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ID1400908000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/9 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 9. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. November 1998 I n h a l t : Erweiterung der Tagesordnung........................ 487 A Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuer- reform (Drucksache 14/40) ....................... 487 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Entlastung durch Einführung einer ökologischen und sozialen Steuerreform (Drucksache 14/66 (neu))........................... 487 B Oskar Lafontaine, Bundesminister BMF ......... 487 C Friedrich Merz CDU/CSU ............................... 490 D Jürgen Trittin, Bundesminister BMU............... 494 A Carl-Ludwig Thiele F.D.P. .............................. 496 B Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 499 B Detlev von Larcher SPD .................................. 500 D Walter Hirche F.D.P............................ 501 C, 508 A Cornelia Pieper F.D.P. ............................... 502 D Hans Michelbach CDU/CSU ........................... 504 A Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 506 C Carl-Ludwig Thiele F.D.P.......................... 509 C Dr. Barbara Höll PDS ...................................... 510 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD................... 511 B Dr. Klaus Lippold (Offenbach) CDU/CSU ..... 512 D Hans Martin Bury SPD.................................... 515 B Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi... 516 B, 517 D Walter Hirche F.D.P. ....................................... 517 B Gunnar Uldall CDU/CSU................................ 518 A Tagesordnungspunkt 8: a) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Enwurfs eines Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmer- rechte (Drucksache 14/45) ........................ 518 D b) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Versorgungsreform- gesetzes 1998 (Drucksache 14/46)............. 519 A c) Erste Beratung des von der Abgeord- neten Dr. Heidi Knake-Werner und der Fraktion der PDS eingebrachten Ent- wurfs eines Ersten Gesetzes zur Korrektur von Fehlentwicklungen im Recht der Ar- beitslosenhilfe (Erstes Arbeitslosenhilfe- Korrekturgesetz) (Drucksache 14/15)...... 519 A d) Erste Beratung des von der Abgeord- neten Dr. Heidi Knake-Werner und der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ar- beitszeitgesetzes und des Euro-Einfüh- rungsgesetzes (Drucksache 14/13)............ 519 A II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. November 1998 e) Erste Beratung des von der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Wiedereinführung des Schlecht- wettergeldes – Schlechtwettergeld-Ge- setz (Drucksache 14/39)............................. 519 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Irmgard Schwaetzer, Rainer Brüderle, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur beschäftigungswirksamen Änderung des Kündigungsschutzgeset- zes (Drucksache 14/44) .............................. 519 B Walter Riester, Bundesminister BMA ............. 519 C Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU ............... 522 D Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 525 B Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P......................... 528 D Dr. Heidi Knake-Werner PDS ......................... 530 C Angelika Krüger-Leißner SPD ........................ 532 C Dr. Ilja Seifert PDS .................................... 533 C Wolfgang Meckelburg CDU/CSU................... 535 A Hubertus Heil SPD..................................... 536 A Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. ............................ 537 C Olaf Scholz SPD.............................................. 538 B Johannes Singhammer CDU/CSU................... 540 C Peter Dreßen SPD ...................................... 541 A Kurt Bodewig SPD .......................................... 542 A Meinrad Belle CDU/CSU................................ 544 A Nächste Sitzung ............................................... 545 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 547 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. November 1998 487 (A) (C) (B) (D) 9. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. November 1998 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Vizepräsident Rudolf Seiters Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. November 1998 547 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Andres, Gerd SPD 20.11.98 Austermann, Dietrich CDU/CSU 20.11.98 Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.11.98 Berninger, Matthias BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.11.98 Blank, Renate CDU/CSU 20.11.98 Braun (Augsburg), Hildebrecht F.D.P. 20.11.98 Breuer, Paul CDU/CSU 20.11.98 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 20.11.98 * Bulling-Schröter, Eva-Maria PDS 20.11.98 Carstensen (Nordstrand), Peter Harry CDU/CSU 20.11.98 Caspers-Merk, Marion SPD 20.11.98 Dr. Däubler-Gmelin, Herta SPD 20.11.98 Dietzel, Wilhelm CDU/CSU 20.11.98 Fink, Ulf CDU/CSU 20.11.98 Fischer (Frankfurt), Joseph BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.11.98 Frick, Gisela F.D.P. 20.11.98 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 20.11.98 Gebhard, Fred PDS 20.11.98 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 20.11.98 Dr. Göhner, Reinhard CDU/CSU 20.11.98 Frhr. von Hammerstein, Carl-Detlev CDU/CSU 20.11.98 Hartnagel, Anke SPD 20.11.98 Hintze, Peter CDU/CSU 20.11.98 Irmer, Ulrich F.D.P. 20.11.98 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Jacoby, Peter CDU/CSU 20.11.98 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 20.11.98 Kahrs, Johannes SPD 20.11.98 Kolbe, Manfred CDU/CSU 20.11.98 Kolbow, Walter SPD 20.11.98 Lehn, Waltraud SPD 20.11.98 Lengsfeld, Vera CDU/CSU 20.11.98 Michels, Meinolf CDU/CSU 20.11.98 Otto (Frankfurt), Hans-Joachim F.D.P. 20.11.98 Dr. Pfaff, Martin SPD 20.11.98 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 20.11.98 Reiche, Katherina CDU/CSU 20.11.98 Dr. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 20.11.98 Ronsöhr, Heinrich-Wilhelm CDU/CSU 20.11.98 Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 20.11.98 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 20.11.98 Schaich-Walch, Gudrun SPD 20.11.98 Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 20.11.98 Dr. Schmidt-Jortzig, Edzard F.D.P. 20.11.98 Schmitz (Baesweiler), Hans-Peter CDU/CSU 20.11.98 von Schmude, Michael CDU/CSU 20.11.98 Thönnes, Franz SPD 20.11.98 Wimmer (Karlsruhe), Brigitte SPD 20.11.98 Wissmann, Matthias CDU/CSU 20.11.98 Wolf (Frankfurt), Margareta BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20.11.98 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 20.11.98 —————— *) für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union 548 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. November 1998 (A) (C) (B) (D) Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20 Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn sellschaft mbH, Postfach 1320, 53003 Bonn, Telefon: 0228/3820840, Telefax: 0228/3820844 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Meckelburg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich stimme
    dem so nicht zu, weil ich finde, daß wir eine Menge ge-
    macht haben. Wir haben den Menschen auch eine Men-
    ge zugemutet.


    (Zurufe von der SPD)

    – Hören Sie doch einmal zu, wenn eine Frage gestellt
    wird, muß man auch antworten können. – Wir haben den
    Menschen mit dem, was wir gemacht haben, eine Menge
    zugemutet: mit der Reform des Sozialstaates, mit der
    Verbesserung der Rahmenbedingungen, damit Arbeits-
    plätze entstehen. Wir haben dabei lernen müssen – das
    werden Sie in den nächsten Wochen hier auch lernen –,
    daß es keine kleinen Rädchen gibt, an denen man nur
    drehen muß, damit Arbeitsplätze entstehen und die Ar-
    beitslosigkeit zurückgeht. Es ist das Bohren dicker
    Bretter und das Inkaufnehmen unpopulärer Maßnahmen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das werden auch Sie in den nächsten Wochen erleben.
    Ich werde gleich noch etwas zur Lohnfortzahlung sagen.


    (Susanne Kastner [SPD]: Hoffentlich etwas Vernünftiges!)


    Wir haben sicherlich auch ein paar Kollegen in mei-
    ner Fraktion, die es sich mit diesen beiden Themen nicht
    leichtgemacht haben. Aber wenn Sie heute unsere Re-
    formen nur zurückdrehen wollen, dann muß ich Ihnen
    sagen, daß das einfach nicht mehr geht. Das Zurückdre-
    hen bringt die alten Zeiten nicht wieder, weil inzwischen
    Tarifparteien über die neuen Bedingungen verhandelt
    haben und weil sich die Wirklichkeit verändert hat. Es
    geht einfach nicht mehr. Ich bin gespannt, was aus Ih-
    rem Zurückdrehen wirklich wird.


    (Hubertus Heil [SPD]: Warten Sie es ab! – Danke!)


    Zurück zur Rente. Hier ist Ihre Strategie: Hintertür
    offenlassen, um die Reform von Blüm doch noch umzu-
    setzen und um Zeit zu gewinnen. Wenn man dann ein
    bißchen weiterschaut: Was erreichen Sie damit? Bei-
    tragssenkungen – toll! – und eine Gegenfinanzierung für

    die Ökosteuer. Für beispielsweise die Rentner heißt das
    nichts anderes als Steuererhöhungen, konkret: Erhöhung
    des Benzinpreises, Erhöhung der Heizölsteuer und Ein-
    führung einer Stromsteuer. Das ist das Modell „linke
    Tasche, rechte Tasche“. Ich habe inzwischen verstanden,
    was Sie mit „Neuer Mitte“ meinen: Geld aus der linken
    Tasche herausziehen und dann wieder in die rechte Ta-
    sche hineinstecken. Das nennen Sie „Neue Mitte“. Das
    ist ein bißchen wenig, meine Damen und Herren.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn man dann noch darüber nachdenkt, daß es Vor-

    schläge gibt, nach denen man mit 60 Jahren in Rente ge-
    hen kann, dann weiß man, daß die Zustimmung zu sol-
    chen Vorschlägen in der ganzen Republik riesig sein
    wird. Die Zustimmung wird aber zurückgehen, wenn die
    Leute merken, was damit gemeint ist. Wenn Sie das
    einmal ausrechnen: Wenn von denen, die jetzt über 60
    Jahre alt sind, nur 20 Prozent diesen Vorschlag „Rente
    mit 60“ nutzen würden – man weiß, daß das bei einem
    Fall 80 000 bis 100 000 DM kostet –, dann hätten Sie
    bei 500 000 älteren Menschen – das sind in etwa diese
    20 Prozent –, die das in Anspruch nehmen, Kosten von
    40 Milliarden DM. Ich frage Sie: Wo wollen Sie das
    Geld hernehmen?

    Wenn Sie mit der Idee kommen, die Tarifparteien,
    Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sollen in den Tariffonds
    einzahlen, dann müssen Sie über die Frage der Beitrags-
    satzsenkung gar nicht mehr reden; dann machen Sie
    nämlich einen neuen Topf auf und erhöhen andere Bei-
    träge.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Der Tariffonds steht außerdem völlig im Widerspruch
    zu dem, was Sie hier ständig verkünden: Sie wollen die
    Kaufkraft stärken. Wenn der Tariffonds auf Arbeitneh-
    merseite aus einem Teil der Lohnerhöhung gespeist
    werden soll, dann vermindern Sie damit den Kaufkraft-
    zuwachs, dann können Sie die Theorie der Kaufkraft
    völlig vergessen.

    Herr Riester hat hier von einem neuen Zukunftspakt
    der Generationen gesprochen. Das kann nicht ernst
    gemeint sein: Sie belasten gerade die junge Generation,
    und zwar nicht nur durch die Beiträge, sondern auch
    durch die Kosten für den Tariffonds. Junge Leute zahlen
    für die Rente ab 60 der derzeitigen Rentnergeneration
    und haben selber kaum die Chance, in den Genuß einer
    solchen Rente zu kommen. Das ist sozial höchst unge-
    recht.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich noch einen Punkt erwähnen, der bis-

    her gar nicht angesprochen worden ist. Auch er ist in
    diesem Papier enthalten. Dabei handelt es sich zwar
    nicht um eine Rücknahme; aber auch da sind Sie ge-
    zwungen, Ihre Garantieversprechen zu erfüllen. Ich
    spreche von dem Programm der Bundesregierung zur
    Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit: „100 000 Ju-
    gendliche in Arbeit bringen“. Dieses Programm ist in






    (A) (C)



    (B) (D)


    einer Änderung des SGB III, Arbeitsförderungsgesetz,
    untergebracht. Als ich das erste Mal den Titel „Arbeits-
    förderungsgesetz“ las, habe ich gedacht: Oh, oh, was
    wollen die Damen und Herren von der SPD, die darüber
    viel geschimpft haben, denn zurücknehmen?


    (Annelie Buntenbach [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst sagen Sie, wir machen nur Hektik, und dann sagen Sie, wir sollen alles auf einmal machen!)


    Schaut man in dieses Gesetz, stellt man fest, daß Sie
    nichts zurücknehmen. Vielmehr führen Sie einen Aus-
    nahmetatbestand ein. Danach sagt die Bundesregierung:
    Zwar machen wir das Programm, bezahlen soll es aber
    die Bundesanstalt für Arbeit aus ihren Mitteln. Das ist
    völlig neu; das wird in dieses Gesetz geschrieben. Sie
    haben nämlich sonst kein Geld.

    Wenn Sie sich einmal fragen, warum Sie an dieser
    Stelle Geld haben, dann erhalten Sie als Antwort: Der
    Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit ist dadurch, daß
    wir 100 000 Arbeitslose weniger haben und daß auf
    Grund unserer Politik auch für das nächste Jahr weniger
    Arbeitslose erwartet werden, so gesichert, daß Sie in der
    Lage sind, daraus das Geld für Ihr Programm zu neh-
    men, mit dem Sie draußen herumlaufen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich hätte gerne noch vieles

    zur Scheinselbständigkeit gesagt. Da bemühen Sie ei-
    nen Riesenapparat. Wenn Sie einmal den Bericht des In-
    stituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bun-
    desanstalt für Arbeit lesen, dann stellen Sie fest, daß Sie
    gerade das Modell aussuchen, von dem die Bundesan-
    stalt sagt: Das funktioniert überhaupt nicht; es ist äußerst
    negativ. Die ungeklärten Fälle bleiben auf Grund der
    Kriterien übrig. Sie betreiben in dem Bereich einen gro-
    ßen Aufwand – um 0,2 Milliarden DM in die Kasse zu
    bringen. Sie bekommen das Problem nicht gelöst. Ich
    habe den Eindruck, Sie gehen hier deswegen so schnell
    voran, weil Sie, wenn Sie ernsthaft darüber nachdenken
    würden, die Schwierigkeiten einer wirklichen Lösung
    sehen würden.


    (Hubertus Heil [SPD]: Warum haben Sie denn nichts getan?)


    Meine Damen und Herren, zum Kündigungsschutz.
    Man kann darüber reden, ob die Änderung in diesem
    Bereich nicht mehr Arbeitsplätze hätte bringen müssen,
    gerade im Handwerk. Aber eines ist mir klar: Wenn der
    Schwellenwert beim Kündigungsschutz auf 5 reduziert
    wird und wenn Sie durch Ihre Steuerpolitik, meine Da-
    men und Herren von der Koalition, gleichzeitig dafür
    sorgen, daß gerade der mittelständische Bereich beson-
    ders belastet wird, können keine neuen Arbeitsplätze
    entstehen, sondern es werden welche verlorengehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Meine Damen und Herren, Sie sind im Wahlkampf
    mit dem Anspruch „Innovation und soziale Gerechtig-
    keit“ angetreten. Was Sie hier vorlegen, ist nicht inno-
    vativ, sondern ein Rückschritt. Was Sie hier vorlegen, ist

    nicht sozial gerecht, sondern sozial höchst ungerecht.
    Das Verfallsdatum Ihrer Kernaussagen ist schon nach
    wenigen Wochen erreicht. Wenn Sie so weitermachen,
    meine Damen und Herren, werden Sie auch bald das
    Verfallsdatum Ihrer Regierung erreicht haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Lachen bei der SPD)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort für die
F.D.P.-Fraktion hat der Kollege Dr. Heinrich Leonhard
Kolb.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich L. Kolb


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Liebe
    Kolleginnen und Kollegen! Ich kann zwar durchaus
    nachvollziehen, daß die Regierungskoalition in der
    Pflicht ist, sich für die massive Unterstützung durch di-
    verse Gewerkschaftsfunktionäre im Wahlkampf zu re-
    vanchieren. Aber auch nach fortgeschrittener Debatte
    kann ich nicht anders, als das, was Sie hier heute vorle-
    gen, als beschäftigungspolitisch falsch und volkswirt-
    schaftlich blanken Unsinn zu bezeichnen. Es ist deswe-
    gen Unsinn, weil SPD und Grüne wichtige und richtige
    beschäftigungsfördernde Reformansätze einfach wieder
    abschaffen wollen, bevor diese ihre Wirkung überhaupt
    voll entfalten konnten.


    (Beifall bei der F.D.P. – Dr. Heidi KnakeWerner [PDS]: Das sind Sie ja nun schuldig geblieben!)


    Meine Damen und Herren von SPD und Grünen, Ihre
    Rolle rückwärts in Sachen Kündigungsschutz, bei der
    Entgeltfortzahlung wie auch beim Betriebsverfassungs-
    gesetz und beim Arbeitnehmer-Entsendegesetz kann nur
    entweder als trostloses Resultat ideologischer Verblen-
    dung oder als Dokumentation Ihres blanken Unwissens
    darüber gewertet werden, wie Arbeitsplätze neu entste-
    hen.


    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ich glaube, beides! – Hubertus Heil [SPD]: Das sagt die F.D.P.!)


    – Herr Kollege, Arbeitsplätze entstehen nicht dadurch,
    daß man pathetisch Empörung vorträgt oder aufwendige
    Kundgebungen inszeniert, schon gar nicht durch Partei-
    tagsbeschlüsse, sondern Arbeitsplätze entstehen da-
    durch, daß Menschen bereit sind, als Arbeitgeber Ver-
    antwortung für andere zu übernehmen. Sie tun dies –
    wer wollte es ihnen verdenken? – nach reiflicher Über-
    legung und der Abwägung von Chancen und Risiken.

    Hier muß man deutlich feststellen, daß insbesondere
    im Arbeitsrecht, das ja in wichtigen Bereichen Richter-
    recht ist, über die Jahre eine Verschiebung von Lasten
    auf die Arbeitgeber stattgefunden hat. Dies gilt auch und
    gerade für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses.
    Das war der Hintergrund – ich will mich hier auf den
    Kündigungsschutz konzentrieren –, warum wir im Jah-
    re 1996 Klarstellungen im Kündigungsschutzgesetz
    vorgenommen haben und warum wir vor allem kleine
    Unternehmen durch eine Herausnahme aus dem Gel-
    tungsbereich des Lohnfortzahlungsgesetzes entlastet ha-
    ben. Unsere Reform war damals das Ergebnis eines

    Wolfgang Meckelburg






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    sorgfältigen Abwägungsprozesses. Sie dürfen mir glau-
    ben: Wir haben uns das Ganze nicht leichtgemacht.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Horst Kubatschka [SPD]: Nein, wir glauben Ihnen gar nichts!)


    Allerdings, meine Damen und Herren, darf der Ge-
    setzgeber nicht untätig bleiben, wenn sich ein Gesetz in
    der betrieblichen Praxis gerade des Mittelstandes als Be-
    schäftigungshemmnis erweist. Das gilt um so mehr in
    Zeiten hoher Arbeitslosigkeit. Es ist nun einmal kein
    Zufall, daß im Jahr 1996, also zum Zeitpunkt der Ände-
    rung, 75 Prozent der Unternehmen in Deutschland fünf
    oder weniger als fünf Beschäftigte hatten. Der Schwel-
    lenwert des Kündigungsschutzgesetzes ist eine Sperre,
    die Arbeitslosen den Zugang zu einer Beschäftigung
    verwehrt.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Niemand – das möchte ich dem Herrn Arbeitsmi-
    nister Riester sagen, den ich im Moment nicht sehe –


    (Zuruf von der SPD: Da ist er doch!)

    begründet ein Arbeitsverhältnis, um es zu kündigen.
    Aber getreu dem lateinischen Motto „respice finem“
    muß jeder verantwortliche Unternehmensleiter, auch um
    bestehende Arbeitsplätze nicht zu gefährden, die Mög-
    lichkeit der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses schon
    beim Vertragsschluß vor Augen haben. Deswegen ist
    das, was Sie hier vorlegen, vielleicht gutgemeint; aber
    gutgemeint ist nicht nur hier das Gegenteil von gut.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Ich sage Ihnen voraus: Dieser Schnellschuß geht nach

    hinten los. Statt mehr Beschäftigung werden Sie den
    Abbau von Arbeitsplätzen ernten. Das gilt insbesondere
    für den Bereich mittelständischer Unternehmen, denen
    Sie vor der Wahl plakativ Entlastungen versprochen ha-
    ben, die aber auch mit diesem Gesetz wie mit anderen,
    die Sie in den letzten Wochen vorgelegt haben, zusätz-
    lich belastet werden und letztlich die Zeche zahlen müs-
    sen.


    (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: So ist es! Nur Widersprüche!)


    Mit der Verdoppelung des Schwellenwertes von fünf
    auf zehn Mitarbeiter haben wir in der letzten Legislatur-
    periode dazu beigetragen, den kleinen Unternehmen die
    Angst vor Neueinstellungen zu nehmen. Wir haben da-
    für gesorgt, daß die Kriterien bei der Sozialauswahl prä-
    zisiert und transparenter gestaltet wurden. Auch dafür
    gab es gute Gründe, die jedermann nachvollziehen kann,
    der sich ernsthaft mit dieser komplizierten Materie be-
    faßt hat.

    Nun tönen die Bundesregierung und die Koalitions-
    fraktionen im Chor – auch Herr Riester hat es heute so
    gesagt –, die Novellierung des Kündigungsschutzgeset-
    zes habe nicht zu mehr Beschäftigung geführt und müs-
    se deswegen revidiert werden. Da muß ich Sie wirklich
    fragen, woher Sie diese Weisheit nehmen. Der DIHT
    und der ZDH kommen zu ganz anderen Ergebnissen.


    (Beifall bei der F.D.P.)


    Der ZDH spricht von einem Plus von 20 000 Arbeits-
    plätzen in der Perspektive von 100 000. Der DIHT hat
    ermittelt, daß 11 Prozent der Unternehmen, die seit 1996
    nicht mehr unter das Kündigungsschutzgesetz fallen, be-
    reits auf Grund dieser Neuregelung Einstellungen vor-
    genommen haben; weitere 14 Prozent planen dies für
    den Fall einer verbesserten Auftragslage. Das sind dann
    wahrscheinlich weitere 30 000 Arbeitsplätze. Insgesamt
    sind es also 50 000 Arbeitsplätze. Das sind, meine Da-
    men und Herren, keine Peanuts; darüber darf man nicht
    hinweggehen.


    (Beifall bei der F.D.P. – Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Das hat nichts gekostet!)


    – Richtig.
    Das zeigt: Das Klima für die Schaffung zusätzlicher

    Arbeitsplätze hat sich bei den Unternehmen zwischen
    fünf und zehn Beschäftigten entscheidend verändert.
    Deswegen, auch wenn wir erst wenige Zahlen über be-
    schäftigungswirksame Effekte des Kündigungsschutzge-
    setzes vorliegen haben, was auf Grund des kurzen Zeit-
    raumes auch nicht verwundern kann: Geben Sie diesen
    Reformen noch etwas Zeit. Strukturelle Veränderungen
    der Rahmenbedingungen für die mittelständische Wirt-
    schaft greifen in der Regel erst mittelfristig. Nur in einer
    Planwirtschaft läßt sich kurzfristig per Knopfdruck steu-
    ern.

    Wir von der F.D.P.-Fraktion sind sogar bereit, den
    von uns als richtig erkannten Weg noch ein Stück weiter
    zu beschreiten. Deswegen schlagen wir vor, die Wir-
    kung der Novelle noch zu verstärken und den Schwel-
    lenwert von 10 auf 20 Arbeitnehmer anzuheben. Meine
    Fraktion hatte das schon 1996 für richtig gehalten, aber
    gegen den Widerstand großer Teile der CDU/CSU da-
    mals nicht durchsetzen können.

    Ich fordere hiermit alle hier im Hause, die immer
    wieder das Hohelied des Mittelstandes singen, auf, ge-
    meinsam mit uns durch dieses Gesetz dem Mittelstand
    den Freiraum zu geben, den er braucht, um neue Ar-
    beitsplätze zu schaffen. Ich bitte Sie, diesen Gesetzent-
    wurf zu unterstützen.


    (Beifall bei der F.D.P.)