Rede von
Dr.
Barbara
Höll
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Verehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einem muss ich
Herrn Thiele Recht geben: Ich finde schon, dass Tanken
für die Rente, Rauchen für die Sicherheit eine makabre
Steuerpolitik ist. Alle in diesem Hause sind sich darin ei-
nig, dass Maßnahmen notwendig sind. Allerdings wird
noch zu diskutieren sein, wie diese Maßnahmen ausge-
staltet werden. Ich denke, sie können nicht so finanziert
werden, wie Sie es planen. Es gibt andere Quellen im
Bundeshaushalt. Wenn Sie schon so vorgehen, dann wer-
den Sie zumindest den Prinzipien der Haushaltsklarheit
und der Haushaltswahrheit gerecht! Die Mehreinnahmen
des nächsten Jahres sollten ordentlich etatisiert werden
und ich erinnere an das Budgetrecht des Parlamentes
nicht einfach im Einzelplan 60 verschwinden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der Kampf ge-
gen die Steuerhinterziehung ein wesentliches Anliegen
auch der PDS ist, haben wir hier schon zur Genüge be-
wiesen. Die PDS hat bereits eine Vielzahl von Anträgen
eingebracht, die die Aufhebung des Bankgeheimnisses,
die Aufstockung der Anzahl der Betriebsprüfer in den
Finanzbehörden und anderes betreffen.
Wir sehen durchaus das Bemühen der Regierungskoa-
lition, in diesem Bereich etwas zu tun. Es ist klar, dass es
ein schwieriges Terrain ist: Es gibt ehrliche und es gibt un-
ehrliche Unternehmer. Man muss Regelungen finden, die
die einen nicht zu stark belasten und die den anderen den
Boden entziehen. Ein weiterer Problemkreis betrifft die
öffentliche Verantwortung. Es stellt sich die Frage, inwie-
weit öffentliche Verantwortung in den Privatbereich ver-
schoben werden kann. Ich möchte das an zwei Beispielen
deutlich machen.
Erstens: die Haftung für schuldhaft nicht abgeführte
Steuer. Wenn man auf dem Markt ein Kilo Äpfel kauft,
dann kann man aufgrund Ihrer Regelung letztendlich
dafür in Haftung genommen werden, dass ein Verkäufer
seine Standgebühren nicht gezahlt hat und hinterher ein
Strafgeld abführen muss.
Es ist so! Sie wollen eine Gesamtschuldnerhaftung
aller Unternehmer einführen. Es kann doch nicht richtig
sein, dass die Notwendigkeit der öffentlichen Kontrolle in
den Privatbereich verlagert wird.
Zweitens: allgemeine Nachschau. Ich möchte mich
überhaupt nicht der Auffassung anschließen, dass eine all-
gemeine Nachschau nicht durchführbar ist. Sie kann eine
richtige Regelung sein. Ich frage mich aber: Wer will sie
eigentlich umsetzen? Bereits heute reicht die Anzahl der
Finanzbeamten in den Behörden nicht aus, um ordentliche
Betriebsprüfungen durchzuführen. Wir wollen die Fi-
nanzbeamten mit einer zusätzlichen Aufgabe ausrüsten;
aber dazu braucht man eine zusätzliche Ausstattung der
Finanzbeamten.
Wenn wir die Umsatzsteuerhinterziehung tatsächlich
bekämpfen wollen, dann stellt sich mir die Frage, wie mit
der eingebrachten Gesetzesvorlage sichergestellt wird,
dass alle Bundesländer ein vernetztes, bundesein-
heitliches Computernetz haben. Nach meinem Kenntnis-
stand ist eines der wesentlichen Probleme, dass der In-
formationsaustausch zwischen den Ländern bisher
überhaupt nicht klappt.
Wie ist es nun eigentlich mit der einheitlichen Steuer-
nummer? Warum haben Sie in dieser Angelegenheit
keine Einigung mit den Landesfinanzministern erzielt
und eine wirkliche Innovation vorgelegt? Eine solche In-
novation ist notwendig. Gerade im Informationszeitalter
kann man sich wirklich fragen, warum wir an diesem
Punkt noch immer nicht weiter sind.
Solange diese beiden Dinge nicht geklärt sind, bleibt
das, was Sie ansonsten bezwecken, leider Gottes Stück-
werk. Was Sie vorhaben, wird nicht dazu führen, dass der
Fiskus durch die erfolgreiche Bekämpfung von Umsatz-
steuerhinterziehung zusätzlich 23 Milliarden DM ein-
nimmt.
Wir beraten heute gleichzeitig den Gesetzentwurf zur
Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts. Herr
Eichel hat vorhin versucht, eine Reihe von Regelungen
mit den schönsten Worten zu begründen. Der Bundestag
besteht in dieser Zusammensetzung seit 1998. Vor mehr
als zwei Jahren hat bereits der damalige Finanzminister
Lafontaine ebenfalls mit sehr schönen Worten eine Be-
gründung für die Änderung eines Teils der Regelungen
gegeben. Das ist ein Hü und Hott in der Steuer- und
Finanzpolitik in einer Größenordnung, die nicht mehr
nachvollziehbar ist.
Ich möchte die Reinvestitionsrücklage ansprechen.
Herr Eichel hat vorhin die entsprechende Regelung er-
klärt. Sie wollen die Steuerfreiheit für Personenunterneh-
men beim Verkauf von Anteilen an Kapitalgesellschaften
einführen. Da frage ich mich: Warum gibt es keine ent-
sprechende Regelung für den Fall, dass ein Personen-
unternehmen Anteile an anderen Personenunternehmen
erwirbt? Das ist doch nicht logisch. Warum führen Sie
nicht eine entsprechende Regelung für Sachinvestitionen
es geht Ihnen doch um Investitionen, wie man dem Ti-
tel entnehmen kann in den Unternehmen ein? Das sind
Fragen, die offen bleiben. Antworten darauf sind in Ihrem
Gesetzentwurf nicht zu finden.
Angesichts der Tatsache, dass das freie Unternehmer-
tum unterstützt werden soll, frage ich mich, warum Sie
ständig davon sprechen, dass Sie Umstrukturierungen von
Personenunternehmen in Kapitalgesellschaften erleich-
tern wollen. Eine Antwort darauf ist mir von Ihrer Seite
bisher noch nicht bekannt.
Ähnliche Fragen ergeben sich im Zusammenhang mit
dem Mitunternehmererlass. Regelungen, die mit dem
Steuersenkungsgesetz abgeschafft wurden diese Ände-
rungen gehen nicht auf Lafontaine zurück; sie sind noch
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 188. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. September 200118356
nicht allzu lange her , sollen jetzt in veränderter Form wie-
der eingeführt werden. Dafür gibt es keine Begründung.
Angesichts der Tatsache, dass wir ein Nachbesse-
rungsgesetz verabschieden werden, frage ich mich,
warum Sie nicht auf die akute Finanznot der Kommunen
in der Bundesrepublik Deutschland reagieren.
Die Gewerbesteuerausfälle, die jetzt zu verzeichnen sind,
sind im Finanztableau zum Steuersenkungsgesetz nicht
ausgewiesen worden.
Die Kommunen stehen jetzt zum Teil mit dem Rücken an
der Wand. Sie waren diejenigen, die keine Möglichkeit
hatten, in den Verhandlungen zum Steuersenkungsgesetz
in dem Maße Einfluss zu nehmen, wie es die Bundeslän-
der konnten.
Wir erwarten dringend, dass in diesem Punkt nachge-
bessert wird. Ansonsten können wir zumindest diesem
Gesetzentwurf nicht unsere Zustimmung geben.
Danke.