Rede von
Adolf
Roth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Diller, ich kann Sie irgendwie ganz gut verstehen.
Die SPD ist als Partei und als Fraktion schon lange gänzlich von der Rolle. Aus den Chaostagen im Sommer sind Wochen und sogar Monate geworden. Vor diesem Hintergrund ist es natürlich verständlich, daß Sie nach einem politischen Szenenwechsel geradezu süchtig sind. Sie haben aber scheinbar nicht gemerkt, daß Sie zu diesem Anlaß das absolut falsche Thema und auch die falsche Zielscheibe gewählt haben.
Eines garantiere ich Ihnen: Der Arbeitsplatz von Theo Waigel ist garantiert sicherer als der Arbeitsplatz von Rudolf Scharping.
Ein Weiteres müssen Sie ertragen: Dem Bundeskanzler Helmut Kohl fällt nach 13 erfolgreichen Amtsjahren das Regieren allemal leichter als der SPD die Rolle der Opposition unter ihrem mittlerweile sechsten Gegenkandidaten.
: Sagen Sie mal etwas zum Haushalt! - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da fallen einem ja die letzten Haare aus!)
Es trifft sich gut, daß der Finanzminister Theo Waigel inzwischen genauso lange im Amt ist
wie der zweite Finanzminister, den die Regierung Helmut Kohl gestellt hat, Gerhard Stoltenberg.
Wir sind auf beide Finanzminister stolz. Sie haben beide unsere Anerkennung; sie haben beide Großes geleistet. Beide haben immer unser Vertrauen gehabt.
Deshalb lautet die ruhige Botschaft dieser Haushaltswoche:
Die Koalitionsfraktionen, CDU/CSU und F.D.P., werden den Bundeshaushalt 1996 in der zweiten und in der dritten Lesung mit ihrer stabilen Mehrheit so verabschieden, wie wir ihn in arbeitsreichen Wochen im Haushaltsausschuß fertiggestellt haben.
Adolf Roth
Dieser Bundeshaushalt ist ein klassischer Sparhaushalt.
- Herr Kollege Fischer, an Ihrer Stelle wäre ich etwas zurückhaltender. Ihr etwas verwahrloster hessischer Landesverband diskutiert jetzt auf Landesdelegiertentagungen, ob Ihre Partei eine normale oder mittlerweile eine stinknormale Partei geworden ist, wobei darüber gestritten wird, auf welcher Silbe die eigentliche Betonung liegt.
Die Konsolidierungsziele und Eckwerte, die wir im Sommer im Regierungsentwurf aufgestellt haben, sind ebenso wie die Stabilitäts- und Haushaltskriterien der Europäischen Union, also die niedrige Inflation, das begrenzte öffentliche Defizit und die beschränkte Gesamtschuldenaufnahme der öffentlichen Hand, eingehalten worden.
Kollege Diller, die Flucht in höhere Steuern oder zusätzliche Schulden findet nicht statt.
Das ist Ihr Pech - denn Sie haben das seit Monaten angekündigt -, aber es ist gut für die deutschen Steuerzahler, die Verbraucher und die Wirtschaft. Dieser Haushalt ist ausgeglichen. Er paßt in die konjunkturpolitische Landschaft, ist stabilitätsgerecht, vertrauensbildend
und widerlegt Punkt für Punkt das Katastrophengeschwätz, mit dem die Opposition das Fehlen einer eigenen Alternative in diesem Haus überdecken will.
Ich habe mir wirklich ernsthaft vorgenommen, Kollege Diller, der Sie jetzt telefonieren,
mir zu notieren, was Sie in Ihrem Beitrag an haushaltspolitischen Alternativen vorgebracht haben.
Ich habe auch das Alternativkonzept des SPD-Fraktionsvorsitzenden Scharping mitgebracht, um beides zusammenschreiben zu können. Hier ist das Konzept: Hinten nichts, vorne nichts! Leeres Blatt, leeres Gerede! Von einer Regierungsfähigkeit sind Sie Welten entfernt. Ich sage Ihnen: Das wird auch so bleiben.
Wenn Sie nämlich über ein schlüssiges Haushaltskonzept verfügten, dann hätten Sie das hier vorgetragen und nicht auf die dritte Lesung verschoben. Damit hätten Sie vielleicht mehr Aufmerksamkeit erzielen können als mit Ihrem verunglückten Auszugsmanöver bei der Haushaltsschlußberatung. Budenzauber, Ramba-Zamba - das alles war für die Öffentlichkeit sehr eindrucksvoll. Es ist aber kein Ersatz für eine anständige und seriöse Politik. Sie haben sich damit eher blamiert.
Da wir als Haushaltspolitiker unsere eigenen Traditionen haben, möchte ich an dieser Stelle innehalten und es trotz aller Kritik nicht versäumen, mich nach diesen Wochen der Arbeit bei allen Haushaltskollegen zu bedanken. Das gilt für die Haushälter der SPD wie auch für die der CDU/CSU und der F.D.P., vor allem für meinen Kollegen Dr. Wolfgang Weng. Ich möchte meinen Dank aussprechen für eine bis zur Schlußwoche durchaus zügige und ergebnisorientierte Arbeit am Bundeshaushalt 1996. Einschließen möchte ich auch alle Mitarbeiter der verschiedenen Ebenen und die Ressorts. Besonders danke ich dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Helmut Wieczorek, für seine in allen Situationen souveräne Handhabung seines Amtes.
Erstmals seit 1953 werden wir 1996 - also nach vier Jahrzehnten - die Ausgaben des Bundes deutlich senken. Mit 451 Milliarden DM sind sie um 26 Milliarden DM unter dem Soll des laufenden Haushaltsjahres veranschlagt und liegen trotz der erkennbaren Mehrbelastungen, trotz der zusätzlich eingestellten Arbeitsmarkt-Milliarden um 700 Millionen DM unter dem Ansatz des Regierungsentwurfs.
Die investiven Ausgaben - Sie haben das als Skandal hinstellen wollen - erreichen mit über 66 Milliarden DM ein deutlich über dem Durchschnitt der letzten Jahre liegendes, konjunkturpolitisch sehr erfreuliches Niveau. Mit 59,9 Milliarden DM liegt die Nettokreditaufnahme finanzplangerecht und entspricht dem von der Koalition gesetzten Rahmen. Meine Damen und Herren, dies ist ein sauberes und gutes Ergebnis. Sie sollten es neidlos anerkennen.
Für Theo Waigel und die Bundesregierung bedeutet das enge Korsett dieser Haushaltsbewilligung aber auch - wie in den zurückliegenden Jahren - einen beträchtlichen Härtetest in der Haushaltsführung. Denn Haushaltspolitik spielt sich ja nicht an einigen wenigen Tagen ab, sondern muß auf die Dauer der zwölfmonatigen Geltungszeit der Veranschlagung tragfähig sein. Der Kredit- und der Ausgabenrahmen müssen eingehalten werden. Das, was der Bundesfinanzminister in diesem Jahr trotz der Mindereinnahmen, die zu verkraften waren, geschafft hat, wird er mit unserer Unterstützung auch im kommenden Jahr erreichen. Dessen bin ich ganz zuversichtlich.
Es stimmt, daß die Finanzierung dieses Haushalts wegen der um 13 Milliarden DM niedrigeren Steuereinnahmen ohne zusätzliche Einnahmen aus Privatisierungen und Beteiligungsverkäufen dieses Mal nicht erreichbar gewesen wäre. Kollege Diller, Sie haben etwas anderes erhofft und sind jetzt zornig,
Adolf Roth
daß wir das angestrebte Ergebnis trotzdem erreicht haben.
Die Kritik der Opposition an diesen zusätzlichen Einnahmen ist in der Sache nicht nachvollziehbar. Dieser Weg ist nämlich haushaltspolitisch richtig, weil nur so eine deutliche Erhöhung der Nettokreditaufnahme mit all ihren negativen Auswirkungen auf Zinsen, Investitionen und Arbeitsplätze vermieden werden kann. Dieser Weg ist konjunkturpolitisch richtig, weil die verfügbaren Einkommen der Verbraucher ungeschmälert bleiben und das Wachstum stabilisiert wird. Dieser Weg ist wirtschafts- und ordnungspolitisch richtig, weil er dazu beiträgt, die staatliche Komponente in unserer Wirtschaft weiter zu reduzieren. Meine Damen und Herren, das ist seit jeher das ordnungspolitische Credo dieser Koalition gewesen; es ist politisch gewollt. Deswegen sind wir froh, daß es im nächsten Jahr zu diesem wichtigen Privatisierungsschritt kommen wird.
Sie reiben sich an der Form der Haushaltsveranschlagung und üben Kritik, weil durch den vollständigen Ausgleich Ihre Negativrechnungen und Ihre Katastrophenbilder ins Wanken gekommen sind. Dieser Kritik fehlt allerdings jede sachliche Berechtigung.
Denn die Haushaltssouveränität des Parlaments ist in jeder Phase dieser Beratungsrunde beachtet worden. Als Opposition haben Sie sämtliche Bereinigungsvorlagen, Anträge, Deckblätter, Vermerke und Erläuterungen gehabt. Das waren dicke Ordner und Bündel. Jetzt die Sache hier so darzustellen, als sei das auf einem einzigen Blatt Papier zusammengefaßt gewesen, ist eine Irreführung der Öffentlichkeit. Das weisen wir entschieden zurück.
Die als zusätzliche Privatisierungseinnahmen veranschlagten Einzelpositionen sind korrekt und eher vorsichtig bewertet: Die Einnahmen aus der Verwertung der VEAG-Vermögensverwaltungsgesellschaft stehen mit 1,7 Milliarden DM zur unmittelbaren Rückführung in den Bundeshaushalt zur Verfügung. Bei der Privatisierung der Postbank liegen bereits konkrete Angebote vor. Es ist deshalb irreführend und absurd, wenn der in Ansatz gebrachte Betrag von 3,1 Milliarden DM hier als „Luftbuchung" apostrophiert wird. Meine Damen und Herren, über das eigentliche Konzept wird im Verlauf des kommenden Jahres parlamentarisch und politisch zu entscheiden sein, wenn alle Vorprüfungen abgeschlossen sind. Aber wir wollen diese Privatisierung, und sie ist richtig.
Bei den zur Veräußerung anstehenden Beteiligungen des Bundes an Wohnungsbaugesellschaften liegt der Substanzwert erheblich über dem zunächst angesetzten Betrag von 4 Milliarden DM. Die Aufstachelung der Mieter durch die Opposition und auch
durch Sie, Herr Diller, ist nichts weiter als eine bösartige Panikmache.
Die Veräußerung des Bundesanteils an der Deutschbau und an der Frankfurter Siedlungsgesellschaft mindert die Rechte der Mieter in keiner Weise, insbesondere ändert die Veräußerung nichts an der Sozialbindung des jeweiligen Wohnungsbestandes. Auch hier ist eine parlamentarische Beteiligung bei der Privatisierung im nächsten Jahr eindeutig vorgesehen.
Mit dem Privatisierungspaket gleicht der Bund in vernünftiger Weise die Einnahmelücken der jüngsten Steuerschätzung aus und wählt damit das gesamtwirtschaftlich schonendste Verfahren.
Meine Damen und Herren, zu den Schätzabweichungen der letzten Steuerschätzung hat es in den zurückliegenden Wochen einige bissige Kommentare gegeben. Soweit sie sich ausschließlich auf Theo Waigel konzentrierten, haben sie den Adressaten verfehlt, denn im Arbeitskreis „Steuerschätzung" sitzen neben dem Bund die SPD-regierten Bundesländer. In gleicher Weise sind die Institute, die Sachverständigen und die Bundesbank beteiligt.
Theo Waigel ist derjenige, der als erster öffentlich den Korrekturbedarf deutlich gemacht sowie klare Konsequenzen angekündigt und gezogen hat. Unmittelbar nach seiner Rückkehr von den Beratungen auf der Weltwährungstagung in Washington hat er hier im Deutschen Bundestag am 12. Oktober 1995 eine klare Aussage gemacht und die konsequente Ausnutzung der verfügbaren Privatisierungspotentiale des Bundes angekündigt. Wodurch sind Sie eigentlich überrascht worden, wenn Sie bei diesen Diskussionen und Debatten selbst anwesend waren?
Die Kritik am Finanzminister ist nichts weiter als ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver. Ich kann Ihnen eines sagen: Wenn der Internationale Währungsfonds, die OECD und andere Organisationen die deutsche Finanzpolitik als „beispielhaft für ganz Europa" einschätzen und öffentlich so bewerten, dann werden Sie mit Ihrer Philippika und Ihren Angriffen an einem nichts ändern: Gemeint sind bei dieser vorbildhaften Finanzpolitik nicht die Herren in Hannover und Saarbrücken, die Finanzspezialisten der SPD, gemeint sind Theo Waigel und diese Bundesregierung mit ihrer Arbeit in den letzten Jahren.
Für uns Christliche Demokraten sind die aufgetretenen Steuermindereinnahmen kein Schreckensszenario. Wenn die steuerlichen Fördermaßnahmen in den neuen Ländern greifen oder wenn bei weitgehend inflationsfreiem Wachstum unserer Wirtschaft die „heimlichen" Steueraufblähungen ausbleiben, dann wird das von unserer Seite eher begrüßt als verurteilt. Seit Konrad Adenauer wissen wir, daß stabiles Geld die beste Sozialpolitik ist. Stabiles Geld ist auch ein Schutz vor einer gefährlichen Steuerdynamik. Es ist mir unerklärlich, was Sie dazu treibt, in diesem Zusammenhang, also bei Steuermindereinnahmen bei stetiger und durchaus stabiler Konjunktur, von ei-
Adolf Roth
nem „Fiasko für den Bundeshaushalt" zu schwadronieren. Einerseits beklagen Sie populistisch eine zu hohe Steuer- und Abgabenlast, andererseits schreien Sie Zeter und Mordio, wenn die Steuereinnahmen einmal hinter den Erwartungen zurückbleiben. Meine Damen und Herren, das paßt einfach so nicht zusammen.
Die Steuer- und Abgabenlast ist in Deutschland tatsächlich zu hoch. Der durch die Stabilitätspolitik dieser Koalition gezügelte Steuerzufluß ist aber kein Krisensymptom, erst recht nicht, wenn der Ausgleich ohne Erhöhung der Defizite zustande kommt.
Entgegen dem sachverständigen Rat der Institute gehen wir nicht den Weg höherer Verschuldung, weil dieser Weg falsch ist. Eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme hätte negative Auswirkungen auf die Zinsen, die Investitionen und damit auch auf die Arbeitsplätze. Die zusätzlichen Privatisierungseinnahmen erlauben es uns 1996, konjunkturpolitisch unerwünschte Eingriffe in den Wirtschaftsablauf zu vermeiden.
Wenn es also in der deutschen Finanzpolitik ein Fiasko gibt, dann ist es eher das Fiasko der sogenannten Finanzexperten der Opposition. Niemand hat sich in den letzten Jahren mehr verschätzt als die SPD.
Statt der 50 Milliarden DM Nettokreditaufnahme, die im laufenden Jahr 1995 getätigt wird, haben Sie gerade vor einem Jahr, vor der letzten Bundestagswahl, öffentlich ein 100-Milliarden-DM-Finanzloch an die Wand gemalt. Sie, Oskar Lafontaine und Ingrid Matthäus-Maier, haben sich damit um nicht- weniger als 100 Prozent verschätzt. Ihre Schätzfehler sind so groß wie die gesamte Nettokreditaufnahme in diesem Jahr.
- Frau Matthäus-Maier, überschätzen Sie Ihre Kräfte nicht weiter, sonst sind Sie mitten in der nächsten Fehlschätzung.
Der Etat 1996 ist ein Sparhaushalt ohne Wenn und Aber. Die Bundesregierung und die Koalition haben das beschlossene Ausgabenmoratorium strikt eingehalten. Was nicht in den Plafonds erbracht oder durch nachhaltige Einsparungen gedeckt wird, hat bei uns keine Chance auf eine Haushaltsbewilligung gehabt. Ausdruck dieser Entschlossenheit sind das insgesamt niedrigere Etatvolumen und der um die Neuordnung beim Familienleistungsausgleich bereinigte Ausgabenrückgang von rund 7 Milliarden DM oder 1,4 Prozent.
Wir haben dieses Ergebnis erreichen können, weil wir den rigorosen Sparkurs der letzten Jahre noch einmal verschärft haben. Der Sach- und Verwaltungsaufwand des Bundes wurde kompromißlos nach unten korrigiert; an die tausend Titelabsenkungen belegen dies. Die Personalstellenpläne der obersten Bundesbehörden und des nachgeordneten Bereichs werden, von wenigen sicherheitsrelevanten Komplexen abgesehen, 1996 kegelgerecht um weitere 1,5 Prozent gekürzt, womit rund 4 000 Planstellen und Stellen eingespart werden können.
Als Haushaltsgesetzgeber erwarten wir Signale des Umdenkens: Im zeitlichen Umfeld des Parlaments- und Regierungsumzugs nach Berlin müssen sich sämtliche Häuser und Verwaltungen einer Organisationsstrukturreform unterwerfen, mit der Schwachstellen aufgedeckt und beseitigt werden sollen. Was in Bonn nach eingehender Analyse nicht mehr zeit- und aufgabengerecht ist, das wollen wir in Berlin erst gar nicht so sehen. Deshalb müssen die Ressorts hier auf den Prüfstand,
Weitere 6 Milliarden DM Einsparungen sind beim Zinsaufwand des Bundes, beim Erblastentilgungsfonds, bei den Zuschüssen zur Bundesanstalt für Vereinigungsbedingte Sonderaufgaben sowie bei der Aktualisierung von Schätzansätzen der Leistungsgesetze erzielt worden.
Zum Thema Ausgabendisziplin im parlamentarischen Haushaltsverfahren gehört aber auch, daß wir die zum Teil massiven Mehrausgabeforderungen der Opposition zurückgewiesen haben.
Sparvorschläge der SPD hat es ohnehin nicht gegeben.
Bei einer objektiven Gesamtbewertung sollten Sie nicht immer wieder die Ausgangslage nach Inkrafttreten der Solidarpaktregelungen in Deutschland und des neuen Bund-Länder-Finanzausgleichs außer acht lassen. Mit Mehrausgaben und Steuerverzichten von insgesamt 50 Milliarden DM ist hier der Bund in besonderer Weise belastet, insbesondere durch die Erblasten. Ferner kommen 1996 rund 19 Milliarden DM an politisch gewollten Steuerentlastungen hinzu. Allein die Entlastungen für die Familien belasten den Bundeshaushalt mit 12 Milliarden DM. Weitere 8 Milliarden DM für den deutschen Steinkohlebergbau als Folge des weggefallenen Kohlepfennigs und bis zu 9 Milliarden DM für die ab 1996 in den Verkehrshaushalt übernommene Kreditaufnahme des Bundeseisenbahnvermögens sind zu verkraften gewesen.
Wenn Sie das alles zusammenrechnen und dann noch die aktuellen Steuerausfälle und die Mehrbelastungen durch die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt im Bundeshaushalt 1996 berücksichtigen, dann kommen Sie auf ein Gesamtvolumen von an die 100 Milliarden DM, das letztlich bewältigt und integriert werden mußte. Dies ist aber gelungen! Ich hätte einmal hören wollen, wie Ihre Kritik ausgefallen wäre, wenn wir in diesem Jahr am Ziel unserer Haushaltsvorgaben deutlich vorbeigeschossen wären.
Adolf Roth
Meine Damen und Herren, die politische Gestaltung im Bereich der wichtigen Zukunftsfelder ist gleichwohl nicht auf der Strecke geblieben. Beim Forschungs- und Bildungshaushalt haben wir keine Abstriche gemacht, sondern wesentliche Strukturverbesserungen eingeleitet. Ich erinnere nur an die Stichworte BAföG, Meister-BAföG, Hochschulbau, mittelständische Forschung und Entwicklung.
Wir haben im Verkehrshaushalt große Anstrengungen unternommen, um den investiven Anteil zu verstärken; denn er ist der wichtigste Investitionshaushalt des Bundes. Insbesondere mit Blick auf die aktuelle Bedarfssituation in den alten und den neuen Bundesländern haben wir im Haushaltsausschuß die Baransätze für den Bundesstraßen- und Bundesfernstraßenbau nochmals um rund 300 Millionen DM erhöht; zusätzlich 100 Millionen DM können aus Mehreinnahmen aus der Lkw-Vignette dem Straßenbau zugeführt werden. Damit ist sichergestellt, daß wichtige baureife Vorhaben planmäßig begonnen werden können und im Bereich der Infrastrukturinvestitionen ein deutlicher Verstärkungsimpuls gegeben wird, nicht zuletzt auch ein Investitionsimpuls für die Bauwirtschaft, die das gut gebrauchen kann. Aber es ist auch ein Beitrag zur Standortverbesserung in Deutschland.
Meine Damen und Herren, auch 1996 wird der Bund etwa jede vierte Mark für den Aufbauprozeß in den neuen Ländern ausgeben. Unsere Politik trägt dort Früchte. Das kontinuierlich überproportionale Wachstum der ostdeutschen Wirtschaft drückt sich in ersten Entlastungseffekten auf dem Arbeitsmarkt aus. Wir haben für das Lehrstellenprogramm Ost 138 Millionen DM für bis zu 14 500 außerbetriebliche Ausbildungsplätze bereitgestellt. Wir haben im Bereich der Industrieforschung Ost 60 Millionen DM zusätzlich im Haushalt ausgebracht und die Mittel damit auf 365 Millionen DM erhöht. Wir haben die Verpflichtungsermächtigungen beim Eigenkapitalhilfeprogramm um weitere 70 Millionen DM angehoben. Wir haben bei der Gemeinschaftsaufgabe Ost 1996 auch dafür gesorgt, daß ausreichende Wirtschaftsförderungsmittel zur Verfügung stehen, gegebenenfalls verstärkt durch nicht verbrauchte Haushaltsreste aus dem laufenden Jahr.
Wichtigstes Zukunftsfeld bleibt die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in ganz Deutschland. Ihr gegenwärtiges Ausmaß mindert unser Bruttoinlandsprodukt um 200 Milliarden DM jährlich und kostet uns vom tatsächlich erwirtschafteten Inlandsprodukt jedes Jahr weit über 100 Milliarden DM. Den Bundeshaushalt belastet die Arbeitslosigkeit inzwischen mit 40 bis 50 Milliarden DM, jeweils zur Hälfte im Bereich der Einnahmen und der Ausgaben.
Das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium wird auch 1996 auf hohem Niveau zum Einsatz kommen. Dennoch: Mit einer unkritischen Ausweitung der aktiven Arbeitsmarktpolitik wird das eigentliche Ziel des Schritthaltens im internationalen Kostenwettbewerb nicht erreicht. Wir brauchen nicht mehr, sondern weniger Staatslastigkeit auf den Märkten - auch auf dem Arbeitsmarkt -, also mehr Flexibilität, mehr Mobilität und mehr Differenzierung.
Wir haben mit dem Bundeshaushalt 1996 ein wichtiges Etappenziel auf dem weiterhin steinigen Weg zu unserem eigentlichen Ziel, der Absenkung der Staats- und Steuerquote bis zum Jahr 2000 auf den Stand vor der Wiedervereinigung, erreicht. Allerdings müssen wir auch klar erkennen - das sei mir als kritische Anmerkung erlaubt -, daß nur die nachhaltig erzielbaren Steuereinnahmen auch der mittelfristigen Ausgabenplanung des Bundes zugrunde gelegt werden können. Die sich aus der aktuellen Steuerschätzung ergebenden Basiseffekte bei den regulären Einnahmen belasten den Finanzplan der nächsten Jahre, also ab 1997. Dies zwingt zu wichtigen politischen Entscheidungen, um die sich aber niemand in diesem Hohen Hause herumdrücken kann.
Aus diesem Grund müssen die Verantwortlichen in Bund und Ländern sehr bald weiterführende Abstimmungen im Gesamtbereich der öffentlichen Leistungen und Ausgaben vornehmen. CDU und CSU begrüßen ausdrücklich das Angebot des Bundesfinanzministers Theo Waigel an die Bundesländer, einen Stabilitätspakt zu vereinbaren, um den gesamtwirtschaflich notwendigen Konsolidierungsprozeß voranzubringen. Wir alle wissen, daß die Spielräume für die dringend erforderlichen Abgabensenkungen bei gleichzeitigem Defizitabbau heute noch nicht vorhanden sind und nur durch gemeinsames Vorgehen freigeschaufelt werden können.
Das bedeutet für uns: Wir sind mit dem Sparen längst nicht am Ende; wir werden und müssen die Sparstiefel anbehalten.
Sowohl im Staatsbereich als auch bei gesetzlichen Leistungsansprüchen sind Einschränkungen für die Gesundung der Staatsfinanzen unausweichlich. Selbst bei relativ günstigem nominalen Wirtschaftswachstum kann es in den nächsten Jahren der Finanzplanperiode keinen realen Zuwachs bei den Staatsausgaben geben.
Mit seiner Haushaltssperre hat Theo Waigel die Zügel der Ausgabenbewirtschaftung jetzt noch enger gezogen. Das ist gerade in diesem Jahr nach der sinn- und ergebnislosen Haushaltsblockade durch den Bundesrat ein zielführender Schritt, der von uns unterstützt wird.
Akribische Sorgsamkeit beim Umgang mit knappen Haushaltsmitteln ist die logische Vorstufe zu einer Politik weiterreichender Korrekturen am staatlichen Leistungsumfang. Die Beschlüsse zum Bundeshaushalt 1996 sind ein beachtlicher Erfolg. Sie machen aber auch deutlich, daß zukunftsorientiertes Umsteuern bei Aufgaben und Ausgaben des Staates noch große politische Anstrengungen erforderlich macht.
Wir werden zu dieser Anstrengung bereit sein.