Ich eröffne
die Aussprache und gebe für die CDU/CSU-Fraktion dem
Kollegen Austermann das Wort.
Dietrich Austermann (von der CDU/
CSU mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Das letzte Zitat zeigt, welch ein zeitloser
Geist Goethe gewesen ist: Er hat offensichtlich die
schwankende Position des Bundesfinanzministers zum
Stabilitätspakt beschrieben: ein schwankender Geist in
schwankender Zeit. Deutlicher kann man das nicht um-
schreiben.
Der Haushalt ist das Schicksalsbuch der Nation. Ich
kann mir vorstellen, dass ein großer Teil der Bevölkerung
davon ausgeht, heute zu hören, was diese Bundesregie-
rung in dem letzten Jahr ihrer Regierungszeit vorhat, was
die Bundesregierung geplant hat und wo Schritte unter-
nommen werden, um das, was heute beklagt wird
schlechtes Wachstum, steigende Arbeitslosigkeit ,
möglichst in den Griff zu bekommen.
Was tut der Bundesfinanzminister? Ich habe mir die
Rede angehört. Er hat eine Dreiviertelstunde lang versucht,
Versatzstücke die hätte man beim Unterparteitag des Be-
zirkes Hessen-Süd vortragen können, wenn es für ihn da-
rum geht, eine Direktkandidatur zu ergattern, was er in Kas-
sel nicht geschafft hat , die sich auf die Zeit um 1998/1999
beziehen, vorzutragen. Nichts davon war zutreffend.
Es tut mir Leid, dass ich zu Beginn darauf noch einmal
eingehen muss. Ich hatte meine Rede anders aufgebaut.
Herr Eichel, zum Jahr 1998: von 1993 bis 1998 haben
wir beim Bund konstante Ausgaben gehabt, das heißt,
fünf Jahre lang Ausgaben in der gleichen Größenordnung.
Sie werden die Ausgaben nach vier Jahren insgesamt um
30 Milliarden DM gesteigert haben.
Verschuldung: Sie halten sich zugute, mit dem Schul-
denabbau Ernst zu machen, aber in den vier Jahren, in de-
nen Sie nun Finanzminister sind, haben Sie trotz des
UMTS-Geschenks 180 Milliarden DM neue Schulden
gemacht.
Nach der Haushaltsplanung dieser Regierung für ihr
letztes Regierungsjahr könnten es vielleicht noch mehr
werden.
Sie halten uns vor, wir hätten in der Vergangenheit zu
viele Schulden gemacht.
Diese Berechnung kommt auch immer wieder. Ich will
das erläutern: Gehen wir einmal von 1,3 Billionen DM per
31. Dezember 1998 aus, also der Zahl, die selbst von
Ihrem Haus in offiziellen Papieren veröffentlicht wird.
Dazu rechnen wir noch die Kassen, Fonds Deutsche Ein-
heit usw. Wenn ich die Zahl analysiere, komme ich zu
dem Ergebnis, dass 350 Milliarden DM Schulden sind,
die wir von Helmut Schmidt im Jahre 1982 übernommen
haben, 600 Milliarden DM Altschulden der DDR sind und
weitere 600 Milliarden DM netto aus dem Bundeshaus-
halt aufgewendet worden sind, um den Wiederaufbau in
den neuen Bundesländern zu leisten. Sie können diese Be-
träge einmal addieren. Natürlich habe ich Verständnis
dafür, dass Sie sich mit diesem Betrag kritisch auseinan-
der setzen. Wir hatten das Thema hier schon einmal: Weil
Sie mit der deutschen Einheit im Jahre 1989 und auch mit
den Schulden, die sich daraus ergeben, nichts am Hut hat-
ten
können Sie diese Schulden auch nicht als gesamtstaatli-
che Verpflichtung akzeptieren. Das ist der ganz wesentli-
che Punkt.
Ich will einen weiteren Punkt nennen, den Sie ange-
sprochen haben, und zwar die Familienpolitik. Diese ist
wichtig. Zunächst einmal stellen wir fest, dass Sie das
Kindergeld zum 1. Januar 2002 erhöhen wollen. Dies sind
Kosten in einer Größenordnung von 4,5 Milliarden DM.
Sie feilschen mit den Ländern noch darum, wer welchen
Anteil übernimmt. Gleichzeitig erhöhen Sie zum 1. Ja-
nuar 2002 die Ökosteuer: Das sind 5,7 Milliarden DM.
Dies rechne ich gegen, denn auch die Mütter, die die
Kinder betreuen, sind mit dem Auto unterwegs. Auch
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001
Bundesminister Hans Eichel
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Familien zahlen Ökosteuer. Ich berücksichtige ferner die
hohe Inflationsrate seit Sie an der Regierung sind, ken-
nen wir das Stichwort Inflationsrate wieder und ziehe
den entsprechenden Betrag auch noch ab. Ergebnis ist:
Den Leuten bleibt netto nichts übrig.
Ich vergleiche das mit der Situation während unserer
Regierungszeit und will Ihnen nur zwei Zahlen nennen:
Wir haben das Kindergeld für das erste Kind von 50 DM
auf 220 DM erhöht
und wir haben Steuerfreibeträge, die Sie damals abge-
schafft haben, wieder eingeführt. In den sechzehn Jahren
haben wir insgesamt etwa 50 Milliarden DM zusätzlich
für den Familienleistungsausgleich bewilligt.
In dieser Situation ist Ihr Beitrag völlig aberwitzig.
Alle wesentlichen Gesetze der letzten Jahre, die etwas
mit der Familie zu tun haben die Regelungen zum Er-
ziehungsgeld sowie andere , tragen die Handschrift der
CDU/CSU und der FDP.
Herr Eichel, Sie sollten sich wirklich überlegen, ob Sie
den Vorwurf des Schuldenmachens hier aussprechen. Wer
die Bilanz von Hessen nach Ihren acht Jahren Regie-
rungsverantwortung kennt, weiß, dass zu dieser Zeit Sie
waren ein gelernter Schuldenmacher die Verschuldung
um 69 Prozent angestiegen ist. Dies ist sicherlich auch ein
Grund dafür, dass die Bürger Sie abgewählt haben.
Mit großem Respekt bewundere ich, was die Regierung
Koch mit Finanzminister Weimar in Hessen inzwischen
auf dem Gebiet der Stabilisierung der Landesfinanzen be-
wegt hat.
Ich könnte einen weiteren Aspekt ansprechen, nämlich
das Thema Rentenfinanzen. Man kann sich natürlich
selbst loben, indem man sagt, dass der Bund im nächsten
Jahr wahrscheinlich 141 Milliarden DM in die Renten-
kasse zahlt. Dass dies 41 Milliarden mehr sind als im
Jahre 1998, scheint bei Ihnen völlig untergegangen zu
sein. Dass es sich hierbei um einen Erfolg handelt, so
meine ich, kann man auch nicht unbedingt sagen. Es be-
deutet nämlich, dass ein Drittel der Ausgaben des Bundes
in die Rentenkasse geht. Wenn gleichzeitig Investitionen
zurückgefahren werden, ist der Haushalt doch schief.
Lassen Sie mich etwas zu den anstehenden Haushalts-
beratungen, zu unseren Vorschlägen und zur tatsächlichen
Situation, die nicht so ist, wie Sie sie schönreden, sagen.
Es sind noch 111 Tage bis zum Euro. Im nächsten Jahr
wird der Euro die DM als Bargeldwährung ablösen. Dies
sind also die letzten Haushaltsberatungen, die vor dem
Hintergrund einer erfolgreichen Währung die D-Mark
ist die erfolgreichste Währung, die es jemals auf deut-
schem Boden gab stattfinden.
Beides gibt Anlass, Bilanz zu ziehen. Wir haben die so-
ziale Markwirtschaft durchgesetzt und im vergangenen
Jahrzehnt zu einem weltweit anerkannten Erfolgsmodell
gemacht. Die Deutsche Mark war das allseits begehrte
und anerkannte Symbol des Aufstiegs der Bundesrepublik
zu einer führenden Wirtschaftsmacht in der Welt. Die
Deutsche Mark war ein Inbegriff sowohl der wirtschaftli-
chen Kraft als auch des sozialen Ausgleichs. Jetzt, nach
drei Jahren Rot-Grün, ist die soziale Marktwirtschaft von
Verkrustungen zu befreien. Das Stichwort neue soziale
Markwirtschaft verstehe ich so: Die Verkrustungen, die
sich in drei Jahren in vielen Bereichen der Wirtschaft ge-
bildet haben, müssen weg.
Die Politik der Bundesregierung hat den Euro aus
Dummheit und Überheblichkeit als taumelndes wäh-
rungspolitisches Weichei starten lassen. Sie, Herr Eichel,
haben sich mit Ihrem Vorstoß zu den Stabilitätskriterien,
mit dem Infragestellen des Stabilitätspaktes, kaum dass
ein wenig Sturm aufkommt, als Stabilitätsrisiko erwie-
sen. Das muss sofort aufhören. Wir werden das ab Okto-
ber 2002 ändern und dem Euro beibringen, in die richtige
Richtung zu laufen.
Nicht nur beim Euro, der immer noch etwa um ein Vier-
tel unter seinem anfänglichen Dollarkurs dahindümpelt,
hat die rot-grüne Bundesregierung versagt. Fast alle ge-
samtwirtschaftlichen Daten und alle haushaltspolitischen
Kennzahlen weisen in die falsche Richtung. Am 27. No-
vember des letzten Jahres habe ich bei der zweiten Lesung
des Haushaltes für dieses Jahr darauf hingewiesen, dass
sich dunkle Wolken am Konjunkturhimmel zeigen.
Das ist deshalb wichtig, Herr Kollege, weil viele das da-
mals belächelt haben. Viele glaubten, man könnte sich
über diese Warnzeichen hinwegsetzen.
Sie verweisen jetzt darauf, Sachverständige hätten dies
gesagt. Ich habe vier Mitarbeiter in meinem Büro. Sie ha-
ben 2 100 Mitarbeiter und etwa 90 mehr als Ihr Amtsvor-
gänger. Es kann doch nicht wahr sein, dass Sie nicht in der
Lage sind, festzustellen, dass die wirtschaftliche Ent-
wicklung in Deutschland in die falsche Richtung läuft.
Jetzt wollen Sie uns vertrösten und sagen, wir müssten die
Haushaltsberatungen eigentlich aussetzen, wir müssten
abwarten, bis die neue Steuerschätzung da ist, wir müss-
ten das Buch zumachen. So kann man das Finanzgeschäft
des Staates nicht betreiben.
Diese Bundesregierung verantwortet Mickerwachs-
tum. Im Haushalt für dieses Jahr stehen 2,75 Prozent
Wachstum, es werden 0 Prozent sein. Die Wirtschaft be-
findet sich in einer rezessiven Phase, die Arbeitslosigkeit
steigt. Sie haben die Konjunktur in den Sand gesetzt. Die
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001
Dietrich Austermann
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Investitionen schrumpfen trotz der UMTS-Milliarden, die
Energiekosten, die Abgabenquote und die Inflationsrate
steigen, die Kassenbeiträge gehen hoch und die Steuer-
quote klettert.
Was bleibt von der groß angekündigten Steuerreform?
Vergleichen wir wieder einmal die Jahre 1998 und 2002.
Sie werden im nächsten Jahr 58 Milliarden DM mehr
Steuern einnehmen als 1998. Das ist die größte Entlas-
tung in der Geschichte der Nachkriegszeit. Der Bund
nimmt durch Steuern 58 Milliarden DM mehr ein und
spricht von einem Impuls für den Arbeitsmarkt und einer
gewaltigen Entlastung für die Wirtschaft! Das kann doch
wohl nicht stimmen. Deswegen sagen wir, Herr Eichel:
Sie schwimmen im Geld. Sie teilen es bloß falsch ein.
Angesichts dieser Bilanz und der Daten habe ich von
Ihnen etwas Inhaltliches zum Haushalt erwartet. Zu Ihrer
Rede müsste man sagen: Zurück an die Arbeit, einen neuen
Haushalt vorlegen! Dieser taugt nichts. Fünf, setzen!
Schon der laufende Haushalt ist aus den Fugen. Nichts
stimmt mehr. Der neue Haushalt ist in seinen Grundan-
nahmen überholt. Die Arbeitslosigkeit steigt seit vielen
Monaten. Dem Steigflug der Arbeitslosenzahlen ent-
spricht der Sinkflug des Wirtschaftswachstums. Die im-
portierte Inflation trabt und die Bundesregierung gibt ihr
mit der Ökosteuer noch die Sporen. Die nächste Stufe soll
am 1. Januar 2002 folgen.
Ich will Ihnen einmal vorlesen, was im Monatsbericht
8/2001 des Bundesfinanzministeriums, der gestern er-
schienen ist, steht. Es heißt dort:
Im Gefolge des Kaufkraftentzuges im Inland durch
Preisanstieg bei Energie und Nahrungsmitteln ist die
deutsche Wirtschaft vorübergehend in eine Wachs-
tumspause geraten.
Mit anderen Worten: Das, was Sie gemacht haben, die
Energiepreise hochgetrieben und damit die Bürger mit
65 Milliarden DM belastet, hat das Wachstum negativ be-
einflusst. Das sagt Ihr Haus. Pfeifen Sie den Mann, der
das Papier geschrieben und gedruckt hat, zurück.
In dieser Broschüre vom gestrigen Tage sagen Sie an
anderer Stelle:
Die konjunkturelle Flaute
bestätigt der BMF-Mitarbeiter
belastet zusätzlich den Arbeitsmarkt.
Das heißt also, die von Ihnen verursachten hohen Ener-
giepreise belasten den Arbeitsmarkt. Das ist ein ganz ein-
facher Dreisatz. Vereinfacht kann dies nur heißen: Die Re-
gierung macht die falsche Politik. Sie ist für dieses Land
schädlich.
Jetzt möchte ich noch etwas zu den Beschäftigten-
zahlen sagen. Sie sind wirklich hochinteressant. Die Steu-
erreform von Gerhard Stoltenberg in den Jahren 1986,
1988 und 1990 hat für die Beschäftigung einen Schub in
der Größenordnung von zusätzlich etwa zwei Millionen
gebracht. Den Beschäftigungsschub, den Sie erzielt haben,
haben Sie durch buchhalterische Tricks in der Statistik,
durch Einbeziehung der Minijobs erreicht, aber nicht
durch einen einzigen wirtschaftspolitischen Impuls.
Herr Finanzminister, Sie sagen, es gebe keine Alterna-
tive zu Ihrem Weg aus der Staatsverschuldung. Diese Aus-
sage ist richtig, aber Ihr Weg ist falsch. Ich kann doch
nicht die Staatsverschuldung senken wollen, aber gleich-
zeitig 180 Milliarden DM neue Schulden machen. Trotz
des Geschenks der UMTS-Milliarden Sie haben es aus
meiner Sicht zu einem Flop verkommen lassen; das woll-
ten Sie ursprünglich nicht; Sie waren gegen die Privati-
sierung von Post und Telekom haben Sie gleichzeitig
180 Milliarden DM Schulden gemacht.
Man sagt immer: Hans Eichel spart. Sie lassen sich in
dem Lied, wofür Sie wohl selber Geld ausgegeben haben
ich nehme an, die jungen Leute wollten Sie mit dem,
was sie gesungen haben, veräppeln , als Sparmeister be-
zeichnen. Nun wollen wir uns einmal die Zahlen genau
anschauen. Der Etat steigt im nächsten Jahr um 8 Milliar-
den DM. Auch ohne Schattenhaushalte liegt er ganz
wesentlich über dem von 1998. Bauausgaben werden ge-
streckt, wodurch sie teurer werden. Einzelne Bauausga-
ben werden aufgebläht. Gutachteritis greift um sich. Aber
wenn Genossen zu bedienen sind, dann spielt Geld über-
haupt keine Rolle. Ich nenne hier einmal die GEBB, die
GTZ und Schuldenmanagement. Selbst pensionierte
Beamte müssen sich ein bescheidenes Zubrot von
600 000 DM erdienen. All das spielt keine Rolle.
Auch gilt es, alte Freunde zu bedienen. Herr Schmidt-
Deguelle sorgt dafür, dass Sie regelmäßig zu Sabine
Christiansen eingeladen werden. Das kann man sich ein
paar Mark wert sein lassen. Das ist in Ordnung. Aber muss
das der Steuerzahler bezahlen? Daran haben wir erhebliche
Zweifel.
Wir schauen uns die anderen Spezis an. 70 Spitzenbeamte
mussten weichen, und zwar nicht, weil sie schlecht waren,
sondern weil sie das falsche oder gar kein Parteibuch hat-
ten. Die Verfügungsfonds aller Minister, einschließlich
der des Verteidigungsministers, steigen in diesem Jahr um
43 Prozent. Wird hier gespart? Ich sage Ihnen: Die
Gruppe, die Ihnen das Lied gesungen hat, wollte Sie wohl
ein bisschen auf den Arm nehmen.
Was sagt die EU Sie haben sich mehrfach auf Urteile
Außenstehender bezogen dazu? Die EU sagt in einem lan-
gen, umfangreichen Bericht, der in Göteborg vorgelegt
wurde: Deutschland ist beim qualitativen Wachstum wie
beim Wachstum überhaupt Schlusslicht in Europa. Die
OECD sagt: Deutschland ist beim Sparen Schlusslicht in
Europa.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001
Dietrich Austermann
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Die EU wird morgen ein Konzept vorstellen, indem sie
die Regierung dazu auffordert, die Steuern zu senken.
Hört, hört! Wir von der Union sind, zusammen mit der
FDP, auf der Linie der EU, die sagt: Deutschland als wich-
tigste Wirtschaftsmacht muss seine Schularbeiten ma-
chen, indem es die Steuern senkt. Das, was wir fordern, ist
genau richtig.
Sie wollen beim öffentlichen Defizit im Jahre 2004 bei
Null landen. Zunächst einmal mussten Sie zugeben, dass
Sie die vorgesehenen 1,5 Prozent nicht erreichen, sondern
wahrscheinlich bei 2 Prozent landen werden. Im Jahre
2006 wollen Sie dann auch im Bereich des Bundes bei
Null sein. Um das zu erreichen, müssten Sie jedes Jahr
10 Milliarden DM Schulden abbauen. Wir haben Ihnen
das vorgemacht. Wir haben in den Jahren 1997 und 1998
die Neuverschuldung um 21 Milliarden DM verringert,
Sie dagegen werden im nächsten Jahr vielleicht 1,5 Milli-
arden Mark schaffen. Es ist deutlich geworden, dass das
Sparen als echtes Einschränken offensichtlich nicht funk-
tioniert. Ihr für das Jahr 2006 angestrebtes Ziel erreichen
Sie natürlich nicht, und zwar erstens nicht, weil Sie ab
2002 nicht mehr im Amt sind, und zweitens nicht, weil Sie
dafür die falsche Politik machen.
Die Ausgaben klettern fröhlich weiter. Es werden neue
Gesetze gemacht, die zusätzliche Belastungen mit sich
bringen. Ich erinnere an LKW-Maut und Bundeswehrpri-
vatisierung; Schatten- und Nebenhaushalte feiern fröhliche
Urständ. Die Steuerquote geht nach oben. Ich sage: Es muss
umgesteuert werden, und zwar auch bei der Privatisierung.
Hier gehen Sie mit der Brechstange vor. Kein Finanzminis-
ter hat aus der Privatisierung mehr Geld eingenommen als
Sie. Die Zahlen, die Sie für 1998 genannt haben, stimmen
nicht; schauen Sie sich die Statistik an. Wenn wir die Erlöse
aus den UMTS-Lizenzen von 100 Milliarden DM Sie ha-
ben sie über zwei Jahre verteilt weglassen, so sind für die-
ses Jahr immer noch mehr als 21 Milliarden DM vorgese-
hen. Das ist ein Privatisierungsrekord. Eine andere Sache
ist, dass Sie eventuell mit der Politik, die Sie betreiben,
Schwierigkeiten bekommen, diese Summe zu erlösen; ein-
gerechnet haben Sie sie jedenfalls und ohne Privatisierung
werden Sie Ihre Probleme auch nicht lösen können.
Die Privatisierung mit der Brechstange spüren inzwi-
schen auch die Banken des Bundes, die KfW und die
DtA. Ich würde an Ihrer Stelle mit diesen beiden Institu-
ten vorsichtig umgehen, da die Wirtschaft von diesen In-
stituten ganz wesentlich lebt. Wenn man sie auf schwan-
kenden Grund stellt, gibt das nicht nur für den Bund,
sondern für weite Bereiche Probleme.
Wir haben vor dieser falschen Entwicklung gewarnt.
Wir sagen: Deutschlands Wachstumsdefizite ergeben sich
zu einem großen Teil aus Reformdefiziten dieser Regie-
rung, deren Kanzler auf zunehmende Wirtschafts- und Ar-
beitsmarktprobleme sinngemäß erklärt, Nichtstun also
eine Politik der ruhigen Hand sei ein politischer Wert an
sich. Wir sagen: Nichtstun hilft nichts.
Möglicherweise hat der Kanzler aber Recht und es ist bes-
ser, dass das, was Sie in den letzten drei Jahren gemacht
haben, nicht weitergemacht wird.
Wir müssen uns bei dieser Bilanz nicht darüber wun-
dern, dass diese Regierung einen Minushaushalt außer
beim Mogeln gibt es keine Kreativität vorgelegt hat. Sie
sind nicht der Herr der Haushaltslöcher, sondern der
Haushaltsschluchten. Wir wollen einen ganz anderen Ak-
zent setzen, nachdem wir festgestellt haben, dass Sie im
Verkehrs- und Bauhaushalt die Investitionen gegenüber
früheren Haushalten herunterfahren und die Bundeswehr
unterfinanziert ist. Man kann uns doch nicht vorwerfen,
die Bundeswehr sei in einem schlimmen Zustand, wenn
man gleichzeitig Jahr für Jahr der Bundeswehr 2,5 Milli-
arden Mittel wegnimmt.
Ich denke, dass der Verteidigungsminister Aufgaben der
Selbstverteidigung zu erledigen hat.
Wenn man heute feststellt, dass im Verteidigungsetat
dieses Jahres 2 Milliarden DM fehlen, kann man doch
nicht im nächsten Jahr die Mittel im Verteidigungshaus-
halt noch einmal um 660 Millionen herunterfahren. Die
Unterfinanzierung wird gnadenlos fortgesetzt.
Der Mittelstand, der schon bei der Steuerreform unter
die Räder gekommen ist, wird im Bundeshaushalt noch
einmal geknebelt.
Ja, Sachkunde würde nicht schaden.
Statt 1,34 Milliarden DM, die noch 1998 für Mittel-
standsförderung zur Verfügung standen, werden es im
kommenden Jahr nur noch 480 Millionen DM sein, also
ein Drittel von dem, was wir im Jahre 1998 für Mittel-
standsförderung ausgegeben haben.
Gleiches gilt für die neuen Länder und Berlin: Trä-
nenreich erzählen Sie von der Unterstützung für Berlin,
während Sie auf der anderen Seite sagen, diese Stadt muss
selber mit ihren Problemen zurechtkommen. Das passt zu
Ihnen: Sie haben eben kein gesamtdeutsches Herz.
Diese Stadt hat bis 1990 zu 50 Prozent vom Bund gelebt.
Trotzdem erwarten Sie, dass Berlin von einem Tag zum
anderen einen Sprung machte.
Berlin behält die Mittel aus dem Finanzausgleich; aber
Sie nehmen Berlin im nächsten Jahr durch den Haupt-
stadtvertrag zusätzlich 500 Millionen bis 600 Milli-
onen DM weg. Das ist angesichts der momentanen Ent-
wicklung unfair gegenüber der Hauptstadt.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2001
Dietrich Austermann
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Sie wollten die Mittel für Forschung und Technologie
verdoppeln. Tatsächlich kürzen Sie die Ausgaben für die
erneuerbaren Energien um 100 Millionen DM. Sie haben
zwar öfter gesagt, dass wir vom Erdöl loskommen müss-
ten. Aber macht es dann einen Sinn, die Kernkraft zu stop-
pen? Diese Frage muss man zumindest stellen dürfen.
Das alles passt nicht zusammen.
Lassen Sie mich darlegen, wie wir umsteuern wollen,
wie unsere Alternative aussieht.
Die Steuern müssen stärker und schneller gesenkt und
die nächsten Stufen der Steuerreform vorgezogen werden.
Wenn man eine Steuerreform beschließt, die für 2003 und
2005 die nächsten Steuersenkungsschritte vorsieht, dann
kann man heute doch nicht so tun, als wenn das Vorziehen
dieser Schritte Teufelswerk wäre. Auch das passt nicht zu-
sammen.
Von Ihrer Salamireform merkt doch im Jahre 2005 kein
Mensch mehr etwas.
Wir wollen den Umsatzsteuerbetrug tatsächlich been-
den. Wir wollen mehr in die Zukunft investieren. Wir for-
dern 3 Milliarden DM mehr für den Straßenbau und den
Ausbau der Stadtkerne. Wir wollen die Infrastrukturlücke
in den neuen Ländern schließen, um eine Basis für einen
selbsttragenden Aufschwung zu schaffen.
Wir wollen mehr private Vorfinanzierungen von Infra-
strukturprojekten über Konzessionsmodelle. Des Weite-
ren muss der Arbeitsmarkt von seinen bürokratischen Fes-
seln befreit und müssen Mittel vom ersten Arbeitsmarkt in
Investitionen umgelenkt werden. Heute ist berichtet wor-
den, dass Mittel, die eigentlich für die Finanzierung von
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in den neuen Ländern
bereitgestellt wurden, zum Teil in die alten Bundesländer
transferiert werden. Wie passt das mit Ihrer Aussage zu-
sammen, dass Sie den neuen Ländern helfen wollen? Hier
scheint es offensichtlich Luft für Investitionen zu geben.
Wir wollen die neuen Länder und Berlin mit 0,5 Milli-
arden DM zusätzlich stärken. Wir fordern, dass die
nächste Stufe der Ökosteuerreform ausgesetzt wird. Das
gesamte Sozialsystem muss gründlich reformiert werden.
Es kann nicht angehen, dass die Bauern in Zukunft immer
weniger Geld haben, während die Verbraucher immer
mehr zahlen müssen. Das werden wir beenden. Außerdem
werden wir die Staatsfinanzen neu ordnen. Wir werden
Einnahmeverbesserungen erzielen und bei Privatisierun-
gen die Schattenhaushalte auflösen. Deshalb gibt es mit
uns keine höhere Neuverschuldung.
Herr Eichel, Ihr Haushalt eignet sich kaum als Arbeits-
grundlage. Dennoch werden wir uns in den Haushaltsbe-
ratungen der nächsten Monate wie schon beim letzten
Haushalt dieser rot-grünen Bundesregierung darum be-
mühen, von Beginn an die Weichen grundsätzlich anders
zu stellen, und zwar für mehr Wachstum, für eine Bele-
bung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt sowie für besser
geordnete Staatsfinanzen.
Herzlichen Dank.