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    Plenarprotokoll 13/120 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 120. Sitzung Bonn, Dienstag, den 10. September 1996 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeordneten Hansjürgen Doss 10701 A Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997 (Haushaltsgesetz 1997) (Drucksache 13/5201) 10701 B b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1996 bis 2000 10701 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 10701 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 10711 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 10719 C Hans-Peter Repnik CDU/CSU 10720 C Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10725 B Dr. Wolfgang Weng (Gerungen) F.D.P. . 10729 A Dr. Barbara Höll PDS 10735 B Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 10737 B Detlev von Larcher SPD 10741 C Dankward Buwitt CDU/CSU 10744 B Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 10746 B Wilfried Seibel CDU/CSU 10747 B Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU 10748 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 10751 C Arnulf Kriedner CDU/CSU 10753 B Ingrid Matthäus-Maier SPD . 10753 D, 10766 D Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10755 B Birgit Homburger F.D.P. 10756 C Eva Bulling-Schröter PDS 10758 B Eckart Kuhlwein SPD 10759 A Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 10761 B Horst Kubatschka SPD 10763 B Hans Georg Wagner SPD 10763 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU 10766 A Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10767 A Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10769 B Matthias Wissmann CDU/CSU 10770 A, 10776 A Horst Friedrich F.D.P. 10771 B Dr. Winfried Wolf PDS 10772 D Elke Ferner SPD 10773 D Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 10776 D Achim Großmann SPD 10779 C Gert Willner CDU/CSU 10781 C Norbert Formanski SPD 10782 C Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10784 C Jürgen Koppelin F.D.P 10786 B Otto Reschke SPD 10787 D Klaus-Jürgen Warnick PDS 10788 C Dieter Maaß (Herne) SPD 10789 C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. 10790 D Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 10791 C Hans Martin Bury SPD 10793 A Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU 10795 A Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10797 B Dr. Max Stadler F.D.P. 10798 C Gerhard Jüttemann PDS 10800 A Eike Hovermann SPD 10801 A Nächste Sitzung 10803 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 10805* 120. Sitzung Bonn, Dienstag, den 10. September 1996 Beginn: 11.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 10. 9. 96 Augustin, Anneliese CDU/CSU 10. 9. 96 Beck (Bremen), BÜNDNIS 10. 9. 96 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Behrendt, Wolfgang SPD 10. 9. 96 * Berninger, Matthias BÜNDNIS 10. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Borchert, Jochen CDU/CSU 10. 9. 96 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 10. 9. 96 Herta Duve, Freimut SPD 10. 9. 96 Gansel, Norbert SPD 10. 9. 96 Glos, Michael CDU/CSU 10. 9. 96 Dr. Glotz, Peter SPD 10. 9. 96 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Kanther, Manfred CDU/CSU 10. 9. 96 Kurzhals, Christine SPD 10. 9. 96 Dr. Lucyga, Christine SPD 10. 9. 96 * Matschie, Christoph SPD 10. 9. 96 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 10. 9. 96 Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 10. 9. 96 Hermann Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 10. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Verheugen, Günter SPD 10. 9. 96 Voigt (Frankfurt), SPD 10. 9. 96 Karsten D. Wallow, Hans SPD 10. 9. 96 Dr. Zöpel, Christoph SPD 10. 9. 96 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Adolf Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Haushaltsdebatten sind politische Bilanztermine. Es ist sicher angebracht und auch angemessen, daß man bei dieser Gelegenheit Erfolge herausstellt.
    Ein zentraler Erfolg ist, daß die Bundesregierung von Helmut Kohl mit diesem Haushalt 1997 bereits den 15. Jahresetat hier präsentiert und der Finanzminister Waigel übrigens seinen achten Jahresetat.

    (Zurufe von der SPD)

    - Meine Damen und Herren von der SPD, es mag Sie erregen, aber dies ist Ausdruck der vernünftigen Kontinuität der deutschen Politik und beweist den Stellenwert, den wir inzwischen international erreicht haben. Wir werden diese Stabilität verteidigen.
    Es wird sich auch herausstellen, daß sich die Voraussage von Herbert Wehner damals, daß Sie mindestens 15 Jahre auf die Oppositionsbänke verbannt sein würden, in der zeitlichen Dimension noch in die Zukunft fortsetzt.

    (Beifall bei der CDU/CSU - Detlev von Larcher [SPD]: Stabilität der Arbeitslosigkeit!)

    Wir haben zwei große Etappen hinter uns: Wir haben sieben erfolgreiche Konsolidierungs- und Aufschwungjahre von 1982 bis 1989 und haben jetzt sieben schwierige Aufbau- und Stabilisierungsjahre im vereinigten Deutschland gemeinsam mit dieser Koalition gemeistert. Ich habe heute in den Beiträgen der Opposition nicht ein einziges Mal den Begriff der Wiedervereinigung Deutschlands gehört und eine Darstellung ihrer Auswirkungen und Herausforderungen in bezug auf die deutsche Finanzpolitik gefunden. Das ist bezeichnend genug.
    Diese Koalition von CDU/CSU und F.D.P. braucht sich fürwahr ihrer Leistungen nicht zu schämen, die sie in den letzten Jahren in Deutschland erbracht hat. Begraben muß man allerdings offenbar die Hoffnung, daß sich die SPD in der Opposition auf ihre alten Tage von den stereotypen Angriffsbildern löst, die sie uns in der Tat in diesen letzten 14 Jahren immer wieder zugemutet hat - auch heute.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Ich bin fast versucht, einen Begriff aufzunehmen, den ein Leitartikler der „New York Times", des amerikanischen Weltblattes, dieser Tage verwandt hat, als er die Befindlichkeit der Menschen im wiedervereinigten Deutschland beschrieben hat. Die Überschrift des Kommentars lautete: ,,Grumpy Germany". Das heißt übersetzt: das mißmutige, brummelige Deutschland. Sie verkörpern mit Ihrer Attitüde, die Sie auch hier im Parlament verbreiten, dieses mürrische Deutschland in Reinkultur.

    (Detlef von Larcher [SPD]: Sie kennen mich doch überhaupt nicht! Fröhlich sind wir!)

    Das einzige, was im Ausland wirlich verblüfft, ist, wie es den Deutschen gelungen ist, trotz der Bürde der Wiedervereinigung heute so gut dazustehen. So steht es jedenfalls in diesem Kommentar. Es heißt weiter: Bonn läßt jedes Jahr mehr Geld in die neuen Bundesländer fließen, als der gesamte Marshallplan heute in Dollar-Werten ausmachen würde.
    Ich habe Verständnis dafür, daß die Amerikaner diese Leistungsfähigkeit verwundert. Ich habe aber

    Adolf Roth (Gießen)

    nicht das Gefühl, daß es Sie von der SPD je beeindruckt hat, was hier gemeinsam geleistet worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Deshalb ist diese Debatte wichtig, um eine Bilanz dieser Politik zu ziehen.
    Das Ignorieren und Schlechtreden ändert doch nichts an den Tatsachen: Es hat keine wirtschaftlichen Verwerfungen nach der Wiedervereinigung gegeben. Die D-Mark ist heute national und international stabiler denn je. Wir haben ein Höchstmaß an Preisstabilität. Wir haben niedrige Zinsen, und sie bleiben auf Sicht niedrig. Wir haben allerdings auch Schwierigkeiten; diese sind heute mehr als einmal angeklungen. Aber diese Koalition wird ihren Weg der Konsolidierung und der finanzpolitischen Verantwortung weitergehen. Es wird uns gelingen, genau wie in den 80er Jahren, diese große Herausforderung zu meistern.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Es muß gelingen!)

    Ausgabenkontrolle ist in der heutigen Zeit eine zentrale Herausforderung an eine verantwortliche Politik. Wir haben durch eine beispielhafte Spar- und Konsolidierungspolitik über viele Jahre hinweg bewiesen, daß man im Bereich der öffentlichen Haushalte sparsam wirtschaften kann. Wir haben im nächsten Jahr einen Ausgabenrückgang von 2,5 Prozent. Dies ist schon der dritte Jahreshaushalt in Folge, der einen Rückgang verzeichnen wird. Wer jetzt von der Opposition immer wieder öffentlich ins Feld führen will, wir hätten damit den Beweis erbracht, daß wir die Ausgaben nicht unter Kontrolle hätten, der übersieht, daß der Anteil der Bundesausgaben am Bruttosozialprodukt in Deutschland - auch im Finanzplan, der jetzt für die Jahre 1996 bis 2000 vorgelegt wird - deutlich zurückgegangen ist. Am Ende dieses Jahrzehnts werden wir mit diesen Ausgaben sogar noch niedriger liegen, als dies im Jahre 1994 der Fall gewesen ist. Schon diese Tatsache beweist doch die Anstrengung, die unsere Koalition unternommen hat. Es wird bei dieser Politik auch bleiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wichtig wäre allerdings, daß die Zielorientierung dieser Koalition - Senkung der Staatsquote, mehr Wachstum und Beschäftigung, verbesserte Standortqualität und damit verbesserte Wettbewerbsfähigkeit - von allen Entscheidungsträgern und von allen Verantwortungsebenen in Deutschland akzeptiert wird. Das stellt eine Herausforderung auch für die anderen Gebietskörperschaften dar, denn wir leben in einer bundesstaatlichen Verfassung.
    Wir können es uns auf Dauer nicht leisten, daß andersgeartete Mehrheiten im anderen Verfassungsorgan, im Bundesrat, den Weg der Gesundung und Konsolidierung dauerhaft blockieren. Voraussetzung für eine nachhaltige Stabilisierung und Gesundung ist allerdings die Begrenzung der Finanzierungsdefizite. Das ist eine Achillesferse unserer Politik - das ist immer wieder deutlich geworden -, weil der öffentliche Haushalt mit den konjunkturellen Entwicklungen sozusagen mitatmet und Schwierigkeiten bei
    Konjunktur und Arbeitsmarkt im Bundeshaushalt voll ihren Niederschlag finden.
    Sie dürfen doch den Finanzminister in seiner Entschlossenheit nicht unterschätzen. Sie können ihn doch nicht kritisieren; denn er hat bereits vor wichtigen Wahlterminen, im Frühjahr dieses Jahres, nach § 41 unserer Bundeshaushaltsordnung mit einer Haushaltssperre gegengesteuert. Er hat frühzeitig die Zügel in die Hand genommen.
    Es ist uns auch in diesem Jahr, obwohl der Haushalt schon sehr knapp geschneidert war, gelungen, eine ganz erhebliche Entlastung herbeizuführen. Andernfalls würde die Nettoneuverschuldung in diesem Jahr wegen der verminderten Steuereinnahmen in diesem Haushaltsjahr, bei denen wir nicht auch noch über die Ausgabenseite gegensteuern konnten, weiter ausufern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie wären glaubwürdiger als Opposition, wenn Sie auf einen eigenen Konsolidierungsbeitrag verweisen könnten. Defizit-Astrologie ist kein Ersatz für konzeptionelle Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir wären in der Standortmodernisierung weitergekommen, wenn Sie über den Bundesrat föderale Mitverantwortung und nicht Gesetzgebungsblockade praktiziert hätten.
    Der auch von Ihnen immer wieder strapazierte Begriff der angeblich leeren Staatskassen trägt doch nur zur Unschärfe der Diskussion bei. Tatsache ist, daß im nächsten Jahr, 1997, über die öffentlichen Haushalte einschließlich der Sonderrechnungen in Deutschland mehr als 1 200 Milliarden DM Ausgaben getätigt werden, ein volles Drittel des für das nächste Jahr erwarteten Bruttoinlandsprodukts von 3 671 Milliarden DM.
    1,2 Billionen DM Ausgabenvolumen im Staatsbereich bedeuten eine gewaltige parlamentarische Haushaltsverantwortung. Diese Haushaltsverantwortung muß auch von Ihnen als Opposition getragen werden, hier und anderenorts; denn Sie sind auf den übrigen Ebenen, wo Sie Verantwortung tragen, mit der gleichen Problemsituation konfrontiert.
    Leere Kassen sind also nicht das Problem. Das Problem sind leere Versprechungen, die gemacht werden, ohne daß sie bezahlt werden könnten. Das ist die Situation.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Detlev von Larcher [SPD]: Da hinten sitzen die Versprecher!)

    Auch das immer wieder kritisierte sogenannte Sparpaket nimmt den Bürgern doch nichts weg. Es verbietet lediglich den Staats- und Sozialkassen, Geld auszugeben, das überhaupt nicht verfügbar ist. Wir vermeiden Beitragserhöhungen zu Lasten der

    Adolf Roth (Gießen)

    Bürger. Deshalb sparen wir, und deshalb konsolidieren wir.

    (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.] Detlev von Larcher [SPD]: Ein einsamer Klatscher! Gegenruf des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Aber was für einer!)

    Natürlich ist die im Haushaltsentwurf 1997 vorgesehene Nettokreditaufnahme von 56,5 Milliarden DM zu hoch, wenn man von ehrgeizigeren Konsolidierungszielen ausgeht, zu hoch, wenn man die Dinge auf der Basis unseres alten Finanzplans bewertet. Das ist unsere Auffassung. Deshalb verteidigen wir diesen Eckwert und gehen nicht sehenden Auges in eine politische Entwicklung hinein, an deren Ende zusätzliche Etatrisiken hingenommen werden müßten.
    Kritik an der Verschuldungshöhe ist berechtigt. Aber sie ist so lange unglaubwürdig, wie sie nicht von der Bereitschaft einer ernsthaften Überprüfung aller an den Staat gerichteten Leistungsansprüche begleitet wird. Wir müssen dort Korrekturen anbringen, wo die Defizite ihren Ursprung haben, und das sind die gesetzlichen Transferleistungen. Ohne Umschichtung und ohne Leistungskürzungen wird das auf Dauer nicht finanzierbar sein.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Deshalb müssen auch die SPD und der Bundesrat an dieser inhaltlichen Diskussion aktiv teilnehmen und ihren Teil der Verantwortung mit übernehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der Finanzminister hat die volle Unterstützung der CDU/CSU-Fraktion, wenn er sagt, daß die im Etatentwurf veranschlagte Defizitlinie bis zur Verabschiedung des Haushalts verteidigt werden muß und daß wir von diesem Weg nicht abgehen können. Das Bundeskabinett hat im Etatentwurf bereits auf Beschluß der Koalition und der Fraktionen erhebliche Ressorteinsparungen vorgenommen, 7 Milliarden DM, verteilt auf die Einzelpläne. 18 von 26 Einzelplänen zeichnen sich durch ein Minus bei den Ausgaben aus. Es ist also ein gewaltiger Kraftakt, der schon jetzt dem Haushalt zugrunde liegt.
    Wir werden für diese gesamte Legislaturperiode, so wie zu Beginn beschlossen, am Haushaltsmoratorium festhalten. Das heißt im Klartext: Wir haben keinerlei Möglichkeiten für neue ausgabenwirksame Leistungen. Das gilt auch für jeden Versuch, mit zusätzlichen Ausgaben der Konjunktur in irgendeiner Weise auf die Beine helfen zu wollen. Strohfeuerpolitik dieser Art hat in der Vergangenheit regelmäßig in die Sackgasse zerstörter Handlungsspielräume und einer höheren Verschuldung geführt. Deshalb wird diese Politik bei uns keine Nahrung finden.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Unser Weg besteht aus den Programmen für Investition, für Wachstum und für Beschäftigung.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Das ist der falsche!)

    In unserer Zielstrategie 2000 legen wir fest, welcher Staatsanteil, welches Maß an öffentlicher Neuverschuldung und welche Entwicklung im Bereich der Kosten unserer Wirtschaft, der Steuern und Abgaben zur Absicherung unseres Sozialstaates auch für künftige Generationen erforderlich sind. Allerdings müssen im Rahmen des nationalen Stabilitätspaktes, den der Bundesfinanzminister mit Recht in diesem Jahr in die Diskussion gebracht hat, alle öffentlichen Ausgaben langsamer wachsen als das Bruttoinlandsprodukt, die gesamtwirtschaftliche Leistung. Dies ist, ich wiederhole es, auch die Herausforderung an Länder und Gemeinden.
    Die SPD müßte eigentlich begreifen, daß die Zementierung brüchig gewordener Besitzstände und eine platte Obstruktionspolitik weder ihrer Partei noch den Menschen in Deutschland nutzt.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das sagen Sie: „für Besitzstände eintreten"!)

    Das ist doch die Situation. Sie haben in der heutigen Debatte mehr als einmal offenbart, wie Sie dieses Dilemma spüren, in dem Sie sich heute mit Ihrer fehlgeleiteten Strategie befinden.
    In Wirklichkeit geht es darum, unser Sozialbudget von ebenfalls 1 200 Milliarden DM, also etwa ein Drittel des Leistungsvermögens in unserem Staat, sicherer zu machen. Die Idee vom Sozialstaat hat doch ihre Rechtfertigung dadurch, daß von einzelnen Menschen nicht tragbare Risiken in Solidarität mit anderen unter einer fairen Beteiligung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen werden. Eine Umverteilungsmaschine, in der die Gutwilligen zahlen und die Cleveren kassieren, kann dieser Sozialstaat jedenfalls nach unserer Auffassung nicht sein. Wir müssen die Aktiven, die Verantwortungsbereiten und die Vorausschauenden mit unserer Politik motivieren. Damit helfen wir den Bedürftigen in diesem Land, den sozial Schwächeren am allerbesten.
    So gesehen sind die Haushaltseinsparungen des Bundes ebenso wichtig wie unverzichtbar, wenn wir auf dem steinigen Weg eines bedarfsgerechten Umbaus unseres Sozialstaates vorankommen wollen. Uns Haushaltspolitikern sind daher die Rückführung der Staatsquote und die damit einhergehende Beschränkung der Staatstätigkeit keine inhaltsleeren Programmfloskeln. Wir fordern seit Jahren und forcieren als Haushaltsgesetzgeber die Personalverringerung in der Bundesverwaltung. Wir werden dafür sorgen, daß auch im kommenden Jahr die Reduzierung der Personalstellen beim Bund auf 322 000 Stellen die Untergrenze bleibt; das ist insgesamt ein Abbau um weitere 1,5 Prozent. Wir haben damit übrigens gegenüber dem Spitzenstand des Jahres 1992 - damals waren es 381 000 Stellen - inzwischen einen Abbau von nicht weniger als 60 000 Positionen erreicht. Dabei sind die Soldaten der Bundeswehr nicht mitgerechnet.
    Meine Damen und Herren, das ist eine sehr beachtenswerte Leistung. Wir werden den Anteil der Personalausgaben einschließlich der Versorgungsleistungen als Bund auch weiterhin auf der Basis des Trends entwickeln, der sich in den letzten 20 Jahren

    Adolf Roth (Gießen)

    gezeigt hat. Seit den 70er Jahren ist nämlich die Quote der Personalausgaben im Bundeshaushalt um ein volles Viertel, von 16 auf 12 Prozent der Bundesausgaben, zurückgegangen. Ich denke, wir müssen gerade den Parlaments- und Regierungsumzug nach Berlin nutzen und als erstrangige Chance begreifen, diesen Prozeß der weiteren Entschlackung und Optimierung im Staatsapparat voranzubringen.
    Wir haben frühzeitig als Koalition der Regierung Aufträge erteilt. Wir sind deshalb auch erfreut, daß in dem jetzt vorgelegten Kabinettsbericht des Finanzministers zur Verringerung und Straffung von Bundesbehörden bereits ein sehr ermutigendes Zwischenergebnis mit dem Abbau und der Straffung von insgesamt 25 Teilbereichen, mit erheblichen Strukturprojekten und Pilotprojekten in der ministeriellen Verwaltung auf allen Ebenen, bis hin zum Service, deutlich wird.
    Meine Damen und Herren, das alles macht deutlich, daß wir als Parlamentarier auch im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger bei der Reform und Modernisierung unseres Staatsapparats sehr engagiert Druck machen. Wir werden auch im Haushaltswesen des Bundes die Ideen der Budgetierung und Flexibilisierung, die in einigen Modellen bereits eine interessante Gestalt angenommen haben, weiterentwickeln, weil wir wollen, daß hier Rendite erwirtschaftet wird und eines Tages auch dieses leidige Dezemberfieber ein Ende hat.
    Die aktuellen Auseinandersetzungen über Haushaltslöcher und Höhe der Neuverschuldung, Frau Matthäus-Maier und Kollege Diller - wenn er denn kommt -, sind doch nichts weiter als fruchtlose Polemik, solange Sie keine Handlungsalternativen aufzeigen

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Haben wir!)

    oder solange Sie die Polarisierung durch unbezahlbare Mehrforderungen in zweistelliger Milliardenhöhe weiter verschärfen. Hören Sie auf mit dieser Politik! Damit werden Sie kein Profil als Opposition gewinnen können.
    Bundesbank und Sachverständige haben immer wieder auf den Vorrang einer entschlossenen Sparund Konsolidierungspolitik hingewiesen. Bundesbankpräsident Tietmeyer hat dieser Tage noch einmal den fristgerechten Start der Europäischen Währungsunion nur dann für erreichbar erklärt, wenn die Teilnehmerstaaten den Mut zur konsequenten Fortsetzung der Haushaltskonsolidierung auf bringen, und zwar nicht nur einmalig, sondern nachhaltig. Genau das steht auch im Deutschland-Bericht der OECD. Wir unterstützen dies ausdrücklich.
    Die vertrauensbildende Wirkung einer stabilitätsorientierten Haushaltspolitik erlaubt daher nach unserem Verständnis nicht die von einigen empfohlene Inkaufnahme konjunktureller Defizite. Deficit-spending ist ein Weg, der mit uns nicht zu gehen ist. Im Gegenteil, meine Damen und Herren: Die Gewöhnung an die Kreditfinanzierung allgemeiner Staatsausgaben innerhalb der letzten 30 Jahre hat bereits zu einer problematischen Schulden- und Zinsdynamik geführt mit Schäden, die wir in unserer Volkswirtschaft gemeinsam tragen müssen.
    Wenn dieselben Leute, die den Weg der öffentlichen Verschuldung eingeleitet haben, heute beklagen, hier fände jetzt auf dem Weg über die Begleichung der Schulden und die Zahlung der Zinsen eine Rückverteilung von unten nach oben statt, dann ist das eine unglaubliche Bewertung dessen, was sie mit ihrer eigenen Politik ausgelöst haben und weiter verantworten müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Lachen bei der SPD)

    Wir werden im nächsten Jahr die gesamte Nettokreditaufnahme in Höhe von 56,5 Milliarden DM benötigen, um die Zinslasten aus den regulären Bundesschulden finanzieren zu können. Das ist im Grunde genommen, kapitalmarktmäßig betrachtet, ein reines Nullsummenspiel: Wir nehmen Kredite auf, um auf dem Kapitalmarkt alte Lasten bedienen zu können. Über diese regulären Bundesschulden hinaus müssen wir aber auch noch 37 Milliarden DM bedienen, die wir aus der kommunistischen Erblast im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung in die Sonderrechnungen des Bundes überführt haben. Das heißt: Wir müssen aus Haushaltsmitteln in dieser Größenordnung zusätzliche Leistungen erbringen, und zwar ausschließlich zu Lasten des Bundes.
    Deshalb, meine Damen und Herren, werden wir, wenn wir die knebelnde Zinslast in dieser Größenordnung, die von Ihnen immer wieder beklagt wird, jemals abstreifen wollen, uns am Ende des Wiedervereinigungsjahrzehnts mittelfristig auf ein Vorgehen einrichten müssen, das der Politik ausgeglichener öffentlicher Haushalte entspricht.
    Hier hat eine internationale Diskussion eingesetzt, die wir nachhaltig unterstützen können. Ich fordere den Finanzminister dazu auf und ermutige ihn, sich aktiv an dieser internationalen Diskussion zu beteiligen. Andernfalls werden wir mit Blick auf die nächste Generation diese Verschuldung des Staates nicht begrenzen können.
    Meine Damen und Herren, Erfolge werden sich auf diesem Feld nur dann einstellen, wenn auch die übrigen Beteiligten in den Ländern und Gemeinden eine gleichgerichtete Politik betreiben. Deshalb muß das, was Theo Waigel angeregt hat - eine verpflichtende Begrenzung der einzelnen Finanzierungsdefizitanteile -, konkrete Gestalt annehmen.
    Wir haben erlebt, daß wir im Haushalt 1997 trotz dieser harten Sparpolitik dem Aspekt der positiven Gestaltung eine deutliche Rolle zuordnen können. Wir werden weiterhin die Förderung der neuen Länder mit oberster Priorität betreiben. Im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" werden einschließlich der Mittel der Länder und des Europäischen Regionalentwicklungsfonds insgesamt 6,5 Milliarden DM bereitstehen. Dies ist meines Erachtens eine Basis für einen weiteren wirtschaftlichen Aufschwung in den neuen Bundesländern. Wir werden in Ostdeutsch-

    Adolf Roth (Gießen)

    land auch in den Bereichen der Forschung, Entwicklung und Innovation weiter aktiv bleiben.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, trotzdem schonen wir mit diesem Sparhaushalt die öffentlichen Investitionen. Die Quote von 13,8 Prozent liegt auf dem Niveau der Leistungen der 90er Jahre. Sie ist höher als vor der Wiedervereinigung. Unser Problem ist, daß wir bei den konsumtiven Ausgaben, wie schon geschildert, Engpässe haben, die durch die Konjunkturentwicklung auf den Haushalt zugekommen sind. Allein der Anteil der Sozialausgaben am Bundeshaushalt mit 148 Milliarden DM macht dies deutlich.
    Wir werden auf allen Feldern der Politik, dort, wo die Gestaltungsmöglichkeiten des Staates in besonderer Weise herausgefordert sind - im Verkehrshaushalt mit seinen Investitionen und im Blick auf unsere Soldaten, für die wir eine große Verantwortung empfinden, bei den großen Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr -, die notwendigen Akzente setzen, damit der investive Teil des Bundeshaushaltes verstärkt wird.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Aha!)

    Wir stehen wegen der angespannten Finanzlage vor schwierigen Ausschußberatungen. Das Jahr 1997 ist das schwierigste Haushaltsjahr dieser Legislaturperiode. Deshalb brauchen wir Verantwortungsbereitschaft, aber auch politisches Stehvermögen.
    Die im Haushaltsvollzug 1996 eingetretene Basisverschlechterung wird nicht ohne Wirkung auf das nächste Jahr sein können. Wir müssen gerade dann, wenn die Eckwerte korrigiert werden - jetzt im Herbst -, Nachkorrekturen vornehmen.
    Wir brauchen und fordern aber auch die Zustimmung des Bundesrates für die bis dato blockierten Gesetzgebungsvorhaben des Bundes. Wenn Sie dies verweigern, werden Sie weder Ihrer Haushaltsverantwortung als Bundespolitiker gerecht, noch erfüllen Sie damit vermeintliche Länderinteressen. Wenn Sie sich zu Europa bekennen, wie Sie es kürzlich auf Ihrem Bonner Kongreß getan haben, wenn Sie die Wirtschafts- und Währungsunion als einen entscheidenden Schritt für die Entwicklung Deutschlands betrachten, dann müssen Ihren Lippenbekenntnissen auch Taten folgen. Dann müssen Sie bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, mit uns die Konsolidierungspolitik fortzusetzen, bei der Begrenzung der Staatsausgaben mitzuwirken und verantwortungsbewußt an der Zukunft Deutschlands mitzuarbeiten.
    Die Fraktion von CDU und CSU wird sich dieser Pflicht stellen. Ich bin sicher: Wir werden auch diese schwierige Phase unserer Finanzentwicklung meistern können.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Nun erteile ich dem Abgeordneten Detlev von Larcher das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Detlev von Larcher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine ganze Stunde habe ich - wie vielleicht auch mancher von Ihnen - heute mittag dem Bundesfinanzminister zugehört. Mir ist Verschiedenes aufgefallen: Zum einen hat er sich unheimlich viel und intensiv gelobt. Ich habe mir gedacht: Hat er denn sonst keinen, der ihn lobt? Warum muß er sich selber so loben?

    (Beifall bei der SPD)

    Dann fiel mir ein, daß ich in meiner Kindheit ein Sprichwort über das Eigenlob gehört habe. Das war allerdings in Siebenbürgen; ich glaube aber, in Bayern gibt es das auch.

    (Beifall bei der SPD)

    Zum anderen fiel mir die Widersprüchlichkeit seiner Argumentation auf, wenn er von den Bundesländern spricht, insbesondere von denen mit sozialdemokratischen Ministerpräsidenten. Einerseits beklagt er sich, sie würden bei der Konsolidierung nicht mitmachen. Fast im selben Atemzug referiert er dann die Sparmaßnahmen in den Bundesländern. Für eines müssen Sie sich entscheiden, Herr Waigel. Beides geht nicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich bin jetzt sechs Jahre in diesem Parlament.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Was, so lange?)

    - Ich wußte, daß Sie das rufen. Ich habe in meinen Anfangsjahren immer gehört, daß die Erblast, die diese arme Bundesregierung zu übernehmen hatte, schuld an allen Fehlentwicklungen war. Jetzt ist es nicht mehr die Erblast, sondern die Blockadehaltung der Politik - nur nicht die Bundesregierung und ihre Mehrheit, die seit 14 Jahren regiert! Das ist die Arroganz der Mehrheit in diesem Hause.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Übrigens, meine Damen und Herren, wer hier sagt - das habe ich von vielen Koalitionsrednern gehört -: „Zu unserer Politik gibt es keine reale Alternative", der sagt: „Ich bin nicht diskussionsbereit, ich bin nicht bereit zuzuhören, ich bin nicht mehr bereit zu lernen." Nichts anderes heißt dies; sonst müßte man über Wege diskutieren. Wenn Sie hier sagen: „Wer nicht so will wie ich, der blockiert", machen Sie deutlich, daß Sie überhaupt nicht mehr diskutieren wollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Jeder, der heute ernsthaft debattiert, muß dieser Bundesregierung zurufen: Hört auf mit eurer Umverteilungspolitik! Hört auf, den Standort Deutschland kaputtzureden, um einen Vorwand für Umverteilung zu haben!

    (Beifall bei der SPD)

    Hört auf, mit der Abbruchbirne unseren Sozialstaat zu traktieren! Hört auf mit der Zerstörung des Fundaments einer wirklich sozialen Marktwirtschaft!

    (Beifall bei der SPD)


    Detlev von Larcher
    Hört auf mit der Steigerung der Arbeitslosigkeit! Hört auf mit der Vergrößerung der Armut in unserem reichen Land!

    (Beifall bei der SPD)

    Wer wirklich Wachstum und mehr Beschäftigung will, muß nicht wohlklingende Überschriften erfinden, sondern eine Wachstumspolitik betreiben, eine Politik des qualitativen Wachstums. Nicht ein Abbruch und eine Zerstörung der Nachfrage, sondern Investitionen in die Zukunft sind notwendig, zum Beispiel Investitionen in Forschung und Entwicklung, zum Beispiel Investitionen in die Ausbildung, zum Beispiel eine aktive Arbeitsmarktpolitik, zum Beispiel Investitionen in die Städtebauförderung.
    Das sind nur einige Punkte, bei denen Ihr Haushaltsentwurf rachitisch ist. Das sind nur einige Punkte, die die Unfähigkeit dieser Bundesregierung offenbaren, eine gute Zukunft unseres Landes zu gestalten.

    (Beifall bei der SPD Zuruf von der F.D.P.: Das ist unser Programm!)

    - Sie sagen, das ist unser Programm. Aber wie drückt sich das in Zahlen aus? - Die Zahlen drücken das Gegenteil aus. Die Zahlen des Haushaltsentwurfs sind erschreckend. Rund jede sechste Mark, die ausgegeben wird, wird aus neuen Schulden finanziert. Aber das eigentliche Problem ist nicht die hohe Neuverschuldung, die uns diese Bundesregierung beschert. Viel schlimmer ist es, wie diese katastrophale Finanzlage zustande kommt. Sie ist vor allen Dingen das Resultat Ihrer lang anhaltenden Parallelpolitik, einer Finanzpolitik, die sich wider jede wirtschaftliche Vernunft an Kriterien orientiert, die für private Wirtschaftsanlagen richtig, für den Staat aber grundverkehrt sind. Symmetrisch sollen sie angeblich sein, aber die totale soziale Asymmetrie ist die Folge.

    (Beifall bei der SPD)

    Seit dem Abbrechen des Vereinigungsbooms hetzen Bundesregierung und Koalition von einem sogenannten Sparpaket zum nächsten. Da ist es kein Wunder, daß die gebetsmühlenartigen Ankündigungen einer durchgreifenden konjunkturellen Erholung immer nur Ankündigungen geblieben sind. Die Binnennachfrage wird von Ihnen abgewürgt. Die Arbeitslosigkeit steigt weiter. Die Steuereinnahmen bleiben folgerichtig hinter den Erwartungen zurück. Die Einnahmen der Sozialversicherung entwickeln sich schwächer, während gleichzeitig die Ausgaben steigen.
    Ihr vorgebliches Ziel der Haushaltskonsolidierung und -sanierung wird deshalb regelmäßig verfehlt, wenn ausgerechnet in Rezessionsphasen Sparpakete, wie Sie es schönfärberisch nennen, geschnürt werden. Ich sage dazu: Abbruchpakete. Ihre Abbruchpolitik ist das größte Haushaltsrisiko.

    (Beifall bei der SPD)

    Sehr eindringlich haben im Frühjahr die großen Wirtschaftsforschungsinstitute davor gewarnt, einen konjunkturbedingten Anstieg der Neuverschuldung mit weiteren Sparmaßnahmen bekämpfen zu wollen. Aber wissenschaftlichen Rat nimmt diese Bundesregierung ohnehin nur dann ernst, wenn er ihr gelegen kommt.
    Als zweiter sogenannter Sachzwang zur Rechtfertigung Ihrer immer neuen Attacken auf den Sozialstaat dient Ihnen der Vertrag von Maastricht mit seinen Konvergenzkriterien für den Eintritt in die Europäische Währungsunion. Aber mit Ihrer Finanzpolitik werden Sie die Konvergenzkriterien gerade nicht erfüllen. Im Gegenteil: Weil auf Grund Ihrer völlig verfehlten Finanzpolitik die Bezugsgröße, das Bruttoinlandsprodukt, weit unter den Möglichkeiten bleibt, steigen die Defizite und die Verschuldungsquote sogar noch.
    Wie wollen Sie, Herr Minister Waigel - ist er denn überhaupt noch da? -,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ja, hier hinten! Dr. Peter Struck [SPD]: Ja, er ist da! Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Sie treiben ja jeden aus dem Saal!)

    eigentlich einen europäischen Stabilitätspakt hinbekommen, wenn Sie nicht einmal erkennen, daß Ihre Finanzpolitik in höchstem Maße destabilisierend wirkt?

    (Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Nehmen Sie das sofort zurück!)

    - Das nehme ich natürlich nicht zurück, weil es richtig ist.

    (Vorsitz : Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

    Immer wieder frage ich mich: Kann es wirklich sein, daß Sie diese grundlegenden ökonomischen Zusammenhänge nicht verstehen? Nein, antworte ich, Sie wollen die Zusammenhänge nicht sehen, weil sie dem Hauptziel Ihrer Politik im Wege stehen, für die Sie die Rekordmassenarbeitslosigkeit in Kauf nehmen, nämlich der beispiellosen Politik der Umverteilung von unten nach oben. Die Teilnehmer an den Massendemonstrationen, die der Herr Bundeskanzler frech verächtlich macht, rufen Ihnen zu: Kehrt endlich um! Wir Sozialdemokraten stehen an der Seite derer, die das rufen.

    (Beifall bei der SPD)

    Stichwort Umverteilung: Sie ist im Steuer- und Finanzchaos dieser Bundesregierung neben der Parallelpolitik die zweite Konstante. Sie hat ebenso verheerende gesamtwirtschaftliche Folgen. Ich will das an Hand einiger Zahlen zur Entwicklung des Steueraufkommens verdeutlichen: 1980 betrug der Anteil der Lohnsteuer am gesamten Steueraufkommen 30,6 Prozent; 1990 betrug er 32,3 Prozent; 1995 waren es - ohne Solidaritätszuschlag - schon 34,7 Prozent. Dagegen sank der Anteil der veranlagten Einkommensteuer von 10,1 Prozent über 6,6 Prozent im Jahre 1990 auf gerade noch 1,7 Prozent im Jahre 1995.

    (Joachim Poß [SPD]: Ja, das sind Fakten!)


    Detlev von Larcher
    Nicht wesentlich anders sehen die Zahlen bei der Körperschaftsteuer aus.

    (Joachim Poß [SPD]: Keine Ideologie, sondern Fakten!)

    Zuni Standort Deutschland. Das Münchener If o-Institut kommt in seinem jüngsten Gutachten zur Standortdebatte zu dem Ergebnis, die Effektivbelastung mit Unternehmensteuern sei in der Bundesrepublik im Vergleich zu den wichtigsten Industrieländern eher niedrig. Die Bundesregierung kommt in ihrem Standortbericht vom Juni 1994 zu dem Ergebnis, die Ertragsteuerbelastung der Unternehmen liege auf dem niedrigsten Niveau in der Geschichte der Bundesrepublik. In der Antwort auf die Kleine Anfrage der SPD-Fraktion zur Entwicklung des Steueraufkommens und der Steuerstruktur stellt die Bundesregierung fest: Von 1970 bis 1994 stieg der Anteil der Lohnsteuer an den gesamten Steuereinnahmen um 11 Prozentpunkte; gleichzeitig sank der Beitrag der Steuern aus Unternehmens- und Vermögenseinkommen um 10 Prozentpunkte. Im Bundesbankbericht vom November 1995 wird nach Untersuchungen von 17 000 Jahresabschlüssen des Jahres 1994 konstatiert: Immerhin stiegen die Gewinne vor Steuern um 34 Prozent, nach Steuern auf Grund steuerlicher Entlastungen sogar um 43 Prozent.
    Sie behaupten, mehr Arbeitsplätze auf Grund von mehr Investitionen gebe es durch die Entlastung der Unternehmen. Aber hat diese gigantische Entlastung der Unternehmen tatsächlich zu mehr Investitionen und neuen Arbeitsplätzen geführt? Jeder kann sehen, daß das nicht so ist. Nur die Bundesregierung braucht für diese Erkenntnis offenbar etwas länger. Müssen Sie unbedingt noch demonstrieren, daß auch die Abschaffung der Vermögensteuer nicht zu zusätzlichen Investitionen und wirtschaftlicher Dynamik führt, wenn die kaufkräftige Nachfrage fehlt?

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wollen Sie uns weismachen, die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer oder der gesamten Gewerbesteuer verkehre den grundsätzlichen Irrtum Ihres Ansatzes in Wahrheit?

    (Beifall bei der SPD)

    Oder bedarf es dazu einer kompletten Abschaffung
    aller Unternehmensteuern?
    Ausgerechnet die Gewerbekapitalsteuer mit 3,5 Milliarden DM Ertrag soll nun über das Wohl und Wehe des Standorts entscheiden? Ich hätte von Herrn Waigel gerne gehört, ob denn nun der Plan, die Gewerbekapitalsteuer abzuschaffen, der Einstieg in den Ausstieg aus der Gewerbesteuer insgesamt ist oder nicht. Dazu sagt er aber nichts.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD Joachim Poß [SPD]: Das ist die Frage!)

    Es führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei: Die beispiellose Umverteilung von unten nach oben ist eine weitere wichtige Ursache der schlechten wirtschaftlichen Lage. Die Beschneidung der Konsummöglichkeiten gerade derjenigen, die zusätzliches
    Einkommen auch tatsächlich ausgeben würden, vernichtet Nachfrage und damit Arbeitsplätze.
    Auch die Freistellung des Existenzminimums und die Neuregelung des Familienlastenausgleiches im Jahressteuergesetz 1996 haben dieses entscheidende Problem nur gemildert, aber nicht beseitigt. Zwar hat die SPD in diesen beiden Punkten gegen Ihren Widerstand wichtige Erfolge erzielt

    (Beifall bei der SPD Joachim Poß [SPD]: Eben, gegen Waigel!)

    und sich sehr weitgehend gegen die Position Ihrer Koalition durchgesetzt, aber eine konsequente Reform haben Sie verhindert. Und selbst den damals mühsam gefundenen Kompromiß wollen Sie nun mit dem Jahressteuergesetz 1997 wieder kippen. Dazu lassen Sie die Menschen wissen, es mache doch keinen großen Unterschied, ob die Erhöhung des Kindergeldes ein Jahr früher oder später komme. Für mich trifft das sicher zu, für Herrn Waigel auch. Aber für eine Familie mit zwei Kindern und mittlerem Einkommen ist es sehr wohl wichtig, ob sie 480 DM mehr oder weniger zur Verfügung hat.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Das ist viel, viel wichtiger als die rund 8 000 DM, die Sie dem durchschnittlichen Vermögensteuerzahler in Zukunft erlassen wollen, und das ohne jede stichhaltige Begründung. Meine Kollegin Matthäus-Maier hat schon betont, daß das Kindergeld ein Rechtsanspruch auf ein steuerfreies Existenzminimum des Kindes ist. Ich sage Ihnen: Auch die ökonomische Vernunft gebietet die pünktliche Erhöhung des Kindergeldes.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Das wichtigste Argument für den Wegfall der Vermögensteuer war doch der vom Verfassungsgericht aufgestellte Grundsatz der Halbteilung des Ertrags. Ich will mich hier gar nicht weiter darüber auslassen, wie dieser Grundsatz interpretiert werden muß. Ich möchte Sie hierzu nur fragen: Meinen Sie nicht, daß nach der von Ihnen so vollmundig angekündigten drastischen Senkung des Spitzensteuersatzes auch hinsichtlich dieses Halbteilungsgrundsatzes keinerlei Bedenken mehr gegen den Fortbestand der Vermögensteuer bestehen können?

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich verstehe sehr gut, daß Sie sich in Sachen Steuerreform selbst nicht über den Weg trauen.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Genau!)

    Schließlich war es doch diese Bundesregierung, die gleich nach der Bundestagswahl den Zwischenbericht der Bareis-Kommission sofort in den Reißwolf gesteckt hat. Wie sollte es da ausgerechnet Ihnen gelingen, einen tragfähigen Reformvorschlag zu machen, der die dringend notwendige Steuervereinfachung mit der Wiederherstellung des Leistungsfähigkeitsprinzips bei der Besteuerung verbindet? Das Sommertheater, das Ihre selbsternannten Steuer-

    Detlev von Larcher
    experten aufgeführt haben, bestätigt meine Einschätzung auch voll und ganz. Noch bevor ein einziger konkreter Vorschlag zum Abbau von Steuervergünstigungen das Licht der christlich-liberalen Welt erblickt hat, liegt sich die Koalition erst einmal wegen des Termins in den Haaren, wobei die wahltaktischen Motive der Koalitionspartner allzu offensichtlich waren. Jetzt können Sie von der F.D.P. ja einmal für unseren Termin stimmen. Ich bin neugierig, wie ernst Sie das meinen.
    Ich sage Ihnen: Es wird mit dieser Koalition keine wirkliche Steuerreform geben können. Man muß sich ja nur anschauen, wie Sie sich gegenseitig die Brokken um die Ohren werfen. Der F.D.P.-Vorsitzende kritisiert Herrn Schäuble, weil der von einem Nettobetrag der Entlastung in Höhe von nur 20 bis 30 Milliarden DM ausgeht; Herr Gunnar Uldall will über 100 Milliarden DM bewegen; Herr Hintze tröstet uns nun damit: Am 7. Oktober wird etwas beschlossen, aber das ist nur möglicherweise sehr konkret. Also, ich glaube, Sie kriegen das nicht hin.

    (Uwe Lühr [F.D.P.]: Ihr auch nicht!)

    Alles, was von Ihrem Jahrhundertprojekt noch übrig ist, ist der Stufentarif mit Spitzensteuersätzen, die einen fetten Reibach für Spitzenverdiener versprechen; vom Abbau von Steuervergünstigungen reden Sie kaum noch, wie auch. Sie waren es doch, die mit immer neuen Steuergesetzen jeweils mit großem Tamtam ein paar Steuersubventionen gestrichen haben, während mindestens doppelt so viele neu hinzugekommen sind.
    Das neue Zauberwort der Koalition für die Gegenfinanzierung der Tarifsenkung lautet nun: Mehrwertsteuererhöhung. Das ist sicherlich der bequemste Weg. Auf dem Gehaltszettel stehen dann für alle niedrigere Steuern; nur, das Portemonnaie wird für die meisten noch leerer sein als bisher. Als Steuersenkungskoalition wollten Sie in die Sommerpause gehen, als Mehrwertsteuererhöher sind Sie aus ihr herausgekommen. Phantastische Versprechen vor der Sommerpause - Sie sind gestürzt, ehe Sie gestartet sind.

    (Beifall bei der SPD)

    Die wahren Ziele Ihrer Politik versuchen Sie zu verschleiern hinter wohlklingenden Überschriften. Die Ergebnisse Ihrer Politik sind Massenarbeitslosigkeit, mehr Armut in einer reichen Gesellschaft und Rekordschulden. Der Vollzug Ihres heute eingebrachten Haushaltsentwurfs, Herr Waigel, wird diese Spirale noch beschleunigen. Wer es mit unserem Volk gut meint, muß diesen Entwurf ablehnen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)