Rede von
Anke
Fuchs
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat nun die
Bundesministerin der Justiz, Frau Dr. Däubler-Gmelin.
Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der Jus-
tiz: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Zeitlmann, es war sehr interessant, bei dem zu-
zuhören, was Sie zur Frage der Zuwanderung gesagt ha-
ben, und zwar deshalb, weil heute aus Ihrer politischen
Gegend ja auch schon andere Töne angeklungen sind. In
einem möchte ich Ihnen aber zustimmen: Die furchtbaren
Ereignisse des 11. September 2001 waren für jeden von
uns schrecklich und sind keineswegs spurlos an uns vo-
rübergegangen.
Dies sage ich nicht nur deswegen, weil wir um die
Menschen, die an diesem Tag ermordet wurden, trauern
und mit deren Angehörigen mitleiden, oder deswegen,
weil wir zur Solidarität mit Amerika eindeutig Ja sagen,
oder deswegen, weil wir die für die terroristischen An-
schläge Verantwortlichen selbstverständlich bekämpfen
werden und weil wir für die Sicherheit unserer Bevölke-
rung all das tun, was, wie schon ausgeführt wurde, rechts-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. September 2001
Wolfgang Zeitlmann
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staatlich notwendig und geeignet ist, und weil wir die Sor-
gen der Menschen ernst nehmen.
Ich sage das vielmehr auch deshalb, weil wir genau wis-
sen, was wir dabei verteidigen. Wir verteidigen ja nicht nur
das Abstraktum einer offenen Gesellschaft, sondern eine
Gesellschaft, die ganz konkret und ohne jeden Zweifel zu-
kunftsfähig sein muss. Das ist sie nur dann, wenn sie je-
dem Einzelnen Chancen gibt, wenn sie dann, wenn gehan-
delt werden muss, rechtsstaatlich klar und begründet
vorgeht und wenn sie klar erkennen lässt, dass Sicherheit
und Rechtsstaatlichkeit keine Gegensätze sind, sondern
dass der Rechtsstaat eine kulturhistorische Leistung ersten
Ranges ist, den wir natürlich an keiner Stelle preisgeben
werden. Ganz im Gegenteil! Wir sollten ihn als kulturhis-
torische Leistung jetzt knüpfe ich an das an, was Sie, lie-
ber Herr Kollege Stadler, gesagt haben in der Koopera-
tion auf der europäischen Ebene sei es nun die EU oder
sei es der Europarat und darüber hinaus nicht nur expor-
tieren, sondern auch stärken. Das werden wir tun.
Gerade weil das so ist, geht es darum, nicht allein die
Auswirkungen dieser furchtbaren Ereignisse des 11. Sep-
tember 2001 auf die jeweiligen Bereiche auch auf den
Bereich der Rechtspolitik zu bedenken. Natürlich wer-
den wir unsere Gesetze auf nationaler Ebene ruhig auf
Lücken überprüfen, auch wenn da stimme ich Ihnen,
Herr Stadler, wiederum zu im Bereich der Gesetzgebung
kaum mehr Lücken zu schließen sind. Es ist vielmehr so,
dass wir in der internationalen Kooperation eine Menge
mehr tun können. Das tun wir auch.
Aber es ist auch so, dass die Rechtspolitik wie nur we-
nige andere Bereiche den Auftrag hat, die Grundsätze un-
serer Verfassung unter den heutigen Umständen durchzu-
setzen, und dass dort, wo neue Entwicklungen eingetreten
sind, wo die Gerechtigkeit eingeschränkt worden ist oder
wo zum Beispiel die Stellung des Schwächeren nicht
mehr den klaren Vorgaben entspricht, neue Regelungen
getroffen werden müssen.
Auch deswegen ist die Diskussion über die Rechtspo-
litik und damit auch die über den Justizhaushalt lassen
Sie mich das sehr deutlich sagen gerade auch heute aus-
gesprochen wichtig. Gerade die Rechtspolitik unserer rot-
grünen Regierung und der sie tragenden Mehrheit betont
ja diese Schwerpunkte. Sie bilden einen Dreiklang aus
drei Ansichten, die ich Ihnen kurz deutlich machen
möchte:
Zum einen muss die Stellung der Schwächeren ge-
stärkt und ihr Schutz gewährleistet werden. Das gilt in
vielen Bereichen, die wir angepackt haben, zum Beispiel
bei dem Programm Erziehung ja Gewalt nein. Die in
diesem Zusammenhang notwendigen gesetzlichen Rege-
lungen hat die größere Oppositionspartei, die CDU/CSU,
ja leider nicht mitgetragen.
Das gilt für Gesetze wie das Gewaltschutzgesetz. Das
gilt auch ganz praktisch beim Opferschutz, im Bereich des
Sanktionensystems oder für den Bereich, zu dem wir
heute eine Expertenanhörung veranstaltet haben, ob das
Adhäsionsverfahren zugunsten der Opfer verbessert wer-
den kann. Das gilt für das Urhebervertragsrecht, das
Schadensersatzänderungsgesetz, aber natürlich auch für
die Angleichung der Pfändungsfreigrenzen, die seit 1992
nicht geändert worden sind.
All das und das sind nur ausgewählte Beispiele ist
in diesem Zusammenhang wichtig. Ich würde mich
freuen, wenn wir die Diskussion über diese rechtspoliti-
schen Themen stärker inhaltlich führen würden.
Der zweite Punkt betrifft die Modernisierung von Jus-
tiz und Recht. Auch und gerade hier musste eine Menge
nachgeholt werden. Auch im Bereich der Rechtspolitik
haben wir bereits jetzt knüpfe ich an das an, was der Kol-
lege Stiegler zum Bereich der Innenpolitik gesagt hat
eine Menge erreicht: ZPO Sie waren dagegen ; Miet-
recht Sie waren dagegen ; Schuldrechtsmodernisierung
Sie waren dagegen.
Lieber Herr Geis, eben nicht mit Recht und Sie wissen
das auch ganz genau.
Selbst Leute, die sich inhaltlich damit auseinander gesetzt
haben, bescheinigen Ihnen doch, dass Sie nicht inhaltlich
argumentieren, sondern nur Interesse daran haben, der
Regierung irgendetwas ans Bein zu binden. Ich finde das
sehr schade,
einfach deswegen, weil wir damit eine Qualität der Aus-
einandersetzung erreichen, die Sie zufrieden stellen mag,
mich nicht.
Ich hätte ganz gerne eine inhaltliche Auseinandersetzung
und Argumente; aber so ist es nun einmal mit Ihnen.
Zu unseren Erfolgen gerade in diesem zweiten Be-
reich, im Bereich der Modernisierung, gehört auch die
Schaffung von Rechtsgrundlagen für die Möglichkeit des
elektronischen Rechts- und Geschäftsverkehrs, die wir
verabschiedet haben und ausbauen.
Dazu lassen Sie mich das hier noch als zweites Stich-
wort erwähnen kommt noch die Modernisierung des
Deutschen Patent- und Markenamtes.
Auch das ist ein solches Beispiel. In den 90er-Jahren stieg
die Zahl der Patent- und Markenanmeldungen. Der Per-
sonalbestand aber wurde von Ihnen um circa 16 Prozent
zurückgefahren. Die Modernisierung in Form einer Aus-
stattung mit elektronischen Arbeitsmitteln oder auch
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. September 2001
Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin
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durch die Schaffung einer vernünftigen Organisation fand
nicht statt. Obwohl auch wir mit dem Einzelplan 07 die
Haushaltskonsolidierung des Bundesfinanzministers un-
terstützen, weil wir sehr klar sagen: Es ist unzumutbar,
dass wir die Menschen in unserem Lande alle fünf Minu-
ten als Erbe Ihrer Regierungszeit mit dem Gegenwert ei-
nes anständigen schwäbischen Einfamilienhauses als Zin-
sen belasten, haben wir beginnend mit dem Haushalt
1999, dann 2000 und 2001 und jetzt 2002
auf dem Weg zur Modernisierung, dem Ausbau und vor
allem die Verbesserung der Organisation dieses wichtigen
Amtes mit dem Ziel der Dienstleistungen für Erfinde-
rinnen und Erfinder und für die Wirtschaft einen großen
Schritt nach vorn getan.
Mich stört es sehr, dass Sie von der Opposition ich
meine jetzt nicht die FDP, sondern die CDU/CSU auch
hier nichts weiter tun, als falsche polemische Zwischen-
rufe zu machen. Ich finde das schade, weil ich glaube,
dass man in diesen Fragen jedenfalls mit denen, die ein
Engagement in der Sache haben, im Bundestag und in den
Ausschüssen erheblich konstruktiver zusammenarbeiten
können sollte, als dies bei Ihnen der Fall ist.
Den dritten Bereich in unserem Dreiklang aus Schutz
sowie Stärkung der Rechte der Schwächeren und Mo-
dernisierung bildet die Harmonisierung und die Koope-
ration in der EU und darüber hinaus. Auch hier tun wir
eine Menge lassen Sie mich einige Erfolge noch einmal
in Erinnerung rufen: die Schaffung eines Menschen-
rechtsinstituts zur besseren Vernetzung der Menschen-
rechtspolitik über die Grenzen das wurde hier im
Deutschen Bundestag von allen Fraktionen getragen; da
ist die Unterstützung und Begleitung der Europäischen
Grundrechte-Charta, die Unterstützung bei der Schaffung
des Internationalen Strafgerichtshofs, der hoffentlich bald
mit seiner Arbeit beginnen kann, und die Umsetzung der
UN-Konventionen zur Bekämpfung des Terrorismus.
Übrigens können wir, nachdem jetzt die Übersetzungen
vorhanden sind, die Ratifizierung sofort mit vornehmen.
Wir alle wissen, dass dies ein wichtiges Zeichen nach
außen ist. Wir helfen dadurch bei der globalen Bekämp-
fung des Terrorismus mit. Bei uns hier im Innern brauchen
wir keine Gesetze zu verändern, weil diese hier schon in
der Form bestehen, wie wir sie zu Abwehr des Terroris-
mus brauchen.
Dies alles, meine Damen und Herren, haben wir er-
reicht und weiter. Wir kümmern uns verstärkt darum,
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtsfragen im inter-
nationalen Kontext zum Thema zu machen gerade auch
mit Ländern, bei denen das wegen der internen Voraus-
setzungen gar nicht so leicht ist. Das gilt für den außeror-
dentlich interessanten und wichtigen Rechtsstaatsdialog
mit China und für die hervorragende Arbeit der IRZ-
Stiftung. Deren finanzielle Sicherung haben wir jetzt ins-
gesamt in den Haushalt übernommen. Ich bin mir ganz
sicher, dass wir sie auch heute noch, so wie früher,
gemeinsam über die Fraktionsgrenzen hinweg unter-
stützen. Das ist gut.
Ich erinnere auch an die ganz praktische Hilfe des Bun-
desministeriums der Justiz, die wichtig ist, bei der Be-
wältigung von Sorgerechtsproblemen, weil sich immer
mehr Menschen über die heute faktisch nicht mehr exis-
tierenden Grenzen kennen lernen, Familien gründen,
dann Probleme haben, wenn es zu Scheidungen gekom-
men ist. Wenn dann der eine Partner in Spanien oder in
Frankreich und der andere in Schweden oder in der Bun-
desrepublik wohnt, tauchen gelegentlich Probleme auf, zu
deren Lösung auch wir beitragen müssen. Das tun wir in
einem modellhaften Verfahren auch mit dem französi-
schen Justizministerium.
Ich möchte noch einmal auf das zurückkommen, was
ich am Anfang gesagt habe. Bei der Bekämpfung des
Terrorismus machen wir, was nötig ist. Wir machen das,
was wir tun müssen, mit Entschlossenheit, Klarheit und
Besonnenheit und mit Sinn für Rechtsstaatlichkeit. Das ist
klar: Innere Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit
sind keine Gegensätze. Ganz im Gegenteil: Unsere
Gesellschaft braucht alle. Wir sind dazu berufen, dafür zu
sorgen, so gut wir das können.
Lassen Sie mich noch eines hinzufügen: Wenn wir un-
ser Augenmerk auf unsere Gemeinschaft und die Chan-
cen, die jeder in dieser Gemeinschaft haben muss, richten,
dann ist mir um unsere zukunftsfähige Gesellschaft nicht
bange. Ich lade Sie alle ein, auch im Bereich der Rechts-
politik mit uns auch über solche Fragen zu diskutieren.
Ich freue mich dann ebenso auf eine durchaus streitige
Auseinandersetzung.
Vielen Dank.