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    Plenarprotokoll 14/3 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 3. Sitzung Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 I n h a l t : Gedenkworte für die Opfer der Naturka- tastrophe in den vier mittelamerikanischen Staaten El Salvador, Honduras, Guatemala und Nicaragua ................................................ 47 A Begrüßung des Beauftragten der OSZE für Medienfreiheit, Herrn Freimut Duve.............. 67 C Begrüßung des neuen Direktors beim Deut- schen Bundestag, Dr. Peter Eickenboom ..... 67 C Verabschiedung des Direktors beim Deut- schen Bundestag, Dr. Rudolf Kabel ............. 67 C Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Bundeskanz- lers mit anschließender Aussprache........... 47 C in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 2: Antrag der Bundesregierung Deutsche Beteiligung an der NATO- Luftüberwachungsoperation über den Kosovo (Drucksache 14/16)....................... 47 C Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 47 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ................. 67 D Dr. Peter Struck SPD ....................................... 80 A Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN............................................. 85 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 91 A Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 96 D Michael Glos CDU/CSU ................................. 102 B Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD ............ 102 D Hans-Peter Repnik CDU/CSU..................... 103 A Joseph Fischer, Bundesminister AA................ 107 C Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 112 B Dr. Helmut Haussmann F.D.P. ........................ 115 B Volker Rühe CDU/CSU .................................. 116 C Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ....................................................... 119 A Wolfgang Gehrcke PDS .................................. 121 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 122 D Jürgen Koppelin F.D.P.. .............................. 123 B Gernot Erler SPD............................................. 124 D Rudolf Bindig SPD.......................................... 127 A Nächste Sitzung ............................................... 128 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten .......... 129 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 47 (A) (C) (B) (D) 3. Sitzung Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 Beginn: 9.00 Uhr
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    Rudolf Bindig Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 129 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Carstensen (Nordstrand), Peter Harry CDU/CSU 10.11.98 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 10.11.98 Hartnagel, Anke SPD 10.11.98 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 10.11.98 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 10.11.98 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 10.11.98 Reichard (Dresden), Christa CDU/CSU 10.11.98 Schulte (Hameln), Brigitte SPD 10.11.98 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.11.98 Vaatz, Arnold CDU/CSU 10.11.98 Verheugen, Günter SPD 10.11.98 130 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 (A) (C) (B) (D)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Anke Fuchs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Das Wort hat der
    Vorsitzende der F.D.P.-Fraktion, Herr Dr. Wolfgang
    Gerhardt.

    Dr. Wolfgang Gerhardt (F.D.P.) (von Abgeordneten
    der F.D.P. und der CDU/CSU mit Beifall begrüßt): Frau
    Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bundes-
    kanzler, zunächst gratulieren wir Ihnen zu Ihrer Wahl.
    Wir wünschen Ihnen im Interesse unseres Landes Erfolg
    in Ihrer Arbeit. Sie werden uns in Debatten engagiert
    sehen. Wir werden Ihre Politik kritisch begleiten, ihr, wo
    immer das möglich ist, zustimmen, sie aber auch ableh-
    nen, wann immer das notwendig ist. Das gehört zum
    guten parlamentarischen Stil. Es ist völlig vernünftig
    und klar, daß es an einem fairen Umgang miteinander
    nicht mangeln wird.

    Man erfährt ja an einem solchen Tag sehr viel, wenn
    man genau zuhört. Die Koalitionsvereinbarung wurde,
    kaum daß die Tinte trocken war, mit Nachbesserungen
    versehen.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Bis heute!)

    Sie ist in einzelnen Debattenbeiträgen noch einmal
    sachlich erläutert worden. Der Gesetzentwurf, der uns
    über die Ökosteuer im geheimen und im besonderen in-
    formieren soll, wurde zunächst noch zurückgehalten und
    jetzt wieder zurückgenommen.

    Herr Bundeskanzler, die Öffentlichkeit in der Bun-
    desrepublik Deutschland hat nun wirklich nicht den Ein-
    druck, daß hier ein Reformbündnis angetreten ist.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Selbst im Zeitungswald, der Sie geradezu gefördert hat,
    macht sich eine gewaltige Enttäuschung breit. Da
    braucht man nur die Überschriften zu lesen. Eine heißt:
    „Oskar greift zur Axt“. Das war eine Überschrift der
    Zeitschrift „Die Woche“. Sie schildert die besonderen
    Stilmittel Ihres Finanzministers, wenn es darum geht, an
    die Lösung von Problemen heranzugehen. Die gleiche
    Wochenzeitung schreibt zur Steuerreform: „völlig ver-
    heddert“.

    Die gesamte deutsche Öffentlichkeit weiß, was hier
    vor sich gegangen ist: Sie haben eine Wahl gewonnen.
    Mit dieser Wahl waren bei der Neuen Mitte, die Sie an-
    gesprochen und im wahrsten Sinne des Wortes hofiert
    haben, Hoffnungen verbunden. Sie wollten nicht alles
    anders machen; sie wollten ein Stück Kontinuität und
    einiges besser machen. Jetzt macht Oskar Lafontaine
    alles anders, aber überhaupt nichts besser.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


    Sie haben die deutsche Öffentlichkeit – diesen Vorwurf
    kann ich Ihnen nicht ersparen – gewaltig getäuscht. Ich
    muß der deutschen Öffentlichkeit aber auch sagen: Sie
    hat sich leicht täuschen lassen. Sie hat die Modernisie-
    rungsbereitschaft von Gerhard Schröder überschätzt und
    die konservative sozialdemokratische Haltung von Oskar
    Lafontaine unterschätzt.

    Frau Kollegin Müller, die Grünen haben angekündigt,
    sie wollten auf Augenhöhe verhandeln. Sie müssen auf
    Hühneraugenhöhe verhandelt haben. Das stellt man fest,
    wenn man das Ergebnis der Koalitionsvereinbarungen
    betrachtet.


    (Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


    Das ist nicht nur eine Aussage von mir und von den
    Kolleginnen und Kollegen der F.D.P. Roland Berger hat
    sich vor der Wahl oft lobend über Gerhard Schröder ge-
    äußert. Er wünschte ihn sich allerdings in der Konstella-
    tion einer großen Koalition. Jetzt trage ich Ihnen einmal
    vor, was dieser Mann heute sagt.


    (Zuruf des Bundesministers Joseph Fischer)

    – Herr Fischer, jetzt wird es zum Nachteil, daß Sie Au-
    ßenminister geworden sind. Denn auf der Regierungs-
    bank müssen Sie den Mund halten. Von den Abgeord-
    netensitzen dürfen Sie Zurufe machen. Das hätten Sie
    sich vorher überlegen sollen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie sind jetzt Minister. Da müssen Sie Ihr Verhalten än-
    dern. Die Jacke haben Sie ja schon gewechselt.


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. – Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Zeitung darf er lesen!)


    Roland Berger sagt:
    Mit Ausnahme von Tony Blair sind alle sozialde-
    mokratischen oder sozialistischen Regierungen in
    Europa erst zwei oder drei Jahre ihren Illusionen
    nachgejagt, bis sie von der Realität eingeholt wor-
    den sind.

    Dann führt er aus, was für diese Politik gilt:
    Ihre Länder und die Menschen mußten für diesen
    Lernprozeß allerdings teuer bezahlen, weil ver-
    spielte Jahre im globalen Wettbewerb für lange Zeit
    verloren sind.

    Das ist der Fehler der eingeleiteten Politik.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


    Er fügt hinzu – falls er die Regierungserklärung ge-
    hört hat, wird er seine Meinung nicht ändern –:

    Auch diese deutsche Regierung ist zur Macht ge-
    kommen und hat nichts dazugelernt. Sie ist völlig
    unvorbereitet auf Innovation.

    So war Ihre Regierungserklärung: völlig unvorberei-
    tet auf Innovation. Das erzählen nicht nur meine Freun-
    de und ich. Das spüren auch viele in Ihren Reihen. Soll

    Kerstin Müller (Köln)







    (B)



    (A) (C)



    (D)


    ich sie namentlich vorlesen? Bodo Hombach, Ihr Mi-
    nister, erklärt im Hinblick auf die Koalitionsvereinba-
    rung: Das ist doch zunächst einmal bedrucktes Papier
    – Das ist völlig richtig; das habe auch ich so gesehen. –
    Nach genauerem Durchlesen stellt er fest: Viele Themen
    seien vertagt oder in Arbeitsgruppen verwiesen worden.
    Da sei noch genügend Platz für Schröders Handschrift,
    für den „Meister der Moderation“, wie seine Berater
    jetzt der deutschen Medienlandschaft mitteilen. Ich halte
    ihn nicht für den Meister der Moderation. Herr Bundes-
    kanzler, wo waren Sie eigentlich bei den Koalitionsver-
    handlungen? Wo ist Ihre Handschrift? Wo kommt es zu
    Innovationen?


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Die Politik, die Sie einleiten, kostet Deutschland viel
    Geld. Sie wirft uns im Wettbewerb dramatisch zurück.
    Sie gestaltet nicht die sozialen Sicherungssysteme neu
    und innovativ. Im übrigen ist die Steuerreform, wie auch
    immer Sie sie verpacken, ein reines Abkassieren der
    Bürgerinnen und Bürger.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Und auch dazu lese ich Ihnen jetzt einmal etwas vor.

    Man muß sich auf der Zunge zergehen lassen, was die
    FAZ heute über die gegenwärtigen Wasserstandsmel-
    dungen bezüglich der Ökosteuer berichtet. Die Grünen
    äußerten sich so zu der Ökosteuer:

    Die schnelle Einigung
    – das muß die gestrige gewesen sein; ich weiß noch
    nicht, wie sie aussieht, das werden wir nächste Woche
    erfahren –


    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Aber nur vielleicht!)


    führten die Grünen darauf zurück, daß mit der Strom-
    steuer . . . eine neue Geldquelle erschlossen wird, an
    der das Finanzministerium Interesse zeige. Darüber
    seien Bedenken in den Hintergrund getreten.

    – Soll ich das noch einmal vorlesen?

    (Beifall bei der F.D.P.)


    Man hat sich in der Koalition geeinigt, weil durch die
    Stromsteuer eine neue Geldquelle erschlossen worden
    ist. Herr Lafontaine, die Aufgabe des Finanzministers ist
    nicht, neue Geldquellen zu erschließen, sondern zu spa-
    ren, den Staat schlank zu machen und den Bürgern das
    Geld zurückzugeben, anstatt es ihnen aus der Tasche zu
    ziehen.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Das alles wird noch gesteigert: Die Grünen hoffen

    jetzt auf Nachbesserungen im Steuerkonzept. Ich erinne-
    re mich an Äußerungen – man tauscht sich ja doch gele-
    gentlich aus – auch aus den Reihen der Kolleginnen und
    Kollegen der Grünen zum Spitzensteuersatz. Der Kol-
    lege Oswald Metzger war meinen Gedankengängen
    nicht fremd.


    (Zuruf des Abg. Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    – Ja, aber wer hat denn für ihn als Chefunterhändler ver-
    handelt? Für Sie ist doch ein Flunderergebnis herausge-
    kommen: die „gewaltige“ Absenkung des Eingangssteu-
    ersatzes von 25 Prozent auf 19,9 Prozent in drei Trippel-
    schritten bis zum Jahre 2002. Das hilft uns doch nicht
    weiter! Bis zum Jahre 2002 ziehen Sie denselben Bürge-
    rinnen und Bürgern, denen Sie diese 5 Prozent Steuer-
    senkung in die linke Tasche geben, die Ökosteuer aus
    der rechten Tasche. Das ist ein Betrug an der Öffent-
    lichkeit. Und so darf das auch genannt werden.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Sie als Grüne haben das auch erkannt. Ihr Chefunter-

    händler – bei den Koalitionsverhandlungen war ja fast
    jeder Chefunterhändler, außer dem Bundeskanzler –, der
    Chefunterhändler der Grünen, hat erklärt, man sehe jetzt
    doch noch Spielraum für einen Spitzensteuersatz bei
    45 Prozent oder darunter.

    Meine Damen und Herren, ich formuliere es einmal
    so: Die Grünen sollen ruhig sagen, daß sie jetzt endlich
    einmal regieren wollen. Das ist völlig in Ordnung. Das
    will jeder; darum gibt es einen Wettbewerb. Die Grünen
    sollen aber nicht den Versuch machen, zu erklären, daß
    sie programmatisch irgend einen Anteil an der Politik
    hätten, die die Koalition jetzt vertritt. Dabei geht es
    nämlich nicht um eine Ökosteuer und auch nicht um
    eine Modernisierung, sondern da handelt es sich um
    schlichtes Abkassieren. Es gibt keine neue Abfallwirt-
    schaft. Die Grünen haben auch keine neue Verkehrs-
    politik eingeleitet. Der Transrapid läuft jetzt durch die
    nordrhein-westfälische Landespolitik als eine Art fahr-
    bares Garzweiler III.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Am Ende wird der Verkehrsminister erklären, er wolle
    doch die alte Strecke nehmen. – Das alles werden wir
    hier erleben.

    Ich lese den Grünen einmal ihre „Verhandlungserfol-
    ge“ vor: Garzweiler II wird genehmigt. Ich sage vor-
    aus: Auch der Frankfurter Flughafen wird ausgebaut.
    Dazu gibt es einen interessanten Vorschlag des Grünen
    Tom Koenigs. Die Grünen haben immer gesagt, der
    Flughafen dürfe nicht über den Zaun hinaus ausgebaut
    werden. Jetzt hat Tom Koenigs erklärt, man könne den
    Zaun doch ein Stückchen verschieben. – Das ist eine
    sehr findige Regierungsbeteiligung in Hessen!


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ sollen mit

    den Grünen weiterlaufen. Mir gefällt das; das ist ja auch
    völlig richtig. Dann aber sollen die Grünen nicht den
    Versuch machen, hier ihre Programmtreue vorzutragen.

    Frau Kollegin Müller, Sie waren platt wie eine Flun-
    der. Sie stellen den Außenminister und haben sich des-
    sen Politik und Jogging angeglichen: Fünf Kilometer am
    Rhein entlang, Spitzkehre, fünf Kilometer zurück – das
    ist Bewegung, aber kein Fortschritt für Deutschland!
    Das ist das Verhandlungsergebnis.


    (Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


    Dr. Wolfgang Gerhardt






    (A) (C)



    (B) (D)


    Nein, meine Damen und Herren, Deutschland hat mit
    dieser Art von Politik, bei der jetzt in Nachbesserungs-
    runden nachgesessen wird, einen Zeitverlust zu be-
    fürchten. Ich lese in der Zeitung, bei SPD und Grünen
    sollten sich jetzt Reformallianzen bilden. – Meine Herr-
    schaften! Eine Reformallianz muß man haben, wenn
    man regieren will. Wenn man sie erst hinterher bildet, ist
    es zu spät.

    Ich will deshalb noch einmal auf Roland Berger zu-
    rückkommen.


    (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lieber Gott, macht ihn doch zum Ehrenmitglied! Er wird sich bedanken!)


    Ihm wurde die Frage gestellt: Wie kann Schröder – so
    fragte dieses bekannte Magazin – sich noch befreien und
    die versprochene Modernisierung von Staat und Wirt-
    schaft angehen? Der interviewte Roland Berger


    (Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der kann sich nicht wehren!)


    antwortete darauf aus meiner Sicht verblüffend deutlich.
    Er sagte: Will er das überhaupt? Er ist Kanzler und hat
    sein Lebensziel erreicht, fügte er hinzu.


    (Lachen und Beifall bei der F.D.P. – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Herr Bundeskanzler, Sie müssen in diesem Haus
    mehr vortragen als heute bei Ihrer Regierungserklärung,


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie aber auch!)


    um dem in der Öffentlichkeit entstandenen Eindruck
    entgegenzuwirken, daß zwar Sie es waren, der zum
    Kanzler gewählt worden ist, die Führung der Regie-
    rungsgeschäfte aber beim Finanzminister liegt.


    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Kalter Kaffee!)


    – Das ist gar kein kalter Kaffee; es ist in der deutschen
    Öffentlichkeit umgehend deutlich geworden, wer hier
    das Sagen hat. Ich finde, wir Parlamentarier haben ein
    Recht, zu erfahren, wer wirklich das Sagen hat.

    Wenn Sie modernisieren wollen, finden Sie uns an
    Ihrer Seite. Wenn Sie den sich abzeichnenden strategi-
    schen Kurs fortsetzen, fahren Sie Deutschland in die
    Sackgasse – finanziell, dadurch, daß Sie Zeit verspielen,
    und mit einer falschen politischen Konzeption. Der tre-
    ten wir entgegen.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, es sind ja nicht wir allein, die

    Ihnen entgegentreten. Es gibt eine Heerschar solcher
    Personen, auch aus Ihren eigenen Reihen. Ich greife
    einmal diejenigen heraus, deren Seriosität überhaupt
    nicht bestritten werden kann. Sie kennen genausogut wie
    ich – deshalb zieht die Erblastlegende überhaupt nicht –
    die Stellungnahme der führenden wirtschaftswissen-
    schaftlichen Institute. Sie ist ganz eindeutig. Darin sa-

    gen die Institute Ihnen, daß die von Ihnen beabsichtigte
    Steuerreform kaum zu höherem Wachstum und schon
    gar nicht zu mehr Beschäftigung führt.

    Diese Stimmen werden ergänzt von Herrn Schmoldt,
    dem Vorsitzenden der IG Bergbau, Chemie, Energie, der
    dasselbe erklärt. Die wirtschaftswissenschaftlichen In-
    stitute fordern Sie geradezu auf, couragierter heranzuge-
    hen. Die öffentlichen Haushalte, so sagen die Institute –
    wenn Sie es Herrn Schäuble und mir nicht glauben, dann
    zitieren wir die Institute; sie sagen es Ihnen und der
    deutschen Öffentlichkeit –, leiden nicht unter einer sol-
    chen Not, wie die Chefunterhändler der Koalition be-
    kannt geben. Es ist erkennbar, daß Sie zu mehr Steuer-
    senkungen in der Lage wären, wenn Sie das nur woll-
    ten. Sie wollen es aber nicht, weil Sie nicht Steuersen-
    kung im Sinn haben, sondern Umverteilung. Bei diesem
    System zahlen dann die Jüngeren für die Rentner, die
    Kleinen für die Großen, der Mittelstand für die Groß-
    industrie und die nächste Generation für den Verbrauch,
    den Sie jetzt bewirken. Das ist das Falsche an Ihrer
    Politik.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wir werden den Gesetzentwurf zur Ökosteuer in der

    nächsten Woche vorgelegt bekommen. Die Institute sa-
    gen Ihnen aber schon jetzt, daß eine deutliche Entlastung
    der Umwelt bei gleichzeitigem Abbau der Arbeitslosig-
    keit von einer ökologischen Steuerreform nicht geleistet
    werden kann. Ob die Erhöhung eine Mark oder zwei
    Pfennig ausmachen soll, ist völlig egal. Das, was Sie
    vorhaben, kann nicht geleistet werden.

    Der Staatssekretär Tacke aus dem Wirtschaftsmi-
    nisterium wird mit den Worten zitiert – der Mann drückt
    sich vorsichtig aus; völlig zu Recht –, die doppelte Di-
    vidende sei geringer, als man dachte. – Recht hat der
    Mann; das hätte man auch vorher wissen können. Ich
    will erläutern, was das bedeutet. Die doppelte Dividende
    ist nicht nur geringer, sehr verehrter Herr Tacke; bei
    einer doppelten Dividende dieser Art ist klar, daß in dem
    Maße, wie das eine Ziel erreicht wird, das andere ver-
    fehlt werden muß. Wird die Umwelt geschont, dann be-
    kommt Herr Lafontaine keine Einnahmen, mit denen er
    die Lohnnebenkosten senken kann.

    Diese Erfahrung kann Ihnen auch jemand mitteilen,
    der nicht Volkswirtschaft studiert hat. Das sagt uns
    schon der gesunde Menschenverstand. Trotzdem machen
    Sie es. Wenn Sie es machen, müssen Sie hier gewaltige
    Argumente anführen, warum. Sie müssen die deutsche
    Öffentlichkeit darüber aufklären, warum Sie das tun.

    Ich sage Ihnen: Sie hängen dem uralten, anscheinend
    nicht ausrottbaren sozialdemokratischen Glauben an,
    daß der Staat die bessere Institution zur Herstellung so-
    zialer Gerechtigkeit ist, so daß er den Bürgern etwas
    mehr abnehmen soll, um es dann auf anderen Wegen
    zuteilen zu können. Wir Freien Demokraten repräsentie-
    ren den entgegengesetzten Denkansatz: Wir glauben,
    daß eine Gesellschaft vitaler ist, wenn man den Bürgern
    mehr Geld beläßt und es ihnen nicht aus der Tasche
    zieht. Deshalb sind wir gegen Ihre Politik.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Dr. Wolfgang Gerhardt






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Mit der Ökosteuer wird kein Impuls für die Schaffung
    von Arbeitsplätzen ausgelöst.

    Im übrigen bin ich gespannt, ob der Gesetzentwurf
    Ungereimtheiten beseitigt. Kohle soll bei der Verstro-
    mung stärker steuerlich belastet werden. Wer Brikett
    oder Eierkohle in den Ofen schiebt, gilt als Umweltsün-
    der. Erdgas und Öl, deren Einsatz umweltfreundlicher ist
    als etwa die Brikettverfeuerung, wollen Sie genauso
    hoch besteuern. Das müssen Sie einmal vernünftigen
    Menschen erklären. Das ist nicht erklärbar. Das ist nur
    dann zu erklären, wenn Sie sagen: Das ist für uns eine
    Glaubensfrage.

    Da uns die Kollegin Müller auf Dänemark verwiesen
    hat, möchte ich Sie auffordern: Erzählen Sie einmal dem
    staunenden Haus, wie die Umweltentlastung in Däne-
    mark zurückgegangen ist, nachdem dort Ökosteuern
    eingeführt worden sind! Die Selbstverpflichtung der
    deutschen Wirtschaft hat zehnmal soviel an Umwelt-
    entlastung gebracht wie die Ökosteuererhöhung in Dä-
    nemark.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Deshalb wollen wir bei dem eingeschlagenen Weg

    bleiben.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer will da bleiben?)


    Im übrigen: Herr Bundeskanzler, Sie haben in der
    Regierungserklärung gesagt, am Ende der Legislaturpe-
    riode, also 2002, wollen Sie die Menschen um
    15 Milliarden DM entlastet haben.


    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Vier Wochen vor der Wahl!)


    Darf ich Sie daran erinnern, wie Sie die Entlastung in
    Höhe von 7 Milliarden DM, die wir in der letzten
    Legislaturperiode im Zuge der Soli-Senkung vorge-
    nommen haben, kommentiert haben? – Das sei nur so-
    viel „wie für eine Pizza“. Und jetzt verkaufen Sie die
    15 Milliarden DM als eine große Steuerreform!


    (Dr. Gregor Gysi [PDS]: Das ist dann eine Pizza für zwei Personen! Immerhin!)


    Ich halte das für unvertretbar: sich in der letzten Legis-
    laturperiode über die Rückgabe von 7 Milliarden DM so
    zu erregen und jetzt 15 Milliarden DM als Konzept für
    vier Jahre deutscher innovativer Politik vorzutragen –
    und das vor dem Hintergrund der Tatsache, daß die
    letzte Steuerschätzung für das Jahr 2002 etwa
    150 Milliarden DM mehr Steuereinnahmen voraussieht.
    Angesichts dessen muß ich Ihnen vorwerfen: Ihr Finanz-
    minister hat durch sein strammes Verteilungsdenken das
    Geld, das die Bürger in Deutschland bis zum Jahre 2002
    noch erarbeiten müssen, schon längst verpulvert! Gegen
    diese Politik werden wir angehen.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Es geht auch nicht nur um die Frage: Ist das die fal-

    sche Grundrichtung? Reichen die Reformanstrengungen
    – die ich gar nicht erkennen kann – aus? Nein, es geht

    auch darum, ob Ihre Regierung wirklich willens und in
    der Lage ist, auf der Höhe der Zeit die Themen so zu be-
    arbeiten, wie es bei nahezu jeder modernen Wettbe-
    werbsgesellschaft auf dieser Welt der Fall ist. Alle ande-
    ren modernen Wettbewerbsgesellschaften, mit denen wir
    stärkste Konkurrenz aushalten müssen, haben eine sol-
    che Politik spätestens zwei Jahre nach dem Einstieg kor-
    rigieren müssen. Wir werden mit Interesse beobachten,
    wie es im weiteren Verlauf um die Modernisierungsbe-
    reitschaft Ihrer Regierungskommissionen und Arbeits-
    gruppen bestellt ist.

    Aber es geht um mehr: Sie mögen bei den sozialen
    Sicherungssystemen durch nicht geeignete Reforman-
    strengungen Fehler machen. Sie können falsche wirt-
    schaftspolitische Akzente setzen. – Das können wir im-
    mer mit dem Florett ausfechten. Aber der schwere Säbel
    der Opposition wird erst bei dem verantwortungslosen
    Gequatsche von Oskar Lafontaine über das Thema
    Geldwertstabilität, Bundesbank und Europäische
    Zentralbank gezogen. Meine Damen und Herren, das
    ist kein beliebiger Spielplatz. Die Einrichtung einer un-
    abhängigen Notenbank mit dem Auftrag, die Geld-
    wertstabilität zu wahren, gehört – dies ist über alle Par-
    teigrenzen hinweg anerkannt – zu den institutionell er-
    folgreichsten Nachkriegsergebnissen deutscher Politik.
    Wer hier in Interviews leichtfertig redet, wer in der eu-
    ropäischen Öffentlichkeit den Eindruck erweckt –
    „Hauptsache, wir haben einmal darüber gesprochen“ –,
    man könne mittels dauerhafter öffentlicher Auseinander-
    setzungen die Entscheidungen der Bundesbank konter-
    karieren und die Europäische Zentralbank schon einmal
    vorsorglich darauf vorbereiten, welcher Wind im näch-
    sten Jahr weht, der macht all das an Ergebnissen zu-
    nichte, was die Bundesregierung von CDU/CSU und
    F.D.P. im europäischen Kontext in Stabilitätsverhand-
    lungen erreicht hat. Ein grober Fehler!


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Sie mögen das ganze Kapitel noch so sehr abfeiern:

    Ich habe gelesen, neulich haben Sie erklärt – vor einem
    besonders kundigen Gewerkschaftspublikum, das an
    Geldwertstabilität natürlich, wie immer, interessiert ist –,
    man könne das einmal diskutieren. Herr Bundeskanzler,
    „Hauptsache, wir haben einmal darüber gesprochen“
    reicht als Auskunft nicht. Im Verhältnis zu den erreich-
    ten Zielen gehört für deutsche Politik zum Start am
    1. Januar des nächsten Jahres mit EZB und Euro, daß
    sich dieses Land stabilitätskonform verhält und in der
    alten Kultur der Geldpolitik der Bundesrepublik
    Deutschland, die Tradition hat, ja Staatsräson ist, ver-
    bleibt.

    Es gibt, wie ich sehe, nur ganz wenige, die sich in der
    jetzigen Situation an diesem verantwortungslosen Ge-
    schwätz beteiligen. Und es genügt nicht der Hinweis,
    auch der Herr Bundesbankpräsident habe nun zugestan-
    den, man könne ja einmal darüber sprechen. – Nein,
    darum geht es dem Herrn Lafontaine nicht. Der will
    durch dauerndes Gerede die alte Stabililtätspolitik so
    unterminieren,


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: So ist es!)


    Dr. Wolfgang Gerhardt






    (A) (C)



    (B) (D)


    daß ihm die Rechenschaftspflichtigkeit der EZB ir-
    gendwann wie eine reife Frucht in den Schoß fällt! Das
    nutzt vielleicht Herrn Lafontaine; das schädigt aber die
    Bezieher kleiner Einkommen, die Rentner, die auf die
    Geldwertstabilität angewiesen sind, weil sie keine
    Sachwertbesitzer sind. Für die werfen wir uns in dieser
    Diskussion in die Bresche.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wo immer Sie einen Zipfel erwischen können, da

    packen Sie auch zu. Deshalb muß man den Anfängen
    wehren.

    Ihren Beutezug ins Wirtschaftsministerium mögen
    Sie noch soviel mit dem Hinweis auf das britische Trea-
    sury garnieren. Dieses hat eine andere Tradition. Selbst
    wenn ich dieses Argument und den Hinweis auf Herrn
    Strauss-Kahn akzeptiere: In Deutschland widerspricht
    dieser Beutezug von Oskar Lafontaine den berühmten
    „checks and balances“, die in unserer deutschen wirt-
    schaftlichen Tradition immer beachtet wurden. Das ist
    doch keine Verschlankungsmaßnahme.

    Darf ich Ihnen einmal vorlesen, Herr Schröder, was
    Sie als Ministerpräsident am 24. November 1994 zur
    Regierungserklärung des Bundeskanzlers Kohl gesagt
    haben? – Ich zitiere:

    Es fällt auf, daß in dieser Regierung das Wirt-
    schaftsministerium offenbar als eine Art Steinbruch
    für andere Häuser benutzt wird.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

    Es kann einem schon leid tun, wie mit dem amtie-
    renden Wirtschaftsminister umgegangen wird.

    – Haben Sie Herrn Müller oder Herrn Stollmann ge-
    meint?

    Meine Damen und Herren, dieser Beutezug ins Wirt-
    schaftsministerium ist nicht nur das Herausklamüsern
    von einigen Aufgaben oder ein Stück Zentralisierung
    wegen der besseren europäischen Verhandlungslinie.
    Nein, das ist eine Tendenz, die sich in Ihrer Regierung
    andeutet. Sie gehen mit Unabhängigkeit und Souveräni-
    tät von Ressortministern nicht gut um.


    (Dr. Gregor Gysi [PDS]: Das war auch nicht die Stärke von Kanzler Kohl!)


    Ich füge noch ein Beispiel hinzu, weil es notwendig
    ist. Sie haben jemanden als Verteidigungsminister auf
    Ihre Regierungsbank geholt, der gar nicht dahin wollte
    und der in seiner früheren Funktion einem anderen im
    Wege war. Das ist der innere Zustand der Mechanismen,
    mit denen hier Politik gemacht wird. Das spreche ich
    hier an.

    Sie sind als Kanzlerkandidat angetreten und haben in
    der deutschen Öffentlichkeit von einem Modernisie-
    rungseffekt gesprochen. Sie haben Ihren Wahlkampf
    durch Events bestimmt. Sie haben Menschen für sich
    gewonnen, die daran geglaubt haben, daß Sie als refor-
    merischer Kanzler antreten. – Die alle haben Sie ent-
    täuscht. Ich treffe heute kaum noch jemanden, der sich

    optimistisch, zuversichtlich dazu bekennen will, Sie ge-
    wählt zu haben.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Sowohl bei dem Steuerthema wie bei vielem anderen:
    Sie haben Ihren Start innerhalb weniger Tage granaten-
    haft vergurkt. Sie haben alles in den Orkus geredet, was
    an guten Hoffnungen da war. Sie haben die Neue Mitte
    zertrampelt. Sie haben in Ihrem Programm geschrieben:
    Sie setzen auf die Leistungsbereiten. – Ich wußte, das
    war ein Tippfehler: Sie setzen sich auf die Leistungsbe-
    reiten! Das wollen wir nicht zulassen.


    (Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


    Meine Damen und Herren, in der letzten Legislatur-
    periode war für die Grünen vieles an liberaler Außen-
    politik falsch. Ich habe mir die Reden von Herrn Fischer
    immer angehört. Heute reist Herr Fischer – ich begrüße
    das – in alle Länder der Welt und verkündet – bisher je-
    denfalls erkennbar – die Kontinuität deutscher Au-
    ßenpolitik. Der Außenminister ist nicht hier; man mag
    es ihm übermitteln: Herr Fischer ist auf Grund seiner
    derzeitigen Amtsführung der beste Beleg dafür, daß li-
    berale Außenpolitik in gemeinsamer Verantwortung von
    Außenminister Klaus Kinkel und Bundeskanzler Helmut
    Kohl so schlecht nicht gewesen sein kann, wenn er sich
    jetzt voll in deren Kontinuität bewegt.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich finde das in Ordnung. Wir werden aber genaue-
    stens beobachten müssen, ob das in seiner Fraktion auch
    so bleibt; denn der Koalitionsvertrag, meine verehrten
    grünen Kolleginnen und Kollegen, ist das glatte Gegen-
    teil von dem, was Sie beschlossen haben. Ich glaube
    nicht, daß mich meine Partei weiter an der Spitze getra-
    gen hätte, wenn ich unter Vernachlässigung und Miß-
    achtung der eigenen Beschlußlage so schnell versucht
    hätte, ins Außenministerium zu kommen, wie Joschka
    Fischer das gemacht hat.


    (Beifall bei der F.D.P. – Dr. Gregor Gysi [PDS]: Doch!)


    Aber bei Ihnen ist das an der Tagesordnung. Ich halte
    das im Interesse Deutschlands nicht für schlecht. Aber
    erzählen Sie als Grüne bitte niemandem mehr, daß Ihr
    Programm fünf Minuten nach seinem Druck in der Bun-
    desrepublik Deutschland noch irgend etwas gilt. Die
    Zeiten des Respekts sind vorbei.


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)


    Der Außenminister hat unsere Unterstützung, wo er
    in Kontinuität arbeitet. Wir werden aber genau beob-
    achten, ob das auch für seine Fraktion gilt.

    Herr Kollege Schäuble, über eines sind wir uns, glau-
    be ich, klar: Wenn diese rotgrüne Regierung vor schwie-
    rigen Entscheidungen steht, muß sie zunächst einmal ih-
    re eigenen Mehrheiten bringen. Wir sind nicht Ersatzre-
    serve III, 2. Klasse, Abteil 2 a, um Mehrheiten zu be-
    schaffen, die sie selbst in der Koalition nicht haben. Wer

    Dr. Wolfgang Gerhardt






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    dieses Land regieren will, muß auch unangenehme Fra-
    gen entscheiden.


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wir werden diese Bereiche ganz genau beobachten.

    Frau Präsidentin, ich habe hier keinen Zeithinweis
    mehr.



Rede von Anke Fuchs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Wir haben eine of-
fene Runde, Herr Kollege. Sie haben nach unserer
Rechnung noch fünf Minuten.


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Muß er aber nicht!)


Sie müssen sie nicht ausnutzen.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Gerhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Mir hat es gerade
    so gut gefallen. Deshalb nutze ich sie auch noch voll
    aus.


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Ich will jetzt noch auf einige Punkte der Regierungs-

    erklärung eingehen und die Sachverhalte bewerten. Die
    Opposition muß hart in der Sache darstellen, wo es nötig
    ist. Wo es parteiübergreifende Entscheidungen gibt,
    sollte man das sagen.

    Im Bereich der Innenpolitik ist für uns durchgängig
    ein pragmatischer Lösungsansatz zu erkennen. Das hat
    uns wiederum gefreut. Die Grünen haben mit diesem
    Ansatz ihre Schwierigkeiten. Wir werden sehen, wie
    sich das in der praktischen Politik niederschlägt. Es zeigt
    jedenfalls, daß die entscheidenden Gesetze – beim Asyl-
    recht, bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität
    – für die wir so beschimpft worden sind, nicht verändert
    werden. Die sind unter Dach und Fach. Wahrscheinlich
    freuen Sie sich sogar darüber, daß wir die noch unter
    Dach und Fach gebracht haben, weil Sie Schwierigkei-
    ten hätten, sie unter Dach und Fach zu bringen. Sie re-
    spektieren damit aber, daß unsere Entscheidungen rich-
    tig waren. Ich bedanke mich ausdrücklich für diese
    nachträgliche Anerkennung.

    Auch wir wissen, daß es in der Drogenpolitik keinen
    Königsweg gibt. Wir sind bereit, neu nachzudenken.
    Aber auch bei neuen Wegen gelten Wertentscheidungen.
    Eine Freigabe von Drogen kommt für uns nicht in Frage.
    Aber der Weg, einem Arzt zu ermöglichen, an
    Schwerstabhängige Drogen auf dem Weg zur Therapie
    abzugeben, um sie nicht in die Kriminalität rutschen zu
    lassen und um den Menschen, die schwer krank sind,
    wirklich zu helfen, ist mit uns ausdrücklich zu gehen.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Lassen Sie sich auf einen solchen Weg ein! Suchen Sie
    dafür parlamentarische Mehrheiten, dann gehen wir die-
    sen Weg mit!

    Ich schließe einen zweiten Punkt an. Das Staatsan-
    gehörigkeitsrecht ist für die F.D.P. nicht nur ein Stück
    Papier. Es geht um die Notwendigkeit, den bei uns
    schon lange lebenden Ausländern ein faires Angebot der

    Integration zu machen. Es darf aber keine Beliebigkeit
    geben. Man muß von ihnen auch den Willen zur Inte-
    gration erwarten dürfen. Wir werden bereit sein, ein
    modernes Staatsangehörigkeitsrecht zu beschließen. Ich
    sage Ihnen aber auch: nicht jedes. Wenn Sie Wert auf
    parteiübergreifende Abstimmung legen, dann sollten Sie
    in der Koalition beraten, ob Sie die jetzige Breite der
    doppelten Staatsbürgerschaft nicht zurückführen. Denn
    die doppelte Staatsbürgerschaft als Regel ist nicht unsere
    Vorstellung. Ich glaube, daß dieser Ansatz keine Ak-
    zeptanz in der deutschen Öffentlichkeit finden wird.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Richtig!)

    Auch der alte Ansatz, das nicht zu reformieren, war
    falsch. Man muß sich hier um gesellschaftliche Akzep-
    tanz bemühen.


    (Beifall bei der F.D.P.)