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ID1402100400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/21 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 21. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 I n h a l t : Gedenkworte für den verstorbenen König Hussein von Jordanien .................................. 1489 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Ab- geordneten Adelheid Tröscher, Ilse Schu- mann und Helmut Wieczorek (Duisburg)..... 1489 C Erweiterung der Tagesordnung........................ 1489 D Absetzung des Punktes 2c von der Tagesord- nung ................................................................. 1490 A Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 1999 (Haushaltsgesetz 1999) (Drucksache 14/300) .................................. 1490 D b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Stand und die voraus- sichtliche Entwicklung der Finanzwirt- schaft (Drucksache 14/350) ....................... 1490 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ................. 1490 D Dr. Peter Struck SPD ....................................... 1500 B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 1505 A Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1510 C Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 1514 D Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 1519 B Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) ........................................................... 1526 C Joseph Fischer, Bundesminister AA................ 1533 A Karl Lamers CDU/CSU................................... 1536 D Dr. Christoph Zöpel SPD................................. 1538 C Ulrich Irmer F.D.P. ......................................... 1541 D Wolfgang Gehrcke PDS .................................. 1543 A Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU ..................... 1544 A Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 1546 B Dietrich Austermann CDU/CSU ..................... 1549 A Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 1551 A Günther Friedrich Nolting F.D.P. .................... 1552 C Heidi Lippmann-Kasten PDS .......................... 1554 A Peter Zumkley SPD ......................................... 1555 A Kurt J. Rossmanith CDU/CSU .................... 1555 D Dietrich Austermann CDU/CSU ................. 1556 A Günther Friedrich Nolting F.D.P. ................ 1556 C Paul Breuer CDU/CSU.................................... 1557 C Alfred Hartenbach SPD ................................... 1561 A Hans Jochen Henke CDU/CSU ....................... 1562 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 1563 C Rainer Funke F.D.P. ........................................ 1565 C Dr. Evelyn Kenzler PDS.................................. 1566 D Norbert Geis CDU/CSU ...................... 1567 D, 1570 C Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN .............................. 1569 D, 1584 B, 1589 D Dr. Guido Westerwelle F.D.P.............. 1570 B, 1589 B II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ ................................................................. 1571 A Ludwig Stiegler SPD ....................................... 1574 A Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU........................ 1576 A Sebastian Edathy SPD.................................. 1578 C Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.. 1579 C Dr. Guido Westerwelle F.D.P. ..................... 1580 C Dr. Werner Hoyer F.D.P. ................................. 1581 C Ulla Jelpke PDS............................................... 1583 A Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/ CSU ................................................................. 1585 A Otto Schily, Bundesminister BMI........ 1586 A, 1589 D Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ ............................................... 1590 C, 1601 A Michael von Schmude CDU/CSU ................... 1592 D Dr. R. Werner Schuster SPD........................ 1593 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1594 D Joachim Günther (Plauen) F.D.P. ................... 1596 D Carsten Hübner PDS........................................ 1598 A Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU.................... 1599 B Adelheid Tröscher SPD ................................... 1601 D Zusatztagesordnungspunkt 2: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Antrag der Bundesregierung Deutsche Beteiligung an der militäri- schen Umsetzung eines Rambouillet- Abkommens für den KOSOVO sowie an NATO-Operationen im Rahmen der Notfalltruppe (Extraction Force) (Drucksache 14/397) .................................. 1559 C b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnis- se und für Sachen (Drucksache 14/343)... 1559 C c) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die allgemeine und die repräsentative Wahlstatistik bei der Wahl zum Deutschen Bundestag und bei der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bun- desrepublik Deutschland (Drucksache 14/401) ....................................................... 1559 C d) Antrag der Abgeordneten Hans Martin Bury, Ernst Schwanhold, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Werner Schulz (Leip- zig), Margareta Wolf (Frankfurt) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Förderung der Luftfahrttechnologie (Drucksache 14/395) .................................. 1559 D Tagesordnungspunkt 4: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Zu- ständigkeiten nach dem Sorgerechts- übereinkommens-Ausführungsgesetz (Drucksachen 14/33, 14/338) ..................... 1559 D b) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu der Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 3/98 (Drucksache 14/321).......................... 1560 A c) bis e) Beschlußempfehlungen des Peti- tionsausschusses Sammelübersichten 15, 16 und 17 zu Petitionen (Drucksachen 14/322, 14/323, 14/324) ...... 1560 B Zusatztagesordnungspunkt 3: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Öffnung der Sozial- und Steuerverwaltung für den Euro (Zwei- tes Euro-Einführungsgesetz) (Druck- sachen 14/229, 14/406) .............................. 1560 C Nächste Sitzung ............................................... 1603 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 1605 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 1489 (A) (C) (B) (D) 21. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Adelheid Tröscher Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 1605 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Bartsch, Dietmar PDS 24.2.99 Behrendt, Wolfgang SPD 24.2.99 * Brudlewsky, Monika CDU/CSU 24.2.99 Diemers, Renate CDU/CSU 24.2.99 Ehlert, Heidemarie PDS 24.2.99 Erler, Gernot SPD 24.2.99 Frick, Gisela F.D.P 24.2.99 Fuchs (Köln), Anke SPD 24.2.99 Großmann, Achim SPD 24.2.99 Haack (Extertal), Karl-Hermann SPD 24.2.99 Hartnagel, Anke SPD 24.2.99 Hasenfratz, Klaus SPD 24.2.99 Hempelmann, Rolf SPD 24.2.99 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 24.2.99 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Luther, Michael CDU/CSU 24.2.99 Mascher, Ulrike SPD 24.2.99 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 24.2.99 Rauber, Helmut CDU/CSU 24.2.99 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.2.99 Rupprecht, Marlene SPD 24.2.99 Schindler, Norbert CDU/CSU 24.2.99 Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 24.2.99 Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie SPD 24.2.99 Verheugen, Günter SPD 24.2.99 Willner, Gert CDU/CSU 24.2.99 Wohlleben, Verena SPD 24.2.99 Dr. Wolf, Winfried PDS 24.2.99 ––––––––––– * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Peter Struck


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr
    verehrten Damen und Herren! Wir haben von meinem
    Vorredner eine sehr lange Rede gehört.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Eine sehr gute!)

    Allerdings habe ich an keiner Stelle dieser Rede eine
    Alternative zu unserer Politik gehört.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU)


    Wo sind denn Ihre Vorschläge zur Bekämpfung der Ar-
    beitslosigkeit, zur Steuergerechtigkeit oder für Perspek-
    tiven von Jugendlichen?

    Für eine Rede zum politischen Aschermittwoch sind
    Sie genau eine Woche zu spät gewesen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Da war ein anderer viel schneller, verehrter Herr Kolle-
    ge Vorsitzender, und der sitzt Ihnen heute auf der Bun-
    desratsbank schon im Nacken.

    Polemisieren und polarisieren, das ist Ihre Art von
    Politik. Wir wollen das Gegenteil, meine sehr verehrten
    Damen und Herren.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Ausgerechnet Sie müssen das sagen!)


    Wir wollen Menschen und Interessen zusammenführen.
    Deshalb haben wir zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
    das „Bündnis für Arbeit“ geschaffen, und deswegen su-
    chen wir in Konsensgesprächen nach Lösungen für die
    Energiewende. Wir wollen zu einem neuen Ausgleich
    kommen, der Gerechtigkeit schafft, Innovationen fördert
    und alle Menschen am gesellschaftlichen Leben und
    Wohlstand teilhaben läßt. Wir wollen die Menschen
    wieder motivieren, an der Gestaltung der Zukunft unse-
    res Landes teilzunehmen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir wollen das Land wieder ins Gleichgewicht bringen:
    sozial, wirtschaftlich und ökologisch.

    Die erste rotgrüne Koalition ist knapp vier Monate im
    Amt. Wir haben in dieser kurzen Zeit eine Menge ge-
    schafft – mehr als die alte Bundesregierung in vier Jah-
    ren, meine Damen und Herren.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich nenne Ihnen noch einmal die Stichworte; denn wer
    Gutes tut, der soll auch darüber reden.


    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Sehr richtig!)

    An diesem Punkt, bei der Darstellung unserer Lei-
    stungen, haben wir allerdings ein Defizit.


    (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Deshalb nenne ich das Gute noch einmal.

    Erhöhung des Kindergeldes und Senkung des Ein-
    gangssteuersatzes:


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das führt dazu, meine Damen und Herren, daß ein Ar-
    beitnehmer, der 4 000 DM im Monat verdient und zwei
    Kinder hat, in diesem Jahr um zirka 1 100 DM entlastet
    wird. Dabei ist die Ökosteuer schon gegengerechnet.

    Die Wiederherstellung von Lohnfortzahlung im
    Krankheitsfall und Kündigungsschutz:


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Damit ist wieder sichergestellt, daß Arbeiter im Krank-
    heitsfall genau wie Manager und Angestellte 100 Pro-
    zent ihres Lohnes bekommen.

    Wegfall des Krankenhausnotopfers und Reduzierung
    der Zuzahlung bei Medikamenten:


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Dadurch sparen Patienten im Vergleich zur alten Rege-
    lung bei jedem Medikament, das ihnen verschrieben wird.

    Aussetzung der Rentenkürzung: Das hat bereits zum
    1. Juli 1999 eine höhere Rentenanpassung zur Folge, als
    es zu Ihren Regierungszeiten geplant war.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Dr. Wolfgang Schäuble






    (A) (C)



    (B) (D)


    Das „Bündnis für Arbeit“ steht, und die Energiekon-
    sensgespräche sind aufgenommen.

    Das ist schon etwas, meine Damen und Herren. Aber
    wir haben noch viel Arbeit vor uns, bis das aufgeräumt
    ist, was 16 Jahre lang schiefgelaufen ist.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Der Arbeit dieser Koalition fehlt nach vier Monaten
    noch die glatte Routine; aber das wird schon werden.
    Was wir dazu beitragen können, das werden wir tun. Die
    Menschen bewerten übrigens Regierungsarbeit nicht als
    Schönheitswettbewerb. Nur das Ergebnis zählt, und dar-
    auf können wir schon jetzt stolz sein.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir können für unseren ersten Haushalt sagen, daß
    unsere Überschrift stimmt: versprochen und Wort ge-
    halten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Oje, oje!)


    Es ist ein Haushalt für mehr Wachstum und Beschäfti-
    gung, der den Rahmen für neue Arbeitsplätze und für
    finanzpolitische Stabilität schafft. Es ist ein Haushalt,
    der deutliche Signale setzt: Solidität und Klarheit in den
    Finanzen, Deckel auf die Neuverschuldung, mehr Geld
    für Innovationen und Investitionen. Das ist der rote
    Faden, der unsere Politik bestimmt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir fangen in diesem Haushalt damit an, ein gutes
    Stück Gleichgewicht zwischen Gegenwart und Zukunft,
    zwischen Wagnis und Vorsorge, zwischen Ökonomie
    und Ökologie wiederherzustellen. Wir erhöhen die Inve-
    stitionen für die Zukunft: für Forschung, Wissenschaft
    und Entwicklung.

    Dies ist ein Haushalt des Umlenkens. Er steht im Zu-
    sammenhang mit der umfangreichsten Steuerreform
    seit 1949.


    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Wir bringen sie auf den Weg.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ihre wichtigsten Ziele sind die Entlastung der Arbeit-
    nehmer und Familien sowie die Stärkung der mittelstän-
    dischen Wirtschaft und ökologische Innovationen. Wir
    bleiben dabei: Nach der Senkung des Eingangssteuersat-
    zes, der Anhebung des Grundfreibetrages und des Kin-
    dergeldes zum Jahresbeginn werden wir den zweiten
    Teil des Steuerentlastungsgesetzes im März dieses Jah-
    res beschließen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, was
    wir schon immer gesagt haben: Die Familien sind von
    CSU, CDU und F.D.P. sträflich vernachlässigt worden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Es bedarf jetzt einer großen finanziellen Kraftanstren-
    gung, um diese Fehlentwicklung zu korrigieren. Wir
    werden das tun, denn es geht um die Familien und die
    Kinder in unserer Gesellschaft.

    Wenn jetzt die Finanzpolitiker der Opposition mit
    Patentrezepten kommen, dann ist das einfach lächerlich.
    Es nimmt Ihnen keiner ab, in vier Monaten das Herz für
    Familien entdeckt zu haben. Sie haben 16 Jahre lang
    Politik an ihnen vorbei gemacht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Nach der Sommerpause werden wir zur Korrektur der
    verfassungswidrigen Familienpolitik der Kohl-Regie-
    rung ein Familienentlastungsgesetz vorlegen.

    Noch etwas: Daß eine Steuerreform nie den Beifall
    von allen Seiten erhält, ist klar. Wir haben aber gezeigt,
    daß wir zwischen gruppenbezogenem Lobbyismus und
    wirklichen Benachteiligungen zu unterscheiden wissen.
    Gerade auch auf Initiative der Koalitionsfraktionen sind
    Bedenken der mittelständischen Wirtschaft aus dem
    Weg geräumt worden. Wir haben bei der Teilwertab-
    schreibung die Vorstellungen großer Teile des Handels
    und des Mittelstandes aufgegriffen. Auch der Verlust-
    rücktrag wird jetzt an den Interessen des Mittelstandes
    orientiert. Wir haben in diesen Bereichen Änderungen
    vorgenommen, denn sie sind wichtig im Hinblick auf die
    Entwicklung unserer Wirtschaft, gerade der mittelstän-
    dischen Wirtschaft. Wir sind lernfähig.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ihre Steuerpolitik hat in den letzten Jahren zu sehr
    das Prinzip der Steuergerechtigkeit verletzt. Wenn
    die, die wenig verdienen, immer mehr von der Steuerlast
    zu tragen haben, und die, die es könnten und müßten, die
    Möglichkeit haben und nutzen, Steuern zu vermeiden,
    dann entstehen auch eine Frage der Glaubwürdigkeit
    und eine große Lücke im Hinblick auf Steuergerechtig-
    keit.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das erste Halbjahr 1999 ist von der deutschen EU-
    Ratspräsidentschaft geprägt. In dieser Zeit wird über
    bedeutende Weichenstellungen zu entscheiden sein: die
    Reform und Neuordnung der Finanzen und der Gemein-
    schaftspolitik im Rahmen der Agenda 2000, die Stär-
    kung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit und die
    Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, um nur die wichtig-
    sten Punkte zu nennen. Die Bundesregierung und die
    Koalitionsfraktionen verfolgen mit Nachdruck eine
    Konsolidierung des EU-Haushaltes. Es geht um eine
    gerechtere Lastenverteilung, eine Reform der Ausga-
    benpolitik und um Haushaltsdisziplin. Ziel der Bundes-
    regierung ist es aber auch, eine Reduzierung der unver-

    Dr. Peter Struck






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    hältnismäßig hohen Nettozahlungen Deutschlands zu er-
    reichen. Das unterstützen wir.


    (Beifall bei der SPD)

    Die Konsolidierung der EU-Finanzgrundlagen ist

    dringend geboten. Der Sondergipfel der EU im März in
    Berlin wird ein Erfolg werden. Ein Fehlschlag würde der
    Stabilität und der Stärke des Euro einen erheblichen
    Schaden zufügen und Europa als Investitionsstandort
    und Kapitalmarkt belasten.

    Bei der Ausgabenpolitik geht es vor allem um eine
    Reform der gemeinsamen Agrarpolitik, um die Land-
    wirtschaft wettbewerbsfähig und WTO-konform zu ma-
    chen. Es geht uns dabei um die Zukunftsfähigkeit unse-
    rer Landwirtschaft. Wir handeln europäisch, aber wir
    werden bei diesen Verhandlungen die Interessen
    Deutschlands nachdrücklich vertreten. Wir werden dabei
    fair gegenüber unseren Partnern bleiben; denn für natio-
    nalpopulistische Töne, wie sie aus der Union kommen,
    ist kein Platz.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das, was Edmund Stoiber vollmundig und Herr
    Schäuble halbherzig in ihrem europapolitischen Positi-
    onspapier präsentieren, würde unser Land isolieren; es
    würde den Zusammenschluß und die Handlungsfähig-
    keit der Europäischen Union sabotieren und liefe darauf
    hinaus, deutschen Interessen ernsthaft zu schaden und
    die dringend gebotene Osterweiterung der EU zu hinter-
    treiben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ihre Forderung, eine Nettoentlastung zwischen 7,5
    und 14 Milliarden DM durchzusetzen, ist angesichts der
    Interessenlagen bei den anderen Mitgliedstaaten und der
    vorgeschriebenen Einstimmigkeit bei der Beschlußfas-
    sung weder verhandelbar noch kompromißfähig. Sie ist
    einfach absurd.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Es geht Ihnen, die Sie eine solche Politik betreiben,

    überhaupt nicht um die Sache. Ihnen geht es darum, im
    Vorfeld der Europawahlen populistische Stimmung ge-
    gen Brüssel zu machen. Aus wahltaktischen Gründen
    soll antieuropäisches Klima erzeugt werden. Wir werden
    das zu verhindern wissen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir werden morgen im Deutschen Bundestag eine
    Entscheidung zu treffen haben, die sich aus den Ergeb-
    nissen von Rambouillet ergibt. Ich höre, daß es in der
    Union Überlegungen gibt, dem Vorschlag der Bundes-
    regierung nicht zuzustimmen.


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: So nicht! Gucken Sie sich den Mist einmal an!)


    Das wäre bezeichnend und ein schlimmes Zeichen. Sie
    werden die Verantwortung dafür haben.

    Nach den schrecklichen Greueln der Vergangenheit
    im Kosovo sind die Aussichten auf einen Friedensver-
    trag, die am Ende der Verhandlungen in Rambouillet er-
    reicht worden sind, ein hoffnungsvolles Zeichen. Wir
    setzen darauf, daß die politische und militärische Ent-
    schlossenheit des Westens die Unterschriften beider
    Seiten am 15. März möglich machen wird. Um die Im-
    plementierung der Vereinbarungen sicherzustellen, kann
    auf eine von der NATO geführte Friedenstruppe nicht
    verzichtet werden. Die Bundesregierung hat zu Recht
    den unserer Verantwortung angemessenen Truppenteil
    in Aussicht gestellt. Wir werden morgen über diesen
    Antrag zu entscheiden haben.

    Wir wissen alle, daß dieser Einsatz der bisher gefähr-
    dungsträchtigste für unsere Soldaten sein wird. Wir
    schicken sie nicht leichtfertig, sondern um weiteres
    Blutvergießen und weitere Massaker zu verhindern. Der
    Balkan darf nicht zum Sprengsatz für Europa werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich bitte das Haus darum, dem Antrag eine breite Zu-
    stimmung zu geben, damit sich die Bundeswehr und die
    Soldaten der vollen politischen Unterstützung sicher
    sein können.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wie in der Europapolitik gibt die CSU auch in der
    Einbürgerungsdebatte den Ton an, mit viel Blech und
    ohne jedes Piano. Dort sitzen die Strategen der gesell-
    schaftlichen Polarisierung. Verschämt schauen manche
    Christdemokraten wie Herr Rühe, Frau Süssmuth oder
    Herr Blüm weg. Der CDU-Vorsitzende muß auch hier
    mitspielen; dirigieren darf er schon lange nicht mehr.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die Union habe mit ihrer Unterschriftenaktion dem Volk
    aufs Maul geschaut, haben Sie beim politischen
    Aschermittwoch in Passau behauptet. Was sie wirklich
    getan hat, haben Vertreter der beiden christlichen Kir-
    chen beim sozialpolitischen Aschermittwoch in Essen
    auf den Punkt gebracht: Mit dieser Aktion ist unser Volk
    emotionalisiert worden. Sie haben Ängste geschürt. Sie
    haben einen Ungeist aus der Flasche gelassen und keine
    Ahnung, wie Sie ihn wieder einfangen können.


    (Lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der PDS)


    Wir wissen allerdings: Viele, die unterschrieben ha-
    ben, haben nicht das gewollt, was Sie daraus gemacht
    haben. Was von Ihrer Aktion zu halten ist, hat der hessi-
    sche CDU-Politiker Michel Friedman, Mitglied des
    Zentralrates der Juden in Deutschland, auf den Punkt
    gebracht. Er sagte: „Es ist doch der Gipfel der Heuche-
    lei, wenn die CDU behauptet, diese Unterschriftenaktion
    im Interesse der Ausländer durchzuführen.“


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Dr. Peter Struck






    (A) (C)



    (B) (D)


    Es wäre kaum auszudenken, was passieren würde,
    wenn zwei Wellen – Ihre Unterschriftenaktion und die
    Gewalt der PKK-Anhänger – kumulieren würden: ein
    Dammbruch an Ausländerfeindlichkeit zum Schaden der
    übergroßen Mehrheit ausländischer Mitbürger, die hier
    in Frieden leben und arbeiten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Die Union hat in der Einbürgerungsdebatte die Gesell-
    schaft emotionalisiert und aus dem Gleichgewicht ge-
    bracht. Sie hat unwidersprochen zugelassen, daß notori-
    sche, rechtsextreme Ausländerfeinde von NPD und
    DVU mit ihr paktieren.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Wir wollen das Thema Integration wieder zu einem
    Thema der Mitte der Gesellschaft machen; deshalb set-
    zen wir auch in diesem Haus auf einen Pakt mit den Be-
    sonnenen. Draußen im Lande, in den gesellschaftlichen
    Gruppen, stehen die Gewerkschaften und Kirchen an
    unserer Seite. Ich schließe mich dem an, was der Präses
    der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland,
    Manfred Kock, dazu gesagt hat: In unserem eigenen In-
    teresse dürfen wir es nicht zulassen, daß ein erheblicher
    Teil unserer Bevölkerung auf Dauer von gleichberech-
    tigter politischer Teilhabe ausgeschlossen wird.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Eine moderne, weltoffene Gesellschaft braucht auch ein
    modernes Staatsbürgerschaftsrecht und keines aus den
    Zeiten von Kaiser Wilhelm.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Verbal sprechen auch Sie – sogar Herr Stoiber – von
    Integration. Aber was haben Sie denn in den letzten 16
    Jahren getan? Die gespaltenen Gesellschaften, die in un-
    seren Städten entstanden sind, sind doch die Folgen Ih-
    rer Versäumnisse. Wer die Hand zum Mittun nicht
    reicht, der darf sich nicht wundern, wenn sich die ande-
    ren in ihre Gettos bis hin zur realen Gefahr eines Fun-
    damentalismus zurückziehen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wer ausländische Jugendliche wie das fünfte Rad am
    Wagen behandelt, der produziert Gewalt und Aggressio-
    nen, nicht aber Verständnis und Mitverantwortung. Die-
    sen Menschen wollen und müssen wir Teilhabe anbie-
    ten. Das ist unsere Pflicht, der wir nachkommen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Aus der bisherigen Energiepolitik wollen wir nicht
    einfach irgendwo aussteigen; vielmehr wollen wir um-
    steigen – weg vom Risikoträger Atom, hin zu sicheren
    und umweltverträglichen Energieträgern, hin zu intelli-

    genten Spartechniken, die den Energieverbrauch dra-
    stisch senken. Darin besteht das neue Gleichgewicht
    zwischen Ökonomie und Ökologie, das unser Land
    braucht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir wollen endlich den Einstieg in eine sparsame, ef-
    fiziente und ökologisch sinnvolle Energieversorgung.
    Dazu gehört zuerst das Ende einer Energieversorgung,
    die große Mengen hochgiftigen Plutoniums produziert,
    eines Stoffes, der nach 24 000 Jahren gerade einmal die
    Hälfte seiner tödlichen Strahlung verloren hat und erst
    nach weit über 200 000 Jahren als ungefährlich gilt.

    Wir werden im nächsten Jahr 8 000 Tonnen hochra-
    dioaktiven Müll haben. Er bleibt um ein vielfaches län-
    ger hochgefährlich als der Zeitraum, den wir geschicht-
    lich überhaupt erfassen können. Wir kippen diesen Müll
    unseren Nachkommen nicht vor die Tür und verurteilen
    sie nicht, die Giftbombe zu bewachen; vielmehr nehmen
    wir jetzt unsere Verantwortung wahr. Sie haben das im-
    mer verdrängt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ebenso geht es auch nicht, daß die Bundesländer im
    Süden, die Atomstrom produzieren und lauthals für ihn
    werben, die Beseitigung des Mülls dem Norden überlas-
    sen. Das Sankt-Florians-Prinzip der Bayern werden wir
    nicht akzeptieren, sehr verehrter Herr Ministerpräsident.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir wollen die Nutzung der Kernenergie in
    Deutschland Stück für Stück beenden. Jahreszahlen sind
    dabei weniger wichtig als die Tatsache, daß das Signal
    für den konsequenten Ausstieg und den Einstieg in eine
    neue, sichere und verantwortbare Energieversorgung ge-
    setzt wurde.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Unser Signal ist: Das Ob des Ausstiegs ist entscheidend,
    er findet statt; das Wie und Wann werden wir sorgsam
    besprechen und in Ruhe klären. Das ist der richtige Weg
    zur Energiewende.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich sprach davon, daß das Gleichgewicht in unserem
    Land wiederhergestellt werden muß. Das gilt auch für
    die Förderung von Innovation, Forschung und Wissen-
    schaft – mit einem Wort: für die Förderung von Investi-
    tionen in die Zukunft. Auch hier haben Sie die Aufgaben
    sträflich vernachlässigt und am falschen Ende gespart.
    Wir korrigieren das und legen zu. Schon jetzt, in diesem
    Haushalt, stellen wir die Weichen neu. Wir reden nicht
    bloß über Zukunft, sondern wir stocken die Mittel für
    Zukunftsinvestitionen im Haushalt um über 1 Milliarde
    DM auf.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Dr. Peter Struck






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Von den Haushalts-Einzelplänen für Forschung und
    Bildung und für Wirtschaft und Technologie kann auch
    eine Verbindungslinie zum Zukunftsthema Energie ge-
    zogen werden: Wir schaffen mit dem 100 000-Dächer-
    Programm für Solarenergie neue Ansätze für eine siche-
    re und umweltfreundliche Energieversorgung. Das stärkt
    auch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unter-
    nehmen in diesem Zukunftsmarkt.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Unsere Programme zur Stärkung der Innovationsfä-
    higkeit vor allem der kleinen und mittleren Unterneh-
    men sind zukunftsorientiert, denn nur durch eine konse-
    quente Modernisierung kann sich Deutschland im welt-
    weiten Wettbewerb behaupten. Was der Staat dabei tun
    kann, wird er tun. Dafür werden wir sorgen.

    Wir setzen auf eine Politik des Zusammenführens,
    des Ausgleichs und der Integration. Wir wollen Blocka-
    den auflösen, Menschen aus verschiedenen Interessen-
    gruppen an einen Tisch bringen und gemeinsam nach
    Lösungen suchen. Wir wollen das Land wieder ins
    Gleichgewicht bringen. Dieses Vorhaben hat Bundes-
    kanzler Gerhard Schröder mit dem „Bündnis für Arbeit,
    Ausbildung und Beschäftigung“ angestoßen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!)


    Bei der Bewertung dieses „Bündnisses für Arbeit“ kann
    ich die Bemerkung meines Vorredners gut verstehen,
    mit der er dieses herabsetzen und herunterreden möchte;
    denn es war doch Ihr schwerster Fehler in der vergange-
    nen Legislaturperiode, daß Sie 1996 diesen Versuch ha-
    ben platzen lassen, weil Sie sich einseitig auf die Seite
    der Arbeitgeber gestellt haben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wer wie der sächsische Ministerpräsident die Suche
    nach Konsens als Nonsens abtut, bekommt die Realitä-
    ten rings um sich herum schlichtweg nicht mehr mit. Ein
    Blick zu den Nachbarn, zu den Niederlanden, nach Ir-
    land oder Schweden, zeigt: Die positive Beschäfti-
    gungsbilanz dort ist maßgeblich das Ergebnis von Drei-
    ecksgesprächen zwischen Regierung, Gewerkschaften
    und Vertretern der Arbeitgeber. Genau dieses wollen
    auch wir in Deutschland tun.


    (Beifall bei der SPD)

    Die Alternative zu Konsens und Reform sind Stagnation
    und Lethargie. Davon hatten wir in den letzten 16 Jahren
    nun wahrlich mehr als genug.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die Stagnation muß überwunden werden. Ich begrüße
    es ausdrücklich, daß sich Arbeitgeberpräsident Dieter
    Hundt vor der morgigen zweiten Gesprächsrunde enga-
    giert zu der Bündnisrunde bekannt hat. Das ist eine er-
    freuliche Wendung, die im Herbst jedenfalls so nicht
    vorauszusehen war. Ich begrüße es genauso, daß die

    Gewerkschaften zum Bündnis stehen. Deshalb bin ich
    zuversichtlich, daß das Bündnis ein Erfolg wird und daß
    Vernunft und Verantwortung vor Egoismus gehen. Dann
    mögen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren,
    gefälligst in Ihrer Motzecke bleiben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Schon nach den ersten Wochen hat sich das Zwei-
    Milliarden-Sofortprogramm als eine echte Chance für
    arbeitslose Jugendliche gezeigt.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Wo denn?)


    Bereits jetzt haben die Arbeitsämter 64 000 Jugendli-
    chen konkrete Angebote gemacht. Dieses Tempo, mit
    dem hier gearbeitet wird, unterstreicht, wozu die Ar-
    beitsverwaltung in der Lage ist. Voraussetzung ist aller-
    dings, daß die Politik ihr den Raum zu einer aktiven Be-
    schäftigungsförderung läßt, statt ihr nur die passive
    Verwaltung der Arbeitslosigkeit zu übertragen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wer dieses Handeln, so wie mein Vorredner, als Ruhig-
    stellen bezeichnet,


    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Unglaublich!)

    versündigt sich an allen jungen Männern und Frauen, die
    durch dieses Programm eine Chance bekommen. Sie
    sollten sich dafür schämen!


    (Lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Mehr Arbeit schaffen, das Krebsübel Arbeitslosigkeit
    bekämpfen – das ist nicht nur der Lackmustest für die
    Regierung, die mit diesem Ziel angetreten ist, sondern
    das ist auch ein Zeichen für die Modernisierung von
    Wirtschaft und Gesellschaft. Jeder in unserer Gesell-
    schaft kann seinen Teil dazu beitragen. Wir werden da-
    für die Rahmenbedingungen schaffen.

    Wir werden Reformen erarbeiten, die fair gegenüber
    allen sind, die die Leistungen erbringen müssen, und die
    fair gegenüber denen sind, die auf Leistungen angewie-
    sen sind. Das „Bündnis für Arbeit“ ist das Symbol einer
    auf Dialog und Konsens ausgerichteten Neuorientierung
    der Politik. Es ist aber nicht das einzige Beispiel.

    Wir werden die Betroffenen in allen Bereichen besser
    an den Entscheidungsfindungen beteiligen. Wir, SPD
    und Bündnis 90/Die Grünen, haben vereinbart, uns auch
    auf Bundesebene für Volksinitiativen, Volksbegehren
    und Volksentscheide stark zu machen. Wir nehmen die
    Menschen ernst; wir wollen mehr Mitbestimmung der
    Bürger am Arbeitsplatz, im Umweltrecht und im Daten-
    schutz. Wir stehen für eine Politik, die die Menschen
    mitnimmt und die nicht über ihre Köpfe hinweg ent-
    scheidet.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und
    Kollegen, wir werden dem Land ein neues Gleichge-

    Dr. Peter Struck






    (A) (C)



    (B) (D)


    wicht geben, das wir mit dem „Bündnis für Arbeit“, mit
    der Erneuerung des Sozialstaates, mit einer Offensive
    für Innovationen und mit einer ökologischen Moderni-
    sierung erreichen werden. Wir werden diesen Weg un-
    beirrt fortsetzen.


    (Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Für die F.D.P.-
Fraktion hat der Kollege Wolfgang Gerhardt das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Gerhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident!
    Meine Damen und Herren! Wer die Presse in der letz-
    ten Zeit aufmerksam verfolgt hat – also nicht nur wäh-
    rend der ersten hundert Tage der Regierung –, der
    braucht nicht gläubiges Mitglied in einer der Oppositi-
    onsparteien zu sein, um klar sagen zu können: Der
    Start war miserabel. Die Regierung hat nie deutlich
    machen können, was sie eigentlich will; sie hat bisher
    nur deutlich gemacht, was sie nicht will. Das geht in
    die falsche Richtung los. Das gibt mehr Arbeitslose,
    das kostet Deutschland Zeit und die junge Generation
    die Zukunft.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Die Bundesregierung hat bisher gesagt, Herr Kollege
    Struck, sie wolle keine Kürzungen im Sozialbereich, sie
    wolle keine Einschnitte im Gesundheitswesen, sie wolle
    keine Flexibilisierung am Arbeitsmarkt und sie wolle
    keine Rentenreform, wie von der alten Koalition be-
    schlossen. Aber allmählich dämmert es Herrn Riester,
    daß das kein Konzept für die Zukunft sein kann. Sie
    werden eine Flexibilisierung am Arbeitsmarkt brauchen,
    Sie werden eine Rentenreform machen müssen, Sie
    müssen Wahlmöglichkeiten im Gesundheitswesen
    schaffen, Sie müssen deregulieren und flexibilisieren,
    und Sie müssen eine Steuerreform mit deutlichen Steu-
    ersenkungen vorlegen, weil Sie sonst keine ökonomi-
    sche Stabilität in Deutschland schaffen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ob es noch einige Tage dauert, bis Sie sich zu diesen
    Erkenntnissen durchringen, mag dahingestellt bleiben.
    Die Unglaubwürdigkeit Ihrer kompletten Wahlaussage
    steht Ihnen schon heute auf die Stirn geschrieben, weil
    Sie nichts von dem halten können, was Sie den Men-
    schen versprochen haben. Sie haben die „Neue Mitte“
    gröblich enttäuscht. Ihre Steuerreform richtet sich genau
    auf die als Zielscheibe, die Sie im Wahlkampf als Ihre
    Zielgruppe ausgemacht haben.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Das ist nicht nur ein Thema des Neigungsökonomen

    aus dem Saarland, Herr Bundeskanzler, sondern das ist
    auch Ihr Thema. Sie haben der „Neuen Mitte“ im Wahl-
    kampf Jost Stollmann vorgezeigt. Er hat dann, als er die
    Koalitionsvereinbarungen gesehen hat, einen Rückzieher
    gemacht. Nun betreiben Sie eine Politik, die glatter
    Wählerbetrug an der von Ihnen ausgerufenen „Neuen

    Mitte“ ist. Das ist der Sachverhalt in der Bundesrepublik
    Deutschland.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Für Sie gelten die schlichten Grundrechenarten wie

    für mich auch. Wenn Sie die Rente auf dem jetzigen
    Niveau halten wollen, müssen Sie entweder Steuern
    oder Beiträge erhöhen. Dies hat Herrn Riester in den
    letzten Tagen gedämmert. Aber den Wahlkampf haben
    Sie mit den übelsten Vorwürfen, auch gegen meine Par-
    tei, die F.D.P., geführt: Wir seien drauf und dran, den
    Rentnern ans Portemonnaie zu gehen. Wir waren drauf
    und dran, eine neue Fairneß zwischen den Generationen
    in Deutschland herzustellen, die Sie mutwillig zerstört
    haben.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie haben im Wahlkampf angekündigt, daß es im Ge-
    sundheitswesen keine Zuzahlungen mehr geben solle.
    Nachdem Sie die Regierungsverantwortung übernom-
    men hatten, haben Sie festgestellt, daß Sie diese Wahl-
    kampfzusage nicht halten können. Dann haben Sie eine
    minimale Absenkung der Beiträge, je nach Packungs-
    größe um 1, 2 oder 3 DM, vorgenommen und die
    Wahlmöglichkeiten in den Krankenversicherungssyste-
    men beseitigt. Wenn Sie den Kostensteigerungen so be-
    gegnen wollen, ist das ungefähr so, als wenn Sie drei
    Kanonenkugeln in einen Kochtopf legen, den Deckel
    draufhalten und warten, bis es knallt. Die Kostensteige-
    rungen im Gesundheitssystem kommen, entweder über
    weitere Mehrwertsteuererhöhungen, Zuzahlungen, oder
    Sie müssen die Beiträge erhöhen.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Sie mogeln sich jetzt vielleicht noch durch einige

    Landtagswahlen. Aber für die zweite Hälfte dieses Jah-
    res sage ich voraus, daß Sie vor deutlichen Beitrags-
    oder Steuererhöhungen stehen und dies sagen müssen,
    weil zwei mal zwei in Deutschland vier bleibt, auch
    wenn Schröder regiert. Das müssen wir ganz deutlich
    machen.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich muß jetzt, bevor ich mich äußere, erst einmal fra-

    gen: Gibt es einen neuen Stand bei den 630-DM-
    Verträgen seit gestern?


    (Dr. Gregor Gysi [PDS]: Ja, seit gestern! – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Sehr berechtigte Frage!)


    Ich muß ja neue Mitarbeiter beschäftigen, damit alle
    Wasserstandsmeldungen entgegengenommen werden
    können!


    (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die kann die F.D.P. aber nicht mehr zahlen! Die sind doch pleite!)


    Wenn es noch der Stand von gestern ist, dann möchte
    ich Sie auffordern, mir, wenn Sie nachher reden, zu er-
    klären, was es sozialpolitisch für einen Sinn macht, die
    Ehefrau eines gutverdienenden Ehemannes nicht zur
    Zahlungspflicht zu veranlassen, wohl aber die alleiner-

    Dr. Peter Struck






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    ziehende Mutter, die einen Job hat und sich etwas dazu-
    verdient.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wenn das sozialpolitisch für mich überzeugend begrün-
    det werden kann, dann spende ich Ihnen einen namhaf-
    ten Betrag.


    (Heiterkeit bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Das wird niemand können.

    Nirgendwo zeigt sich besser als an diesem Beispiel,
    daß die Sozialpolitik der SPD erstarrt, reguliert, kollek-
    tiv, einheitlich ist. Sie haben keine andere sozialpoli-
    tische Antwort in Deutschland als große Systeme: kol-
    lektiv abbuchen, kollektiv zuteilen. Das aber ist nicht die
    Sozialpolitik der Zukunft. Dies wird an diesem kleinen
    Beispiel, den 630-DM-Verträgen, auf die Hunderttau-
    sende von Menschen angewiesen sind, ganz deutlich.

    Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, vorher nicht Mi-
    nisterpräsident gewesen wären, wenn Sie keine politi-
    sche Erfahrung gehabt hätten, wenn Sie nicht wie auch
    der Finanzminister die Haushalte gekannt hätten, dann
    könnte man noch sagen: Na ja, der Mann muß sich in
    diesem Amt erst einmal informieren. Sie aber wußten,
    was 630-DM-Verträge sind, und kannten die Situation
    bei der Rente. Sie kannten die Finanzierungsprobleme
    im deutschen Gesundheitswesen. Sie kannten den
    Attentismus in der Wirtschaft und wußten, daß eine
    Steuerreform notwendig ist. Sie sind doch nicht in dieses
    Amt gewählt worden, um darin erst ausgebildet zu wer-
    den. Sie mußten vorher wissen, um was es in der Bun-
    desrepublik Deutschland geht.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Deshalb können Sie nicht von einem Tag auf den an-

    deren die 630-DM-Verträge abzuhandeln versuchen und
    dann immer neue Versionen in die Welt setzen. Es gibt
    einige Millionen Menschen, die auf diese Einkommen
    dringend angewiesen sind. Wir sind ihre Partner. Sie
    sind ihre Gegner; Sie beeinträchtigen ihre Chancen.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Herr Kollege Struck, es kann doch niemand mehr be-

    haupten, daß die Ökosteuer irgend etwas mit Ökologie
    zu tun habe. Sie haben vorhin gesagt, Sie machten die
    größte Steuerreform seit 1945. Sie betreiben das größte
    Abkassieren der Bürger Deutschlands seit 1945.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich sage Ihnen, wo Sie abkassieren. Sie kassieren

    auch bei denen ab, die Sie im Wahlkampf als Ihre
    Schützlinge ausgegeben haben: Rentner und Arbeitslose
    sind die Leidtragenden der Ökosteuer. Sie bezahlen dies.
    Sie haben nur die vage Zusage, sie würden im Jahr 2002
    steuerlich um 15 Milliarden DM entlastet, müssen aber
    vorher deutlich mehr als 15 Milliarden DM an den Fi-
    nanzminister der Bundesrepublik Deutschland zahlen.
    Die Entlastungszusage von 15 Milliarden DM durch die
    Steuerreform ist ein Wählerbetrug. Das ist eine Politik,
    die weder etwas mit sozial noch mit ökologisch, noch
    mit gerecht, noch mit solidarisch, noch mit menschlich
    zu tun hat. Das ist die Politik, von der die deutsche Sozi-

    aldemokratie als konservativste Truppe in Europa
    glaubt, daß sie damit die Bundesrepublik Deutschland
    beglücken wird. Sie beglückt unser Land nicht, sie wirft
    es um Jahre zurück. Das zeigen Ihnen auch die öffent-
    lichen Reaktionen.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Nehmen Sie nur die Innenpolitik, Herr Kollege

    Struck.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Warum schreien Sie so?)

    Was habe ich dazu noch vor einigen Wochen von

    Ihnen gehört? Wir brauchen die Opposition nicht, haben
    Sie gesagt, wir haben allein die Mehrheit. Ich werfe
    Ihnen nicht vor, daß Sie nun zu anderen Erkenntnissen
    kommen mußten. Freiwillig aber ist dies nicht gesche-
    hen.

    Herr Schlauch, da ich Sie sitzen sehe, sage ich Ihnen:
    Klären Sie einmal in Ihrer Bundestagsfraktion ab, daß,
    wenn die Sozialdemokratische Partei auf unser Op-
    tionsmodell zugeht, die Koalition in der Abstimmung
    zusammenbleibt. Sie werden nicht umhinkommen, von
    Ihrem Modell der Staatsangehörigkeit Abschied zu
    nehmen. Wenn Sie wie wir anfangen, an die Kinder zu
    denken und die doppelte Staatsangehörigkeit nicht als
    Regelfall sehen, führt kein Weg an der Gesetzesinitiati-
    ve des Landes Rheinland-Pfalz und an dem Gesetzes-
    vorschlag der F.D.P.-Bundestagsfraktion vorbei,


    (Beifall bei der F.D.P.)

    und zwar aus folgendem Grund: Es kommt nicht nur
    darauf an, zum Staatsangehörigkeitsrecht einen ver-
    nünftigen Vorschlag zu machen, sondern auch darauf,
    daß es gesellschaftlich verankert wird, daß es also die
    Gesellschaft akzeptiert. Das ist es, was Sie sträflichst
    vernachlässigt haben.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Uns hilft doch die hehre Absicht nichts, wenn Sie ein

    neues Staatsangehörigkeitsrecht vorlegen, das in Ihren
    eigenen Reihen umstritten ist, auf Grund dessen Ihnen
    die eigenen Wähler davonlaufen und das von der Gesell-
    schaft nicht akzeptiert wird. Das nutzt weder Ausländern
    noch der deutschen Bevölkerung. Deshalb müssen wir
    uns jetzt entscheiden. Vor allem Sie müssen sich ent-
    scheiden. Gehen Sie von Ihren Vorstellungen weg in
    Richtung einer Modifizierung! Es entscheidet nicht die
    Höhe des Wahlergebnisses, verehrte Kolleginnen und
    Kollegen, es entscheidet die Qualität des Vorschlags.
    Und wir haben den qualitativ besten Vorschlag dazu
    gemacht.


    (Beifall bei der F.D.P.] In der Innenpolitik können Sie sich ansonsten auf ein recht moderates Vorgehen berufen. Aber in dem Bereich, in dem Kontinuität am meisten erforderlich ist, und zwar in der deutschen Außenund Europapolitik, haben Sie einen Scherbenhaufen angerichtet, der seinesgleichen sucht. Es reicht doch nicht, daß der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland in Person, in Kleidung, in Manieren und in Art und Weise Kontinuität Dr. Wolfgang Gerhardt symbolisiert. Während des halben Jahres der deutschen Ratspräsidentschaft hat Herr Trittin durch sein überhebliches Auftreten, besonders in unserem Nachbarland Frankreich, so viel Porzellan zerschlagen, daß Sie alle Ihre Kräfte mobilisieren müssen, um die Ratspräsidentschaft einigermaßen zum Erfolg zu führen. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)





    (A) (C)


    (B) (D)


    In der gleichen Zeit hat der Bundesfinanzminister, der
    ja glaubt, die Weisheit in dieser Welt gepachtet zu ha-
    ben, seinen Kollegen unendlich lange Volkshochschul-
    vorträge gehalten, die sie nahezu ermüdet haben und die
    auf dem Petersberg dazu geführt haben, daß der ameri-
    kanische Finanzminister endlich einmal gefragt hat:
    Glaubt ihr denn, am deutschen Wesen des sozialdemo-
    kratischen Finanzministers könnte die Welt genesen?
    Die glatte Bauchlandung in seiner Zielzone, das Her-
    ummäkeln an der Unabhängigkeit der Bundesbank und
    das Herummäkeln an der Europäischen Zentralbank, das
    bringt doch unsere Nachbarländer geradezu in Verwir-
    rung. Die Europapolitik beinhaltet doch derzeit: Give
    me my money back, keine schnelle Osterweiterung,
    Wechselkurszielzonen, ein bißchen Herumkritisieren an
    der EZB – das ist eine ganz neue deutsche Art – und an-
    sonsten die Erwartung, daß wir von allen profitieren und
    daß das alles gut läuft.

    Es gab noch keine deutsche Bundesregierung, die
    eine so wenig ambitionierte Europapolitik gemacht hat
    wie die unter Bundeskanzler Gerhard Schröder.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich will Ihnen das an einem Punkt, der für meine
    Partei wichtig ist, ganz emotional vorhalten.


    (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So emotional, wie Sie sein können!)


    Ich weiß, daß Sie, Herr Bundeskanzler, Herr
    Schlauch, Herr Fischer und übrigens auch Herr Lafon-
    taine, mit der deutschen Wiedervereinigung Probleme
    hatten. Man kann Ihnen Ihre entsprechenden Aussagen
    vorhalten, die damals von Ihnen zitierfähig vorgebracht
    wurden. Aber daß ausgerechnet Sie als Bundeskanzler
    und als Bundesaußenminister die Länder vertrösten, die
    die Wiedervereinigung Deutschlands befördert haben,
    dafür sollten Sie sich schämen. Das halten wir für uner-
    träglich.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Sie vernachlässigen mit Ihrer Europapolitik ein Kon-

    stituens deutscher Politik, das genau zu den Grundsäulen
    der Bundesrepublik Deutschland geführt hat, die uns aus
    der größten Katastrophe der deutschen Geschichte her-
    ausgeführt haben. Vergessen Sie jetzt meine kritischen
    Einwände zu den 630-DM-Verträgen, zu Ihren dilettan-
    tischen Versuchen, die Rente doch noch zu reformieren,
    und zu Ihren Versuchen – die Sie wahrscheinlich im
    Herbst machen werden – zurückgenommene Reformen
    doch wieder einigermaßen nach vorne zu bringen. Das
    mag unseren innenpolitischen Streitigkeiten unterliegen.
    Aber die Unverläßlichkeit, die Sprunghaftigkeit und die

    unhistorische Dimension Ihrer Europapolitik sind es, die
    unsere Nachbarn bestürzen und mich besorgt machen.

    Ein Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland,
    hier auch vertreten durch den Sprecher der SPD-
    Fraktion, mag – mit kleiner innenpolitischer Münze –
    mit uns einen Schlagabtausch über das führen, was wir
    früher gemacht oder nicht gemacht haben und was Sie
    jetzt machen wollen, aber noch nicht gemacht haben.
    Aber im Kernpunkt der deutschen Außen-, Sicherheits-
    und Europapolitik zieht die Opposition nicht nur das
    Florett. Für den Fall, daß Sie Ihre Politik so fortsetzen,
    indem Sie keine Ambitionen auf die Osterweiterung ha-
    ben, nur mit der nationalen Karte – das heißt mit der
    Forderung nach Rückgabe von zuviel gezahltem Geld
    und dem Vorwurf an Herrn Stoiber, er ziehe die natio-
    nale Karte, obwohl Sie sie dauernd ziehen – arbeiten
    und unseren Nachbarn sagen, man wolle aus der Kern-
    energie aussteigen, völkerrechtliche Verträge bzw.
    Euratom interessierten uns einen Dreck, Entschädi-
    gungszahlungen würden nicht geleistet, aber ansonsten
    wolle man alles so haben, daß es deutschen Interessen
    diene, sage ich Ihnen voraus, daß Sie am Ende mit lee-
    ren Händen dastehen werden.

    Es ist nicht nur eine nationale Frage, ob Sie mit lee-
    ren Händen dastehen werden. Sie werden am Ende der
    Ratspräsidentschaft internationales Vertrauen zerstört
    haben, und das kann uns in der Bundesrepublik
    Deutschland nicht gleichgültig sein.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Die Bildungsministerin – das haben Sie im Wahl-

    kampf doch auch angekündigt – hat der jungen Genera-
    tion erklärt: Wir sind eure Vertreter; wir sind für ein
    Verbot von Studiengebühren; wir verdoppeln den Bil-
    dungsetat. Es war gestern schon Gegenstand der Aus-
    sprache, daß die Sozialdemokraten mit den Grundre-
    chenarten ihre Schwierigkeiten haben. Auch wenn Sie es
    noch so sehr umrechnen: 1 Milliarde DM stellt in die-
    sem Jahr keine Verdoppelung dar; wenn Sie bei den
    Steigerungsraten bleiben, ist das auch in vier Jahren kei-
    ne Verdoppelung.

    Mich interessiert nicht nur das, mich interessiert die
    Glaubwürdigkeit Ihrer Aussage – Sie waren Minister-
    präsident in Niedersachsen –, für ein Verbot von Studi-
    engebühren eintreten zu wollen. In Ihrem Land ist eine
    Art von Studiengebühren eingeführt worden; ob man sie
    „Verwaltungskosten“ nennen kann, mag dahingestellt
    bleiben. Der Gesetzentwurf zum Verbot von Studienge-
    bühren, den Sie der jungen Generation versprochen ha-
    ben – das war aus meiner Sicht völlig falsch –, wird
    nicht eingebracht. Ihre Bundesbildungsministerin ringt
    um ein Verwaltungsabkommen. Das hätten Sie schon in
    der letzten Legislaturperiode haben können; das war der
    Vorschlag von CDU/CSU und F.D.P. im Vermittlungs-
    ausschuß.

    Das zeigt aber die Struktur Ihres Denkens. Sie wollen
    – so denken Sie – alles flächendeckend, einheitlich und
    kollektiv in Deutschland regeln.


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Zentralistisch!)


    Dr. Wolfgang Gerhardt






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Warum überlassen Sie den Hochschulen nicht die
    Entscheidung über ihre Finanzierung? Sie könnten sich
    doch dann ruhig zurücklehnen, wenn alle so denken wie
    Sie: Dann werden doch die Studenten diese teuren Lehr-
    anstalten verlassen und zu den kostenfreien der SPD ge-
    hen. Nur, ich sage Ihnen: Sie haben keine junge Genera-
    tion vom Schlage der 68er vor sich. Diese Generation
    legt Wert auf die Qualität des Angebots; sie ist eher be-
    reit, Gebühren zu zahlen, wenn sie dafür zeitig zum Ab-
    schluß geführt wird.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Deshalb ist Ihr Denken so falsch.
    Da Sie immer nach den Alternativen fragen, nenne

    ich Ihnen sie auch: Vielfalt, Wettbewerb, kürzere Studi-
    enzeiten, Autonomie der Hochschulen, Grundhaushalt,
    Eigenmittelwerbung, Drittmittel, eigene Finanzierungs-
    vorstellungen. Wir sind gegen staatlich regulierte, vom
    öffentlichen Dienstrecht überwölbte Hochschulen, deren
    Haushalt von einer zentralen Instanz abgesegnet wurde
    und die eine einheitliche und kollektive Hochschulland-
    schaft darstellen.

    Sie haben weiterhin gefragt, welche denn unsere Vor-
    stellungen sind. Ich will sie Ihnen nennen. In bezug auf
    das Staatsangehörigkeitsrecht kennen Sie unsere Vor-
    stellungen. Der Gesetzentwurf liegt vor. Sie werden sich
    auf ihn zubewegen müssen. Ansonsten haben Sie keine
    Alternative.

    Weil der Bundesinnenminister immer darüber redet
    und das mit dem Satz belegt „Das Boot ist voll“, haben
    wir einen Gesetzentwurf zur Einwanderungsbegrenzung
    in der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt. Er ist be-
    ratungsfähig. Er sieht Mechanismen vor. Ihm können
    Sie so zustimmen. Es ist ein guter Entwurf.

    Sie haben eine Ökosteuer vorgelegt. Wir haben in un-
    serem Gesetzentwurf ein anderes Steuermodell vorge-
    legt. Schaffen Sie die Kraftfahrzeugsteuer ab, und legen
    Sie das, was Sie dadurch eingenommen haben, auf die
    Mineralölsteuer um. Sie können dem Gesetzentwurf zu-
    stimmen; er hat eine ökologische Lenkungswirkung: Er
    läßt die Menschen selbst entscheiden, wann sie Auto
    fahren. Durch ihn soll nicht einfach nur abkassiert wer-
    den.

    Sie fragen nach weiteren Alternativen. Im Mai, glau-
    be ich, Herr Bundesfinanzminister, steht eine Steuer-
    schätzung bevor. Wir sind bereit, den Entwurf eines
    Steuergesetzes einzubringen, der eine Nettoentlastung
    für alle vorsieht, Investitionsimpulse setzt und die Be-
    schäftigung anregt.


    (Georg Pfannenstein [SPD]: Ausgerechnet ihr!)

    Ich schlage Ihnen vor: Stellen Sie Ihren Gesetzent-

    wurf so lange zurück, beraten Sie lieber auf der Grund-
    lage unseres Entwurfs! Wenn für ihn eine Mehrheit ge-
    funden werden könnte, würde das eine wesentlich besse-
    re Steuerpolitik für Deutschland bedeuten.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wir können auf allen Feldern eine Alternative zu Ihrer
    Politik aufzeigen. Wir sind in der Lage, in den Kernfra-

    gen deutscher Politik, ob Europapolitik, Außenpolitik
    oder Sicherheitspolitik, unsere Konturen aufzuzeigen,
    und sind bereit, das, wo nötig, hier gemeinsam zu be-
    schließen.

    In Fragen des Arbeitsmarktes setzen Sie auf kollek-
    tive Systeme; Sie sind gegen eine Flexibilisierung des
    Arbeitsmarktes, den Sie verriegeln und verrammeln
    wollen. Wir dagegen können Gesetzentwürfe einbrin-
    gen, die gerade eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes
    vorsehen. Das berühmte „Bündnis für Arbeit“ ist nicht
    allein deshalb schon eine wichtige Veranstaltung, weil
    es von Fernsehkameras festgehalten wird, Herr Bundes-
    kanzler. Das „Bündnis für Arbeit“ hat nur dann einen
    Sinn, wenn diejenigen, die am Tisch sitzen, in ihrem je-
    weiligen Bereich auch ihre Verantwortung wahrnehmen.


    (Hans Georg Wagner [SPD]: Das ist richtig! Die Arbeitgeber!)


    Die IG-Metall hat mit ihrer 6,5-Prozent-Lohn-
    forderung – nach den entsprechenden Bemerkungen des
    Finanzministers über das Ende der Bescheidenheit – ihre
    Verantwortung nicht wahrgenommen, und jeder hier im
    Haus weiß das. Der Schlichterspruch geht über den Pro-
    duktivitätsfortschritt der deutschen Volkswirtschaft hin-
    aus. Dieser Abschluß ist damit ein Abschluß für Ar-
    beitsplatzbesitzer und gegen Arbeitslose.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wenn man ein Bündnis für Arbeit will, dann muß
    man diejenigen, die am Tisch sitzen, in ihren jeweiligen
    Bereichen zur Verantwortung bringen. Da Sie, Herr
    Bundeskanzler, mit am Tisch sitzen, ist es Ihre Aufgabe,
    den Beteiligten deutlich zu machen, wie Sie die Rah-
    menbedingungen als verantwortlicher Bundeskanzler
    setzen. Die Rahmenbedingungen eines Landes, das sich
    im weltweiten Wettbewerb befindet, können nicht sein:
    Ökosteuern, Mehrwertsteuererhöhung, Umschichtungen,
    kleines Umverteilungsglück. Vielmehr können sie nur
    lauten: deutliche Steuersenkungen, Beschäftigungsim-
    pulse, Vertrauen in die Aktivität und Verantwortungsbe-
    reitschaft der Menschen.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Sie bieten keine vernünftigen Rahmenbedingungen, und
    die Tarifvertragsparteien machen Abschlüsse, die der
    Produktivität nicht gerecht werden, die Arbeitslosigkeit
    eher erhöhen.

    Das, was sich in diesem Frühjahr in bezug auf das,
    worauf Sie Wert legen, vollzieht, zeigt es ja auch: Die
    Arbeitslosenzahlen gehen nicht zurück, sondern steigen
    an; Attentismus macht sich breit; wir warten zu, wir ha-
    ben keine Traute. Das alles zeigt doch, daß Sie nicht –
    wie der Kollege Struck sagt – glänzende Gesetzentwürfe
    vorgelegt haben. Die erhöhte Arbeitslosigkeit ist einge-
    treten, weil sich in Deutschland niemand mehr im klaren
    darüber ist, was Sie als Bundesregierung eigentlich
    wollen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Das haben Sie mit Ihrem Start erreicht.

    Dr. Wolfgang Gerhardt






    (A) (C)



    (B) (D)


    Herr Bundeskanzler, Sie – und zwar Sie als Person –
    tragen Verantwortung für die Politik. Sie verantworten
    die Koalitionsvereinbarung, Sie verantworten die inter-
    nationalen Belehrungsvorträge Ihres Finanzministers,
    Sie verantworten den Elefanten im internationalen Por-
    zellanladen Trittin, Sie verantworten die kümmerliche
    Erhöhung des Bildungsetats,


    (Hans Georg Wagner [SPD]: Wie wäre es denn bei Ihnen?)


    das komplette Scheitern abgegebener Erklärungen.
    Sie verantworten einen Zug von Politik, den sich eine

    Mehrheit nicht erlauben kann: Es begann damit, daß der
    Finanzminister leise Forderungen nach Umbesetzungen
    im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamt-
    wirtschaftlichen Entwicklung vortrug. Es war doch nicht
    so, daß man sich Sorgen machte, weil jemand aus Al-
    tersgründen ausschied.


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Gleichschaltung war das!)


    Vielmehr hat dem Finanzminister dessen Position
    nicht gepaßt. Er begann damit, die personelle Zusam-
    mensetzung langsam zu verändern, weil er sich über das
    Herbstgutachten natürlich nicht freuen konnte.

    Die Gesundheitsministerin veränderte die Zusam-
    mensetzung des Sachverständigenrats im Gesundheits-
    wesen – doch nicht, weil jemand die Pensionsgrenze er-
    reicht hätte, sondern weil ihr das Votum zu der einge-
    leiteten Politik nicht gefiel. Herr Trittin löste die Reak-
    torsicherheitskommission auf. Die Kritik, die aus dem
    Kanzleramt kam – das sei nicht mit dem Bundeskanzler
    abgesprochen gewesen –, mögen sie unter sich ausma-
    chen. Das ist nicht mein Interesse, ob das mit Ihnen ab-
    gesprochen war. Mich interessiert die Art und Weise.
    Und mich interessiert, daß die Koalitionsvereinbarung
    dazu führt, daß Sie im Zusammenhang mit der Wahl des
    Bundespräsidenten den Grünen, damit sie an Ihrer Seite
    bleiben, einen Vorschlag zur Besetzung der EU-Kom-
    mission gegönnt haben.


    (V o r s i t z : Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

    Eine Mehrheit kann nicht alles, und eine Mehrheit

    darf nicht alles. Wer drauf und dran ist – durch Auflö-
    sung von Gremien –, sachverständige Kritiker mundtot
    zu machen, der trifft auf unseren entschiedensten Wider-
    stand im Deutschen Bundestag.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Dieser Vorgang ist bemerkenswert, weil Sie doch

    immer auftreten als Verfechter der Vielfalt, der Refor-
    men, des Fortschritts, der kritischen Stimmen. Sie be-
    trachten sich doch geradezu als Anwalt einer kritischen
    Öffentlichkeit. Ihnen hat doch sonst noch nicht einmal
    das Prädikat Wissenschaftler gereicht. Nein, es mußte
    ein „kritischer“ Wissenschaftler sein – so, als sei das
    noch etwas besonders Bemerkenswertes. Da, wo Ihnen
    jetzt Kritiker entgegentreten – die Ihnen beispielsweise
    sagen, die globale Budgetierung im Gesundheitswesen
    führe zu nichts –, nehmen Sie sich das nicht zu Herzen
    und überlegen noch einmal, sondern schaffen die Kriti-

    ker ab. Da, wo Ihnen der Sachverständigenrat sagt, Sie
    gehen einen völlig falschen Weg – in einer globalisier-
    ten Welt kann sich Deutschland nicht als Insel betrach-
    ten und nur auf Nachfrageimpulse setzen –, nehmen Sie
    sich das nicht zu Herzen, sondern verändern dessen per-
    sonelle Zusammensetzung. Da, wo eine Reaktorsicher-
    heitskommission – die im übrigen, ob es sich um Kern-
    energiegegner oder -befürworter handelte, allein auf die
    Sicherheit der deutschen Kernkraftwerke verpflichtet
    war – Ihnen etwas anderes sagt, als Sie meinen, lösen
    Sie diese Kommission auf.

    Das ist ein Stil, der in Deutschland nicht einreißen
    darf. Die Opposition hat auch ein Wächteramt für die,
    die nicht mit Ihrer Politik einverstanden sind, und diese
    müssen wir vertreten.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Das ist auch mehr als eine Stilfrage; das ist ein Verlust
    an Souveränität. Das ist absolut engstirnig, ein ganz
    kleines Karo.


    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Pepita! – Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Eine Schmierenkomödie ist das!)


    Aber so habe ich Sie eingeschätzt. Mich überrascht das
    nicht. Das ist das Denken, das aus der alten 68er Gene-
    ration kommt, die meint, sie hätte die Wahrheit gepach-
    tet, könnte das Bildungssystem mit ihren kollektiven
    Vorstellungen reformieren, könnte Gerechtigkeit in der
    Welt durch staatliche Verteilungsmaßnahmen herstellen,
    bräuchte nur genügend große kollektive Solidargemein-
    schaften und die soziale Sicherheit wäre gegeben. Das
    ist nicht die Zukunft unseres Landes.

    Ludwig Erhard hat 1953, als er seine revolutionären
    Entscheidungen traf, in bemerkenswerter Weise im
    „Bulletin“ der Bundesregierung geschrieben, damals
    seien ihm viele entgegengetreten, die ihm gesagt hätten,
    er könne so nicht entscheiden, er könne die Preisbindung
    nicht aufheben, er könne nicht so schnell in eine freie
    marktwirtschaftliche Ordnung führen. Man habe ihm
    Rohstoffbilanzen und Außenhandelsbilanzen vorgelegt,
    man habe ihm vorgetragen, das ginge alles so nicht.
    Ludwig Erhard hat dann geschrieben, das, was man ihm
    vortrage, sei „strukturell sklerotisches Denken“; denn
    diese Persönlichkeiten – dazu gehört ihr Neigungsöko-
    nom aus dem Saarland – hätten niemals begriffen, daß
    Menschen, denen man Entscheidungen überläßt, und vor
    allem Menschen, denen man mehr vom Ertrag ihrer Lei-
    stung beläßt, volkswirtschaftlich und sozial für ein Land
    durch eigene Anstrengungen mehr zustande bringen als
    der Staat mit vorher bei den Menschen abkassiertem und
    über seine Kanäle umverteiltem Geld.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Das ist das Denkmodell, das ich Ihnen entgegenstelle.
    So einfach ist die Alternative.

    Sie regieren mit der Vorstellung des Umverteilungs-
    glücks und mit der Vorstellung von Gerechtigkeit, die
    durch den Staat und große kollektive Solidargemein-
    schaften hergestellt werden soll. Wir glauben, daß ein

    Dr. Wolfgang Gerhardt






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    freiheitliches Land wieder wissen muß, wo die Quellen
    seiner freiheitlichen Verfassung liegen. Da führt kein
    Weg an eigener Verantwortungs- und Leistungsbe-
    reitschaft vorbei.

    Ich meine, man soll auch seine eigene Regierungszeit
    kritisch und in Verantwortung beleuchten. Daher muß
    ich feststellen: Wir waren zu langsam. Wir hätten zügi-
    ger entscheiden müssen. Wir hätten schneller den Durch-
    bruch zu Reformvorhaben schaffen müssen.


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wir waren zu zögerlich. Wir waren manchmal zu ängst-
    lich. Aber nur couragierte Entscheidungen führen wei-
    ter. Das ist die Lehre aus langer, gemeinsamer Verant-
    wortung, die offen ausgesprochen werden muß.

    Aber diese Lehre ist für Deutschland immer noch
    besser gewesen als der komplette Rückmarsch, den Sie
    jetzt antreten, im übrigen als einzige sozialdemokrati-
    sche Partei in Europa. Es ist ein Jammer, daß ausgerech-
    net Deutschland die strukturkonservativste Sozialdemo-
    kratie am Hals hat, die es in Europa gibt.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Dagegen anzugehen ist die Aufgabe der Opposition.
    Ich sehe das mit großer Gelassenheit. Ich sage Ihnen

    hier voraus: Sie werden nicht aus eigenen Wünschen
    und selbst, wenn Sie das Parteiprogramm der SPD än-
    dern – dazu haben Sie gar keine Kraft, Herr Bundes-
    kanzler –, die Rückkehr antreten müssen, weil die The-
    men der Zeit gegen Sie gerichtet sein werden. Der The-
    mendruck der Zeit läuft in die Richtung meiner Vor-
    stellungen, die ich hier vorgetragen habe. Wir begegnen
    uns ein zweites Mal – das sage ich Ihnen voraus –,


    (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: O Gott!)


    und zwar dann, wenn Sie die Rente reformieren und die
    Gesundheitsreform wieder flexibler gestalten müssen,
    wenn Sie vor Steuererhöhungen stehen und marode Sy-
    steme finanzieren müssen, die Sie nicht reformiert ha-
    ben, wenn Sie im Laufe der EU-Ratspräsidentschaft er-
    fahren, daß Sie jetzt den Kessel unter Dampf halten
    müssen, und wenn Sie am Ende eine Regierungserklä-
    rung abgeben müssen, die lautet: „Wir haben einen Irr-
    weg eingeschlagen. Ich bitte die Mitglieder des Bun-
    destages, eine neue Regierungserklärung entgegenzu-
    nehmen. Wir haben uns jetzt zu mutiger Reformpolitik
    entschlossen. Mit dem Althergebrachten geht das nicht
    mehr so. Auf zu neuen Ufern!“ – Das werden Sie ma-
    chen. Sie können das; das wissen wir. Aber bis dahin
    haben wir zuviel Zeit verloren. Je schneller Sie es ma-
    chen, desto besser für Deutschland.

    Danke.

    (Anhaltender Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)