Rede:
ID1402001900

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. für: 1
    4. dieSPD-Fraktion: 1
    5. hat: 1
    6. Kollegin: 1
    7. Uta: 1
    8. Zapf.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/20 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 20. Sitzung Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 I n h a l t : Erweiterung der Tagesordnung........................ 1383 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Abgabe einer Erklärung der Bundes- regierung zu den gewalttätigen Aktionen aus Anlaß der Verhaftung des PKK- Vorsitzenden Abdullah Öcalan ................. 1383 B Otto Schily, Bundesminister BMI.................... 1383 B Erwin Marschewski CDU/CSU ....................... 1387 A Günter Graf (Friesoythe) SPD ..................... 1388 A Ludwig Stiegler SPD ....................................... 1389 B Dr. Guido Westerwelle F.D.P. ......................... 1391 B Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.. 1393 A Petra Pau PDS.................................................. 1394 B Uta Zapf SPD................................................... 1395 B Ruprecht Polenz CDU/CSU............................. 1396 D Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA ........... 1398 B Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundeshaus- haltsplans für das Haushaltsjahr 1999 (Haushaltsgesetz 1999) (Drucksache 14/300) .................................. 1399 D b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Stand und die voraus- sichtliche Entwicklung der Finanzwirt- schaft (Drucksache 14/350) ....................... 1399 D Oskar Lafontaine, Bundesminister BMF ......... 1400 A Friedrich Merz CDU/CSU............................... 1409 D Joachim Poß SPD ........................................ 1412 D Volker Kröning SPD.................................... 1414 B Ingrid Matthäus-Maier SPD ............................ 1416 B Dr. Christa Luft PDS ................................... 1420 B Dr. Günter Rexrodt F.D.P................................ 1420 C Ingrid Matthäus-Maier SPD ............ 1421 D, 1437 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1424 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU.................... 1425 B Hartmut Schauerte CDU/CSU..................... 1428 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS ............................... 1430 D Hans Georg Wagner SPD ................................ 1432 B Jürgen Koppelin F.D.P. .............................. 1433 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU........................ 1437 A Dietrich Austermann CDU/CSU ..................... 1437 B Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ............................................................ 1440 B Jörg Tauss SPD............................................ 1442 B Dr. Konstanze Wegner SPD ............................ 1443 A Gerda Hasselfeldt CDU/CSU .......................... 1445 A Dr. Barbara Höll PDS...................................... 1447 A Fritz Schösser SPD .......................................... 1448 A Susanne Jaffke CDU/CSU............................... 1450 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF . 1451 B Steffen Kampeter CDU/CSU........................... 1454 C II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 Dr. Peter Eckart SPD ....................................... 1457 A Jürgen W. Möllemann F.D.P. ......................... 1458 B Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1460 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. ..................... 1461 C Maritta Böttcher PDS....................................... 1463 A Jörg Tauss SPD................................................ 1464 B Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) CDU/CSU .. 1467 B Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1469 A Thomas Rachel CDU/CSU .............................. 1470 B Jürgen Trittin, Bundesminister BMU............... 1472 A Jochen Borchert CDU/CSU ............................. 1473 B Ulrike Mehl SPD ............................................. 1475 A Jürgen Koppelin F.D.P. ................................... 1476 D Waltraud Lehn SPD..................................... 1478 B Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1479 A Eva Bulling-Schröter PDS............................... 1480 C Christoph Matschie SPD.................................. 1481 B Dr. Klaus Lippold (Offenbach) CDU/CSU ..... 1482 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD................... 1485 A Nächste Sitzung .............................................. 1486 C Berichtigung ................................................... 1486 B Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten .......... 1487 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 1383 (A) (C) (B) (D) 20. Sitzung Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 19. Sitzung, Seite 1327 A, 3. Absatz. Der Satzanfang ist zu lesen: „Wie das Sein das Bewußtsein verän- dert, ...“ Michael Müller (Düsseldorf) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 1487 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Baumeister, Brigitte CDU/CSU 23.1.99 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 23.1.99 Diemers, Renate CDU/CSU 23.1.99 Ehlert, Heidemarie PDS 23.1.99 Erler, Gernot SPD 23.1.99 Fischer (Frankfurt), Joseph BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.1.99 Frick, Gisela F.D.P. 23.1.99 Hasenfratz, Klaus SPD 23.1.99 Hempelmann, Rolf SPD 23.1.99 Dr. Luther, Michael CDU/CSU 23.1.99 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Michels, Meinolf CDU/CSU 23.1.99 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 23.1.99 Rauber, Helmut CDU/CSU 23.1.99 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.1.99 Rupprecht, Marlene SPD 23.1.99 Schindler, Norbert CDU/CSU 23.1.99 Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 23.1.99 Verheugen, Günter SPD 23.1.99 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 23.1.99 Willner, Gert CDU/CSU 23.1.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 23.1.99 Wohlleben, Verena SPD 23.1.99
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Verehrte Kolle-
    ginnen und Kollegen! Ich wäre sehr froh, wenn man in

    diesem Haus feststellen könnte, daß alle einhellig für
    eine gewaltfreie Politik in bezug auf die Probleme der
    Kurdinnen und Kurden eintreten wollen. Angesichts von
    inzwischen Zehntausenden Toten, 3 Millionen Vertrie-
    benen und unzähligen zerstörten Ortschaften war ich
    sehr froh, als ich in der vergangenen Woche gerade von
    kurdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern meiner
    Heimatstadt Berlin hörte, daß nicht Haß und daß nicht
    Gewalt sie umtreibt. Aber – und darüber kann man nicht
    froh sein – sie drückten angesichts der eingetretenen
    Situation auch sehr viel Verzweiflung und Hilflosigkeit
    aus. Diese Verzweiflung und Hilflosigkeit bezog sich
    sowohl auf die Situation in der Türkei als auch auf die
    Situation, die angesichts dieser Auseinandersetzungen in
    der Bundesrepublik, welche viele inzwischen als ihre
    Heimat betrachten, entstanden ist. Denn sie fühlten sich
    mit kriminalisiert und aus dieser Gesellschaft ausge-
    schlossen.

    Was ist denn nun ihr Ausweg? Für sie lautete immer
    die Frage, wer denn nun ihr Anwalt ist und wo sie sich
    selbst einmischen können oder ob sie Opfer der unter-
    schiedlichen Interessen werden. In dieser Situation wie-
    derholt heute der Bundesinnenminister, daß Deutschland
    nicht das Feld politischer Auseinandersetzungen werden
    solle, die nicht nach Deutschland gehörten. Er appel-
    lierte heute erneut, diese Konflikte nicht in Deutschland
    auszutragen. Ihm ist auch in den vergangenen Tagen
    nichts anderes eingefallen, als reflexartig die Forderun-
    gen und Ansichten seines Amtsvorgängers zu wieder-
    holen. Wir brauchen etwas anderes: Wir brauchen das
    Gespräch, wir brauchen Besonnenheit, und wir brauchen
    den langen Atem einer europäischen Initiative.


    (Beifall bei der PDS)

    Kollege Marschewski, in diesem Zusammenhang

    muß ich sagen: Ich war tief erschrocken – nicht über Ih-
    re Worthülsen, die aus dem Innenausschuß genauso wie
    aus dem Plenum sattsam bekannt sind. Sie aber sprechen
    angesichts dieser Situation von einem Streichelzoo. Wir
    reden hier über Menschen in einer verzweifelten Situati-
    on, Menschen, die in dieser Gesellschaft leben, und
    nicht über irgend jemanden, der irgendwo gehalten wird
    und auf unser Wohlwollen angewiesen ist.


    (Beifall bei der PDS)

    Der Bundesinnenminister muß genauso wie wir alle

    begreifen: Die Bundesrepublik ist schon lange Partei in
    diesem Konflikt. Es werden – darüber wurde heute
    schon gesprochen – und es wurden Waffen in die Türkei
    geliefert. Wozu diese angewandt werden, ist doch kein
    Geheimnis. Ich stelle die Frage: Wie geht die neue Bun-
    desregierung mit Waffenlieferungen um? Wie will sie
    sich in Zukunft zu diesem Thema verhalten? Hier wäre
    Konsequenz gefragt.

    Ähnliches gilt für die inzwischen schon traditionelle
    polizeiliche und auch geheimdienstliche Zusammenar-
    beit. Dazu gehört nicht nur die Nichtgewährung von po-
    litischem Asyl im November 1998, in welchem europäi-
    schen Land auch immer, sondern auch, daß die ange-
    kündigte europäische Friedensinitiative des Bundesin-
    nenministers und des italienischen Amtskollegen sich
    einfach in Nebel aufgelöst hat. Auch das trägt zur

    Cem Özdemir






    (A) (C)



    (B) (D)


    beschriebenen Hoffnungslosigkeit und Ausweglosigkeit
    bei.


    (Beifall bei der PDS)

    Wer Gewaltfreiheit will, muß endlich Politik gegen

    jede Form von Gewalt machen. Da reicht nicht der Ap-
    pell an die Kurdinnen und Kurden, verbunden mit der
    Drohung, Gesetze zu verschärfen. Natürlich gehört dazu
    auch die konsequente Anwendung von Gesetzen, und
    zwar – das sage ich sehr deutlich – gegenüber Bürgerin-
    nen und Bürgern mit unterschiedlichem Status in diesem
    Land, und nicht das Abschieben von Menschen und
    Problemen in die Türkei.

    Dazu gehört für mich auch ein Blick über die Grenze,
    über den Gartenzaun: Wie gehen europäische Nachbarn
    mit diesem Problem um? Warum entscheiden sich ande-
    re Regierungen dafür, Menschen mit ihrer politischen
    Meinungsäußerung nicht in die Illegalität zu drängen?
    Warum entscheidet man sich dort bewußt für die Zulas-
    sung von politischer Meinungsäußerung auch aus den
    Reihen der PKK? Ich denke, auch darüber gilt es nach-
    zudenken. Wenn Sie in der nächsten Woche in den
    Austausch mit Ihren Ministerkollegen treten, sollten Sie
    vielleicht nicht nur über die Verschärfung von Gesetzen
    und Umsetzung von Gesetzen sprechen, sondern auch
    über diese politischen Erfahrungen.

    Abschließend: Die Bundesregierung muß die EU-
    Präsidentschaft tatsächlich auch außenpolitisch zur
    Umsetzung ihres Mottos „Außenpolitik ist Friedenspoli-
    tik“ nutzen. Dies schließt die Forderung nach einem
    rechtsstaatlichen Verfahren gegen Öcalan ebenso ein
    wie die Würdigung der Gesamtumstände dieses Krieges
    und des Anteils der europäischen Staaten an den Aus-
    einandersetzungen.


    (Beifall bei der PDS)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort für die
SPD-Fraktion hat Kollegin Uta Zapf.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Uta Zapf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und
    Herren! Ich würde mir wirklich wünschen, daß wir in
    dieser sehr komplizierten innen- und außenpolitischen
    Konfliktlage zu einer Besonnenheit zurückfänden, wie
    wir sie in den Jahren 1993, 1994 und 1996 gemeinsam
    aufgebracht haben. Ich bedaure ausdrücklich, daß der
    Konsens, der damals in gemeinsamen Entschließungen
    zu demselben Problem, wie es sich uns heute darstellt,
    möglich war, offensichtlich zerbrochen ist.

    Wir haben damals gemeinsam gegen die Gewaltan-
    wendung von allen Seiten protestiert. Wir haben ge-
    meinsam die PKK und ihre gewalttätigen Aktionen ver-
    urteilt. Wir haben gemeinsam an alle Kurden appelliert,
    zur Gewaltlosigkeit zurückzufinden. Wir haben uns
    gemeinsam darüber gefreut – das könnten wir auch
    heute wieder einmal tun –, daß die demokratischen, ge-
    waltfreien Kurdenorganisationen hier in der Bundesre-
    publik ausdrücklich zu Gewaltfreiheit aufgerufen haben.

    Wir haben an die Türkei appelliert, ihrerseits eine
    gewaltsame Bekämpfung unter dem Siegel der reinen

    Terrorismusbekämpfung nicht als einziges Mittel zur
    Lösung dieses Problems zu betrachten. Wir haben aus-
    drücklich gesagt, daß es keine militärische Lösung ge-
    ben kann, sondern daß es eine politische Lösung des
    Problems geben muß. Ich finde, wir sollten uns die An-
    träge, die wir damals gemeinsam beschlossen haben,
    noch einmal genauer anschauen, um vielleicht doch
    noch gemeinsam zu einer Position zurückzukehren, die
    besser als die derzeitige Diskussion, wie sie Herr Mar-
    schewski hier geführt hat, geeignet ist, das Problem bei
    uns, aber auch generell zu lösen. Es ist ein innen- und
    ein außenpolitisches Problem zugleich. Das macht es so
    unendlich kompliziert.

    Ich finde die Kritik an der jetzigen Bundesregierung,
    die – unter der Güterabwägung, was am besten für den
    Frieden und für die innere Sicherheit dieses Staates ist –
    keine Auslieferung von Öcalan in die Bundesrepublik
    Deutschland beantragt hat, schlicht und ergreifend ver-
    logen, weil ich ganz sicher bin, daß Sie, wenn Sie noch
    auf der Regierungsbank säßen, genauso gehandelt hätten
    wie diese Regierung.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Sie haben sich nämlich in der Vergangenheit – es ist
    schade, daß ich den Kollegen Schmidbauer nicht mehr
    sehe – genauso verhalten. Die Besonneneren unter Ihnen
    – auch im Auswärtigen Ausschuß – haben diese Politik
    unterstützt; denn es ist eine Güterabwägung, ob man
    sich die Auseinandersetzungen hier auf die Straße holt
    und damit noch eine Eskalationsstufe durch die eigene
    Politik provoziert.

    Ich möchte noch einmal auf das hinweisen, was hier
    schon von zwei Kollegen gesagt worden ist: Die vorhe-
    rige Bundesregierung hat eine ausdrückliche, wenn auch
    stillschweigende Politik der Deeskalation gegen die
    PKK betrieben. Wir haben das gebilligt, wenn auch
    ebenfalls stillschweigend; denn es war in der Tat klug –
    auch unter innenpolitischen Gesichtspunkten –, eine
    Deeskalationspolitik zu betreiben. Ich will jetzt nicht
    weiter darüber reden, wer nun alles nach Damaskus oder
    in die Bekaa-Ebene gewallfahrt ist. Ich appelliere aber
    an Sie, die Verlogenheit in diesem Punkte bitte nicht
    weiterzuführen.


    (Beifall bei der SPD)

    Unter außenpolitischen Gesichtspunkten können wir

    kein Interesse an einer tiefgreifenden Störung der
    deutsch-türkischen oder der europäisch-türkischen Be-
    ziehungen haben. Wir müssen im Gegenteil großes In-
    teresse daran haben, daß die Türkei in die europäische
    Politik integriert wird – nicht nur, weil sie NATO-
    Partner ist, nicht nur, weil wir einen großen Anteil an
    türkischen Mitbürgern und Mitbürgerinnen in unserer
    Bevölkerung haben, sondern auch, weil es unser eigenes
    Interesse ist, Stabilität in dem betreffenden geographi-
    schen Raum zu unterstützen.

    Dabei sind, wie ich denke, zwei Dinge ausschlagge-
    bend. Auf der einen Seite die Frage: Wie können wir
    helfen, zur Demokratisierung, zum Aufbau der Men-
    schenrechte in der Türkei und zur politischen Lösung

    Petra Pau






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    dieses auch die Türkei enorm belastenden Problems bei-
    zutragen? Das ist uns bisher, auch wenn es Vorschläge
    aller Art gegeben hat, nur sehr mangelhaft gelungen.
    Das liegt zum Beispiel daran, daß die Türkei immer ge-
    leugnet hat, daß es ein solches Problem gibt. Sie hat
    immer gesagt, es gebe kein Kurdenproblem, sondern es
    gebe ein Terrorproblem. Alles könne erst dann geregelt
    werden, wenn der Terror besiegt sei. Daß sich dies als
    falsch erwiesen hat, wissen wir doch mittlerweile. Daß
    es eine politische Lösung geben muß, die auch von den
    europäischen Staaten unterstützt wird, ist uns allen klar.
    Wir sollten uns hier zusammentun und wirklich ernsthaft
    beraten, was wir zu einer solchen politischen Lösung in
    unserem eigenen Interesse beitragen können.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Ich stimme dem Kollegen Cem Özdemir ausdrück-
    lich zu, wenn er sagt, daß hier in der Vergangenheit in
    der Tat grobe Fehler in der europäischen Politik ge-
    genüber der Türkei gemacht worden sind. Es ist auch
    eine ganz schwierige Situation, weil wir auf der einen
    Seite mit Recht eine mangelhafte Menschenrechtslage
    und eine mangelhafte Demokratie in der Türkei bekla-
    gen. Darüber hinaus beklagen wir zu Recht, daß dort
    fortlaufend gefoltert wird, Menschen verschwinden
    und massive Menschenrechtsverletzungen zu registrie-
    ren sind.

    Auf der anderen Seite haben wir den möglichen Bei-
    tritt der Türkei zur Europäischen Union nicht konse-
    quent an Kriterien geknüpft wie bei den anderen Bei-
    trittsländern; vielmehr haben wir der Türkei von vorn-
    herein erklärt: Das wird sowieso nichts mit euch. – Da-
    mit wirken wir extrem emotionalisierend. Emotionalisie-
    rung ist im Moment ein Kennzeichen der gesamten Dis-
    kussion, nicht nur bei uns. Wir sollten nicht zusätzlich
    dazu beitragen, indem wir die Debatte innenpolitisch in
    einer Art hochpuschen, die nicht adäquat ist, insbeson-
    dere nicht angesichts der Tatsache, daß in der Türkei im
    April dieses Jahres Wahlen stattfinden sollen. Deshalb
    glaube ich, daß im Moment keine sehr günstige Atmo-
    sphäre herrscht; aber eine solche wird gebraucht, um den
    existierenden Konflikt politisch zu lösen.

    Andererseits gibt es – das sollten wir in der Tat mas-
    siv unterstützen – auch in der türkischen Gesellschaft
    einen Diskurs, in dessen Rahmen durchaus anerkannt
    wird, daß das Terrorproblem nicht notwendigerweise
    militärisch gelöst werden kann, sondern daß es eine
    politische Lösung geben muß, um die Ursachen des
    Konflikts zu bekämpfen. Wir sind gut beraten, wenn wir
    mit viel Fingerspitzengefühl auch internationale Hilfe
    anbieten, um diesen Konflikt politisch zu lösen. Aber es
    muß in der Tat mit Fingerspitzengefühl gemacht werden
    und nicht mit dem Holzhammer.

    Es ist positiv zu beurteilen, daß die EU in der Erklä-
    rung, die Innenminister Schily hier fast in Gänze vorge-
    lesen hat, ihre finanzielle Hilfe angeboten hat. Aber es
    wird nicht ausreichen, zu argumentieren, daß die öko-
    nomischen und sozialen Verhältnisse gerade in Südost-
    anatolien verbessert werden müßten, weil sich damit das

    ganze Problem lösen lasse, wenn man gleichzeitig über-
    haupt nicht bereit ist, zum Beispiel auf die Frage der
    kulturellen Rechte der Kurden einzugehen. Die Re-
    spektierung dieser Rechte – bitte erinnern Sie sich – ha-
    ben wir in der Vergangenheit gemeinsam gefordert. Ich
    empfehle an dieser Stelle die Lektüre unserer gemein-
    samen Erklärungen.

    Ich finde es positiv, wenn die türkische Regierung im
    Moment überlegt, den PKK-Kämpfern eine Art Amne-
    stie – ich weiß nicht, ob dieses Angebot, das im Augen-
    blick im türkischen Parlament verhandelt wird, wirklich
    Amnestie und Straffreiheit bedeutet – und ein Ausbil-
    dungsprogramm anzubieten, um sie wieder in die tür-
    kische Gesellschaft zu integrieren. Wenn ein solches
    Angebot erfolgte, wäre das schon ein Stückchen Ursa-
    chenbekämpfung. Aber ich weiß nicht, ob das Vertrauen
    in ein solches Angebot tatsächlich so groß ist, daß es da-
    zu führen kann, der Gewalt abzuschwören.

    Deshalb möchte ich auch von hier aus ganz aus-
    drücklich an die Führung der PKK appellieren, endlich
    einen ernsthaften Gewaltverzicht anzubieten und zur
    Realisierung der Behauptung beizutragen, daß es eine
    politische Lösung des Problems geben muß. Das wird
    nicht gehen, wenn man der Türkei Krieg androht. Das
    wird nicht gehen, wenn man in Europa den Krieg auf
    den Straßen vorantreibt. Dies wird nicht dazu führen,
    daß die kurdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die
    hier für ihre kulturellen Rechte und für die Respektie-
    rung der Menschenrechte gekämpft haben, weiterhin
    Sympathien bekommen; vielmehr wird es dazu führen,
    daß hier Sympathien verspielt werden. Deshalb ist es be-
    sonders wichtig, daß wir einen Prozeß unterstützen, der
    mit Hilfe von Deeskalation – das sage ich ganz aus-
    drücklich – eine politische und friedliche Lösung des
    Konflikts mit der Türkei ermöglicht.

    Ich glaube, daß wir bis dahin durchaus noch einen
    langen Weg vor uns haben. Es ist ganz sicher nicht
    nützlich, wenn wir jetzt unsererseits, da wir von der
    Türkei verlangen, die Menschenrechte besser einzuhal-
    ten, hier Menschenrechtskonventionen außer Kraft set-
    zen wollen. So vorzugehen wäre eine widersprüchliche
    Handlungsweise.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir dürfen uns das im Sinne einer Befriedung dieses
    Konflikts im Inneren, aber auch im Äußeren nicht lei-
    sten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich danke Ihnen.