Rede von
Gerhard
Zwerenz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zur Pfingstkrise dieses Jahres 1996 in den deutsch-tschechischen Beziehungen trug leider auch das unverständliche Verhalten unseres Außenministers Kinkel bei, der in dieser Zeit kurz vordem die Geltung des Potsdamer Abkommens für Bonn in Abrede stellte.
Was immer von verschiedenen juristischen Seiten zum Potsdamer Abkommen gesagt werden kann: Das Abkommen ist für uns nicht zuvörderst juristischer Natur, sondern ein politisches Dokument der deutschen Niederlage in dem von Deutschland provozierten Angriffs- und Vernichtungskrieg, über den, um mit einem Wort des Prager Premiers Klaus zu sprechen, die Deutschen - ich zitiere - mit Bedauern reden sollten, jedenfalls nicht auftrumpfend, jedenfalls nicht eskalierend, angstmachend, in einer Siegessprache wie auf dem Pfingstreffen, besonders dem letzten.
Insgesamt waren die Nürnberger Pfingsttreffen der sudetendeutschen Landsmannschaften in ihrem Provokationswert zwar stets unüberhörbar, aber zu ertragen, solange daraus nicht bayerisches Landes- und deutsches Bundesrecht gemacht worden ist. Das letztere erst läßt aus Pfingsten 1996 den staatspolitischen Skandalfall werden, den der immer noch amtierende CSU-Generalsekretär Protzner mit dem ihm eigenen Ungeschick steigert, indem er schwadroniert, die Deutschen wollten fürderhin nicht allein im Büßerhemd herumlaufen.
Ich stelle fest: Uns ist nicht gedient, wenn überhaupt jemand im Büßerhemd herumläuft. Dies den Tschechen anzusinnen ist eine ungeheuerliche germanische Unverschämtheit.
Es geht nämlich darum, aufrecht zu gehen nach einem konsequenten Bruch mit dieser Vergangenheit Deutschlands, das schuldig ist an diesem Krieg. Diesen Bruch verweigern Sie.
Für die Gruppe der PDS erkläre ich: Wir wissen, die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs wurden nicht, wie politische Heuchelei meist auch heute noch behauptet, im deutschen Namen begangen, sondern von Deutschen begangen. Wir haben das Potsdamer Abkommen deshalb stets nicht nur anerkannt, sondern als eine moralische und politische Schlußfolgerung gesehen - und Schlußfolgerungen daraus gezogen, nämlich daß es keinerlei Rückkehr in den deutschen Nationalismus und Rassismus geben dürfe. Unser Bruch ist endgültig, und da gibt es kein Zurück in irgendeine Vergangenheit. Das Recht auf Heimat läßt sich nicht rückwirkend auf die Geschehnisse und auf die gewiß besonders für die vertriebenen Sudetendeutschen bedauerlichen Folgen des deutschen Angriffskrieges anwenden.
Es gibt auch kein durchsetzbares Recht auf Rückkehr ins Leben. Wenn es dies nämlich gäbe, dann müßten wir 40 Millionen Tote ertragen, die dann auferstehen und eine Rückkehr in ihr Leben fordern würden, das ihnen schließlich durch unsere, durch Deutschlands Schuld genommen worden ist.
Gerhard Zwerenz
Ich glaube, für die PDS darf ich dem tschechischen Volk auch unser Bedauern darüber aussprechen, daß deutsche Politiker wieder in die Sprache der Macht, der Drohung und der Schamlosigkeit zurückfielen.
Ich selbst war im Jahre 1938 13 Jahre alt, als ich meine sächsische Volksschule tagelang nicht betreten durfte, weil dort ein sudetendeutsches Freikorps aufgestellt, bewaffnet und trainiert worden ist, das dann beim Marsch über die Grenze tschechische Verkehrspolizisten ermordet hat.
Daß 58 Jahre später von Deutschen Forderungen an Prag gestellt werden, empfinde ich als politisch borniert, menschlich enttäuschend, moralisch verwerflich.
Ich darf allerdings hinzufügen: Wie zu vernehmen ist, bewirkten einige CDU-Abgeordnete, daß dem tschechischen Botschafter in Bonn ein sudetendeutscher Kulturpreis verliehen wird. Wir gratulieren dem Botschafter, der im Neben- oder auch im Hauptberuf ein interessanter tschechischer Dichter gewesen ist und ist und sich auch als Exponent des Prager Frühlings zu bewahren verstanden hat.
Wir gratulieren dem Botschafter zu diesem Preis; wir gratulieren den CDU-Abgeordneten, die geholfen haben, daß ihm dieser Preis verliehen wird. Wir gratulieren ihnen zu dieser Umkehr, weil wir meinen, dies ist der Anfang einer Umkehr auf dem Weg zur Besserung.
Ich danke Ihnen.