Rede von
Irmgard
Karwatzki
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Unsere Haushaltsund Finanzpolitik gibt die richtigen Signale. Dazu kommen günstige ökonomische Daten, niedrige Zinsen, eine stabile D-Mark, moderate Lohnabschlüsse, anhaltende Preisstabilität mit einer Inflationsrate von gerade einmal 1,5 Prozent, eine weiterhin positive Entwicklung des Welthandels und der Weltkonjunktur, aufwärtszeigende Konjunkturindikatoren, eine anziehende Produktion und weiterhin gute Auslandsgeschäfte.
Die Kombination dieser aktuellen ökonomischen Daten mit dem Haushalt 1997 und dem Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung wird den Aufschwung verstärken und für nachhaltiges Wachstum sorgen.
Die Forschungsinstitute und der Sachverständigenrat bestätigen unsere Prognose eines Realwachstums 1997 von 2,5 Prozent.
Allen Kassandrarufen zum Trotz: Die Eckwerte des Regierungsentwurfs sind nicht nur gehalten, sondern verbessert worden. Die Gesamtausgaben belaufen sich auf 439,9 Milliarden DM und unterschreiten mit minus 2,5 Prozent deutlich das Soll des laufenden Jahres.
Stellt man dieses Ausgabenminus dem realen Wirtschaftswachstum gegenüber, setzt der Bundeshaushalt 1997 ein deutliches Zeichen für die Rückführung der Staatsquote auf das vor der Wiedervereinigung erreichte Niveau.
Trotz der zu verkraftenden Zusatzbelastungen bei den Steuern und den Arbeitsmarktaufwendungen reduziert sich die Nettokreditaufnahme auf 53,3 Milliarden DM. Die Investitionsausgaben liegen mit rund 59,5 Milliarden DM deutlich über der Nettokreditaufnahme. Die in Art. 115 des Grundgesetzes gesetzte Obergrenze für die Neuverschuldung wird damit klar und eindeutig unterschritten. Der Bund erbringt damit seinen Teil zur Erfüllung der Maastricht-Kriterien.
Die Beratungen im Finanzplanungsrat in der letzten Woche haben gezeigt, daß nicht nur der Bund, sondern auch die Länder insgesamt bei der Konsolidierung ihrer Budgets ihre Hausaufgaben machen. Die Zahlen des Finanzplanungsrates zeigen, daß Deutschland im Referenzjahr 1997 das Staatsdefizit bei etwa 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes halten wird. Damit ist ein Sicherheitsabstand zu der 3Prozent-Grenze eingehalten.
Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki
Einzelne Länder sind allerdings weiterhin in einer schwierigen Situation, so Bremen und das Saarland. Günstig entwickeln sich die Finanzen in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen. Ein negatives Signal gibt Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen. 1996 und 1997 gönnt man sich dort ein weit überdurchschnittliches Ausgabenwachstum.
Die aktuelle Steuerschätzung hat für die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden gegenüber der letzten Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres nochmals ein Minus von 10,3 Milliarden DM für 1997 ergeben. Gegenüber der Schätzung vom Mai 1995 liegt das Steuerminus allein beim Bund bei fast 35 Milliarden DM. Insgesamt werden die Steuereinnahmen des Bundes 1997 unter Berücksichtigung der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs in etwa auf dem Niveau von 1995 liegen.
Es mußten schmerzhafte Sparentscheidungen getroffen werden, um die zusätzlichen, allerdings unvermeidbaren Mehrbelastungen in der Größenordnung von rund 12,5 Milliarden DM gegenüber dem Regierungsentwurf auszugleichen. Es waren bei den Steuern 5 Milliarden DM, bei dem Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit 4,1 Milliarden DM, bei der Arbeitslosenhilfe 2,3 Milliarden DM und beim Rentenversicherungszuschuß 1,1 Milliarden DM zu verkraften. Das alles war an anderer Stelle auszugleichen.
Die Ressorts erbringen weitere Einsparungen in Höhe von 3 Milliarden DM. Die zusätzlichen Steuerausfälle werden durch zusätzliche Einnahmen bei der Verwertung von Immobilien, bei den Rückflüssen der BvS-Liquidationsdarlehen und durch Einnahmen aus Lizenzvergaben im Telekommunikationsbereich aufgefangen. Bei Zinsen und Gewährleistungen fallen deutlich geringere Ausgaben an.
Ich möchte etwas zur Strategie der Opposition sagen: Meine Damen und Herren von der Opposition, mit Ihrer unseriösen Diskussion um vermeintliche Fehlbeträge im Haushalt
haben Sie bislang nichts zur konkreten Lösung der aktuellen finanzpolitischen Probleme beigetragen.
Im Gegenteil: Ihre Obstruktionshaltung gegenüber unseren Konsolidierungsvorschlägen erweist sich zunehmend als ernster Standortnachteil
und ist gegen die Menschen in unserem Lande gerichtet.
Meine Damen und Herren von der Opposition, das hat Ihnen jetzt auch der Sachverständigenrat in seinem neuen Jahresgutachen ins politische Stammbuch geschrieben:
Die Opposition blockiere die dringend notwendigen Maßnahmen zur Haushaltssanierung und zur Senkung von Steuern und Abgaben.
Im Bundeshaushalt 1997 sind Einsparungen in Höhe von über 5 Milliarden DM unterstellt, für die der Bundestag die entsprechenden Gesetzentwürfe bereits beschlossen hat. Ich meine vor allem das Arbeitsförderungsreformgesetz und das Asylbewerberleistungsgesetz, das - das muß man hinzufügen - auch den Ländern Ersparnisse bringt. Sollte die SPD-Mehrheit im Bundesrat diese Gesetze trotzdem ablehnen, hat der Haushaltsauschuß Vorsorge getroffen.
Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben auf die finanzpolitischen Herausforderungen stets rasch und angemessen reagiert und im Rahmen der mittelfristigen Strategie Baustein für Baustein konsequent umgesetzt: Anfang dieses Jahres mit der Sperre gegen die sich abzeichnenden Mehrbelastungen im Haushalt 1996, im Frühjahr dieses Jahres mit dem Wachstums- und Beschäftigungsprogramm, das in großen Teilen am 13. September durchgesetzt wurde, im Frühjahr und Sommer mit den Entwürfen zum Haushalt 1997, dem Finanzplan bis 2000, dem Jahressteuergesetz 1997 und der Fortsetzung der Unternehmensteuerreform mit ihren wachstums- und beschäftigungsfördernden Elementen und schließlich mit den ergänzenden, defizitbegrenzenden Entscheidungen zum Haushalt 1997.
Trotz der Erfolge bei der Eingrenzung des Defizits haben die Haushaltsberatungen gezeigt: Eine nachhaltige und dauerhafte Konsolidierung der Staatsfinanzen ist ohne eine Fortsetzung der strukturellen Reformen nicht möglich. Dies gilt, wie der Sachverständigenrat zutreffend ausführt, sowohl für das Steuersystem und die sozialen Sicherungssysteme als auch für die Haushalte der Gebietskörperschaften.
Wir führen diese Strukturreformen mit der Fortsetzung der Gesundheitsreform und den in Kürze kommenden Vorschlägen zur Renten- und Steuerreform zügig weiter.
Mit 154 Milliarden DM entfällt mehr als ein Drittel der Bundesausgaben, nämlich 35 Prozent, auf den Sozialbereich. 1988 waren es lediglich 91,1 Milliarden DM oder rund 33 Prozent der Bundesausgaben. Damit wird ebenfalls deutlich, daß die Panikmache und das Gerede vom Zusammenbruch des Sozialstaats nicht nur unhaltbar, sondern unverantwortlich sind.
Sie machen den Menschen in unserem Lande Angst, statt ihnen die - ich gebe zu - manchmal unangenehme Wahrheit zu sagen.
Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki
Diese Feststellung beziehe ich auf die Aussagen über die Sozialausgaben, aber insbesondere auch auf die Rentendiskussion.
Der Bundeszuschuß an die Rentenversicherung erreicht 1997 eine Rekordhöhe. 1988 lagen die Zuschüsse noch bei rund 40 Milliarden DM. 1997 muß der Bund 87 Milliarden DM bereitstellen. Vor diesem Hintergrund ist es höchst unehrlich, den Bundeshaushalt als Zeugnis für eine soziale Kahlschlagpolitik heranzuziehen. Schon Martin Luther stellte fest,
daß eine Lüge wie ein Schneeball ist: Je länger man ihn wälzt, je größer wird er.
- Wer schreit, hat nicht immer recht, sondern meistens unrecht.
Die besorgniserregende Entwicklung der Sozialausgaben macht vielmehr überdeutlich, daß es höchste Zeit für die weitere Umsteuerung im System der staatlich finanzierten Sozialtransfers ist. Aber auch im Bewußtsein der Menschen muß sich etwas tun. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen, daß die Menschen sehr viel vernünftiger und einsichtiger sind als manche Kolleginnen und Kollegen von der Opposition.
Die OECD, der Sachverständigenrat und viele andere Expertengremien monieren ein im internationalen Vergleich sehr großzügiges Sozialsystem und sprechen sich deutlich für Veränderungen aus. Jeder Sozialstaat muß auf einer dauerhaften Finanzierungsbasis stehen. Diese Basis liefert eine florierende Wirtschaft. Daneben müssen die sozialen Sicherungssysteme effizienter ausgestaltet werden. Subsidiarität ist das Gebot der Stunde.
Lassen Sie mich noch einen Akzent zu den neuen Ländern setzen. Der Haushalt 1997 ist ein Spar- und Konsolidierungshaushalt. Im Vordergrund stehen allerdings weiterhin die Leistungen für den Aufbau in den neuen Ländern: 81 Milliarden DM Transferzahlungen im nächsten Jahr. Es bleibt im übrigen im vollen Umfang bei allen Verkehrsprojekten „Deutsche Einheit", den jährlich 6,6 Milliarden DM zur Investitionsförderung, der besonderen Förderung der ostdeutschen Forschungslandschaft und der Beteiligung des Bundes an der Sicherung der Lehrstellenversorgung.
In der Steuerpolitik sollten wir jetzt gemeinsam die Kraft finden, die richtigen Weichenstellungen für den Standort Deutschland und damit für Wachstum und Arbeitsplätze vorzunehmen.
Das Vermittlungsverfahren zum Jahressteuergesetz 1997 hat begonnen. Die vom Vermittlungsausschuß eingesetzte Arbeitsgruppe hat erstmalig am Donnerstag letzter Woche getagt. Ein Blick auf den Kalender und auf die im Jahre 1996 noch verbleibenden Arbeitstage zeigt: Jetzt kann es nur noch um sachorientierte Arbeit gehen. Politischer Theaterdonner und Emotionalisierung der Bevölkerung haben keinen Platz mehr.
Die Vermögensteuer wird zum 1. Januar 1997 vollständig wegfallen. Daran ist nicht zu rütteln. Rund 60 Prozent der Vermögensteuer entfällt auf Betriebsvermögen. Diese im internationalen Standortwettbewerb schädliche Belastung des Eigenkapitals gipfelt bei uns in der Doppelbelastung der Anteilseigner.
Vermögensteuern sind damit Arbeitsplatz- und Eigenkapitalvernichtungssteuern.
Die von der SPD geforderte Beibehaltung einer privaten Vermögensteuer ist keine verhandlungsfähige Alternative. Dies würde bedeuten: Wir müßten die verwaltungs- und kostenintensive Vermögensteuer unmittelbar in den neuen Ländern einführen. Davon haben diese Länder nichts. Die Erhebung einer privaten Vermögensteuer kostet viel Geld, Zeit und Personal. Wir müßten uns zudem mit Abgrenzungsproblemen zwischen Betriebs- und Privatvermögen auseinandersetzen, mit Umgehungskonstruktionen der Steuerpflichtigen und entsprechenden Abwehrmaßnahmen der Steuerverwaltung.
Die in Verbindung mit dem Wegfall der Vermögensteuer vom. Bundestag am 7. November 1996 beschlossene Erhöhung der Erbschaftsteuer genügt nicht nur der sozialen Gerechtigkeit. Nein, sie ist auch aus Gründen der Steuervereinfachung die eindeutig bessere Alternative.
Auch die dritte Stufe der Unternehmensteuerreform muß jetzt endlich verwirklicht werden.
Die Gemeinden wollen die damit einhergehende Reform der Gemeindefinanzen und ihre Beteiligung an der Mehrwertsteuer. Auch hier gilt: Die Aussetzung der Gewerbekapitalsteuer in den neuen Ländern endet am 31. Dezember dieses Jahres. Deshalb muß jetzt entschieden werden.
Meine Damen und Herren, meinen besonderen Dank möchte ich den Mitgliedern des Haushaltsausschusses sagen, die einmal mehr durch ihre sachorientierte und konstruktive Arbeit einen schlüssigen Bundeshaushalt möglich gemacht haben.
Die aktuellen, aber auch die mittel- und langfristigen Herausforderungen an die Finanz-, Wirtschafts-
Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki
und Sozialpolitik erfordern mehr denn je ein gemeinsames Vorgehen der politisch Verantwortlichen. Es geht im Kern um die Frage, ob Deutschland auch weiterhin die Kraft besitzt, sich den Veränderungen in der Weltwirtschaft anzupassen, die Fortsetzung des Aufholprozesses in Ostdeutschland zu gewährleisten, die Reformfähigkeit der Sozialsysteme zu beweisen, die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft in ganz Deutschland zu sichern und damit zugleich für mehr Beschäftigung zu sorgen. Die Bürger haben einen Anspruch darauf: Die Politik muß diese zentralen Fragestellungen für das 21. Jahrhundert nicht nur kontrovers debattieren, sondern richtige Lösungsansätze entwickeln und rechtzeitig umsetzen.
Ich appelliere an die Opposition: Beenden Sie Ihren strategischen Widerstand. Unterstützen Sie uns bei unserer Arbeit mit konstruktiven Vorschlägen.
Lassen Sie uns die Entscheidungen zum Bundeshaushalt, zu den Spargesetzen im Vermittlungsausschuß und zum Jahressteuergesetz 1997 ohne weitere Verzögerung treffen.
Ich danke der rechten Seite des Hauses für die Aufmerksamkeit. Von der linken Seite hätte ich mir gewünscht, daß es ein wenig leiser gewesen wäre. Aber dennoch: Herzlichen Dank.