Rede von
Andrea
Lederer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Dich ,nicht und auch den Außenminister nicht.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon mehrfach gesagt worden, daß in den Haushaltsberatungen sicher die sozialen Probleme in diesem Land im Vordergrund stehen. Aber auch dieser kleine auswärtige Haushalt läßt die Strategie der Politik der Bundesregierung ganz gut durchscheinen.
Da gibt es eine Devise. Diese gilt international wie national in der Politik der Bundesregierung: Sparen da, wo es um die Befriedigung der existentiellen Bedürfnisse der Menschen, um die Linderung von Notlagen geht; und Ausgabensteigerung dort, wo Macht, Prestige und Einflußnahme, und zwar auch militärische, winken.
Weil ich nur fünf Minuten Redezeit habe, dazu nur ein paar Fakten. Innerhalb des auswärtigen Haushalts gibt es Kürzungen beim Fonds des Kinderhilfswerks der UN, beim Hilfsfonds des Flüchtlingskommissars der UN, beim UN-Hilfsprogramm für palästinensische Flüchtlinge und bei der besonderen deutschen Hilfe für palästinensische Flüchtlinge.
Herr Außenminister, haben Sie bei Ihrem Gespräch dem palästinensischen Außenminister auch das erzählt? Ich finde solche Kürzungen absolut indiskutabel und empfinde sie angesichts der Lage im Nahen Osten als einen Skandal, wo es wirklich von zentraler Bedeutung ist, vor allem was die Lage der palästinensischen Bevölkerung betrifft, den Standard zu heben und diesen zu sichern.
Gekürzt werden humanitäre Maßnahmen im Ausland außerhalb der Entwicklungshilfe. Demgegenüber stehen die Schätzungen des Roten Kreuzes, wonach es heute 45 Millionen Flüchtlinge gibt und diese Zahl bis zum Jahr 2005 auf 90 Millionen ansteigen wird.
Ein weiteres Beispiel. Für das Minenräumen setzt die Bundesregierung im auswärtigen Haushalt 1998 zunächst nur lächerliche 3 Millionen DM an. Es heißt,
der Minister wolle noch etwas mehr lockermachen. Ich habe für ihn auch einen ganz konkreten Vorschlag.
- Im Haushalt stehen jetzt 3 Millionen DM.
- Ich schlage Ihnen etwas anderes vor, und zwar runde 300 Millionen DM. Gehen Sie zu Ihrem Kollegen Volker Rühe, und verlangen Sie dort von ihm, das Geld für die Produktion und für die Erforschung von High-Tech-Minen in Höhe von 300 Millionen DM in seinem Haushalt freizumachen und für Minenräumung zu verwenden.
Ich finde, so wie Sie sich immer als Vorreiter in der Minenbekämpfung dargestellt haben, stimmt diese Rolle einfach nicht mit der Wahrheit überein, wenn wiederum erstens nur ein Stagnieren festzustellen ist und zweitens diesem Betrag für Minenräumung ein unglaublich viel höherer Betrag für Entwicklung und Produktion von Minen in anderen Haushalten gegenübersteht. Zynischer läßt sich eine Prioritätensetzung eigentlich kaum beschreiben.
Ich möchte da, wo die Ausgaben der Bundesregierung erhöht werden, noch einige Posten anführen. Das ist der zivile Haushalt der NATO. Das ist der Beitrag für die WEU. Das wird das Aufstocken bei der Weiterführung der Finanzierungshilfen für den Bau der Meko-Fregatten sein. Auch die Ausstattungshilfe soll erhöht werden, in der sich häufig Ausgaben mit durchaus militärischem Bezug verstecken.
Ein letztes Beispiel für die Prioritätensetzung der Bundesregierung: Der OSZE werden lediglich 600 000 DM mehr als im letzten Jahr gegeben: 8,6 Millionen DM. Das Verhältnis zu dem, was die Bundesregierung im Vergleich zur OSZE für die NATO ausgibt, beträgt 500 zu 1. Das heißt, die Parole „OSZE first" ist blanker Hohn, wenn Sie ihn aussprechen, weil in der Politik der Bundesregierung eindeutig die Parole gilt: „NATO first".
Was man in diesem Haushalt vergeblich sucht, ist ein Ansatz für Friedens- und Konfliktforschung. Kein Pfennig und keine müde Mark dafür im Haushalt des Auswärtigen Amtes! Ich finde, daß diese Prioritätensetzung Bände spricht. Ich bin der Meinung, daß nicht nur in den Haushaltsberatungen, sondern ganz grundsätzlich eine Diskussion über die Orientierung der deutschen Außenpolitik stattfinden müßte. Dazu gehört nicht nur eine Diskussion, sondern ganz klar ein Regierungswechsel, der zu einer anderen, einer völkerverständigenden, einer auf tatsächliche europäische Einheit orientierten Außenpolitik beiträgt.
Zum Schluß deshalb nur eine Anmerkung, Herr Außenminister: Nicht die Diskussion zum Thema „Verschiebung der Einführung des Euro" ist falsch und gefährlich, sondern falsch und gefährlich ist es, wenn Sie die Bevölkerung für dumm verkaufen wol-
Andrea Gysi
len, sie nicht ausreichend informieren, so wie Sie das schon beim Vertrag von Maastricht I getan haben, wenn Sie meinen, der Bevölkerung irgend etwas aufoktroyieren zu können, von dem Sie wissen, daß es nur Nachteile hat. Diese Orientierung werden wir zu durchkreuzen wissen, indem wir weiterhin dafür eintreten werden, hierzu einen Volksentscheid durchzuführen.
Ich danke Ihnen.