Rede von
Adolf
Roth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Haushaltsdebatten sind politische Bilanztermine. Es ist sicher angebracht und auch angemessen, daß man bei dieser Gelegenheit Erfolge herausstellt.
Ein zentraler Erfolg ist, daß die Bundesregierung von Helmut Kohl mit diesem Haushalt 1997 bereits den 15. Jahresetat hier präsentiert und der Finanzminister Waigel übrigens seinen achten Jahresetat.
- Meine Damen und Herren von der SPD, es mag Sie erregen, aber dies ist Ausdruck der vernünftigen Kontinuität der deutschen Politik und beweist den Stellenwert, den wir inzwischen international erreicht haben. Wir werden diese Stabilität verteidigen.
Es wird sich auch herausstellen, daß sich die Voraussage von Herbert Wehner damals, daß Sie mindestens 15 Jahre auf die Oppositionsbänke verbannt sein würden, in der zeitlichen Dimension noch in die Zukunft fortsetzt.
Wir haben zwei große Etappen hinter uns: Wir haben sieben erfolgreiche Konsolidierungs- und Aufschwungjahre von 1982 bis 1989 und haben jetzt sieben schwierige Aufbau- und Stabilisierungsjahre im vereinigten Deutschland gemeinsam mit dieser Koalition gemeistert. Ich habe heute in den Beiträgen der Opposition nicht ein einziges Mal den Begriff der Wiedervereinigung Deutschlands gehört und eine Darstellung ihrer Auswirkungen und Herausforderungen in bezug auf die deutsche Finanzpolitik gefunden. Das ist bezeichnend genug.
Diese Koalition von CDU/CSU und F.D.P. braucht sich fürwahr ihrer Leistungen nicht zu schämen, die sie in den letzten Jahren in Deutschland erbracht hat. Begraben muß man allerdings offenbar die Hoffnung, daß sich die SPD in der Opposition auf ihre alten Tage von den stereotypen Angriffsbildern löst, die sie uns in der Tat in diesen letzten 14 Jahren immer wieder zugemutet hat - auch heute.
Ich bin fast versucht, einen Begriff aufzunehmen, den ein Leitartikler der „New York Times", des amerikanischen Weltblattes, dieser Tage verwandt hat, als er die Befindlichkeit der Menschen im wiedervereinigten Deutschland beschrieben hat. Die Überschrift des Kommentars lautete: ,,Grumpy Germany". Das heißt übersetzt: das mißmutige, brummelige Deutschland. Sie verkörpern mit Ihrer Attitüde, die Sie auch hier im Parlament verbreiten, dieses mürrische Deutschland in Reinkultur.
Das einzige, was im Ausland wirlich verblüfft, ist, wie es den Deutschen gelungen ist, trotz der Bürde der Wiedervereinigung heute so gut dazustehen. So steht es jedenfalls in diesem Kommentar. Es heißt weiter: Bonn läßt jedes Jahr mehr Geld in die neuen Bundesländer fließen, als der gesamte Marshallplan heute in Dollar-Werten ausmachen würde.
Ich habe Verständnis dafür, daß die Amerikaner diese Leistungsfähigkeit verwundert. Ich habe aber
Adolf Roth
nicht das Gefühl, daß es Sie von der SPD je beeindruckt hat, was hier gemeinsam geleistet worden ist.
Deshalb ist diese Debatte wichtig, um eine Bilanz dieser Politik zu ziehen.
Das Ignorieren und Schlechtreden ändert doch nichts an den Tatsachen: Es hat keine wirtschaftlichen Verwerfungen nach der Wiedervereinigung gegeben. Die D-Mark ist heute national und international stabiler denn je. Wir haben ein Höchstmaß an Preisstabilität. Wir haben niedrige Zinsen, und sie bleiben auf Sicht niedrig. Wir haben allerdings auch Schwierigkeiten; diese sind heute mehr als einmal angeklungen. Aber diese Koalition wird ihren Weg der Konsolidierung und der finanzpolitischen Verantwortung weitergehen. Es wird uns gelingen, genau wie in den 80er Jahren, diese große Herausforderung zu meistern.
Ausgabenkontrolle ist in der heutigen Zeit eine zentrale Herausforderung an eine verantwortliche Politik. Wir haben durch eine beispielhafte Spar- und Konsolidierungspolitik über viele Jahre hinweg bewiesen, daß man im Bereich der öffentlichen Haushalte sparsam wirtschaften kann. Wir haben im nächsten Jahr einen Ausgabenrückgang von 2,5 Prozent. Dies ist schon der dritte Jahreshaushalt in Folge, der einen Rückgang verzeichnen wird. Wer jetzt von der Opposition immer wieder öffentlich ins Feld führen will, wir hätten damit den Beweis erbracht, daß wir die Ausgaben nicht unter Kontrolle hätten, der übersieht, daß der Anteil der Bundesausgaben am Bruttosozialprodukt in Deutschland - auch im Finanzplan, der jetzt für die Jahre 1996 bis 2000 vorgelegt wird - deutlich zurückgegangen ist. Am Ende dieses Jahrzehnts werden wir mit diesen Ausgaben sogar noch niedriger liegen, als dies im Jahre 1994 der Fall gewesen ist. Schon diese Tatsache beweist doch die Anstrengung, die unsere Koalition unternommen hat. Es wird bei dieser Politik auch bleiben.
Wichtig wäre allerdings, daß die Zielorientierung dieser Koalition - Senkung der Staatsquote, mehr Wachstum und Beschäftigung, verbesserte Standortqualität und damit verbesserte Wettbewerbsfähigkeit - von allen Entscheidungsträgern und von allen Verantwortungsebenen in Deutschland akzeptiert wird. Das stellt eine Herausforderung auch für die anderen Gebietskörperschaften dar, denn wir leben in einer bundesstaatlichen Verfassung.
Wir können es uns auf Dauer nicht leisten, daß andersgeartete Mehrheiten im anderen Verfassungsorgan, im Bundesrat, den Weg der Gesundung und Konsolidierung dauerhaft blockieren. Voraussetzung für eine nachhaltige Stabilisierung und Gesundung ist allerdings die Begrenzung der Finanzierungsdefizite. Das ist eine Achillesferse unserer Politik - das ist immer wieder deutlich geworden -, weil der öffentliche Haushalt mit den konjunkturellen Entwicklungen sozusagen mitatmet und Schwierigkeiten bei
Konjunktur und Arbeitsmarkt im Bundeshaushalt voll ihren Niederschlag finden.
Sie dürfen doch den Finanzminister in seiner Entschlossenheit nicht unterschätzen. Sie können ihn doch nicht kritisieren; denn er hat bereits vor wichtigen Wahlterminen, im Frühjahr dieses Jahres, nach § 41 unserer Bundeshaushaltsordnung mit einer Haushaltssperre gegengesteuert. Er hat frühzeitig die Zügel in die Hand genommen.
Es ist uns auch in diesem Jahr, obwohl der Haushalt schon sehr knapp geschneidert war, gelungen, eine ganz erhebliche Entlastung herbeizuführen. Andernfalls würde die Nettoneuverschuldung in diesem Jahr wegen der verminderten Steuereinnahmen in diesem Haushaltsjahr, bei denen wir nicht auch noch über die Ausgabenseite gegensteuern konnten, weiter ausufern.
Sie wären glaubwürdiger als Opposition, wenn Sie auf einen eigenen Konsolidierungsbeitrag verweisen könnten. Defizit-Astrologie ist kein Ersatz für konzeptionelle Politik.
Wir wären in der Standortmodernisierung weitergekommen, wenn Sie über den Bundesrat föderale Mitverantwortung und nicht Gesetzgebungsblockade praktiziert hätten.
Der auch von Ihnen immer wieder strapazierte Begriff der angeblich leeren Staatskassen trägt doch nur zur Unschärfe der Diskussion bei. Tatsache ist, daß im nächsten Jahr, 1997, über die öffentlichen Haushalte einschließlich der Sonderrechnungen in Deutschland mehr als 1 200 Milliarden DM Ausgaben getätigt werden, ein volles Drittel des für das nächste Jahr erwarteten Bruttoinlandsprodukts von 3 671 Milliarden DM.
1,2 Billionen DM Ausgabenvolumen im Staatsbereich bedeuten eine gewaltige parlamentarische Haushaltsverantwortung. Diese Haushaltsverantwortung muß auch von Ihnen als Opposition getragen werden, hier und anderenorts; denn Sie sind auf den übrigen Ebenen, wo Sie Verantwortung tragen, mit der gleichen Problemsituation konfrontiert.
Leere Kassen sind also nicht das Problem. Das Problem sind leere Versprechungen, die gemacht werden, ohne daß sie bezahlt werden könnten. Das ist die Situation.
Auch das immer wieder kritisierte sogenannte Sparpaket nimmt den Bürgern doch nichts weg. Es verbietet lediglich den Staats- und Sozialkassen, Geld auszugeben, das überhaupt nicht verfügbar ist. Wir vermeiden Beitragserhöhungen zu Lasten der
Adolf Roth
Bürger. Deshalb sparen wir, und deshalb konsolidieren wir.
Natürlich ist die im Haushaltsentwurf 1997 vorgesehene Nettokreditaufnahme von 56,5 Milliarden DM zu hoch, wenn man von ehrgeizigeren Konsolidierungszielen ausgeht, zu hoch, wenn man die Dinge auf der Basis unseres alten Finanzplans bewertet. Das ist unsere Auffassung. Deshalb verteidigen wir diesen Eckwert und gehen nicht sehenden Auges in eine politische Entwicklung hinein, an deren Ende zusätzliche Etatrisiken hingenommen werden müßten.
Kritik an der Verschuldungshöhe ist berechtigt. Aber sie ist so lange unglaubwürdig, wie sie nicht von der Bereitschaft einer ernsthaften Überprüfung aller an den Staat gerichteten Leistungsansprüche begleitet wird. Wir müssen dort Korrekturen anbringen, wo die Defizite ihren Ursprung haben, und das sind die gesetzlichen Transferleistungen. Ohne Umschichtung und ohne Leistungskürzungen wird das auf Dauer nicht finanzierbar sein.
Deshalb müssen auch die SPD und der Bundesrat an dieser inhaltlichen Diskussion aktiv teilnehmen und ihren Teil der Verantwortung mit übernehmen.
Der Finanzminister hat die volle Unterstützung der CDU/CSU-Fraktion, wenn er sagt, daß die im Etatentwurf veranschlagte Defizitlinie bis zur Verabschiedung des Haushalts verteidigt werden muß und daß wir von diesem Weg nicht abgehen können. Das Bundeskabinett hat im Etatentwurf bereits auf Beschluß der Koalition und der Fraktionen erhebliche Ressorteinsparungen vorgenommen, 7 Milliarden DM, verteilt auf die Einzelpläne. 18 von 26 Einzelplänen zeichnen sich durch ein Minus bei den Ausgaben aus. Es ist also ein gewaltiger Kraftakt, der schon jetzt dem Haushalt zugrunde liegt.
Wir werden für diese gesamte Legislaturperiode, so wie zu Beginn beschlossen, am Haushaltsmoratorium festhalten. Das heißt im Klartext: Wir haben keinerlei Möglichkeiten für neue ausgabenwirksame Leistungen. Das gilt auch für jeden Versuch, mit zusätzlichen Ausgaben der Konjunktur in irgendeiner Weise auf die Beine helfen zu wollen. Strohfeuerpolitik dieser Art hat in der Vergangenheit regelmäßig in die Sackgasse zerstörter Handlungsspielräume und einer höheren Verschuldung geführt. Deshalb wird diese Politik bei uns keine Nahrung finden.
Unser Weg besteht aus den Programmen für Investition, für Wachstum und für Beschäftigung.
In unserer Zielstrategie 2000 legen wir fest, welcher Staatsanteil, welches Maß an öffentlicher Neuverschuldung und welche Entwicklung im Bereich der Kosten unserer Wirtschaft, der Steuern und Abgaben zur Absicherung unseres Sozialstaates auch für künftige Generationen erforderlich sind. Allerdings müssen im Rahmen des nationalen Stabilitätspaktes, den der Bundesfinanzminister mit Recht in diesem Jahr in die Diskussion gebracht hat, alle öffentlichen Ausgaben langsamer wachsen als das Bruttoinlandsprodukt, die gesamtwirtschaftliche Leistung. Dies ist, ich wiederhole es, auch die Herausforderung an Länder und Gemeinden.
Die SPD müßte eigentlich begreifen, daß die Zementierung brüchig gewordener Besitzstände und eine platte Obstruktionspolitik weder ihrer Partei noch den Menschen in Deutschland nutzt.
Das ist doch die Situation. Sie haben in der heutigen Debatte mehr als einmal offenbart, wie Sie dieses Dilemma spüren, in dem Sie sich heute mit Ihrer fehlgeleiteten Strategie befinden.
In Wirklichkeit geht es darum, unser Sozialbudget von ebenfalls 1 200 Milliarden DM, also etwa ein Drittel des Leistungsvermögens in unserem Staat, sicherer zu machen. Die Idee vom Sozialstaat hat doch ihre Rechtfertigung dadurch, daß von einzelnen Menschen nicht tragbare Risiken in Solidarität mit anderen unter einer fairen Beteiligung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen werden. Eine Umverteilungsmaschine, in der die Gutwilligen zahlen und die Cleveren kassieren, kann dieser Sozialstaat jedenfalls nach unserer Auffassung nicht sein. Wir müssen die Aktiven, die Verantwortungsbereiten und die Vorausschauenden mit unserer Politik motivieren. Damit helfen wir den Bedürftigen in diesem Land, den sozial Schwächeren am allerbesten.
So gesehen sind die Haushaltseinsparungen des Bundes ebenso wichtig wie unverzichtbar, wenn wir auf dem steinigen Weg eines bedarfsgerechten Umbaus unseres Sozialstaates vorankommen wollen. Uns Haushaltspolitikern sind daher die Rückführung der Staatsquote und die damit einhergehende Beschränkung der Staatstätigkeit keine inhaltsleeren Programmfloskeln. Wir fordern seit Jahren und forcieren als Haushaltsgesetzgeber die Personalverringerung in der Bundesverwaltung. Wir werden dafür sorgen, daß auch im kommenden Jahr die Reduzierung der Personalstellen beim Bund auf 322 000 Stellen die Untergrenze bleibt; das ist insgesamt ein Abbau um weitere 1,5 Prozent. Wir haben damit übrigens gegenüber dem Spitzenstand des Jahres 1992 - damals waren es 381 000 Stellen - inzwischen einen Abbau von nicht weniger als 60 000 Positionen erreicht. Dabei sind die Soldaten der Bundeswehr nicht mitgerechnet.
Meine Damen und Herren, das ist eine sehr beachtenswerte Leistung. Wir werden den Anteil der Personalausgaben einschließlich der Versorgungsleistungen als Bund auch weiterhin auf der Basis des Trends entwickeln, der sich in den letzten 20 Jahren
Adolf Roth
gezeigt hat. Seit den 70er Jahren ist nämlich die Quote der Personalausgaben im Bundeshaushalt um ein volles Viertel, von 16 auf 12 Prozent der Bundesausgaben, zurückgegangen. Ich denke, wir müssen gerade den Parlaments- und Regierungsumzug nach Berlin nutzen und als erstrangige Chance begreifen, diesen Prozeß der weiteren Entschlackung und Optimierung im Staatsapparat voranzubringen.
Wir haben frühzeitig als Koalition der Regierung Aufträge erteilt. Wir sind deshalb auch erfreut, daß in dem jetzt vorgelegten Kabinettsbericht des Finanzministers zur Verringerung und Straffung von Bundesbehörden bereits ein sehr ermutigendes Zwischenergebnis mit dem Abbau und der Straffung von insgesamt 25 Teilbereichen, mit erheblichen Strukturprojekten und Pilotprojekten in der ministeriellen Verwaltung auf allen Ebenen, bis hin zum Service, deutlich wird.
Meine Damen und Herren, das alles macht deutlich, daß wir als Parlamentarier auch im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger bei der Reform und Modernisierung unseres Staatsapparats sehr engagiert Druck machen. Wir werden auch im Haushaltswesen des Bundes die Ideen der Budgetierung und Flexibilisierung, die in einigen Modellen bereits eine interessante Gestalt angenommen haben, weiterentwickeln, weil wir wollen, daß hier Rendite erwirtschaftet wird und eines Tages auch dieses leidige Dezemberfieber ein Ende hat.
Die aktuellen Auseinandersetzungen über Haushaltslöcher und Höhe der Neuverschuldung, Frau Matthäus-Maier und Kollege Diller - wenn er denn kommt -, sind doch nichts weiter als fruchtlose Polemik, solange Sie keine Handlungsalternativen aufzeigen
oder solange Sie die Polarisierung durch unbezahlbare Mehrforderungen in zweistelliger Milliardenhöhe weiter verschärfen. Hören Sie auf mit dieser Politik! Damit werden Sie kein Profil als Opposition gewinnen können.
Bundesbank und Sachverständige haben immer wieder auf den Vorrang einer entschlossenen Sparund Konsolidierungspolitik hingewiesen. Bundesbankpräsident Tietmeyer hat dieser Tage noch einmal den fristgerechten Start der Europäischen Währungsunion nur dann für erreichbar erklärt, wenn die Teilnehmerstaaten den Mut zur konsequenten Fortsetzung der Haushaltskonsolidierung auf bringen, und zwar nicht nur einmalig, sondern nachhaltig. Genau das steht auch im Deutschland-Bericht der OECD. Wir unterstützen dies ausdrücklich.
Die vertrauensbildende Wirkung einer stabilitätsorientierten Haushaltspolitik erlaubt daher nach unserem Verständnis nicht die von einigen empfohlene Inkaufnahme konjunktureller Defizite. Deficit-spending ist ein Weg, der mit uns nicht zu gehen ist. Im Gegenteil, meine Damen und Herren: Die Gewöhnung an die Kreditfinanzierung allgemeiner Staatsausgaben innerhalb der letzten 30 Jahre hat bereits zu einer problematischen Schulden- und Zinsdynamik geführt mit Schäden, die wir in unserer Volkswirtschaft gemeinsam tragen müssen.
Wenn dieselben Leute, die den Weg der öffentlichen Verschuldung eingeleitet haben, heute beklagen, hier fände jetzt auf dem Weg über die Begleichung der Schulden und die Zahlung der Zinsen eine Rückverteilung von unten nach oben statt, dann ist das eine unglaubliche Bewertung dessen, was sie mit ihrer eigenen Politik ausgelöst haben und weiter verantworten müssen.
Wir werden im nächsten Jahr die gesamte Nettokreditaufnahme in Höhe von 56,5 Milliarden DM benötigen, um die Zinslasten aus den regulären Bundesschulden finanzieren zu können. Das ist im Grunde genommen, kapitalmarktmäßig betrachtet, ein reines Nullsummenspiel: Wir nehmen Kredite auf, um auf dem Kapitalmarkt alte Lasten bedienen zu können. Über diese regulären Bundesschulden hinaus müssen wir aber auch noch 37 Milliarden DM bedienen, die wir aus der kommunistischen Erblast im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung in die Sonderrechnungen des Bundes überführt haben. Das heißt: Wir müssen aus Haushaltsmitteln in dieser Größenordnung zusätzliche Leistungen erbringen, und zwar ausschließlich zu Lasten des Bundes.
Deshalb, meine Damen und Herren, werden wir, wenn wir die knebelnde Zinslast in dieser Größenordnung, die von Ihnen immer wieder beklagt wird, jemals abstreifen wollen, uns am Ende des Wiedervereinigungsjahrzehnts mittelfristig auf ein Vorgehen einrichten müssen, das der Politik ausgeglichener öffentlicher Haushalte entspricht.
Hier hat eine internationale Diskussion eingesetzt, die wir nachhaltig unterstützen können. Ich fordere den Finanzminister dazu auf und ermutige ihn, sich aktiv an dieser internationalen Diskussion zu beteiligen. Andernfalls werden wir mit Blick auf die nächste Generation diese Verschuldung des Staates nicht begrenzen können.
Meine Damen und Herren, Erfolge werden sich auf diesem Feld nur dann einstellen, wenn auch die übrigen Beteiligten in den Ländern und Gemeinden eine gleichgerichtete Politik betreiben. Deshalb muß das, was Theo Waigel angeregt hat - eine verpflichtende Begrenzung der einzelnen Finanzierungsdefizitanteile -, konkrete Gestalt annehmen.
Wir haben erlebt, daß wir im Haushalt 1997 trotz dieser harten Sparpolitik dem Aspekt der positiven Gestaltung eine deutliche Rolle zuordnen können. Wir werden weiterhin die Förderung der neuen Länder mit oberster Priorität betreiben. Im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" werden einschließlich der Mittel der Länder und des Europäischen Regionalentwicklungsfonds insgesamt 6,5 Milliarden DM bereitstehen. Dies ist meines Erachtens eine Basis für einen weiteren wirtschaftlichen Aufschwung in den neuen Bundesländern. Wir werden in Ostdeutsch-
Adolf Roth
land auch in den Bereichen der Forschung, Entwicklung und Innovation weiter aktiv bleiben.
Meine Damen und Herren, trotzdem schonen wir mit diesem Sparhaushalt die öffentlichen Investitionen. Die Quote von 13,8 Prozent liegt auf dem Niveau der Leistungen der 90er Jahre. Sie ist höher als vor der Wiedervereinigung. Unser Problem ist, daß wir bei den konsumtiven Ausgaben, wie schon geschildert, Engpässe haben, die durch die Konjunkturentwicklung auf den Haushalt zugekommen sind. Allein der Anteil der Sozialausgaben am Bundeshaushalt mit 148 Milliarden DM macht dies deutlich.
Wir werden auf allen Feldern der Politik, dort, wo die Gestaltungsmöglichkeiten des Staates in besonderer Weise herausgefordert sind - im Verkehrshaushalt mit seinen Investitionen und im Blick auf unsere Soldaten, für die wir eine große Verantwortung empfinden, bei den großen Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr -, die notwendigen Akzente setzen, damit der investive Teil des Bundeshaushaltes verstärkt wird.
Wir stehen wegen der angespannten Finanzlage vor schwierigen Ausschußberatungen. Das Jahr 1997 ist das schwierigste Haushaltsjahr dieser Legislaturperiode. Deshalb brauchen wir Verantwortungsbereitschaft, aber auch politisches Stehvermögen.
Die im Haushaltsvollzug 1996 eingetretene Basisverschlechterung wird nicht ohne Wirkung auf das nächste Jahr sein können. Wir müssen gerade dann, wenn die Eckwerte korrigiert werden - jetzt im Herbst -, Nachkorrekturen vornehmen.
Wir brauchen und fordern aber auch die Zustimmung des Bundesrates für die bis dato blockierten Gesetzgebungsvorhaben des Bundes. Wenn Sie dies verweigern, werden Sie weder Ihrer Haushaltsverantwortung als Bundespolitiker gerecht, noch erfüllen Sie damit vermeintliche Länderinteressen. Wenn Sie sich zu Europa bekennen, wie Sie es kürzlich auf Ihrem Bonner Kongreß getan haben, wenn Sie die Wirtschafts- und Währungsunion als einen entscheidenden Schritt für die Entwicklung Deutschlands betrachten, dann müssen Ihren Lippenbekenntnissen auch Taten folgen. Dann müssen Sie bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, mit uns die Konsolidierungspolitik fortzusetzen, bei der Begrenzung der Staatsausgaben mitzuwirken und verantwortungsbewußt an der Zukunft Deutschlands mitzuarbeiten.
Die Fraktion von CDU und CSU wird sich dieser Pflicht stellen. Ich bin sicher: Wir werden auch diese schwierige Phase unserer Finanzentwicklung meistern können.
Herzlichen Dank.