Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dann sind wir in einer ziemlich katastrophalen Lage. Dann werden in einigen Regionen auch statistisch die Arbeitslosenzahlen bei 30 Prozent sein. Und was genauso schlimm ist, daß dann eine ganze Reihe von wichtigen Aufgaben nicht mehr wahrgenommen werden - von den Sanierungen angefangen bis in den sozialen Bereich.
Sie wissen es doch aus Ihren eigenen Wahlkreisen: Kommunale Gleichstellungsbeauftragte verweisen allerorten darauf, daß der zweite Arbeitsmarkt für viele Frauen tatsächlich die letzte Hoffnung ist.
Meine Damen und Herren, die Ostdeutschen aufzufordern, ihre Ansprüche zu verringern, wie es BDI-
Präsident Henkel gestern getan hat, halte ich angesichts dieser Situation für skandalös. Aus eigenen Mitteln konnten und können die ostdeutschen Kommunen soziokulturelle Regelaufgaben nicht finanzieren. Das geht bereits auf das Versäumnis im Einigungsvertrag zurück, hier keine Starthilfe und keine Sonderregelungen vorgesehen zu haben.
Das indirekt eingestehend, erging 1991 seitens der Bundesregierung die ausdrückliche Aufforderung, die Infrastruktur über ABM abzusichern. An der Finanzsituation der Kommunen in den neuen Bundesländern hat sich nichts geändert, im Gegenteil. Die vorgesehene Kürzung der Arbeitsmarktförderung Ost um 1,7 Milliarden DM würde daher verheerend wirken.
Deshalb wird die PDS bei den Haushaltsberatungen die Einrichtung eines Bundesfonds zur Bezuschussung von soziokulturellen Regelaufgaben in ostdeutschen Kommunen vorschlagen, der mit den 3,6 Milliarden DM gespeist werden soll, auf die die Bundesregierung im Jahressteuergesetz 1997 durch den Abbau des Solidaritätszuschlages verzichten will. Damit greifen wir einen Vorschlag des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes auf.
Mit Hilfe dieses Fonds könnte die Regelfinanzierung von bis zu 80 000 Personalstellen bis zu einer durchgreifenden Reform der Gemeindefinanzen gesichert werden. Die Regelfinanzierung ist unabdingbar für eine Verstetigung der soziokulturellen Dienste.
Ein großes Manko ist doch der derzeit auf Grund der Zuweisungsbedingungen notwendige ständige Personalwechsel. Mit großer Mühe haben sich ABM-Kräfte fachlich und sozial qualifiziert und haben Betreute und Beratene gerade Vertrauen gefaßt - und nach einem Jahr ist wieder alles vorbei.
Wir halten den Vorschlag der Einrichtung eines Bundesfonds für eine brauchbare Alternative. Ich sage nur: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Unseriös im Haushaltsentwurf ist das Herangehen an die Arbeitslosenhilfe. Es wird von unrealistischen Prognosen des Leistungsbezugs ausgegangen. Es werden Maßnahmen einkalkuliert, für die es noch keine gesetzlichen Grundlagen gibt. Geht man von der zum Zeitpunkt der Beschlußfassung geltenden Rechtslage und von den verfügbaren Angaben über die Entwicklung der Zahl der Bezieherinnen und Bezieher aus, müßten sage und schreibe 6,3 Milliarden DM mehr eingestellt werden, als es im Entwurf von Herrn Waigel vorgesehen ist.
Betrachtet man die Kürzungen im durchschnittlichen Auszahlbetrag der Arbeitslosenhilfe, so ist im Osten das Abschieben auf eine ergänzende Sozialhilfe - und das sind wieder Kosten für die Kommunen - deutlich sichtbar. Auf 793 DM soll er gesenkt werden, und das bei steigenden Preisen, Mieten und Tarifen. Herr Minister Blüm, das genau sind die „menschlichen Schicksale", von denen Sie sprachen.
Die mißliche Lage in der Rentenversicherung ist vor allem durch den Zustand des Arbeitsmarktes und die Beschäftigungspolitik bestimmt. Der Bundeszuschuß für die gesetzliche Rentenversicherung ist zwar mit 67,8 Milliarden DM der größte Brocken dieses Bereichs und erfährt fast als einziger eine Steigerung gegenüber 1996. Das Milliardenloch in den Rentenkassen aber wird damit nicht zu stopfen sein. Ursache dafür ist, daß der Zuschuß von den Arbeitsmarktbedingungen völlig abgekoppelt ist. Er folgt allein der Entwicklung der Nettolöhne und -gehäiter.
Wir meinen, Herr Blüm sollte in seiner Rentenkommission nicht über weitere Kürzungen der Leistungen nachdenken, sondern neue Finanzierungsquellen für die Kassen suchen. Wir könnten uns vorstellen, die lohnsummenbezogenen Arbeitgeberbeiträge durch eine Bruttowertschöpfung zu ergänzen und jedes Einkommen beitragspflichtig zu machen.
Auch die Beitragsbemessungsgrenze könnte bei degressiv wachsenden Leistungsansprüchen angehoben werden. Das ermöglichte eine wirkliche Reform der Altersbezüge, sozial gerecht und existenzsichernd.
Meine Damen und Herren, um ganze 100 Millionen DM zu sparen - ein Klacks im Bundeshaushalt -, wollen Sie Tausende von Rentnerinnen in den neuen Bundesländern in eine verzweifelte Situation stürzen. Obwohl die Bundesregierung ihren Part, das Frauenrentenrecht ab 1997 zu verbessern, nicht erfüllt hat, stellt sie planmäßig die Zahlung der Sozialzuschläge per 31. Dezember 1996 ein. Es handelt sich wohlgemerkt um Renten, die auf ganze 674 DM aufgestockt wurden.
Petra Bläss
Es muß unbedingt verhindert werden, daß im Dezember über 80 000 Rentnerinnen Mitteilungen über Rentenkürzungen von bis zu mehreren hundert Mark erhalten.
Deshalb fordern wir die Beibehaltung des Sozialzuschlages, besser noch seine Anwendung in Ost und West. Denn auch in den alten Bundesländern sind die Hoffnungen Tausender auf ein neues, verbessertes Frauenrentenrecht enttäuscht worden.
Ich komme zum Schluß. Insgesamt wird deutlich, daß der Bundeshaushalt zu Lasten von abhängig Beschäftigten, Arbeitslosen, Rentnerinnen und Rentnern sowie Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern saniert werden soll. Im übrigen straft der Haushaltsentwurf all diejenigen Lügen, die behauptet haben, daß das Sparpaket der Höhepunkt notwendiger sozialer Einschnitte sei. Der Haushaltsentwurf beweist, daß der Sozialraubbau hierzulande weitergeht.
Wir meinen, das Maß an sozialer Kälte ist voll. Eine menschliche Zukunft - Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, nehmen diesen Begriff ja immer für sich in Anspruch - wird es nur geben, wenn endlich begonnen wird, den vorhandenen Reichtum von oben nach unten umzuverteilen. Beginnen Sie damit mit dem Jahressteuergesetz 1997. Lassen Sie morgen von den Spargesetzen ab, und legen Sie so schnell wie möglich einen seriösen und vor allem sozial gerechten Bundeshaushaltsentwurf für das Jahr 1997 vor.