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ID1314000400

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    Plenarprotokoll 13/140 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 140. Sitzung Bonn, Dienstag, den 26. November 1996 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeordneten Freimut Duve 12569 A Begrüßung einer gemeinsamen Delegation aus Israel, den palästinensischen Gebieten und dem Königreich Amman . . 12611 B Begrüßung einer Delegation von Innenpolitikern aus der Ukraine 12615 A Tagesordnungspunkt I: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997 (Haushaltsgesetz 1997) (Drucksachen 13/5200, 13/5836) . . . 12569 A Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksachen 13/6001, 13/6025) 12569 B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 13/ 6002, 13/6025) 12569 C Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksachen 13/6003, 13/ 6025) 12569 D Einzelplan 08 Bundesministerium der Finanzen (Drucksachen 13/6008, 13/6025) . . . 12569 D in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld (Drucksache 13/6022) . 12570 A in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung (Drucksache 13/6024) 12570 A in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof (Drucksachen 13/ 6018, 13/6025) 12570 A Irmgard Karwatzki, Parl. Staatssekretärin BMF 12570 B Karl Diller SPD 12573 B Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 12580 B Wolf-Michael Catenhusen SPD . . . 12583 B Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12585 A Carl-Ludwig Thiele F.D.P. 12586 D Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. . 12589 B Ingrid Matthäus-Maier SPD . 12589 D, 12604 C Dr. Christa Luft PDS 12594 A Jörg-Otto Spiller SPD 12596 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. 12597 C Susanne Jaffke CDU/CSU 12599 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 12602 A Wilfried Seibel CDU/CSU 12603 A Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drucksachen 13/6017, 13/6025) 12606 A Siegrun Klemmer SPD 12606B, 12622 A Peter Jacoby CDU/CSU 12609 A Ingrid Matthäus Maier SPD 12609 C Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12611 C Ina Albowitz F.D.P. 12613 A Dr. Edith Niehuis SPD 12614 B Heidemarie Lüth PDS 12615 A Renate Diemers CDU/CSU 12616 A Uwe Göllner SPD 12617 B Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 12619 C, 12622 C Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit (Drucksachen 13/6015, 13/6025) . . . 12623 A Gerhard Rübenkönig SPD 12623 A Roland Sauer (Stuttgart) CDU/CSU . . . 12624 D, 12628 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12626 D Antje-Marie Steen SPD 12628 A Marina Steindor BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12629 A Dr. Dieter Thomae F.D.P 12630 C, 12632 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12632 A Dr. Ruth Fuchs PDS 12632 D Dr. Martin Pfaff SPD 12633 C, 12638 C Horst Seehofer, Bundesminister BMG . . 12635 C Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen 13/6010, 13/6025) 12639 B in Verbindung mit Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Ausgleich der Währungsverluste in der Europäischen Union für die deutsche Landwirtschaft (Drucksachen 13/3656, 13/4996) 12639 B Ilse Janz SPD 12639 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU . 12641 D, 12651 A Horst Sielaff SPD 12643 C, 12644 B Dr. Gerald Thalheim SPD 12644 D Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12645 B Jürgen Koppelin F.D.P 12646 B Peter Harry Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 12646 D Günther Bredehorn F.D.P. 12647 A Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12648A, 12652 A Dr. Günther Maleuda PDS 12648 D Horst Sielaff SPD 12649 C, 12651 B Jochen Borchert, Bundesminister BML . . 12651 C Einzelplan 13 Bundesministerium für Post und Telekommunikation (Drucksachen 13/6013, 13/6025) 12654 B Gerhard Rübenkönig SPD 12654 C Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU 12656 B Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12657 D Dr. Max Stadler F D P. 12659 A Gerhard Jüttemann PDS 12660 A Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU . 12661 A Hans Martin Bury SPD 12662 C Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12663 A Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 12664 B Hans Martin Bury SPD 12664 D Nächste Sitzung 12665 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 12666* A 140. Sitzung Bonn, Dienstag, den 26. November 1996 Beginn: 11.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Behrendt, Wolfgang SPD 26. 11. 96 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 26. 11. 96 * Dr. Eid, Ursula BÜNDNIS 26. 11. 96 90/DIE GRÜNEN Gysi, Andrea PDS 26. 11. 96 Dr. Hauchler, Ingomar SPD 26. 11. 96 Klein (München), Hans CDU/CSU 26. 11. 96 Klose, Hans-Ulrich SPD 26. 11. 96 Krüger, Thomas SPD 26. 11. 96 Lehn, Waltraud SPD 26. 11. 96 Lemke, Steffi BÜNDNIS 26. 11. 96 90/DIE GRÜNEN Dr. Rochlitz, Jürgen BÜNDNIS 26. 11. 96 90/DIE GRÜNEN Rupprecht, Marlene SPD 26. 11. 96 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 26. 11. 96 Scheel, Christine BÜNDNIS 26. 11. 96 90/DIE GRÜNEN Schumann, Ilse SPD 26. 11. 96 Tappe, Joachim SPD 26. 11. 96 Thieser, Dietmar SPD 26. 11. 96 Tröger, Gottfried CDU/CSU 26. 11. 96 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 26. 11. 96 Wallow, Hans SPD 26. 11. 96 Weis (Stendal), SPD 26. 11. 96 Reinhard Wieczorek (Duisburg), SPD 26. 11. 96 Helmut Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 26. 11. 96 Wohlleben, Verena SPD 26. 11. 96 Zierer, Benno CDU/CSU 26. 11. 96 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Irmgard Karwatzki


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Unsere Haushaltsund Finanzpolitik gibt die richtigen Signale. Dazu kommen günstige ökonomische Daten, niedrige Zinsen, eine stabile D-Mark, moderate Lohnabschlüsse, anhaltende Preisstabilität mit einer Inflationsrate von gerade einmal 1,5 Prozent, eine weiterhin positive Entwicklung des Welthandels und der Weltkonjunktur, aufwärtszeigende Konjunkturindikatoren, eine anziehende Produktion und weiterhin gute Auslandsgeschäfte.
    Die Kombination dieser aktuellen ökonomischen Daten mit dem Haushalt 1997 und dem Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung wird den Aufschwung verstärken und für nachhaltiges Wachstum sorgen.
    Die Forschungsinstitute und der Sachverständigenrat bestätigen unsere Prognose eines Realwachstums 1997 von 2,5 Prozent.
    Allen Kassandrarufen zum Trotz: Die Eckwerte des Regierungsentwurfs sind nicht nur gehalten, sondern verbessert worden. Die Gesamtausgaben belaufen sich auf 439,9 Milliarden DM und unterschreiten mit minus 2,5 Prozent deutlich das Soll des laufenden Jahres.
    Stellt man dieses Ausgabenminus dem realen Wirtschaftswachstum gegenüber, setzt der Bundeshaushalt 1997 ein deutliches Zeichen für die Rückführung der Staatsquote auf das vor der Wiedervereinigung erreichte Niveau.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Trotz der zu verkraftenden Zusatzbelastungen bei den Steuern und den Arbeitsmarktaufwendungen reduziert sich die Nettokreditaufnahme auf 53,3 Milliarden DM. Die Investitionsausgaben liegen mit rund 59,5 Milliarden DM deutlich über der Nettokreditaufnahme. Die in Art. 115 des Grundgesetzes gesetzte Obergrenze für die Neuverschuldung wird damit klar und eindeutig unterschritten. Der Bund erbringt damit seinen Teil zur Erfüllung der Maastricht-Kriterien.
    Die Beratungen im Finanzplanungsrat in der letzten Woche haben gezeigt, daß nicht nur der Bund, sondern auch die Länder insgesamt bei der Konsolidierung ihrer Budgets ihre Hausaufgaben machen. Die Zahlen des Finanzplanungsrates zeigen, daß Deutschland im Referenzjahr 1997 das Staatsdefizit bei etwa 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes halten wird. Damit ist ein Sicherheitsabstand zu der 3Prozent-Grenze eingehalten.

    Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki
    Einzelne Länder sind allerdings weiterhin in einer schwierigen Situation, so Bremen und das Saarland. Günstig entwickeln sich die Finanzen in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen. Ein negatives Signal gibt Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen. 1996 und 1997 gönnt man sich dort ein weit überdurchschnittliches Ausgabenwachstum.
    Die aktuelle Steuerschätzung hat für die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden gegenüber der letzten Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres nochmals ein Minus von 10,3 Milliarden DM für 1997 ergeben. Gegenüber der Schätzung vom Mai 1995 liegt das Steuerminus allein beim Bund bei fast 35 Milliarden DM. Insgesamt werden die Steuereinnahmen des Bundes 1997 unter Berücksichtigung der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs in etwa auf dem Niveau von 1995 liegen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die Frau Staatssekretärin als Gebetsmühle!)

    Es mußten schmerzhafte Sparentscheidungen getroffen werden, um die zusätzlichen, allerdings unvermeidbaren Mehrbelastungen in der Größenordnung von rund 12,5 Milliarden DM gegenüber dem Regierungsentwurf auszugleichen. Es waren bei den Steuern 5 Milliarden DM, bei dem Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit 4,1 Milliarden DM, bei der Arbeitslosenhilfe 2,3 Milliarden DM und beim Rentenversicherungszuschuß 1,1 Milliarden DM zu verkraften. Das alles war an anderer Stelle auszugleichen.
    Die Ressorts erbringen weitere Einsparungen in Höhe von 3 Milliarden DM. Die zusätzlichen Steuerausfälle werden durch zusätzliche Einnahmen bei der Verwertung von Immobilien, bei den Rückflüssen der BvS-Liquidationsdarlehen und durch Einnahmen aus Lizenzvergaben im Telekommunikationsbereich aufgefangen. Bei Zinsen und Gewährleistungen fallen deutlich geringere Ausgaben an.
    Ich möchte etwas zur Strategie der Opposition sagen: Meine Damen und Herren von der Opposition, mit Ihrer unseriösen Diskussion um vermeintliche Fehlbeträge im Haushalt

    (Detlev von Larcher [SPD]: Diese Regierung wagt, von Solidarität zu reden!)

    haben Sie bislang nichts zur konkreten Lösung der aktuellen finanzpolitischen Probleme beigetragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Im Gegenteil: Ihre Obstruktionshaltung gegenüber unseren Konsolidierungsvorschlägen erweist sich zunehmend als ernster Standortnachteil

    (Joachim Poß [SPD]: Wir sind schwer beeindruckt!)

    und ist gegen die Menschen in unserem Lande gerichtet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren von der Opposition, das hat Ihnen jetzt auch der Sachverständigenrat in seinem neuen Jahresgutachen ins politische Stammbuch geschrieben:

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die Opposition blockiere die dringend notwendigen Maßnahmen zur Haushaltssanierung und zur Senkung von Steuern und Abgaben.
    Im Bundeshaushalt 1997 sind Einsparungen in Höhe von über 5 Milliarden DM unterstellt, für die der Bundestag die entsprechenden Gesetzentwürfe bereits beschlossen hat. Ich meine vor allem das Arbeitsförderungsreformgesetz und das Asylbewerberleistungsgesetz, das - das muß man hinzufügen - auch den Ländern Ersparnisse bringt. Sollte die SPD-Mehrheit im Bundesrat diese Gesetze trotzdem ablehnen, hat der Haushaltsauschuß Vorsorge getroffen.
    Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben auf die finanzpolitischen Herausforderungen stets rasch und angemessen reagiert und im Rahmen der mittelfristigen Strategie Baustein für Baustein konsequent umgesetzt: Anfang dieses Jahres mit der Sperre gegen die sich abzeichnenden Mehrbelastungen im Haushalt 1996, im Frühjahr dieses Jahres mit dem Wachstums- und Beschäftigungsprogramm, das in großen Teilen am 13. September durchgesetzt wurde, im Frühjahr und Sommer mit den Entwürfen zum Haushalt 1997, dem Finanzplan bis 2000, dem Jahressteuergesetz 1997 und der Fortsetzung der Unternehmensteuerreform mit ihren wachstums- und beschäftigungsfördernden Elementen und schließlich mit den ergänzenden, defizitbegrenzenden Entscheidungen zum Haushalt 1997.
    Trotz der Erfolge bei der Eingrenzung des Defizits haben die Haushaltsberatungen gezeigt: Eine nachhaltige und dauerhafte Konsolidierung der Staatsfinanzen ist ohne eine Fortsetzung der strukturellen Reformen nicht möglich. Dies gilt, wie der Sachverständigenrat zutreffend ausführt, sowohl für das Steuersystem und die sozialen Sicherungssysteme als auch für die Haushalte der Gebietskörperschaften.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir führen diese Strukturreformen mit der Fortsetzung der Gesundheitsreform und den in Kürze kommenden Vorschlägen zur Renten- und Steuerreform zügig weiter.
    Mit 154 Milliarden DM entfällt mehr als ein Drittel der Bundesausgaben, nämlich 35 Prozent, auf den Sozialbereich. 1988 waren es lediglich 91,1 Milliarden DM oder rund 33 Prozent der Bundesausgaben. Damit wird ebenfalls deutlich, daß die Panikmache und das Gerede vom Zusammenbruch des Sozialstaats nicht nur unhaltbar, sondern unverantwortlich sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie machen den Menschen in unserem Lande Angst, statt ihnen die - ich gebe zu - manchmal unangenehme Wahrheit zu sagen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wenn Leute Ihre Rede hören, dann fürchten sie sich!)


    Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki
    Diese Feststellung beziehe ich auf die Aussagen über die Sozialausgaben, aber insbesondere auch auf die Rentendiskussion.
    Der Bundeszuschuß an die Rentenversicherung erreicht 1997 eine Rekordhöhe. 1988 lagen die Zuschüsse noch bei rund 40 Milliarden DM. 1997 muß der Bund 87 Milliarden DM bereitstellen. Vor diesem Hintergrund ist es höchst unehrlich, den Bundeshaushalt als Zeugnis für eine soziale Kahlschlagpolitik heranzuziehen. Schon Martin Luther stellte fest,

    (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Oh!)

    daß eine Lüge wie ein Schneeball ist: Je länger man ihn wälzt, je größer wird er.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: In der größten Not Zuflucht zu Luther! Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    - Wer schreit, hat nicht immer recht, sondern meistens unrecht.
    Die besorgniserregende Entwicklung der Sozialausgaben macht vielmehr überdeutlich, daß es höchste Zeit für die weitere Umsteuerung im System der staatlich finanzierten Sozialtransfers ist. Aber auch im Bewußtsein der Menschen muß sich etwas tun. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen, daß die Menschen sehr viel vernünftiger und einsichtiger sind als manche Kolleginnen und Kollegen von der Opposition.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Von Ihren eigenen Leuten reden Sie erst gar nicht, oder wie?)

    Die OECD, der Sachverständigenrat und viele andere Expertengremien monieren ein im internationalen Vergleich sehr großzügiges Sozialsystem und sprechen sich deutlich für Veränderungen aus. Jeder Sozialstaat muß auf einer dauerhaften Finanzierungsbasis stehen. Diese Basis liefert eine florierende Wirtschaft. Daneben müssen die sozialen Sicherungssysteme effizienter ausgestaltet werden. Subsidiarität ist das Gebot der Stunde.
    Lassen Sie mich noch einen Akzent zu den neuen Ländern setzen. Der Haushalt 1997 ist ein Spar- und Konsolidierungshaushalt. Im Vordergrund stehen allerdings weiterhin die Leistungen für den Aufbau in den neuen Ländern: 81 Milliarden DM Transferzahlungen im nächsten Jahr. Es bleibt im übrigen im vollen Umfang bei allen Verkehrsprojekten „Deutsche Einheit", den jährlich 6,6 Milliarden DM zur Investitionsförderung, der besonderen Förderung der ostdeutschen Forschungslandschaft und der Beteiligung des Bundes an der Sicherung der Lehrstellenversorgung.
    In der Steuerpolitik sollten wir jetzt gemeinsam die Kraft finden, die richtigen Weichenstellungen für den Standort Deutschland und damit für Wachstum und Arbeitsplätze vorzunehmen.
    Das Vermittlungsverfahren zum Jahressteuergesetz 1997 hat begonnen. Die vom Vermittlungsausschuß eingesetzte Arbeitsgruppe hat erstmalig am Donnerstag letzter Woche getagt. Ein Blick auf den Kalender und auf die im Jahre 1996 noch verbleibenden Arbeitstage zeigt: Jetzt kann es nur noch um sachorientierte Arbeit gehen. Politischer Theaterdonner und Emotionalisierung der Bevölkerung haben keinen Platz mehr.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Vermögensteuer wird zum 1. Januar 1997 vollständig wegfallen. Daran ist nicht zu rütteln. Rund 60 Prozent der Vermögensteuer entfällt auf Betriebsvermögen. Diese im internationalen Standortwettbewerb schädliche Belastung des Eigenkapitals gipfelt bei uns in der Doppelbelastung der Anteilseigner.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die Armen!)

    Vermögensteuern sind damit Arbeitsplatz- und Eigenkapitalvernichtungssteuern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die von der SPD geforderte Beibehaltung einer privaten Vermögensteuer ist keine verhandlungsfähige Alternative. Dies würde bedeuten: Wir müßten die verwaltungs- und kostenintensive Vermögensteuer unmittelbar in den neuen Ländern einführen. Davon haben diese Länder nichts. Die Erhebung einer privaten Vermögensteuer kostet viel Geld, Zeit und Personal. Wir müßten uns zudem mit Abgrenzungsproblemen zwischen Betriebs- und Privatvermögen auseinandersetzen, mit Umgehungskonstruktionen der Steuerpflichtigen und entsprechenden Abwehrmaßnahmen der Steuerverwaltung.
    Die in Verbindung mit dem Wegfall der Vermögensteuer vom. Bundestag am 7. November 1996 beschlossene Erhöhung der Erbschaftsteuer genügt nicht nur der sozialen Gerechtigkeit. Nein, sie ist auch aus Gründen der Steuervereinfachung die eindeutig bessere Alternative.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Auch die dritte Stufe der Unternehmensteuerreform muß jetzt endlich verwirklicht werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Gemeinden wollen die damit einhergehende Reform der Gemeindefinanzen und ihre Beteiligung an der Mehrwertsteuer. Auch hier gilt: Die Aussetzung der Gewerbekapitalsteuer in den neuen Ländern endet am 31. Dezember dieses Jahres. Deshalb muß jetzt entschieden werden.
    Meine Damen und Herren, meinen besonderen Dank möchte ich den Mitgliedern des Haushaltsausschusses sagen, die einmal mehr durch ihre sachorientierte und konstruktive Arbeit einen schlüssigen Bundeshaushalt möglich gemacht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die aktuellen, aber auch die mittel- und langfristigen Herausforderungen an die Finanz-, Wirtschafts-

    Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki
    und Sozialpolitik erfordern mehr denn je ein gemeinsames Vorgehen der politisch Verantwortlichen. Es geht im Kern um die Frage, ob Deutschland auch weiterhin die Kraft besitzt, sich den Veränderungen in der Weltwirtschaft anzupassen, die Fortsetzung des Aufholprozesses in Ostdeutschland zu gewährleisten, die Reformfähigkeit der Sozialsysteme zu beweisen, die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft in ganz Deutschland zu sichern und damit zugleich für mehr Beschäftigung zu sorgen. Die Bürger haben einen Anspruch darauf: Die Politik muß diese zentralen Fragestellungen für das 21. Jahrhundert nicht nur kontrovers debattieren, sondern richtige Lösungsansätze entwickeln und rechtzeitig umsetzen.
    Ich appelliere an die Opposition: Beenden Sie Ihren strategischen Widerstand. Unterstützen Sie uns bei unserer Arbeit mit konstruktiven Vorschlägen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Konstruktive!)

    Lassen Sie uns die Entscheidungen zum Bundeshaushalt, zu den Spargesetzen im Vermittlungsausschuß und zum Jahressteuergesetz 1997 ohne weitere Verzögerung treffen.
    Ich danke der rechten Seite des Hauses für die Aufmerksamkeit. Von der linken Seite hätte ich mir gewünscht, daß es ein wenig leiser gewesen wäre. Aber dennoch: Herzlichen Dank.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch leiser? Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Frau Karwatzki, Sie müssen einmal hören, was die schreien, wenn ich rede!)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Kollege Karl Diller.

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    Rede von Karl Diller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu meinem und, wie ich annehme, zum großen Bedauern aller ist der Bundesfinanzminister Dr. Theo Waigel heute wegen einer schweren Grippe nicht da. Ich möchte ihm von hier aus - ich nehme an, im Namen aller - unsere besten Genesungswünsche übermitteln. Der Streit mit ihm macht einfach viel mehr Spaß, wenn er persönlich anwesend ist.

    (Beifall bei der SPD Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein derartiges Chaos, ein solches Stolpern der Regierung Kohl von Haushaltsloch zu Haushaltsloch, ein derartiges Verwirrspiel von Ankündigungen, neuen Abgabenbelastungen, heute Steuersenkungen, morgen Steuererhöhungen und zwischendurch immer wieder einschneidende Rotstiftaktionen, ein derart stümperhaftes Regieren wie unter Kanzler Kohl ist dem Bundesbürger noch zu keiner Zeit zugemutet worden.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    So lautet nicht nur das Urteil der Wochenzeitung „Die Zeit" .

    (Joachim Poß [SPD]: Die „Zeit" mag er ja auch nicht, der Herr Kohl!)

    Mit den vernichtenden Kommentaren über das chaotische Handeln der Regierungskoalition könnte man mühelos ganze Reden bestreiten.
    Die Menschen haben das Vertrauen verloren, daß die Regierung Kohl jemals Arbeit schaffen, Gerechtigkeit gewährleisten oder Fortschritt ermöglichen könnte. Auf die Frage „Ist Kohls Sparpolitik gerecht?" haben 79 Prozent geantwortet:

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Ja!)

    Nein, sie ist ungerecht. Damit haben die Leute recht.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Die Bürgerinnen und Bürger spüren, daß die Regierung die Probleme des Landes, die Debatte über den Standort, die Lohnkosten und die Globalisierung ideologisch aufrüstet zu einem brutalen Verteilungskampf, in dem der normal verdienende Mitbürger der Verlierer ist.
    Die Regierung Kohl verfährt mit Versprechen, Zusagen und Gesetzen nach dem Motto: Was kümmert uns unser Gesetz von gestern! Das geht von der Steuerlüge bis zum Kindergeld, von der Kohlepolitik bis zu den Pflegeinvestitionen Ost.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Wenn sie Zukunftsinvestitionen im Forschungs- und Bildungsetat zusammenstreicht, wenn sie Ungerechtigkeit produziert, indem sie den Arbeitslosen nimmt und gleichzeitig den Reichen die Vermögensteuer schenkt,

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    wenn sie in einem unfairen Bündnis mit den Arbeitgebern den sozialen Frieden gefährdet, dann verspielt sie die Einsicht der Menschen, daß Haushaltskonsolidierung notwendig ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Da mögen CDU und CSU noch so viele Parteikongresse unter das Motto „Zukunft" stellen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Jugend!)

    Wahr ist: Deutschland hat unter Kanzler Kohl an Zukunftsfähigkeit eingebüßt.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Sie haben dem Land eine schwere Hypothek aufgebürdet: durch eine beispiellos hohe Arbeitslosigkeit, durch eine beispiellos hohe und sozial ungerechte Steuer- und Abgabenlast und durch eine beispiellos hohe Bundesschuld.
    Die Haushaltsentwürfe der Regierung Kohl sind Flickwerk, weil sie systematisch die Wirtschaftsdaten schönt, die Risiken versteckt und die Etatlöcher leug-

    Karl Diller
    net, bis es nicht mehr geht, um sie in allerletzter Minute angeblich zu decken. Wenn die Haushaltslöcher dann, wie dieses Jahr, erneut aufbrechen, dann sind am Ende des Jahres die Schulden höher, als jemals zuvor geplant.
    Heute läßt sich rückblickend feststellen: Die SPD-Bundestagsfraktion hat mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung, mit Blick auf den Arbeitsmarkt, mit Blick auf die Konsequenzen für die öffentlichen Finanzen die Lage vor einem Jahr realistisch eingeschätzt.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Waigel-Wisch vom letzten Herbst wird in die Annalen der deutschen Finanzgeschichte als das Liederlichste eingehen, was sich ein deutscher Finanzminister je geleistet hat, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Nachdem Waigel über Monate hinweg ein Loch von 20 Milliarden DM im Haushaltsentwurf 1996 leugnete, hat er schließlich versucht, es mit falschen Zahlen bei den Kosten für die Arbeitslosigkeit und mit Luftbuchungen für Privatisierungseinnahmen einfach wegzurechnen. Heute muß er eingestehen, daß er mindestens 13 Milliarden DM, also über 20 Prozent mehr Schulden machen wird als vom Parlament bewilligt.
    Der Bundeshaushalt 1997 läuft nach dem gleichen Muster. Vor drei Monaten brachten Sie hier einen Haushaltsentwurf ein, der ein zweistelliges Milliardenloch aufwies. Unsere Forderung nach einer Ergänzungsvorlage lehnten Sie ab.
    Das Haushaltsloch von 13 Milliarden DM - die Frau Staatssekretärin hat es gerade bestätigt - wurde erst am letzten Tag der Haushaltsberatungen durch eine wundersame Geldvermehrung scheinbar gestopft. Von Tricksereien dieser Art - die Einnahmen mal eben um 8 Milliarden DM höher schätzen, die Ausgaben um 5 Milliarden DM heruntersetzen und dann mit einer „Aktion Klingelbeutel" in jedem Ministerium noch einmal eine Minderausgabe von 3 Milliarden DM einsammeln - haben nicht nur wir, sondern auch viele in Ihren eigenen Reihen die Nase gestrichen voll.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ihre Notoperationen in letzter Stunde leisten keinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung, sondern sind ein Sammelsurium von einem arbeitsmarktpolitischen Kahlschlag, der die Haushaltslöcher nicht wirklich schließt, sondern neue aufreißen wird, von einmaligen Einnahmen ohne nachhaltige Konsolidierung, von willkürlichen Änderungen von Schätzansätzen und von Lastenverschiebungen in die Zukunft wie das Verschieben von Zinszahlungen oder das Abkassieren bei Treuhandunternehmen. Weil das alles noch nicht reicht, flüchtet die Regierung Kohl in die Verhängung einer Minderausgabe von 3 000 Millionen DM.
    Weder der Sachverständigenrat noch die Forschungsinstitute trauen Ihrer Behauptung, daß Sie mit dieser konzeptionslosen Finanzpolitik die Auflagen von Maastricht für den Beitritt zur Währungsunion erfüllen werden. Beide rechnen für 1997 mit einem Staatsdefizit von bis zu 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes; und rechnen können die allemal viel besser als Theo Waigel.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Behauptung, die Maastricht-Kriterien zu erfüllen, hatte der Bundesfinanzminister schon bei seinem Haushalt 1996 aufgestellt. Doch Theo Waigel hat 1995 und 1996 die Maastricht-Kriterien nicht eingehalten. Er erlebt eine Pleite auf der ganzen Linie.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Zuruf von der CDU/CSU: Da klatscht noch nicht einmal die eigene Partei!)

    Auf dem Parteitag der CSU sagte er, mit einem nationalen Kraftakt könne man dieses Ziel erreichen. Wieso Kraftakt? Die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie hatten Ihnen doch eine gemeinsame große Anstrengung, ein „Bündnis für Arbeit", angeboten. Es war ein schwerer Fehler der Regierung Kohl, dieses Bündnis nach den Landtagswahlen im Frühjahr aufzukündigen und statt dessen ein unfaires Bündnis mit den Arbeitgebern zu schließen.

    (Beifall bei der SPD)

    Jetzt, wo die versprochenen Arbeitsplätze nicht geschaffen werden, der soziale Frieden gefährdet ist, beschimpfen Sie die Arbeitgeber. Ich bitte Sie: Wer wie Sie den Sozialstaat ausdünnt, der darf sich nicht wundern, wenn eine „Marktwirtschaft pur" übrigbleibt, in der die menschliche Arbeit nur noch ein Kostenfaktor ist.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wieso Kraftakt? Die Regierung Kohl hat es seit der Unterzeichnung der Maastricht-Verträge 1992 versäumt, Deutschland für den Beitritt zur Europäischen Währungsunion fit zu machen. Bei Abschluß der Verträge im Jahre 1992 betrug die Nettokreditaufnahme des Bundes 38 Milliarden DM. Heute haben wir eine neue Übersicht über das jüngste Ergebnis bekommen: Jetzt ist die Nettokreditaufnahme mehr als doppelt so hoch.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie ist das mit der Schnittmenge?)

    Deshalb wollen Sie jetzt einen Crash-Kurs, der aber nicht in die konjunkturpolitische Landschaft paßt, weil die von Ihnen für 1997 beschlossenen Steuer- und Abgabenerhöhungen von 20 Milliarden DM, Ihre Kürzung der Investitionen um 7 Milliarden DM und Ihre Kürzung der aktiven Arbeitsmarktpolitik um 10 Milliarden DM die schleppende Investitionskonjunktur weiter belasten. Wo sollen denn bei dieser Politik noch neue Arbeitsplätze entstehen können?

    (Beifall bei der SPD)


    Karl Diller
    Beim Start des europäischen Binnenmarktes 1992 hatten wir 14 Millionen Arbeitslose in Europa. Damals haben Sie den Binnenmarkt als Konjunkturmotor gepriesen. Europaweit haben wir heute 18 Millionen Arbeitslose. Deshalb warnen wir Sie: Nähren Sie nicht die Illusion, die Währungsunion sei ein Jobmotor. Die Chance der Union besteht darin, Europa im internationalen Wettbewerb zu stärken. Das ist eine Chance, aber keine Automatik für mehr Arbeitsplätze; denn gleichzeitig werden auch die letzten nationalen Schutzzäune im Binnenmarkt eingerissen, und die Konkurrenz innerhalb Europas wird härter.
    Deshalb verlangen wir Sozialdemokraten, das Krebsübel der Arbeitslosigkeit durch eine abgestimmte europaweite Beschäftigungsinitiative zu bekämpfen,

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    damit die Europäische Währungsunion nicht ein Produkt des politischen Willens bleibt, sondern von der Zustimmung der Menschen getragen wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir halten daran fest, daß der Bundeshaushalt 1996 verfassungswidrig ist und für 1997 die gleiche Entwicklung droht. Der Bundesfinanzminister hat uns aufgefordert, vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen, vermutlich, weil er dort inzwischen sowieso dauernd auf der Anklagebank sitzt.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Der kennt das schon!)

    Für uns ist der Gang vor das Gericht die Ultima ratio, weil wir die politische Klärung hier im Parlament möchten. Sie behaupten, Art. 115 Grundgesetz gelte nur an dem Tag der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes, aber nicht im Haushaltsvollzug. Lassen Sie sich gesagt sein: Das Grundgesetz gilt nicht nur an einem Tag im Jahr, sondern an allen 365 Tagen des Jahres.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Wir wollen gesetzlich ausschließen, daß der Finanzminister mehr Kredite aufnimmt, als die Kreditermächtigung im Haushaltsplan erlaubt. Sollte die Koalition unseren Antrag zum Haushaltsgesetz in dieser Woche aber ablehnen, dann müssen wir das so verstehen, daß sich die Koalition damit den gleichen Verfassungsverstoß auch für 1997 vorbehält. Vor drei Monaten noch hat die F.D.P. diese Änderungen als notwendig angesehen. Die Partei, die sogar die Neuverschuldung im Grundgesetz verbieten will, hat also am Donnerstag dieser Woche Gelegenheit, unserem Antrag zuzustimmen.
    Wenn der Bundesfinanzminister sich bei der Maastricht-Grenze für die Neuverschuldung als Stabilitätsapostel in Europa ausgibt, zu Hause aber nicht einmal die Verfassung achtet, paßt das nicht zusammen.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sehr gut! Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Aus gutem Grund wird die Entscheidung über die Einhaltung der Maastricht-Kriterien im Frühjahr 1998 auf der Basis der Ist-Zahlen von 1997 und nicht auf der Grundlage geschönter Haushaltspläne entschieden. So ist es richtig, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)

    Was in Europa die Maastricht-Grenze, ist hier Art. 115 Grundgesetz. Über die Einhaltung entscheiden nicht die Wunschzahlen Ihres Haushaltsplans, sondern das Ergebnis Ihrer Verschuldungspolitik. Jahr für Jahr hat Ihnen der Bundesrechnungshof das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1989 vorgehalten und gemahnt, „zu verhindern, daß sich ein stetig wachsender Schuldensockel bildet, der schließlich die Fähigkeit des Staatshaushaltes, auf die Probleme der Gegenwart und der Zukunft zu reagieren, in Frage stellt" . Sie haben die Mahnung des Bundesrechnungshofs in den Wind geschlagen. Jetzt müssen Sie 91 000 Millionen DM nur an Zinsen zahlen. Ihr Haushalt steckt damit in der Zinsfalle.

    (Beifall bei der SPD)

    Erstmalig gelingt Ihnen selbst auf dem Papier Ihrer Finanzplanung kein Abbau der Neuverschuldung; denn bis 1999 wollen Sie 58 Milliarden DM mehr Schulden machen als bisher geplant. Trotzdem versprechen Sie für Ihre Einkommensteuerreform eine Nettoentlastung von 30 Milliarden DM. Die Zuschüsse für die Bundesanstalt für Arbeit haben Sie in Ihrer Finanzplanung wirklichkeitsfremd auf Null gesetzt. Die nächste Steuerschätzung wird neue Löcher in Ihre Planung reißen.
    Weil schon heute in Ihrer Finanzplanung nichts mehr stimmt, fetzen Sie sich doch gerade in der Koalition, stellen Sie doch die schon veranschlagte Absenkung des Solidaritätszuschlags um zwei Punkte ab übernächstem Jahr wieder in Frage. Lassen Sie sich gesagt sein: Eine Steuersenkung auf Pump lehnen die Sozialdemokraten ab.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Finanzplanungen von CDU/CSU und F.D.P. sind Makulatur, weil Sie die aktive Arbeitsmarktpolitik herunterfahren und deshalb von den Kosten der steigenden Arbeitslosigkeit ständig überholt werden. Die Arbeitslosigkeit kostet den Staat pro Jahr 160 Milliarden DM. Nur wenn aus Leistungsempfängern wieder Beitragszahler werden, gelingt die Sanierung der öffentlichen Haushalte; denn pro 100 000 Arbeitslose, die wieder in Arbeit kommen, werden die öffentlichen Kassen um 4 Milliarden DM entlastet. Das muß das ehrgeizige Ziel der Politik sein.

    (Beifall bei der SPD)

    Ihren Finanznotstand wollen Sie mit dem Vorwurf vernebeln, die SPD betreibe Blockadepolitik. Das ist finanzpolitischer Unsinn. Ihre Hysterie erklärt sich doch daraus, daß Ihre Rechnung nicht aufgegangen ist. Die Regierung Kohl hat die Standfestigkeit der Sozialdemokraten unterschätzt, nein zu Maßnahmen zu sagen, die beschäftigungspolitisch wirkungslos, sozial ungerecht und finanzpolitisch unsolide sind.

    (Beifall bei der SPD)


    Karl Diller
    Wir sind stolz darauf, daß wir den Familien ihren verfassungsrechtlichen Anspruch auf Kindergeld gesichert haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist wichtig und richtig, daß wir verlangen, die Millionen ungeschützter 590-DM-Jobs in die Sozialversicherungspflicht einzubeziehen, und daß wir Sie daran hindern wollen, mit der Abschaffung der privaten Vermögensteuer auf Milliarden an Einnahmen zu verzichten.
    Das erste Ziel einer neuen Politik muß deshalb sein: Arbeitslosigkeit bekämpfen, Arbeit schaffen. Das Programm der Regierung Kohl, das sich „Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung" nennt, ist in Wirklichkeit ein Programm zur Steigerung der Arbeitslosigkeit und der Staatsverschuldung.

    (Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Das glauben ja nicht mal Sie!)

    Wie sieht denn Ihre bisherige Bilanz aus?
    Erstens: Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Sie wußten, daß 80 Prozent der Arbeitnehmer durch Tarifverträge geschützt sind. Dennoch entschieden Sie sich mit den Arbeitgebern für den Weg der Konfrontation, erst in der Metallindustrie, jetzt im Bankenbereich. Dieser Bereich ist ein geradezu klassischer Fall: Die Banken haben den niedrigsten Krankenstand und vergoldete Bilanzen, und dennoch wird weiter Personal abgebaut. Diese Konfrontation hinterläßt einen Scherbenhaufen, schafft aber keine neuen Arbeitsplätze. Das geht auf das Konto der Regierung Kohl.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben zweitens den Kündigungsschutz ausgehöhlt und befristete Arbeitsverträge zugelassen. Wo sind denn die 500 000 neuen Arbeitsplätze, die der Zentralverband des Deutschen Handwerks Ihnen für den Abbau von Arbeitnehmerschutzrechten versprochen hat? Jetzt wollen 22 Prozent der Betriebe im Westen weiter Personal abbauen, weil die Binnennachfrage fehlt und weil die Aufträge der öffentlichen Hand fehlen. Das ist Ihr Versagen, Herr Bundeskanzler.

    (Beifall bei der SPD)

    Drittens. Trotz Abbau von Arbeitnehmerschutz-rechten steigt die Flut der versicherungsfreien Jobs unter der 590-DM-Grenze auf weit über 3 Millionen. Die versprochene Umwandlung in reguläre Teilzeitarbeitsplätze läßt auf sich warten. Auch das ist ein Versagen der Regierung Kohl.
    Viertens. Sie sind noch nicht einmal in der Lage, in der Bauwirtschaft eine dauerhaft wirksame Entsenderichtlinie durchzusetzen, damit das Lohn- und Sozialdumping ein Ende hat.
    Fünftens. Sie verweigern der Bundesanstalt für Arbeit im nächsten Jahr den notwendigen Zuschuß von 9,5 Milliarden DM. Fortbildungsmaßnahmen, Umschulungsmaßnahmen, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen werden massenhaft gestrichen werden müssen;
    noch höhere Arbeitslosigkeit ist die Folge. Weigern Sie sich wenigstens nicht länger, die 590-DM-Jobs sozialversicherungspflichtig zu machen. Dann hätten Sie die Milliarden, die Sie der Bundesanstalt jetzt zusätzlich streichen.

    (Beifall bei der SPD Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Sie wollen doch nur abkassieren!)

    Bei Ihrem angeblichen Beschäftigungspakt ist doch Pleite auf der ganzen Linie zu konstatieren.
    Wir Sozialdemokraten wollen eine andere Ausrichtung der Finanzpolitik. Wer Arbeit schaffen und nachhaltiges Wachstum fördern will, muß die ökologische Modernisierung der Wirtschaft anpacken. Das ist die Chance zum Strukturwandel in der Krise.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Amen!)

    Unser Ziel heißt: Runter mit den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung um ein Drittel durch Entlastung von versicherungsfremden Leistungen. Das erhöht die Arbeitseinkommen,

    (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Haben Sie das Geld dabei?)

    senkt die Lohnnebenkosten und stärkt die Unternehmen und die Investitionen. Das heißt aber auch: aufkommensneutrale Umschichtung der Abgabenlast auf den Energieverbrauch, Abschaffung umweltschädlicher Steuersubventionen und Förderung ökologisch sinnvoller Investitionen wie durch das von uns vorgeschlagene Klimaschutzprogramm.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Diese Politik schafft zukunftssichere Arbeitsplätze im Bereich alternativer Energien, der Umwelttechnologie und umweltverträglicher Verkehrssysteme.
    Der Bundesfinanzminister dagegen läuft in die falsche Richtung. Erst ließ er sich dazu erpressen, den Kohlepfennig durch eine falsche Haushaltsfinanzierung statt durch eine allgemeine Energiesteuer zu ersetzen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Noch einmal Steuern! Euch fällt nichts anderes ein! Gegenruf der Abg. Ingrid Matthäus-Maier [SPD])

    Die Mineralölsteuer ist für ihn nur zum Stopfen seiner Haushaltslöcher gut. Mit der Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vor zwei Wochen vergab er erneut die Chance für eine ökologische Politik, weil man sich in der Koalition nicht auf einen Gesetzentwurf zur Umlegung der Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer einigen konnte.
    Demnächst wollen Sie den Elektrizitätsmarkt in einer Weise liberalisieren, die eine ökologisch orientierte Energiepolitik benachteiligt und den Gemeinden nebenbei Einnahmeverluste von 3 000 Millionen DM jährlich bescheren wird. Bei der ökologischen Modernisierung versagen Sie damit auf der ganzen Linie.

    (Beifall bei der SPD)


    Karl Diller
    Arbeit schaffen ist die zentrale Aufgabe, vor allem auch in den neuen Ländern. Der Boom der ersten Jahre war eine Scheinblüte. Die wirtschaftliche Entwicklung im Osten droht 1997 erstmals hinter die im Westen zurückzufallen. Ihre Fehler, wie falscher Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung", mangelhafte Sanierungskonzepte, fehlende Absatzförderung, fehlender Marktzugang, sind kaum wiedergutzumachen. Das Konzept der Regierung Kohl bestand aus falschen Versprechungen und dem Glauben an den marktwirtschaftlichen Urknall. Damit ist sie gescheitert, wie Theo Waigel jetzt selbst eingesteht. Ich zitiere ihn aus einer Pressemitteilung von letzter Woche: „Die Entwicklung in Ostdeutschland ist besorgniserregend."
    Wer von den hohen Transferleistungen an den Osten herunter will, muß dafür sorgen, daß die Menschen ihr Einkommen durch eigene Arbeit selbst erwirtschaften können.
    Es ist richtig, daß eines der zentralen Probleme für den Aufbau Ost die tarifpolitischen Rahmenbedingungen sind. Aber was bietet die Regierung Kohl den ostdeutschen Arbeitnehmern an, wenn sie Lohnverzicht fordert, damit die Löhne nicht der Produktivität vorauseilen? - Nichts, absolut nichts. Weshalb haben Sie nicht schon längst unsere Forderungen aufgegriffen, die Arbeitnehmer am Produktivvermögen, an Gewinn und Kapital der Unternehmen zu beteiligen? Der Scheck auf die Zukunft muß für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern gedeckt sein. Wer heute Verzicht leistet, muß wissen, wofür.

    (Beifall bei der SPD)

    Bis eine solche Strategie greift, dürfen die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die Beschäftigungsgesellschaften nicht zurückgeführt werden. Die von Ihnen vorgenommenen Kürzungen werden die Arbeitslosenzahl in den neuen Bundesländern um bis zu 300 000 erhöhen. Ihre Kürzungen lassen kommunale und kulturelle Leistungen wegbrechen und zerstören den sozialen Halt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Amen!)

    Das zweite Ziel einer neuen Politik muß sein, Gerechtigkeit zu gewährleisten. Wer jetzt den Bundeskanzler in einem Buch als Kanzler der Einheit feiert, der sollte gefälligst auch hineinschreiben, daß diese Einheit mit seiner Steuerlüge begann.

    (Beifall bei der SPD - Zuruf des Abg. Joachim Hörster [CDU/CSU])

    Ich zitiere:
    Keine Steuererhöhung für die deutsche Einheit - diese Garantie kann Ihnen nur die Regierung Kohl geben.
    Das haben die CDU/CSU und er selbst im November 1990 gesagt.

    (Zuruf von der SPD: So lügen kann nur die Regierung, das stimmt! Weiterer Zuruf von der SPD: Das war nicht die einzige Lüge!)

    Seitdem kassierten Sie durch Erhöhungen ab: beim Solidarzuschlag 60 Milliarden DM, bei der Mineralölsteuer 81 Milliarden DM, bei der Tabaksteuer, der Kfz-Steuer und der Versicherungsteuer 30 Milliarden DM, bei der Mehrwertsteuer 40 Milliarden DM und an Beiträgen zur Arbeitslosen- und zur Rentenversicherung 170 Milliarden DM.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Die Regierung Kohl machte einen beispiellosen Beutezug durch die Taschen der Normalverdiener, die Wohlhabenden aber ließ sie weitgehend verschont.

    (Beifall bei der SPD)

    1997 wollen Sie das fortsetzen. Gerade haben Theo Waigel und Norbert Blüm Steuer- und Abgabenerhöhungen von fast 20 Milliarden DM für 1997 beschlossen. Die Grunderwerbsteuer wird erhöht; das macht 3,5 Milliarden DM.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Warum denn? Gegenruf der Abg. Ingrid Matthäus-Maier [SPD])

    Das entspricht der Familienheimförderung für ein ganzes Jahr. Die Beiträge zur Rentenversicherung erhöhen Sie auf 20,3 Prozent; das macht 15 Milliarden DM. Diese Erhöhung der Lohnnebenkosten wird Arbeitsplätze kosten.

    (Beifall bei der SPD Zuruf von der CDU/ CSU: Daß Sie das auch schon erkennen, ist ja sehr gut!)

    Der Anstieg der Krankenversicherungsbeiträge wird nicht verhindert, sondern zusätzlich mit der Privatisierung des Krankheitsrisikos verknüpft.
    Der Solidaritätszuschlag wird nicht wie versprochen abgesenkt. Das macht 3,6 Milliarden DM. Kaufkraft und Nachfrage werden damit geschwächt.
    Beim Normalverdiener abkassieren und den Wohlhabenden die private Vermögensteuer schenken - das ist eine ökonomisch unsinnige und katastrophale Umverteilungspolitik, die weitere Arbeitsplätze kosten wird.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wir Sozialdemokraten haben den Solidarpakt von 1993 nicht vergessen, bei dem wir der Regierung Kohl die Anhebung der privaten Vermögensteuer abtrotzen mußten, um die Gerechtigkeitslücke bei der Finanzierung der deutschen Einheit wenigstens ein bißchen zu schließen. Wer wie Sie drei Jahre später nichts mehr davon wissen will, der hat jedes Gefühl für Anstand und Gerechtigkeit verloren.

    (Beifall bei der SPD Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Wer Ihre Steuerpolitik der letzten Jahre kennt, dem kann vor der angekündigten großen Einkommensteuerreform nur angst und bange werden.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das ist richtig!)


    Karl Diller
    Herr Schäuble hat im Sommer die Katze aus dem Sack gelassen. Ihm geht es um die Absenkung der Spitzenbelastung. Im unteren Bereich, so Schäuble, sei mit der Erhöhung des Grundfreibetrages und der Freistellung des Existenzminimums bereits genug getan.
    Theo Waigel hat auf dem CSU-Kongreß sein Motto klar benannt: 35 Prozent Maximalbelastung statt 35Stunden-Woche - ein übles Wortspiel. Es heißt im Klartext: Die Arbeitnehmer sollen gefälligst mehr schuften, damit die Regierung Kohl Geld für die Absenkung des Spitzensteuersatzes hat; denn jeder Punkt Absenkung kostet den Staat 2 000 Millionen DM.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU WolfMichael Catenhusen [SPD]: Das tut weh!)

    Wir Sozialdemokraten haben eine klare Alternative. Wir wollen eine aufkommensneutrale Steuerreform, die mehr Steuergerechtigkeit durch Entlastung der Normalverdiener mit mehr Steuervereinfachung verknüpft.
    Wir haben unsere Vorschläge auf den Tisch gelegt:

    (Zurufe von der CDU/CSU: Wo denn?)

    Erstens. Absenkung des Eingangssteuersatzes auf 19,5 Prozent.

    (Zurufe von der CDU/CSU Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Sie können nicht lesen! Das ist nicht unser Problem!)

    Zweitens. Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrages auf 14 000 DM bei Ledigen und 28 000 DM bei Verheirateten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Brutto oder netto?)

    Drittens. Beide Maßnahmen führen zu einer deutlichen Verbesserung für Normalverdiener. Da liegt unser Schwerpunkt. Wo der Spitzensteuersatz liegen kann, das hängt davon ab, worauf wir uns mit Ihnen beim Stopfen von Steuerschlupflöchern und beim Abbau von Steuersubventionen einigen können.

    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Also sind Sie auch für die Abschaffung des Spitzensteuersatzes?)

    Viertens. Wir wollen diese Reform zum 1. Januar 1998 und nicht so spät wie Sie.

    (Beifall bei der SPD)

    Unsere Eckwerte sind sozial gerecht, finanzpolitisch solide, ökonomisch vernünftig, weil die Massenkaufkraft dort gestärkt wird, wo es konjunkturell notwendig ist.
    Zur Steuergerechtigkeit gehört, daß endlich mit der Umsetzung des von der SPD vorgeschlagenen Aktionsprogramms gegen Wirtschaftskriminalität und Steuerhinterziehung begonnen wird. „Mißbrauch ist rechenbar", sagte Finanzminister Waigel im Haushaltsausschuß. - Stimmt; aber nicht nur bei
    den Sozialleistungen, sondern genauso bei den Steuerhinterziehern mit den Nadelstreifen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    In einem ersten Schritt ließen sich Mehreinnahmen von 10 Milliarden DM erzielen, allein 5 Milliarden DM bei einer wirksamen Kontrolle der Besteuerung von Kapitaleinkünften. Packen Sie diese allseits bekannten Mißstände doch endlich einmal an, damit nicht auch noch die Moral des ehrlichen Steuerzahlers vor die Hunde geht. Es muß damit Schluß sein, daß bei Kohls und Waigels Steuerpolitik der Ehrliche weiter der Dumme ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Die letzte Steuerschätzung hat im übrigen gezeigt, daß sich die Steuereinnahmen vom Wirtschaftswachstum abkoppeln, weil unter der steuerlichen Überbelastung die Schwarzarbeit blüht, weil die Milliardenverschwendung über Abschreibungsmodelle die Steuereinnahmen zum Lotteriespiel macht, weil Konzerne ihre Gewinne ins Ausland verlagern, weil die Regierung Kohl das deutsche Steuersystem in ein Steuerchaos verwandelt hat.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)

    Ihr Steuerdschungel ist zu einem entscheidenden Hindernis für Wachstum und Beschäftigung geworden.

    (Beifall bei der SPD)

    Keiner durchschaut mehr das Steuersystem. Auf nichts ist mehr Verlaß. Wie soll ein mittelständisches Unternehmen denn da noch planen können?
    Zu den Gewinnverlagerungen ins Ausland hat der Bundespräsident kürzlich gemahnt - ich zitiere -:
    Ein Unternehmen, das in Deutschland seine Produktionsstätten, seine Arbeitsplätze abbaut und fast keine Steuer bezahlt, das kann in seinem Namen noch so oft das Wort „deutsch" haben; das erkenne ich nicht mehr als deutsches Unternehmen.
    Soweit der Bundespräsident.

    (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Recht hat er!)

    - Recht hat er. Denn es kann nicht gutgehen, wenn einerseits die gestiegenen Unternehmensgewinne ins Ausland verlagert werden und andererseits der deutsche Steuerzahler diesen Unternehmen die hervorragende Infrastruktur Deutschlands quasi zum Nulltarif bereitstellen soll.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes hat jüngst darauf hingewiesen, daß es den Großbanken im Zuge der Globalisierung gelungen ist, ihre Ertragsteuer im Jahre 1995 auf nur noch 800 Millionen DM zu drücken.

    (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Unglaublich!)


    Karl Diller
    Demgegenüber hatten die ortsgebundenen Sparkassen

    (Joachim Poß [SPD]: Und Volksbanken!)

    bei etwa gleichem Bilanzvolumen das Zehnfache an Steuern zu zahlen.

    (Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

    Diese Praktiken schädigen nicht nur den Staat, sondern auch die mittelständische Wirtschaft.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Wettbewerbsverzerrungen und Arbeitsplatzverluste sind die Folge. Dieses Problem ist nicht durch einen Steuersenkungswettlauf in Europa zu lösen. Wann kommt endlich die Steuerinitiative der Regierung Kohl auf europäischer Ebene?
    Zur Gerechtigkeit gehört, die Lage der Familien zu verbessern. Selbst gutverdienende Familien müssen heute mit dem Geld knausern, weil ihr reales Nettoeinkommen nach 14 Jahren Kohl auf den Stand von 1980 zurückgefallen ist - 1980! Wir Sozialdemokraten haben einen finanziell gedeckten Antrag zur Aufstockung des Erziehungsgeldes um 500 Millionen DM gestellt, weil wir mit einer grundlegenden Reform des entsprechenden Gesetzes die Erziehungsleistung der Familien anerkennen, fördern und gleichzeitig etwas ökonomisch Vernünftiges tun wollen.

    (Beifall bei der SPD Zuruf von der CDU/ CSU: Und die Einsparungsmöglichkeiten?)

    Daß die F.D.P. vorgeschlagen hat, ausgerechnet beim Erziehungsgeld zu streichen, aber das steuerliche Dienstmädchenprivileg ausweiten will,

    (Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: Oh!)

    ist knallharte Klientelpolitik zugunsten der Besserverdienenden.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren von der F.D.P., zu Ihrer schamlosen Art der Klientelpolitik

    (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Das glaubst du doch selber nicht!)

    sagte kürzlich jemand aus Ihren eigenen Reihen - ich zitiere -:
    Das ist einfach für mich unerträglich, weil ich finde, eine politische Partei wie die F.D.P. hat eine Verantwortung für das Ganze und nicht nur für ihre eigene Position und nicht nur für den eigenen Machterhalt.
    Das sagte Frau Hamm-Brücher, die Sie vor zweieinhalb Jahren noch als Bundespräsidentin vorgeschlagen haben. Wer von Ihnen noch nicht endgültig auf der „Westerwelle" schwimmt, dem muß das doch in den Ohren klingeln.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Ein weiteres Ziel der neuen Politik muß sein, Fortschritt zu ermöglichen. Unser Land braucht einen neuen Aufbruch für technischen Fortschritt und Innovation.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Deswegen bekämpfen Sie ihn!)

    Nur so können wir Wohlstand und Arbeit sichern. Wenn diese Bundesregierung seit Jahren eine Standortdebatte führt und gleichzeitig den Anteil des Forschungs- und Technologiehaushalts an den Bundesausgaben um ein Drittel auf nur noch 3,4 Prozent herunterfährt, dann ist offensichtlich, daß ihr jedes Konzept für Zukunftssicherung fehlt.
    Die verhängte Minderausgabe von 366 Millionen DM zwingt zu einer weiteren Kürzung der Projektförderung in Schlüsselbereichen wie Lasertechnik, erneuerbare Energien, Ökologie, Klimaforschung.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Transrapid!)

    Das ist der forschungspolitische Offenbarungseid dieser Bundesregierung.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft verlangt langfristig angelegte Strategien der Forschungspolitik, finanziell abgesichert. Deshalb verlangen wir, künftig die Einnahmen aus der Privatisierung von Bundesvermögen in einem Fonds zur Förderung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten zu binden, genauso wie wir es bei der Privatisierung der Salzgitter AG gemeinsam gemacht haben, deren Erlös heute das Kapital für die Bundesumweltstiftung bildet. Wir wollen, daß mit diesem Geld künftig nicht mehr Haushaltslöcher gestopft werden, sondern daß es zur Finanzierung von Innovation und Modernisierung dient.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Regierung Kohl hat die Förderung von Forschung und Entwicklung nicht nur zurückgefahren, sondern auch in eine Schieflage gebracht. Davon sind insbesondere die kleinen und mittleren Betriebe betroffen. Wer wie die Bundesregierung steuerliche Abschreibungsmodelle für Beteiligungen - hören Sie gut zu! - an in Korea und Taiwan gebauten Containerschiffen günstiger ausgestaltet als die Beteiligung an jungen Technologieunternehmen in Deutschland, der weiß nicht, wo die Schwerpunkte in diesem Land liegen müssen, und tut zuwenig für die Bereitstellung von Risikokapital.

    (Beifall bei der SPD)

    Ein Land ist nicht fortschrittsfähig, wenn es nicht mehr in der Lage ist, seiner Jugend eine berufliche Ausbildung zu ermöglichen. Die Politik des Bundeskanzlers - Selbstverpflichtung der Wirtschaft - ist gescheitert. Sie haben diesen Mißständen lange genug tatenlos zugesehen. Wir werden Druck machen und dafür sorgen, daß endlich gehandelt wird.
    Es kann nicht länger hingenommen werden, daß die kleinen und mittleren Betriebe die Hauptlast der Ausbildung tragen, während sich Großbetriebe zurückziehen. Wir brauchen ein solidarisches Aus-

    Karl Diller
    gleichssystem - am besten freiwillig auf Branchenebene, ansonsten auf gesetzlicher Basis -, um die finanziellen Lasten zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben gerecht zu verteilen. Es muß mit dem Skandal Schluß sein, daß alljährlich Tausende von jungen Leuten zusammen mit ihren Eltern um einen Ausbildungsplatz bangen müssen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    Die Regierung Kohl hat unser Land in eine tiefe Krise geführt. Die Chaoswochen von Bonn haben bewiesen: Diese Regierung hat abgewirtschaftet und ist zu einem politischen Neuanfang nicht in der Lage.

    (Beifall bei der SPD)

    Der falschen Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung Kohl stellen die Sozialdemokraten klare Alternativen entgegen. Wir wollen eine Reformpolitik, die die Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft erneuert, ohne den sozialen Zusammenhalt zu zerstören. Dabei lassen wir uns von folgenden Zielen leiten: Arbeit schaffen, Gerechtigkeit gewährleisten und Fortschritt ermöglichen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)