Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Blüm, wenn Sie als Sozialminister dieses Landes das Sparpaket hier und heute als Arbeitsplatzpaket bezeichnen, dann frage ich mich in der Tat, ob Sie in den vergangenen Wochen und Monaten mit geschlossenen Augen durch das Land gezogen sind. Ich jedenfalls empfehle Ihnen, ebenso den Kolleginnen und Kollegen in der Koalition, bis zur morgigen Abstimmung noch einmal die Lektüre der Titelgeschichte des Magazins der „Süddeutschen Zeitung" vom 6. September 1996 mit dem Titel „Die Sparschweine". Dieser Leitartikel bringt es auf den Punkt: Ausgerechnet diejenigen, die arm dran sind, sollen Opfer bringen. Frau Kollegin Babel, die darin exemplarisch aufgeführten 35 Schicksale haben eben nicht mehr viel mit einem „wohlausgestalteten Sozialstaat" zu tun, den Sie vorhin zitiert haben.
Der Haushalt für den Bereich Arbeit und Sozialordnung ist in der Tat ein ungedeckter Wechsel auf die Zukunft. Es gibt keinen, aber auch wirklich keinen vernünftigen Grund anzunehmen, daß die Bundesanstalt für Arbeit 1997 keinen Zuschuß benötigt. Bei der Rentenversicherung wird der zwar große Brokken an Zuschuß das Loch in den Rentenkassen nicht stopfen helfen. Das Verhältnis von Arbeitsförderung und Zuschuß an die Rentenversicherung ist von einem ständigen Verschieben zwischen den Kassen geprägt. Schließlich wird auf weitere Sparmaßnahmen gebaut, für die es noch nicht einmal Gesetzentwürfe gibt. Wer die letzten Tage die Nachrichten verfolgt hat, der konnte erfahren, daß es Ankündigungen weiterer Sparmaßnahmen in Hülle und Fülle gab.
Mit untauglichen Mitteln versuchen Sie der Probleme Herr zu werden und treiben tatsächlich nur mit unlauteren Prinzipien die Polarisierung von Arm und Reich weiter voran. Wir werden das nicht widerspruchslos und alternativlos hinnehmen.
Unübersehbar steigt die Arbeitslosigkeit; die Massenarbeitslosigkeit verfestigt sich. Aber allein in den letzten beiden Jahren reduzierten Sie die Zuschüsse für die Arbeitsförderung um fast 40 Prozent. Das ist doch völlig unrealistisch. Schon 1995 reichte der Ansatz hier nicht aus. Vorgestern wurde verkündet, daß der Ansatz für 1996 um 12,5 Milliarden DM zusätzlich aufgestockt werden muß.
Wenn Sie jetzt im Plan für 1997 den Bundeszuschuß auf Null reduzieren und das auch durchhalten wollen, können Sie nur weitere Eingriffe in den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit planen. Die sind - ohne gesetzliche Neuregelungen - nicht bei den Muß-Leistungen sondern nur bei den Kann-Leistungen möglich, zu denen vorrangig die Arbeitsmarktförderung gehört.
Ihr Vorhaben, die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Ost auf Westniveau zu senken, sind bekanntlich seit Wochen in aller Munde. Kommunen, Länder, Gewerkschaften, Verbände und Kirchen weisen besorgt darauf hin, welcher Kahlschlag in der ostdeutschen -
Petra Bläss
vor allem in der sozialen - Infrastruktur erfolgen
würde, wenn die Mittel hier zurückgefahren würden.
Der DGB Sachsen-Anhalts - bekanntlich das Bundesland mit der höchsten Arbeitslosenquote, trotz 66 geförderter Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen pro hundert Arbeitslose - spricht zu Recht davon, daß damit eine arbeitsmarktpolitische Katastrophe vorprogrammiert ist.