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    Plenarprotokoll 13/126 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 126. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. September 1996 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 11327 A Tagesordnungspunkt 15: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (Drucksachen 13/4587, 13/4718, 13/ 5606, 13/5607) 11327B, 11331 A Manfred Grund CDU/CSU 11327 D Ulrike Mascher SPD . . 11328D, 11331B, 11336 C Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11331 C, 11337 A Manfred Grund CDU/CSU 11332 B Hans-Dirk Bierling CDU/CSU . . . 11332 C Uwe Lühr F.D.P 11333 A Petra Bläss PDS 11334 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 11335 B Dr. Barbara Höll PDS (Erklärung nach § 31 GO) 11338 A Dr. Dagmar Enkelmann PDS (Erklärung nach § 31 G0) 11338 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS (Erklärung nach § 31 G0) 11339 A Heidemarie Lüth PDS (Erklärung nach § 31 GO) 11339 D Tagesordnungspunkt 16: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Europäische Betriebsräte (Europäische Betriebsräte) (Drucksachen 13/5021, 13/5608) . . 11341 C Peter Keller CDU/CSU 11341 D Leyla Onur SPD 11342 C Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11345 A Dr. Gisela Babel F.D.P 11346 A Hanns-Peter Hartmann PDS 11346 D Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 11347 B Zusatztagesordnungspunkt 6: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Sechsten Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (Drucksachen 13/3993, 13/ 4069, 13/5098, 13/5325, 13/5642) . . . 11348 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren (Drucksachen 13/3996, 13/5100, 13/5326, 13/5643) . 11348 B Dr. Heribert Blens CDU/CSU 11348 B Otto Schily SPD 11348 D Dr. Jürgen Rochlitz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11349 B Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 11350 A Eva Bulling-Schröter PDS 11351 A Tagesordnungspunkt 17: Große Anfrage der Abgeordneten Konrad Gilges, Gerd Andres, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Armut in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksachen 13/1527, 13/3339) . 11352 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Gruppe der PDS: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Armut und Obdachlosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland" (Druck sachen 13/583, 13/5617) 11352 B Wolfgang Spanier SPD 11352 B Peter Hintze CDU/CSU . . . . 11354 D, 11358 A Heidemarie Lüth PDS 11357 D Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11358 C Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . 11360 C, 11370 B Wolf-Michael Catenhusen SPD . . . 11360 D Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11362 A Petra Bläss PDS 11363 B Wolfgang Zöller CDU/CSU 11365 A Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 11365 D Iris Follak SPD 11367 B Ulf Fink CDU/CSU 11368 C Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . . . . 11368 D Konrad Gilges SPD 11369 B Ulrike Mascher SPD 11370 C Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 11372 A Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Michaele Hustedt, Ursula Schönberger und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Plutoniumtransporte in Flugzeugen (Drucksache 13/3670) . . . 11374 C Ursula Schönberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11374 D Hubert Deittert CDU/CSU 11375 C Wolfgang Behrendt SPD 11376 C Dr. Rainer Ortleb F.D.P. 11377 C Rolf Köhne PDS 11378 B Nächste Sitzung 11378 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11379* A Anlage 2 Amtliche Mitteilung 11379* D 126. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. September 1996 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 27. 9. 96 Antretter, Robert SPD 27. 9. 96 * Augustin, Anneliese CDU/CSU 27. 9. 96 Beck (Bremen), BÜNDNIS 27. 9. 96 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Beer, Angelika BÜNDNIS 27. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Behrendt, Wolfgang SPD 27. 9. 96 * Berninger, Matthias BÜNDNIS 27. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Bindig, Rudolf SPD 27. 9. 96 * Dr. Blank, Joseph-Theodor CDU/CSU 27. 9. 96 Blunck, Lilo SPD 27. 9. 96 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 27. 9. 96 Borchert, Jochen CDU/CSU 27. 9. 96 Bredehorn, Günther F.D.P. 27. 9. 96 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 27. 9. 96 * Carstens (Emstek), Manfred CDU/CSU 27. 9. 96 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 27. 9. 96 Herta 1 Dr. Feldmann, Olaf F.D.P. 27. 9. 96 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 27. 9. 96 * Geiger, Michaela CDU/CSU 27. 9. 96 Glos, Michael CDU/CSU 27. 9. 96 Haack (Extertal), SPD 27. 9. 96 * Karl Hermann Hirche, Walter F.D.P. 27. 9. 96 Höfken, Ulrike BÜNDNIS 27. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Horn, Erwin SPD 27. 9. 96 * Hornung, Siegfried CDU/CSU 27. 9. 96 * Imhof, Barbara SPD 27. 9. 96 Dr. Jacob, Willibald PDS 27. 9. 96 Junghanns, Ulrich CDU/CSU 27. 9. 96 * Dr. Kinkel, Klaus F.D.P. 27. 9. 96 Kossendey, Thomas CDU/CSU 27. 9. 96 Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 27. 9. 96 Lemke, Steffi BÜNDNIS 27. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Lenzer, Christian CDU/CSU 27. 9. 96 * Löwisch, Sigrun CDU/CSU 27. 9. 96 Michels, Meinolf CDU/CSU 27. 9. 96 * Neumann (Berlin), Kurt SPD 27. 9. 96 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 27. 9. 96 Purps, Rudolf SPD 27. 9. 96 Dr. Rappe (Hildesheim) SPD 27. 9. 96 Hermann Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Regenspurger, Otto CDU/CSU 27. 9. 96 Reuter, Bernd SPD 27. 9. 96 Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 27. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Schlee, Dietmar CDU/CSU 27. 9. 96 Schloten, Dieter SPD 27. 9. 96 * Schmidt (Aachen), Ulla SPD 27. 9. 96 Dr. Schmidt-Jortzig, F.D.P. 27. 9. 96 Edzard von Schmude, Michael CDU/CSU 27. 9. 96 Schütz (Oldenburg), SPD 27. 9. 96 Dietmar Terborg, Margitta SPD 27. 9. 96 * Thieser, Dietmar SPD 27. 9. 96 Titze-Stecher, Uta SPD 27. 9. 96 Tröger, Gottfried CDU/CSU 27. 9. 96 Türk, Jürgen F.D.P. 27. 9. 96 Vosen, Josef SPD 27. 9. 96 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 27. 9. 96 Gert Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 27. 9. 96 Zierer, Benno CDU/CSU 27. 9. 96 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Finanzausschuß Drucksache 13/5295 Nr. 1.12 Drucksache 13/5295 Nr. 1.14 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 13/4137 Nr. 2.61 Drucksache 13/4137 Nr. 2.87 Drucksache 13/4137 Nr. 2.90 Drucksache 13/4137 Nr. 2.92 Drucksache 13/4466 Nr. 2.18 Drucksache 13/4466 Nr. 2.20 Drucksache 13/4466 Nr. 2.22 Drucksache 13/4466 Nr. 2.54 Drucksache 13/4466 Nr. 2.61 Drucksache 13/4514 Nr. 2.19 Drucksache 13/4514 Nr. 2.42 Drucksache 13/4514 Nr. 2.46 Drucksache 13/4678 Nr. 2.11 Drucksache 13/4678 Nr. 2.17 Drucksache 13/4678 Nr. 2.19 Drucksache 13/4678 Nr. 2.25 Drucksache 13/4678 Nr. 2.28 Drucksache 13/5056 Nr. 2.2 Drucksache 13/5056 Nr. 2.7 Drucksache 13/5295 Nr. 1.1 Drucksache 13/5295 Nr. 1.2 Drucksache 13/5295 Nr. 1.4 Drucksache 13/5295 Nr. 1.5 Drucksache 13/5295 Nr. 1.10
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    Rede von Peter Hintze


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist im Interesse der von Armut betroffenen Menschen, lieber Herr Kollege Spanier, daß wir in dieser Debatte nicht

    Peter Hintze
    Klischees verfestigen, sondern uns mit der tatsächlichen sozialen Situation in Deutschland beschäftigen.

    (Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Das hat er getan!)

    Lassen Sie mich eine kurze Bemerkung zu Ihrem Beitrag machen: Sie haben hier unseren Bundeskanzler angesprochen. Ich will Ihnen einmal sagen, worin ein wesentlicher Verdienst unseres Bundeskanzlers liegt: daß wir einen so starken Sozialstaat haben, wie er auf der Welt wohl einmalig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Hintze, Sie sind doch aus dem Alter des Oberadministranten heraus!)

    Ich darf einmal an die Zeit erinnern, als der Bundeskanzler noch Helmut Schmidt hieß - jetzt wollen wir einmal zu unserem Thema kommen -: Von 1977 bis 1982 sind die Realwerte der Eckregelsätze permanent gesunken. Es war eine unserer Maßnahmen, eine Leistung von Helmut Kohl, daß dieser unwürdige Zustand beendet wurde und die Werte entsprechend gestiegen sind.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Gloria in excelsis Helmut!)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe in meiner eigenen Arbeit bedrückende Einzelschicksale kennengelernt, Menschen, die in Not geraten sind, Menschen, die Hilfe brauchen, materielle Hilfe und persönliche Zuwendung. Deswegen finde ich es richtig, daß wir in dieser Debatte auch denen danken, die sich Tag für Tag um solche Menschen kümmern, die Gegenstand unserer Überlegungen sind, solche, die materiell in Not geraten sind, solche, die in Wohnungsnot sind. Ich denke an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialämter, in den Kirchen und der Sozialverbände. Sie helfen in schwierigen und schwierigsten Situationen. Sie setzen sich Tag für Tag mit dem Problem, das wir heute diskutieren, auseinander.
    Sie sind aber gleichzeitig auch einem großen Druck ausgesetzt. Denn sie werden nicht nur mit materiellen, sondern auch mit menschlichen und seelischen Problemen konfrontiert, die ihre Möglichkeiten oft übersteigen. Manchmal ballen sie auch die Faust in der Tasche, weil ihr Gegenüber versucht, das System auszunutzen. Auf der anderen Seite fehlt ihnen oft die Zeit, um so zu beraten, wie es fachlich geboten wäre.

    (Zuruf der Abg. Ingrid Holzhüter [SPD])

    - Es ist einfach unehrlich, liebe Frau Kollegin, wenn wir uns beim Thema Sozialhilfe die Dinge nicht wirklich genau anschauen. Wir müssen einen Beitrag für die Menschen leisten, die wirklich Hilfe brauchen, und diesbezüglich für die entsprechende Verstärkung sorgen, aber wir müssen auf der anderen Seite
    auch darauf achten, daß kein Mißbrauch aufkommt. Das gleiche gilt auch im Steuerrecht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Ingrid Holzhüter [SPD]: Überall müssen wir Mißbrauch bekämpfen, überall! Horst Kubatschka [SPD]: Bei der Steuerhinterziehung! Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Das haben Sie doch wohl nicht nötig!)

    Der Grundgedanke des Bundessozialhilfegesetzes ist nicht nur, ein menschenwürdiges Leben zu garantieren. Der Grundgedanke ist, Menschen zu befähigen, Armutslagen aus eigener Kraft zu verlassen.
    Wenn wir uns einmal von den Klischees abwenden und uns den Fakten zuwenden, dann finde ich das Hochinteressante im Bericht der Bundesregierung: Es ist millionenfach gelungen, mit nur einer kurzfristigen Überbrückungshilfe den dauerhaften Rückstieg in die eigene Erwerbsfähigkeit und in die Selbstversorgung zu garantieren. Das finde ich eine beachtliche Leistung, und das muß in dieser Stunde auch angesprochen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
    Wer wie die SPD in ihrer Anfrage Sozialhilfe mit Armut gleichsetzt, der mißversteht den Sozialstaat. Außerdem - das zweite Problem - stigmatisiert er die Menschen, die auf diesen Rechtsanspruch angewiesen sind. Damit leistet er vielleicht unfreiwillig einen Beitrag dazu, daß sie diesen Rechtsanspruch für sich gar nicht realisieren.
    Es trifft zu, daß die Zahl der Sozialhilfeempfänger und die Summe der Aufwendungen für Sozialhilfe gestiegen sind. Das liegt aber nicht daran, daß Deutschland ärmer geworden wäre. Es liegt daran,

    (Horst Kubatschka [SPD]: Daß einige dicker geworden sind!)

    daß sich der Kreis der Anspruchsberechtigten stark verändert hat. Heute ist der Anteil der Ausländer unter den Sozialhilfeempfängern erheblich höher als noch vor zehn Jahren. Ohne diesen Anstieg gäbe es gegenwärtig rund 600 000 Sozialhilfeempfänger pro Jahr weniger. Bezogen auf die alten Bundesländer ist das immerhin ein Plus von 30 Prozent.
    Damit wird deutlich: Das, was die SPD in dieser Debatte als Armutsproblem darstellen will, hat in Wahrheit ganz maßgeblich mit der Übernahme humanitärer Aufgaben und mit unserem Asylrecht zu tun. Es relativiert das Problem nicht, stellt es aber in einen anderen Zusammenhang.
    Wir übernehmen in Deutschland in großem Maße humanitäre Aufgaben für Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Hunger flüchten. Dafür stehen wir, aber dafür lassen wir uns dann nicht von Ihnen vorhalten, wir hätten ein wachsendes Armutsproblem, meine Damen und Herren.
    Armut wird in Deutschland durch die Leistungen der Sozialhilfe wirksam verhindert. Gleichwohl gibt es tragische Lebensläufe, die zu schweren Notlagen führen können.

    (Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Unter anderem Ihre Politik!)


    Peter Hintze
    Ich denke an Obdachlose, die ein Schicksalsschlag aus der Bahn geworfen hat und die in ihrer Lebenssituation resignieren. Ich denke an drogenabhängige Jugendliche, die jeden Kontakt zu ihrer Familie verloren haben.
    Zu Ihrem Zwischenruf muß ich sagen: Es ist wirklich traurig und wird der Situation nicht gerecht. Ich war zu einer Zeit in einer Kirchengemeinde tätig, da waren Sie noch für die Politik verantwortlich. Ich habe dort das Problem der Obdachlosigkeit kennengelernt.

    (Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Offensichtlich haben Sie ein schlechtes Gedächtnis!)

    Es ist einfach fahrlässig, so darüber zu reden, als ließe sich die Sache einer politischen Maßnahme zuordnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Menschen brauchen nicht derartige einseitige Zuordnungen. Diese Menschen brauchen Hilfe. Aber es gehört auch zu einer solchen Debatte, daß es uns bewußt ist, daß Politik hier immer wieder an Grenzen stößt und daß wir es wahrscheinlich nie schaffen werden, jedem Menschen in jeder persönlichen Problemlage gerecht zu werden.
    In der öffentlichen Diskussion wird zwischen relativer und absoluter Armut unterschieden. Sie, Herr Kollege Spanier, haben das eben auch getan. Absolute Armut als physische Existenzbedrohung kennen wir in der Dritten Welt. Viele hundert Millionen Menschen haben keinen Zugang zu unverseuchtem Wasser, leiden an Mangel- und Unterernährung und sind Krankheiten schutzlos ausgeliefert. Der Bericht der Weltbank, der gestern veröffentlicht wurde, spricht eine bedrückende Sprache.
    Es gibt auch Armutsdefinitionen, die nicht von einem absoluten Mangel ausgehen, sondern die Armut als Unterschreitung eines bestimmten Anteils am Durchschnittseinkommen verstehen. Diesen Armutsbegriff haben Sie eben angesprochen. Der Begriff führt aber in die Irre, liebe Kolleginnen und Kollegen, weil Länder mit niedrigem Einkommensniveau und einer schlechten Einkommensverteilung viel weniger Armut leiden als Länder mit einem hohen Einkommensniveau und einer größeren Einkommensverteilung. Da lauern manche statistische Fallen.

    (Beifall des Abg. Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.])

    Was in diesem Haus passiert ist, daß nämlich die Situation in Deutschland mit der in Mexiko verglichen wurde, ist Ergebnis genau einer solchen relativen Betrachtungsweise, meine Damen und Herren. Relativ mag es beispielsweise den Menschen in Mexiko besser gehen als denen in den USA, aber die Menschen gehen von Mexiko in die USA und nicht von den USA nach Mexiko, weil sie nicht unsere relative Betrachtungsweise interessiert, sondern das, was sie wirklich an Möglichkeiten zum Leben haben. Deswegen führt eine solche relative Betrachtungsweise in die Irre.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ein zweiter Gedanke: Nehmen wir einmal an, das Einkommen aller Menschen in Deutschland würde sich verdrei-, vender- und verfünffachen, so würde sich nach Ihrem Armutsbegriff an der Armutssituation in Deutschland nichts ändern, weil das Verhältnis der verschiedenen Einkommen dann unverändert bestehen bliebe.

    (Zuruf von der SPD: Zahlenspielerei!)

    Die neuere Forschung in Deutschland ist sich darüber einig, daß Menschen im wesentlichen aus zwei Ursachen in eine Armutslage geraten können. Die erste Ursache wird als biographischer Bruch bezeichnet - Scheidung, Arbeitslosigkeit, Tod eines nahen Angehörigen, Überschuldung, Drogen- und Medikamentenabhängigkeit.
    Die zweite Ursache ist die unzureichende Ausstattung mit einem immer wichtiger werdenden „Lebensmittel", mit Bildung. Das gilt für fehlende Schulabschlüsse, mangelhafte Berufsausbildung und die Unfähigkeit, mit veränderten Lebenssituationen umzugehen. Deshalb ist es ganz wichtig, daß wir dieses Thema nicht nur als ein sozialpolitisches Thema verstehen, sondern erkennen, daß es sich bei der Überwindung von Armutslagen und bei dem Bestreben von Menschen, aus Armutslagen herauszukommen, um eine bildungspolitische Aufforderung an alle, die damit zu tun haben - Bund, Länder und Gemeinden -, handelt.


Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Kollege Hintze, die Kollegin Lüth würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Peter Hintze


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein, danke.

    (Zuruf der Abg. Heidemarie Lüth [PDS])

    - Ab einer Bank weiter hätte ich die Zwischenfrage zugelassen.

    (Dr. Barbara Höll [PDS]: Wahre Demokraten! Zuruf von der SPD: Soviel zum Christlichen! Weitere Zurufe)

    - Es tut mir einfach leid. In der Demokratie gibt es das Auswahlrecht, und davon habe ich jetzt Gebrauch gemacht.

    (Beifall des Abg. Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU])

    Ein Aspekt ist mir noch wichtig. Das statische Bild von Armut, das die Sozialdemokraten in ihrer Anfrage zeichnen, und die Rede von der Zweidrittelgesellschaft ist in jeder Weise falsch und auch den Betroffenen gegenüber ungerecht. Es ist keine statische Situation, in die die Menschen versinken und aus der sie nicht mehr herauskommen.
    Wir haben in den Untersuchungen, wie auch aus der Antwort hervorgeht, die deutliche Erkenntnis, daß der Großteil der Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, diese kurzfristig benötigen, hier eine Chance zur Überbrückung finden, aus ihrer Situation herausfinden, und wir erweisen den Menschen in Armutslagen keinen Dienst, wenn wir sie

    Peter Hintze
    durch die Art und Weise der politischen Behandlung in eine passive Opferrolle hineindrücken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Manche Ansprüche und manche Sorgen entstehen, weil andere finanzielle Ansprüche wie Rente oder Arbeitslosengeld zu spät realisiert werden können. Wir haben dieses Problem mit der Sozialhilfereform aufgegriffen und Vorkehrungen für solche Fälle getroffen.
    Es gibt natürlich auch die skandalöse Tatsache, daß Frauen auf staatliche Hilfe angewiesen sind, weil sich die Väter ihrer Kinder der Unterhaltsverpflichtung entziehen und nicht zahlen. Im letzten Jahr haben die Unterhaltsvorschußkassen 1,61 Milliarden DM zahlen müssen, weil 850 000 Väter ihrer Unterhaltspflicht nicht nachgekommen sind. Das ist auch ein Skandal, und wir müssen das Verantwortungsbewußtsein in der Gesellschaft wachrufen, damit sich dieser Zustand verändert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das soziale Netz in Deutschland ist fest geknüpft. Wir haben den stärksten Sozialstaat geschaffen, den es auf der Welt gibt.
    Von den über 60jährigen, die zu Hause leben, sind lediglich 1,5 Prozent auf Sozialhilfe angewiesen. 98,5 Prozent können aus eigener Kraft, aus Rente, Pension, Ersparnissen oder aus Vorsorge, leben. Wir haben ein Maß an finanzieller Alterssicherheit erreicht, das einen Spitzenplatz in der Welt hat, und dies gehört zu den größten sozialen Leistungen unseres Landes.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Besonders eindrucksvoll ist die Entwicklung für die älteren Menschen in den neuen Bundesländern seit der Wiedervereinigung. Inflation, Wirtschaftskrisen, Krieg, Nazidiktatur, SED-Diktatur - diese Menschen sind in ihrem Leben um die Früchte ihrer Arbeit gebracht worden. Sie haben hart geschafft, aber sie stehen am Ende mit wenig da. Wir haben mit der Sozialunion einen Beitrag dafür geleistet, daß diese Menschen wenigstens im Alter eine kleine materielle Entschädigung für das, was ihnen das Leben bis dahin genommen hat, erhalten. Auch das ist eine große Leistung, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsident Hans Klein: Die Redezeit!