünftige – Alternative gibt. Wenn Sie eine nennen,
    dann sind wir sehr gespannt darauf.

    Die Auseinandersetzung jedenfalls, die Sie angekün-
    digt haben und die Sie jetzt führen, indem Sie ungedeckte
    Schecks im Land verteilen, ist nicht seriös. Deswegen
    wird sie nicht ernst genommen werden. In diesem Sinne:
    Wir werden Kurs halten. Und Sie werden Ihre Streitereien
    um Ihre Kanzlerkandidatur weiter untereinander auszu-
    machen haben.


    (Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile dem Kolle-
gen Guido Westerwelle, FDP-Fraktion, das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Guido Westerwelle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident!
    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundes-
    kanzler, Sie haben eine Stunde gesprochen. Es war eine
    Stunde Defensive.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie haben eine Stunde lang erzählt, warum alles nicht
    so schlimm ist. Sie haben berichtet, welche Schwierig-
    keiten es gibt. Sie haben die Opposition kritisiert. Aber
    Sie haben keinen Ton dazu gesagt, was Sie im nächsten

    Jahr mit dem Haushalt machen wollen, den wir hier
    beschließen, um die Arbeitslosigkeit in Deutschland zu
    senken.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie haben auf die Zwischenrufe reagiert, mit zum Teil,
    wie ich finde, bemerkenswerten Formulierungen für ei-
    nen deutschen Bundeskanzler. Einem Zwischenrufer wer-
    fen Sie vor, er habe ein Brett vor dem Kopf. Das alles zeigt
    in Wahrheit nur: Bei Ihnen liegen die Nerven blank.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


    Jetzt nämlich passiert Folgendes: Sie werden an dem ge-
    messen, was Sie 1998 gesagt haben. Sie haben am
    21. September 1998, eine Woche vor der Bundestagswahl,
    in einem „Spiegel“-Interview wörtlich erklärt:

    Wenn wir es nicht schaffen, die Arbeitslosenquote
    signifikant zu senken, dann haben wir es weder ver-
    dient, wieder gewählt zu werden, noch werden wir
    wieder gewählt.

    Sie könnten Recht behalten, Herr Bundeskanzler.

    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sie haben am 10. November 1998 in Ihrer Regierungs-

    erklärung gesagt:
    Die Bundesregierung ist sich völlig im Klaren darü-
    ber, dass sie ihre Wahl wesentlich der Erwartung ver-
    dankt, die Arbeitslosigkeit wirksam zurückdrängen
    zu können.

    Wieder wörtlich Bundeskanzler Gerhard Schröder in sei-
    ner ersten Regierungserklärung hier im Hause:

    Wir wollen uns jederzeit – nicht erst in vier Jahren –
    daran messen lassen, in welchem Maße wir zur
    Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beitragen.

    Herr Bundeskanzler, werfen Sie der Opposition nicht vor,
    dass wir Sie an Ihren Worten hier und heute tatsächlich
    messen werden.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Die Zahlen sprechen nun einmal eine eindeutige Spra-
    che. Die Bundesregierung hat gestern – Herr Finanz-
    minister Eichel hat es zum ersten Mal getan – davon ge-
    sprochen, dass demnächst möglicherweise 4,3 Millionen
    Menschen in Deutschland arbeitslos sind. Die Wirt-
    schaftsentwicklung in Europa ist ein einziges Desaster,
    vor allen Dingen weil die Wirtschaftsentwicklung in
    Deutschland so schlecht ist und Deutschland nicht mehr
    die Lokomotive der europäischen Volkswirtschaft ist.


    (Joachim Poß [SPD]: Wir waren es nie!)

    Wir haben eben eine Delegation von Parlamentariern aus
    Spanien begrüßt. Dort liegt das Wirtschaftswachstum bei
    2,4 Prozent. In Irland liegt das Wirtschaftswachstum so-
    gar bei 7 Prozent, in Griechenland bei 3,6 Prozent, in
    Großbritannien bei 2,3 Prozent, in Frankreich bei 2,0 Pro-




    Bundeskanzler Gerhard Schröder
    20048


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    zent, in Österreich bei 1,3 Prozent und in Deutschland bei
    0,8 Prozent.


    (Joachim Poß [SPD]: In welcher Welt leben Sie denn eigentlich? Was ist mit Liechtenstein und Andorra? Sagen Sie dazu etwas!)


    Es gab zwar auch früher Zeiten schlechten nationalen
    Wirtschaftswachstums. Aber Sie haben es geschafft, dass
    Deutschland, das früher wenigstens an der Spitze lag,
    wenn es international schlecht lief, mittlerweile beim
    Wirtschaftswachstum auf den letzten Platz in Europa ab-
    gerutscht ist.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ein Bundeskanzler, der sich in dieser Debatte mit der Re-
    zession auseinander setzen muss, muss uns sagen, was er
    machen will, und nicht, was er machen könnte, wollte und
    gerne hätte. Herr Bundeskanzler, Sie sind zum Handeln
    gewählt, nicht zum Analysieren. Das ist Ihre Aufgabe.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Gelegentlich verweisen Sie auf die wirtschaftliche

    Lage in anderen Ländern. Das haben Sie auch heute wie-
    der getan. Wir haben uns gemerkt, was Sie dazu gesagt ha-
    ben. Sie haben gesagt, dass in Deutschland nicht das ge-
    lingen könne, was andere Länder geschafft haben, weil
    die Wachstumsperspektiven wegen des Niveaus der dor-
    tigen Volkswirtschaften anders seien. An anderer Stelle
    haben Sie das Wort von der „gesättigten Volkswirtschaft“
    gewählt. Das sagt ausgerechnet der Mann, der im Sommer
    dieses Jahres eine Reise durch Ostdeutschland gemacht
    hat und dabei Regionen durchquert hat, in denen die
    Arbeitslosenquoten bei 20, 30 oder sogar 40 Prozent lie-
    gen. Wir sind keine gesättigte Volkswirtschaft, wie Ihnen
    ein einziger Blick auf das Desaster bei der wirtschaft-
    lichen Entwicklung in Ostdeutschland zeigen müsste,
    Herr Bundeskanzler.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Peter Dreßen [SPD]: Das ist doch nur Polemik!)


    Des Weiteren haben Sie genauso wie Ihr Wirtschafts-
    minister wieder einmal wortreich erklärt, das mit dem
    Wirtschaftswachstum sei gar nicht so schlimm, wenn es
    nicht diese böse Bauwirtschaft gebe. Das ist auch eine
    interessante Analyse. Den Arbeitslosen ist es eigentlich
    relativ egal, welcher Grund in einem volkswirtschaftli-
    chen Seminar dafür angeführt wird, dass sie arbeitslos
    sind. Sie suchen einfach Arbeit. Ihre Erklärung, das mit
    dem Wirtschaftswachstum in Deutschland sei gar nicht so
    schlimm, wenn es nicht diese böse Bauwirtschaft gebe,
    erinnert mich an den Satz: Wenn wir keine Arbeitslosen-
    zahlen hätten, dann gäbe es eigentlich Vollbeschäftigung.


    (Heiterkeit bei der FDP)

    Sie drücken die Realität weg. Das, was Sie heute als „ru-
    hige Hand“ bezeichnen, nannte man früher – bei allem
    Respekt, Herr Altbundeskanzler – aussitzen. Dass das bei
    Ihnen schon nach drei Jahren losgeht, ist bemerkenswert,
    Herr Bundeskanzler.


    (Beifall bei der FDP)

    Sie haben uns erklärt, dass es für die wirtschaftliche

    Lage in Deutschland internationale Gründe gebe. Das

    kann ja augenscheinlich nicht stimmen; denn im Zuge
    der Globalisierung in der Weltwirtschaft sind alle Länder
    in Europa gleichermaßen betroffen. Die Globalisierung
    und die schrecklichen Terroranschläge vom 11. Septem-
    ber können nicht als Begründung für eine verfehlte na-
    tionale Wirtschaftspolitik herhalten. Herr Bundeskanzler,
    wenn alle Länder in Europa beim Wirtschaftswachstum
    besser dastehen als Deutschland, dann ist das nicht das
    Ergebnis irgendeiner internationalen Entwicklung. Das
    zeigt vielmehr, dass Sie, Ihre Bundesregierung und Ihre
    Koalition mit den Herausforderungen der Weltwirtschaft
    schlechter zurechtkommen, als wir damit zurecht-
    kommen müssten. Wir reden also über Ihre verfehlte na-
    tionale Politik.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Herr Bundeskanzler, Sie tun so, als ob es nicht wichtig,
    nicht erheblich sei, wenn Frankreich ein Wachstum von
    2,0 Prozent und Österreich ein Wachstum von 1,3 Prozent
    – um nur zwei Nachbarländer zu nennen – vorzuweisen
    haben, als ob es sich dabei um Entwicklungs- oder
    Schwellenländer handele, die im Gegensatz zu Deutsch-
    land natürlich noch Wachstumsdynamik hätten. Nein, Sie
    haben einfach einen völlig falschen Ansatz in Ihrer Wirt-
    schaftspolitik gewählt. Das hängt übrigens damit zusam-
    men, dass es in Ihrer Koalition eine interessante Bünde-
    lung von Kräften gibt. In Ihrer Koalition kommt nämlich
    Folgendes zusammen: Die SPD-Linke, die auf Staats-
    wirtschaft setzt, wird gewissermaßen noch durch die Grü-
    nen verstärkt, die ebenfalls auf Staatswirtschaft setzen.
    Das ist der entscheidende Punkt Ihrer Politik.


    (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    – Ach, ihr Grünen, entschuldigt bitte, aber ich muss euch
    sagen: Eure Grundsätze passen wirklich in einen Finger-
    hut. Ihr solltet heute brav sein und schweigen.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Auch Sie, Herr Bundeskanzler, der Sie sich in dieser

    Koalition so wohl fühlen, sollten – bei allem Respekt –
    besser schweigen. Ich habe in der letzten Woche ja auch
    genau gehört, dass Herr Kollege Struck lieber mit Frau
    Müller und Herrn Schlauch frühstücken möchte. Hat mich
    eigentlich jemand gefragt, ob ich schon morgens mit Ih-
    nen frühstücken möchte? Da kann ich mir Schöneres vor-
    stellen.


    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind doch ständig auf der Schleimspur unterwegs!)


    Nachdem der Bundeskanzler die Grünen eine Woche
    lang hier im Deutschen Bundestag gepiesackt hatte, hat er
    sie eine Woche lang auf dem Parteitag der SPD gestrei-
    chelt. Herr Bundeskanzler, Sie können diesen grünen
    Frosch küssen oder ihn weiter gegen die Wand werfen, es
    wird nie ein Prinz daraus. Haken Sie diese Vorstellung ab,
    das wird nie passieren.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Peter Dreßen [SPD]: Sie sind die Kröte! Lieber Frosch als Kröte!)





    Dr. Guido Westerwelle

    20049


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    (A)



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    Nein, es ist der falsche Ansatz in der Wirtschaftspoli-
    tik, der übrigens in Ihren Ausführungen in bemerkens-
    werter Weise zum Ausdruck kommt. Sie haben die Oppo-
    sition aufgefordert – allein diese Frage zeugt von
    beträchtlicher Hilflosigkeit –, sie solle einmal sagen, was
    sie anders machen würde. Wir sagen es Ihnen gern: Wir
    möchten, dass die Steuerpolitik bereits zum 1. Januar
    nächsten Jahres korrigiert wird, damit es endlich einen
    Konjunkturimpuls gibt. Die Steuern müssen gesenkt
    und dürfen nicht wie bei der Ökosteuer, der Tabaksteuer
    und der Versicherungsteuer durchweg weiter erhöht
    werden. Die Behauptung, Steuersenkungspolitik reiße
    Haushaltslöcher, wird in allen unseren Nachbarländern
    widerlegt. Wer Steuern gesenkt hat, hat heute Haushalts-
    überschüsse.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Unsere Nachbarn streiten sich darüber, wie die Über-
    schüsse verteilt werden sollen, während Sie den Mangel
    verwalten.


    (Peter Dreßen [SPD]: Wie finanzieren sie es denn?)


    Dazu gibt es übrigens auch bemerkenswerte Vorgänge
    in der deutschen Geschichte.


    (Hans Eichel, Bundesminister: Keine Ahnung und davon viel!)


    – Dass Sie, Herr Minister Eichel, von der Regierungsbank
    aus dem Redner zwischenrufen – das ist übrigens auch ein
    bemerkenswerter Vorgang –, zeigt, wie blank Ihre Nerven
    sind.


    (Peter Dreßen [SPD]: Ihre Nerven liegen blank!)


    Wir erleben hier einen „Blanke-Nerven-Hans“. Wenn ein
    Finanzminister sogar noch von der Regierungsbank Zwi-
    schenrufe an die Adresse des Redners richten muss, dann
    ist das ein interessanter Vorgang.

    Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol-
    legen, an diesem Wochenende ist leider der frühere Bun-
    desfinanzminister Gerhard Stoltenberg verstorben. Er
    wird nach meiner Einschätzung zusammen mit Graf
    Lambsdorff in die Finanzgeschichte unseres Landes ein-
    gehen,


    (Werner Schulz [Leipzig] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Zweite wegen Steuerhinterziehung, nicht?)


    weil er wirklich einmal eine Steuersenkungsreform
    durchgesetzt hat. Ich lese Ihnen einmal vor, was tatsäch-
    lich gemacht wurde, um die Behauptung zu widerlegen,
    so etwas rechne sich nicht. Von Otto Graf Lambsdorff und
    Gerhard Stoltenberg sind in den Jahren 1986, 1988 und
    1990 die Steuern in einem Volumen gesenkt worden, in
    dessen Nähe Sie heute gar nicht kommen: um 10,9 Milli-
    arden DM, 13,7 Milliarden DM und 39 Milliarden DM.
    Gehen wir nun ganz kurz die Haushaltsentwicklung
    durch, die widerlegt, dass Steuersenkungen den Staat
    Geld kosteten: Die Gesamteinnahmen aus Steuern betru-
    gen 1986 452 Milliarden DM, 1987 468 Milliarden DM,
    1988 488 Milliarden DM, 1989 535 Milliarden DM, 1990
    567 Milliarden DM.

    In jedem Jahr sind die Steuereinnahmen des Staates
    durch die Steuersenkungspolitik gesteigert worden. Dies
    hat einen einfachen Grund: Sie müssen den Menschen
    wieder Lust auf Leistung machen, indem sie von dem,
    was sie sich hart erarbeitet haben, mehr übrig behalten.
    Dann hat der Staat auch wieder gesunde Finanzen.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Den Zusammenhang verstehen die nie!)


    Das aber wollen Sie nicht wahrhaben.
    Sie haben hier regelmäßig auf die Sachverständigen

    Bezug genommen. Die Sachverständigen haben Ihnen
    nun weiß Gott andere Noten gegeben, als Sie uns hier
    glauben machen wollen. Sie haben Ihnen nämlich vorge-
    tragen, dass Sie gerade auf dem Arbeitsmarkt die Struk-
    turreformen nicht vorgenommen haben


    (Dr. Peter Struck [SPD]: Wo ist Ihr Zettel, Herr Westerwelle?)


    und dass sie von Ihnen erwarten, dass Sie auf dem Ar-
    beitsmarkt strukturelle Maßnahmen ergreifen.


    (Dr. Peter Struck [SPD]: Jetzt ist der Zettel weg! Das ist aber schlecht!)


    Das haben Sie nicht getan. Deshalb möchte ich noch ein-
    mal wörtlich zitieren, was Ihnen der Sachverständigenrat
    aufgeschrieben hat:

    Ohne weitergehende Reformen der Arbeitsmarkts-
    ordnung wird sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt
    nicht nachhaltig bessern, gemessen am Flexibilisie-
    rungsbedarf des Arbeitsmarktes ist vonseiten der Po-
    litik auch in diesem Jahr zu wenig geschehen.

    Das sagt Ihnen der Sachverständigenrat, den Sie die ganze
    Zeit über in diese Debatte eingeführt haben. Wenn man
    diesen Bericht gelesen hat, so sind die Noten für Sie de-
    saströs und nicht gut, wie Sie uns hier glauben machen
    wollen.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Sie haben sich bei der Arbeitslosigkeit verschätzt, Sie

    haben sich bei der Konjunktur verschätzt, Sie haben sich
    bei der Steuerschätzung vertan. Herr Bundeskanzler, die
    Prognosen Ihrer Regierung sind unzutreffend. Deshalb ist
    es notwendig, dass man sich kurz vor Augen führt, wie die
    anderen Volkswirtschaften und Gesellschaften auf die
    Herausforderungen nach dem 11. September reagiert ha-
    ben. Damit meine ich nicht den Bereich der inneren Si-
    cherheit und im Übrigen auch nicht die Reaktionen in der
    Außenpolitik – dazu werde ich noch etwas sagen –, son-
    dern die ökonomischen Maßnahmen, die aus meiner Sicht
    in diesem Zusammenhang angeführt werden müssen. Die
    Amerikaner haben unmittelbar nach dem 11. September
    genau registriert, dass die weltwirtschaftliche Situation
    sehr fragil ist. Obwohl sie ohnehin bei der Steuer- und Ab-
    gabenquote deutlich niedriger liegen, als wir es in
    Deutschland kennen, haben die Amerikaner die Steuern
    weiter gesenkt, und zwar gleich in der ersten Woche, in-
    dem der amerikanische Präsident zum Kongress ging und
    sich sofort zunächst einmal 40 Milliarden Dollar geneh-
    migen ließ. Das war die Antwort der Amerikaner. Sie ha-




    Dr. Guido Westerwelle
    20050


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    ben also nach dem 11. September zur Stabilisierung ihrer
    Konjunktur und des Mittelstandes zuallererst die Steuern
    gesenkt.

    Was war die erste Antwort der deutschen Bundesregie-
    rung? – Sie erhöhte die Tabaksteuer und die Versiche-
    rungsteuer. Sie wollten uns erzählen, dass mit der Öko-
    steuer die Rente gesichert werden solle. Ich halte diese
    Erkenntnis für bemerkenswert, zumal Sie gerade daran-
    gehen, sogar noch in die Schwankungsreserve bei den
    Renten einzugreifen. Ich stelle mir einmal vor, die alte Re-
    gierung wäre an die Schwankungsreserve so herangegan-
    gen, wie Sie das jetzt tun. Das hätte zu einem Aufstand auf
    der linken Seite dieses Hauses geführt, aber davon wollen
    Sie auch nichts mehr wissen.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die von Ihnen eingeführte Ökosteuer sollte die Rente

    sichern. „Rasen für die Rente“ – das haben wir oft genug
    gesagt. Dann kam als zweite Antwort „Rauchen für die Si-
    cherheit“. Herr Bundesfinanzminister, in Anbetracht der
    Unterfinanzierung der Bundeswehr warte ich stündlich
    auf Ihren Vorschlag „Trinken für die Truppe“.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr gut! Rotweinsteuer!)


    Das kommt nämlich auch noch. Sie werden uns auch noch
    erzählen, warum wir diese Steuern erhöhen sollten. Sie
    werden damit in die Lage versetzt werden wollen, die
    Bundeswehr anständig auszustatten. Um es Ihnen klar
    zu sagen: Wenn man in einem Haushalt von 500 Milliar-
    den DM nicht einmal mehr in der Lage ist, 3 Milliarden
    DM für innere Sicherheit durch Umschichtung zu erwirt-
    schaften, dann gibt man seine Bankrotterklärung im Hin-
    blick auf die Finanzpolitik zu Protokoll.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Hans Georg Wagner [SPD]: Konkreten Vorschlag!)


    Nein, Sie haben in der Wirtschaftspolitik eine falsche
    Richtung eingeschlagen.


    (Dr. Peter Struck [SPD]: Dann sagen Sie einmal die richtige!)


    Das ist im Übrigen auch der Punkt, warum Sie meiner
    Einschätzung nach am Anfang kommenden Jahres Ihr
    Programm beschließen werden. Alles das, was die Oppo-
    sition von Ihnen verlangt – das werden Sie ja sehen –,
    werden Sie am Anfang des Jahres realisieren. Schon im
    Hinblick auf die Wahl und Ihren Wunsch, wiedergewählt
    zu werden, werden Sie den innenpolitischen Druck gar
    nicht aushalten.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Genau so ist das!)

    Sie werden bei den Steuern das tun, was Ihnen die Oppo-
    sition vorschlägt, wenn auch vielleicht nicht ganz so weit-
    gehend.


    (Susanne Kastner [SPD]: Bestimmt warten wir noch darauf!)


    Sie werden Maßnahmen zum Abbau der Bürokratie vor-
    schlagen, die die FDP und die bürgerliche Opposition


    (Widerspruch bei der SPD)


    in diesem Hause immer wieder vorgeschlagen haben.
    Sie werden dem Bundestag auch im Hinblick auf den
    Arbeitsmarkt flexiblere Instrumente vorschlagen. Selbst
    wenn Sie all das umsetzen werden, wird das Problem
    sein, dass Sie es dann zu spät in Angriff nehmen wer-
    den. Sie werden es machen, weil Sie von dem Verlan-
    gen, wiedergewählt zu werden, getrieben werden, nicht
    aber aus innerer Überzeugung und mit dem Ziel, dass es
    diesem Land wieder besser geht. Deutschland hat eine
    bessere Regierung als die von Rot-Grün gestellte ver-
    dient. Das zeigt die Arbeitsmarktstatistik mehr als deut-
    lich.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Stichworte sind oft genug genannt worden. Es geht

    um die Abschaffung der 630-Mark-Arbeitsverhältnisse
    und die Ausweitung der betrieblichen funktionärischen
    Mitbestimmung auch noch auf die kleinen und kleinsten
    Betriebe. Das von Ihnen beschlossene Gesetz gegen die
    Scheinselbstständigkeit war doch nur ein Gesetz gegen
    Existenzgründung. Sie haben alle diese Maßnahmen be-
    schlossen.


    (Widerspruch bei der SPD)

    – Dass Ihnen das nicht gefällt, wundert mich nicht.


    (Zuruf von der SPD: Sie gefallen uns nicht! – Heiterkeit bei der SPD)


    13 Prozent der Deutschen sind Mitglied einer Gewerk-
    schaft. 85 Prozent der SPD-Bundestagsfraktion sind Mit-
    glied einer Gewerkschaft. Daraus folgt meines Erachtens
    eine zu sehr ferngesteuerte Funktionärspolitik und keine
    Politik zum Wohle unseres ganzen Landes.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


    Übrigens haben Sie immer noch nicht verstanden, dass
    die Interessen von Arbeitnehmern und die Interessen von
    bestimmten Gewerkschaftsfunktionären nicht überein-
    stimmen, wie, nebenbei bemerkt, auch die Interessen von
    vielen mittelständischen Betrieben beileibe nicht immer
    mit den Interessen von Arbeitgeberfunktionären überein-
    stimmen. Sie müssen sich weniger an den Verbänden ori-
    entieren, Sie müssen sich mehr an den Menschen orien-
    tieren. Lassen Sie den Menschen von dem, was sie sich
    hart erarbeitet haben, mehr und dann haben Sie auch bes-
    sere Staatsfinanzen. Es kann nämlich nur der Steuern zah-
    len, der Arbeit hat. Nichts kommt den Staat so teuer wie
    die Verwaltung von Arbeitslosigkeit und Sie machen im
    Augenblick nichts anderes als die Verwaltung von Ar-
    beitslosigkeit.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Hans Georg Wagner [SPD]: So ein Quatsch!)


    Was die Bildungspolitik angeht, so stellt sich der Re-
    gierungschef hier hin und sagt – das ist schon ein atem-
    beraubender Kunstgriff gewesen; denn er hat früher ge-
    sagt, man wolle die Bildungsausgaben verdoppeln –: Das
    läuft alles gar nicht so schlecht.


    (Zuruf von der SPD: Das hat er nicht gesagt!)





    Dr. Guido Westerwelle

    20051


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Das ist übrigens nicht nur eine Frage der Finanzen, das ist
    vor allem, Herr Bundeskanzler, eine Frage der Strukturen.
    Wir haben zu viel Staatswirtschaft gerade im Bildungs-
    sektor. Heute lesen wir in den Zeitungen, dass die
    Landesregierung aus CDU und FDP in Baden-Württem-
    berg beschlossen hat, Initiativen zu ergreifen, damit die
    zentrale Vergabestelle für Studienplätze abgeschafft wird.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Es ist die Aufgabe des Staates – das sollten Sie als SPD-
    Vorsitzender auch einmal den Landesregierungen, die von
    Ihnen geführt werden, vortragen –, dafür zu sorgen, dass
    ein junger Mensch einen Studienplatz bekommen kann.
    Für Chancengleichheit am Start zu sorgen ist die Aufgabe
    des Staates. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, für Er-
    gebnisgleichheit am Ziel zu sorgen. Wo jemand studiert,
    sollte nicht durch Studentenlandverschickung via ZVS
    entschieden werden.


    (Jörg Tauss [SPD]: Ländersache!)

    Die Studenten sollten sich die Hochschule aussuchen dür-
    fen und die Hochschulen sollten sich ihre Studenten aus-
    suchen dürfen. Das brächte in der verkrusteten Bildungs-
    landschaft den Wettbewerb, den wir brauchen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie sagen immer, das sei Ländersache.

    (Hans Georg Wagner [SPD]: Natürlich ist es Ländersache!)

    So einfach darf man es sich nicht machen. Hier sitzen
    keine politischen Eunuchen, sondern hier sitzen Par-
    teivorsitzende, die in ihrer eigenen Partei auch einmal ei-
    nen Diskussionsprozess voranbringen müssen.

    Eine Bildungsministerin,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie heißt die denn?)

    die es in Wahrheit bis heute nicht geschafft hat, in der Bil-
    dungspolitik geistige Meinungsführerschaft zu überneh-
    men, eine Bildungsministerin, die zulässt, dass die Kul-
    tusminister zehn Jahre lang über die Rechtschreibreform
    diskutieren und sich auch jetzt noch erhebend damit be-
    schäftigen,


    (Lachen bei der SPD)

    eine solche Bildungsministerin hat die Zeichen der Zeit
    nicht verstanden. Wir brauchen weniger Kultusminister-
    konferenz. Das hätte Ihre Initialzündung sein müssen. Wir
    brauchen mehr Wettbewerb zwischen den Ländern. Wir
    brauchen eine neue Autonomie der Schulen, der Hoch-
    schulen und der berufsbildenden Einrichtungen. Das ist
    die Strukturantwort auf die wichtigsten Zukunftsfragen
    der Deutschen, nämlich Bildung, Wissenschaft, Ausbil-
    dung der jungen Generation. Wer daran spart, spart an der
    Zukunft, Herr Bundeskanzler.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Bei der Gesundheitsreform gab es wirklich die abso-

    lute Krönung. Da gab es eine Strukturreform im Gesund-

    heitswesen, zu der man diese oder jene Meinung haben
    kann. Aber dass Sie sich als Bundesregierung dann in Ge-
    sprächen mit den Verbänden Ihre Strukturreform mit ei-
    nem Scheck von 400 Millionen DM abkaufen lassen, ist
    wirklich ein Armutszeugnis für jemanden, der als Demo-
    krat eigentlich sagen sollte: Das Primat der Politik gilt in
    diesem Hause und auch draußen bei den Verbänden. Das
    überzeugt nicht.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Friedrich Merz [CDU/CSU]: BakschischRepublik!)


    Die Bilanz, die Sie vorgetragen haben, war aus meiner
    Sicht wirklich von großer Nervosität geprägt.


    (Lachen bei der SPD – Dr. Peter Struck [SPD]: Wo waren Sie denn?)


    Außen hui und innen pfui war das, was Sie als Bilanz
    rechtfertigen konnten. Gerade im Hinblick auf die Afgha-
    nistan-Konferenz – à la bonne heure! – gibt es nichts zu
    kritisieren. Wir Freie Demokraten sagen ausdrücklich:
    Dass Sie diese Afghanistan-Konferenz nach Deutschland
    geholt haben, verdient unseren Respekt und unsere Aner-
    kennung.


    (Zuruf von der SPD: Der erste richtige Satz, den Sie sagen!)


    Außenpolitisch haben Sie doch in Wahrheit gar kein Pro-
    blem mit der Opposition. Außenpolitisch haben Sie ein
    Problem mit Ihrer eigenen Koalition. Das ist das eigentli-
    che Thema in diesem Hause, Herr Bundeskanzler und
    Herr Bundesaußenminister.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir werden in den Bereichen zusammenarbeiten, in

    denen es geht. Wir werden uns selbstverständlich der kon-
    struktiven Zusammenarbeit nicht verschließen, aber wir
    werden nicht vergessen, das anzumahnen, was Sie bei Re-
    gierungsantritt versprochen haben. Sie haben verspro-
    chen, dass Sie die Arbeitslosigkeit senken wollen. Dieses
    Ziel haben Sie nun wirklich absolut nicht erreicht. Ar-
    beitslose hoch, Pleiten hoch,


    (Hans Georg Wagner [SPD]: FDP runter!)

    Wachstumsprognosen nach unten korrigiert, mehr Sozial-
    hilfeempfänger, mehr Bürokratie – das ist die innenpoli-
    tische Bilanz dieser rot-grünen Regierungskoalition.

    Sie mögen sich jetzt noch auf Parteitagen Bussi, Bussi
    geben und sich wieder die Ehe versprechen,


    (Dr. Peter Struck [SPD]: Das machen wir nicht! Das machen Sie! Damit haben wir nichts zu tun! Bussi, Bussi machen Sie! Das ist ja nun peinlich!)


    ich sage Ihnen: Diese Koalition wird im nächsten Jahr ab-
    gewählt. Da können Sie ganz sicher sein, meine sehr ge-
    ehrten Damen und Herren.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)