Rede von
Dr.
Uwe-Jens
Rössel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 1997 ist konjunkturpolitisch kontraproduktiv; denn er begrenzt die Binnennachfrage. Dieser Bundeshaushaltsentwurf ignoriert arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische Notwendigkeiten; Stichwort: ABM-Kahlschlag im Osten. Schließlich würde diesem Haushalt bei seinem möglichen Inkrafttreten sogar der dornenreiche Weg zum
Bundesverfassungsgericht drohen; denn die Investitionen des Bundes liegen mit rund 60,5 Milliarden DM nur noch knapp über der veranschlagten Neuverschuldung. Diese wiederum darf aber nach Art. 115 des Grundgesetzes nicht höher als die investiven Ausgaben ausfallen.
Nutznießer dieser Bundesschuldenwirtschaft sind vor allem die Banken, Versicherungen und weitere große in- und ausländische Vermögen, die auf diese Weise, in Verbindung mit der starken D-Mark, üppige Kurs- und Zinsgewinne kassieren. Das alles paßt in die Umverteilungspolitik von unten nach oben, die die Bundesregierung praktiziert.
Mit ihrer Haushalts-, Steuer- und Finanzpolitik gefährdet die Bundesregierung aber auch die kommunale Finanzautonomie und damit letzten Endes den Fortbestand kommunaler Selbstverwaltung. Durch laufende Steuerrechtsänderungen zu Lasten der Städte, Gemeinden und Landkreise sowie die zunehmende Verlagerung der Folgen der Langzeitarbeitslosigkeit vom Bund in die Flure der Sozialämter - die Sozialhilfekosten waren 1995 auf ein Rekordniveau von 52,1 Milliarden DM gestiegen - hat die Bundesregierung neben den Ländern maßgeblich zur größten kommunalen Finanzkrise in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beigetragen. Das ist ein unhaltbarer Zustand.
Zudem hält die Bundesregierung daran fest, die Gewerbekapitalsteuer vollständig abzuschaffen und die Gewerbeertragsteuer weiter einzuschränken. Das liegt wohl eindeutig im Interesse der großen Unternehmen und wohl kaum - hier möchte ich Herrn Waigel ausdrücklich widersprechen - im Interesse der Kommunen, zumindest so lange nicht, wie die Gemeinden von der Bundesregierung keine verbindliche Zusage über die Aufnahme der Gewerbesteuer als Realsteuer in das Grundgesetz bekommen.
Bei den Kommunen gehen Angst und Sorge über den möglichen generellen Wegfall der Gewerbesteuer um. Die Worte, die jüngst aus der F.D.P. gekommen sind - ich erinnere an die Aussage von Frau Frick in diesem Hause -, sprechen eine deutliche Sprache in diese Richtung.
Die Bundestagsgruppe der PDS verlangt statt dessen eine längst überfällige umfassende Reform der Kommunalfinanzierung in Deutschland, die die erheblichen Strukturdefizite beseitigt und die kein Anhängsel, wie sie es bei der Unternehmenssteuerreform der Bundesregierung ist, sein kann.
- Ja, gerade wir, Herr Lühr.
Wir haben einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht, und wir verfügen zumindest in Ostdeutschland über eine kommunalpolitische Kompetenz, von der Ihre Partei, Herr Lühr, nur träumen kann.
Dr. Uwe-Jens Rössel
Bestandteil unseres Reformkonzeptes ist auch die Verankerung einer Investitionspauschale des Bundes für die arg gebeutelten ostdeutschen Gemeinden. Wir haben dafür auch eine konkrete Finanzierungsgrundlage.
In der Steuerpolitik nehmen die sozialen Verwerfungen dramatisch zu. Tatsache ist, daß das Aufkommen von direkten Steuern in der Bundesrepublik in steigendem Maße von den Lohnsteuerpflichtigen und zu einem immer geringer werdenden Anteil durch Unternehmen- und Vermögensteuern erbracht wird. Es gehört daher in das Reich der Märchen, daß die Bundesrepublik ein Unternehmenshochsteuerland sei. Genauso gehört es in das Reich der Märchen, daß der Spitzensteuersatz in Deutschland außergewöhnlich hoch sei. Dänemark, Belgien und die Niederlande, Nachbarländer, haben beispielsweise einen höheren Spitzensteuersatz als wir. Dies nur am Rande.
Jetzt will die Bundesregierung ihre Politik der Umverteilung mit der hochangekündigten umfassenden Steuerreform 1998/99 fortsetzen. Wir lehnen solche Vorschläge, soweit sie bisher bekanntgeworden sind, ab, denn die von CDU und F.D.P. ins Spiel gebrachten sogenannten dreistufigen Einkommensteuertarife, die in erster Linie die Einkommensmillionäre begünstigen, würden zu Steuerausfällen in Höhe von 100 Milliarden DM jährlich führen, und das bei der u. a. von Herrn Roth ausgewiesenen dramatischen Verschuldung der öffentlichen Haushalte. Diese Steuerausfälle sollen dadurch finanziert werden, daß viele der derzeit bedeutenden Steuervergünstigungen, die eben in erster Linie den Einkommensmillionären und nicht den einkommensschwachen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zugute kommen, gestrichen werden. Das aber wird wohl wieder am Widerstand der „großen" Lobbyisten, von der Autoindustrie bis hin zu den Investmentgesellschaften, scheitern. Das hat bereits im Vorjahr das Schicksal der Vorschläge der Bareis-Kommission zur Einkommensteuerreform gezeigt. Damit liefe die Finanzierung der sogenannten großen Steuerreform letztlich doch auf eine Mehrwertsteuererhöhung hinaus, wie sie im Sommer auch vom Kanzler ins Spiel gebracht worden ist. Wir lehnen dies ab und widersetzen uns derartigen Vorschlägen.
Vielen Dank.