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    Plenarprotokoll 13/66 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 66. Sitzung Bonn, Dienstag, den 7. November 1995 Inhalt: Gedenkworte für den ermordeten israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin 5643 A Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeordneten Meinolf Michels 5643 D Abwicklung der Tagesordnung . . . . 5643 D Zur Geschäftsordnung Dr. Dagmar Enkelmann PDS 5644 A Joachim Hörster CDU/CSU 5644 D Dr. Peter Struck SPD 5645 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5645 C Jörg van Essen F.D.P. . . . . . . . . 5646 A Tagesordnungspunkt I: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) (Drucksachen 13/2000, 13/2593) . . . 5646 C Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksachen 13/2601, 12/2626) 5646 C Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 13/2602, 13/2626) 5646 D Rudolf Purps SPD 5646 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5647 B Dr. Christa Luft PDS 5647 C Ina Albowitz F.D.P. 5647 D Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksachen 13/2603, 13/ 2626) 5648 C Einzelplan 08 Bundesministerium der Finanzen (Drucksachen 13/2608, 13/2626) . . . 5648 D in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld (Drucksache 13/2623) . 5648 D in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung (Drucksache 13/2625) 5648 D in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof (Drucksachen 13/ 2619, 13/2626) 5649 A Karl Diller SPD 5649 A Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU . . 5656B, 5661 B Ingrid Matthäus-Maier SPD . . . 5661 A, 5677 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5661 D Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. . 5664 B Eckart Kuhlwein SPD . . 5667 C, 5686 D, 5689 A Dr. Barbara Höll PDS 5668 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 5670 B Joachim Poß SPD 5678 A Dankward Buwitt CDU/CSU . . . . . 5682 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5684 A Jürgen Koppelin F.D.P 5686 A Ingrid Matthäus-Maier SPD 5687 D Susanne Jaffke CDU/CSU 5688 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5688 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . 5689 B Manfred Hampel SPD 5690 B Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 5692 A Frederick Schulze CDU/CSU 5693 B Wilfried Seibel CDU/CSU . . . . . . 5694 A Rolf Köhne PDS 5696 A Karl Diller SPD (Erklärung nach § 31 GO) 5696 B Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen 13/2610, 13/2626) 5697 A Ilse Janz SPD 5697 A Bartholomäus Kalb CDU/CSU . 5700B, 5707 A Dr. Gerald Thalheim SPD . 5701 A Marianne Klappert SPD . . . . . . . 5701 C Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5703 C Ulrich Heinrich F. D. P. 5704 C Dr. Günther Maleuda PDS 5705 D Dr. Gerald Thalheim SPD 5706 D Jochen Borchert, Bundesminister BML 5707 C Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5708 B Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . . 5710 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . 5711 A Jochen Borchert CDU/CSU. . . 5711 B Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit (Drucksachen 13/2615, 13/2626) . . 5711 D Gerhard Rübenkönig SPD 5712 A Roland Sauer (Stuttgart) CDU/CSU . . 5715 A Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5717 D Dr. Dieter Thomae F.D.P 5719 A Dr. Ruth Fuchs PDS 5720 A Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 5721 A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5722 B Karl Diller SPD 5723 C Nächste Sitzung 5724 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 5725 *A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Bartholomäus Kalb, Dr. Erich Riedl (München), Kurt Rossmanith (alle CDU/ CSU) zur Abstimmung über den Einzelplan 03 (Tagesordnungspunkt I.3.) . . . 5725 *C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Rezzo Schlauch, Dr. Antje Vollmer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/2867 5726 *A 66. Sitzung Bonn, Dienstag, den 7. November 1995 Beginn: 14.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 07. 11. 95 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Behrendt, Wolfgang SPD 07. 11. 95 * Bindig, Rudolf SPD 07. 11. 95 * Buntenbach, Annelie BÜNDNIS 07. 11. 95 90/DIE GRÜNEN Dr. Dobberthien, SPD 07. 11. 95 Marliese Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 07. 11. 95 * Formanski, Norbert SPD 07. 11. 95 Großmann, Achim SPD 07. 11. 95 Haack (Extertal), SPD 07. 11. 95 * * Karl-Hermann Häfner, Gerald BÜNDNIS 07. 11. 95 90/DIE GRÜNEN Dr. Hauchler, Ingomar SPD 07. 11. 95 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 07. 11. 95 Junghanns, Ulrich CDU/CSU 07. 11. 95 ** Klemmer, Siegrun SPD 07. 11. 95 Marten, Günter CDU/CSU 07. 11. 95 ** Marx, Dorle SPD 07. 11. 95 Meißner, Herbert SPD 07. 11. 95 Nickels, Christa BÜNDNIS 07. 11.95 90/DIE GRÜNEN Odendahl, Doris SPD 07. 11. 95 Rennebach, Renate SPD 07. 11. 95 Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 07. 11. 95 90/DIE GRÜNEN Spiller, Jörg-Otto SPD 07. 11. 95 Steindor, Marina BÜNDNIS 07. 11. 95 90/DIE GRÜNEN Terborg, Margitta SPD 07. 11. 95 Vogt (Düren), Wolfgang CDU/CSU 07. 11. 95 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Bartholomäus Kalb, Dr. Erich Riedl (München), Kurt Rossmanith (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den Einzelplan 03 (Tagesordnungspunkt I. 3.) Es wäre sehr naheliegend gewesen, dem Einzelplan 03 die Zustimmung zu verweigern. Deshalb bedarf das Abstimmungsverhalten einer Erläuterung: Verfassungsrecht hin, Bundeshaushaltsordnung her - man könnte, nein, man müßte gegen Beratung und Beschlußfassung dieses Einzelplanes im Sinne einiger Mitglieder des Verfassungsorganes Bundesrat erhebliche verfassungspolitische Bedenken geltend machen. Worauf gründet sich eigentlich die Erwartung, daß dieser Bundestag den Einzelplan 03 stets ohne Aussprache und meist einstimmig passieren läßt? Wer könnte denn, wenn es darauf ankommen sollte, uns zur Zustimmung veranlassen? Der Hinweis, das entspreche einer guten Übung, wäre verfassungspolitisch äußerst bedenklich, ja unter Umständen verfassungsrechtlich sogar sehr problematisch. Da von einigen im Norden unserer Republik beheimateten Mitgliedern des Verfassungsorganes Bundesrat vor kurzem neue Maßstäbe entwickelt wurden, sehen wir uns gezwungen, unser Abstimmungsverhalten hier zu begründen. Es darf nämlich auf keinen Fall der Eindruck entstehen, als würden wir ohne Verantwortungsbewußtsein oder gar gedankenlos einer Vorlage zustimmen. Um im Jargon zu bleiben: Auf keinen Fall darf sich der Eindruck festsetzen, wir seien hier nur willfährige „AbnickAuguste". Im übrigen wäre es sehr verdienstvoll, wenn Regelungen und Verfahren entwickelt werden könnten, die auf die Skrupel, Nöte und staatspolitischen Bedenken von Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten Rücksicht nehmen. Zumindest sollte man sie in Zukunft nicht in die peinliche Situation bringen, Leistungen für sich und ihre Organe aufgrund von sie begünstigenden Beschlüssen dieses Hauses in Anspruch nehmen zu müssen. Wenn wir dennoch diesem Haushalt zugestimmt haben, dann zum einen, weil der neue Präsident des Bundesrates den Willen zu einem guten Verhältnis zum Verfassungsorgan Bundestag bekundet und die Absicht, die jeweils originären Rechte der verschiedenen Verfassungsorgane zu respektieren, gemeinsam mit seinem sächsischen Ministerpräsidentenkollegen unter Beweis gestellt hat. Noch wichtiger ist uns aber folgendes: So reizvoll es wäre, Retourkutschen zu fahren - die Demokratie würde großen Schaden nehmen, wenn sich Verfassungsorgane weiterhin gegenseitig beschädigten. Als freie und unabhängige und im Gegensatz zu den Ministerpräsidenten unmittelbar vom Volk gewählte Abgeordnete - die meisten von uns direkt - tragen wir besondere Verantwortung, die für dumpfe Reaktionen keinen Raum läßt. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Rezzo Schlauch, Dr. Antje Vollmer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/2867 Zu meinem Abstimmungsverhalten zum Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Entwurf des Haushaltsgesetzes 1996, Einzelplan 60, Titelgruppe 60 04, Sonderleistungen des Bundes, erkläre ich: Gerade jetzt, in einer Zeit, in der sich das Schicksal der Verhandlungen zwischen der Tschechischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland entscheidet, ist es von größter Wichtigkeit, daß die von Bundeskanzler Kohl schon seit langem angekündigte Entschädigung von NS-Opfern in der Republik Slowakei und der Tschechischen Republik vom Bundestag durch die Bereitstellung der entsprechenden Mittel ermöglicht wird. Die Regierung und das Parlament der damaligen Tschechoslowakischen Republik haben aus eigenem Antrieb Vorleistungen an die tschechoslowakischen Opfer des Nationalsozialismus geleistet. Wie ich aus meiner intensiven Beschäftigung mit dem Problem der tschechisch-deutschen Aussöhnung weiß, ist es gerade jetzt an der Zeit, im Zuge der weiteren Vertiefung der tschechisch-deutschen und slowakischdeutschen Beziehungen, dieser Geste mit der Errichtung der Stiftungen entgegenzukommen. Der Änderungsantrag dient dazu, dies finanziell zu ermöglichen. Gerade hat Präsident Havel, der mit Engagement und Offenheit eine Versöhnung mit Deutschland wünscht und sucht, anläßlich seiner Unterredung mit Präsident Herzog nochmals auf die Notwendigkeit dieser Entschädigungen hingewiesen. Ich bin der Meinung, daß wir diesem Partner in der Versöhnung angesichts der sich in der entscheidenden Phase befindenden tschechisch-deutschen Verhandlungen, diese Unterstützung nicht verwehren können. Wir müssen jetzt dieses Signal setzen, weil es später so nicht mehr möglich ist. Darum stimme ich dem vorliegenden Änderungsantrag zu.
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    Rede von Karl Diller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Urteil der Bevölkerung und der Medien über das, was die Regierung Kohl und die Koalitionsfraktionen als Bundeshaushalt 1996 vorlegen, ist deftig:

    (Uta Titze-Stecher [SPD]: Vernichtend!)

    „Haushaltspolitischer Schindluder" , „Griff in die Trickkiste", „Im Treibsand", „Durchlavieren", „Schönfärberei", „Verlegenheitsrechnung" lautet zu Recht die vernichtende Kritik der Öffentlichkeit.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Tatsache ist, daß Minister Waigel die dramatische Verschlechterung der Bundesfinanzen monatelang verschleiert und geleugnet hat,

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr wahr!)

    daß er schließlich ein 20-Millfarden-Loch im Haushalt 1996 eingestehen mußte und daß er nicht in der Lage war, glaubwürdige Deckungsvorschläge vorzulegen.

    (Beifall bei der SPD)

    Dieser Finanzminister erfüllt damit nicht die Anforderungen, die an dieses Amt gestellt werden.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der Kanzler, der zu alledem schweigt und diese Alarmzeichen nicht zur Kenntnis nehmen will,

    (Uta Titze-Stecher [SPD]: Und lacht!) muß sich die gleichen Vorwürfe gefallen lassen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Ihre Politik führte innerhalb eines halben Jahres, zwischen Mai und Oktober, zu einem in diesem Ausmaß beispiellosen Absturz der für 1995 und 1996 geschätzten Steuereinnahmen von 55 Milliarden DM.

    (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Wer hat denn geschätzt?)

    Allein in der Bundeskasse fehlen 27 Milliarden DM.
    Diese Steuerausfälle und der Ausgabenmehrbedarf in 1996 zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit in Höhe von 7 Milliarden DM sind aber nicht wie ein Naturereignis über die Bundesregierung hereingebrochen.

    (Beifall des Abg. Dr. Peter Struck [SPD])

    Denn bereits zum Zeitpunkt der Einbringung des Haushaltsentwurfs im Sommer war eine deutliche Konjunkturabschwächung erkennbar. Nichts deutete darauf hin, daß sich an diesem Verlauf irgend etwas ändern würde. Schon im März lagen die Steuereinnahmen des Bundes um fast 10 Milliarden DM unter denen des Vorjahresmonats. Der Einbruch der Steuereinnahmen war deshalb frühzeitig erkennbar.
    Wir, die SPD, haben Ihnen, Herr Waigel, im August vorgehalten, daß Ihr Haushalt ein zweistelliges Milliardenloch aufweist.

    (Zurufe von der SPD: Jawohl!)

    Sie dagegen haben in der ersten Lesung am 5. und am 8. September vor dem Bundestag die Risiken in ein, zwei Halbsätzen kleingeredet und uns vorgehalten, wir würden - ich zitiere - „die Mär von den Haushaltslöchern" verbreiten.

    (Beifall bei der SPD)

    Heute weiß man: Die SPD sprach die Wahrheit aus, Waigel aber nicht.

    (Beifall bei der SPD Zuruf von der SPD: Zuhören, Herr Minister!)

    Deswegen, meine Damen und Herren, mißbilligen wir auf das schärfste die Mißachtung des obersten Grundsatzes von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit durch Bundesfinanzminister Dr. Waigel. ,

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Oswald Metzger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Vor zwei Monaten hat er - ausgerechnet er! - von dieser Stelle aus gesagt: „Auch die Politik muß ehrlich arbeiten. "

    (Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

    Hätte die Regierung Kohl ehrlich gearbeitet, dann wäre dem Haushaltsausschuß eine vom Kabinett ordentlich beratene und beschlossene Ergänzungsvorlage zugeleitet worden. Sie, Herr Waigel, haben sich davor gedrückt, weil innerhalb der Koalition keine Einigkeit darüber besteht, wie das strukturelle Defizit im Bundeshaushalt dauerhaft zu schließen ist.

    Karl Diller
    Einen Finanzminister, der kneift, kann sich dieses Land aber nicht erlauben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Mit dem berüchtigten Waigel-Wisch wollte der Finanzminister schließlich ein 20-Milliarden-Loch im Bundeshaushalt verkleistern. Dieser Wisch war finanzpolitisch unsolide, handwerklich eine Blamage und parlamentarisch eine Mißachtung des Deutschen Bundestages.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ihre sogenannten Deckungsvorschläge stammen entweder aus der Trickkiste - wie die Vorverlegung des Mineralölsteuertermins; sie bringt kein zusätzliches Geld, sondern zieht lediglich 2,6 Milliarden DM aus dem Jahr 1997 in das Jahr 1996 vor;

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Da haben Sie letztes Jahr zugestimmt!)

    wer künstlich die Bilanz schönt, Herr Waigel, der hat es nötig -, oder sie stammen aus Luftbuchungen, die Sie einstellen, wie bei den Privatisierungseinnahmen von 9 Milliarden DM.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Die Lufthansa ist doch nicht Luft!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die wesentlichen Vorhaben sind nicht etatfähig. Nicht etatreif sind die 1,7 Milliarden DM für die Deutsche Lufthansa, weil der Gang an die Börse zur Zeit versperrt und eine rechtlich einwandfreie Lösung für den Verkauf nicht gefunden ist. Nicht etatreif ist der Verkauf der Deutschen Bundesbank, nein: der Postbank für über 3 Milliarden DM.

    (Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    - Das wäre was! Das wäre Ihnen auch noch zuzutrauen.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Das ist das nächste, was der Waigel verkauft! Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Was würden Sie alles verkaufen!)

    Herr Waigel, Sie selbst stellen fest:
    Der voraussichtliche Zeitpunkt eines Erlöses läßt sich erst nach einer Prüfung aller in Frage kommenden Verkaufsmodelle festlegen.
    Im Klartext heißt das: Die Etatisierung verstößt gegen Haushaltsrecht.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Weder liegt der Wert des Unternehmens fest, noch besteht in der Koalition Einigung über die Zielrichtung des Verkaufs. Dreist ist die Ungeniertheit, mit der Sie die Verkaufserlöse zum Stopfen von Haushaltslöchern zweckentfremden wollen.
    Wie sagte Staatssekretär Dr. Laufs 1994 im Finanzausschuß - ich zitiere -:
    In den Erörterungen mit dem Bundesfinanzministerium ist deutlich geworden, daß dieses Vermögen zur Abdeckung der Pensionsverpflichtungen eingebracht werden muß, so daß dem Bundeshaushalt keine Gewinne zufließen.
    Heute wollen Sie etwas ganz anderes versuchen.

    (Beifall bei der SPD)

    Nicht etatreif sind die 4 Milliarden DM, die Sie aus dem Verkauf zweier Wohnungsbaugesellschaften mit 48 000 Wohnungen erzielen wollen.

    (Zuruf von der SPD: Unglaublich!)

    Das ist eine Luftbuchung, weil dieser Verkauf weder durchdacht noch mit den Mitgesellschaftern beraten ist.
    Wir sind nicht nur empört über die Art und Weise, wie hier mit den Haushaltsgrundsätzen umgegangen wird. Wir sind auch empört über die Bedenkenlosigkeit, mit der CDU, CSU und F.D.P. dieses hochsensible Thema Wohnen behandeln.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Innerhalb von 24 Stunden stellt diese Koalition 48 000 Wohnungen zur Disposition, in denen überwiegend die Meinen Leute wohnen: von den Postlern über die Eisenbahner bis zu den Bundeswehrangehörigen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Nach dem schrittweisen Rückzug des Bundes aus dem sozialen Wohnungsbau, bei dem Sie in diesem Haushalt wieder 600 Millionen DM kürzten, ist jetzt wohl der Rückzug aus der Wohnungsfürsorge an der Reihe. Die Politik der sozialen Kälte ist das Markenzeichen der Damen und Herren auf der rechten Hälfte dieses Hauses.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS - Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Böse und unwahre Worte!)

    Die Koalition handelt im Haushaitsausschuß nach der Devise: Augen zu und durch.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Ich habe die Augen auf!)

    - Wer wie die Kollegin Albowitz Waigels unseriöse Vorlagen in einer Sonntagszeitung vor acht Tagen öffentlich deutlich kritisierte, der wird binnen weniger Tage zum Umfallen gezwungen. Ich zitiere Sie, Frau Albowitz:
    Vorschläge wie der Verkauf der Postbank oder der Lufthansa sind für mich nicht seriös, weil für diese Verkäufe keine konkreten Zahlen vorliegen.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Das war am Freitag!)


    Karl Diller
    Umfallen war aber schon immer das Kennzeichen der F.D.P.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Im Haushaltsentwurf für 1996 wurden von 452 Milliarden DM ganze 700 Millionen DM - das sind 0,15 Prozent des Haushaltsvolumens - „eingespart". Das Wort „eingespart" setze ich in Anführungszeichen, weil selbst das nicht durch politische Gestaltung, sondern durch Absenkung von Schätzansätzen erfolgt.
    Der Bundesfinanzminister hat kürzlich im Finanzplanungsrat die tatsächlichen Bundesausgaben in diesem Jahr einschließlich Kindergeld auf 468 Milliarden DM beziffert. Das heißt, in vergleichbarer Rechnung, also einschließlich der Systemumstellungen beim Familienleistungsausgleich und bei der Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs, steigt der Bundeshaushalt 1996 um 2,4 Prozent an. Kommen Sie uns ja nicht wieder mit angeblichen Minusraten, Herr Waigel!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Was Sie als Sparhaushalt bezeichnen, ist in Wahrheit das Eingeständnis, einen immer geringer werdenden Beitrag zur Bewältigung notwendiger Strukturveränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft für die Zukunft unseres Landes zu leisten.
    Ihr Rückzug aus dem sozialen Wohnungsbau ist verantwortungslos.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Ihre Handlungsblockaden in der Umweltpolitik sind ein Armutszeugnis.

    (Beifall bei der SPD)

    Ihr Stillstand in der Bildungs- und Forschungspolitik ist für den Standort Deutschland bedrückend.

    (Beifall bei der SPD)

    Ihre Kürzungen der Investitionen sind ein arbeitsmarktpolitischer Skandal.

    (Beifall bei der SPD)

    Ihre Haltung zu den neuen Ländern gefährdet den dortigen wirtschaftlichen Aufbau.

    (Beifall bei der SPD)

    In Ostdeutschland ist vieles in Gang gekommen; aber die Hoffnung, daß die Entindustrialisierung auf Grund des ersten D-Mark-Schocks durch einen sich selbst tragenden industriellen Aufschwung abgelöst wird, hat getrogen. Um so wichtiger ist es, daß die Menschen in den neuen Ländern nicht das Vertrauen in die solidarische Politik des Bundes verlieren.
    Der Bundeshaushalt 1996 und die mittelfristige Finanzplanung geben jedoch das falsche Signal; denn die Ausgaben des Bundes für die neuen Länder gehen von 1995 auf 1996 um 16 Milliarden DM zurück,
    so daß die Begrenzung der Bundesausgaben im Ergebnis auch auf Kosten der neuen Länder erfolgt. So kürzen Sie zum Beispiel die Mittel für die regionale Wirtschaftsstruktur um eine halbe Milliarde DM und strecken Verkehrsprojekte der deutschen Einheit.
    Die Forderungen der ostdeutschen CDU-Abgeordneten haben Sie im Haushaltsausschuß einfach in den Papierkorb geworfen. Ich bin gespannt, ob sich die Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion diesen Affront gefallen lassen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Die Leistungen des Bundes im Rahmen des Föderalen Konsolidierungsprogramms bleiben um über 10 Milliarden DM hinter der 1993 gegebenen Zusage zurück. Das mit diesem Programm verfolgte Ziel, die Finanzen der neuen Länder und Gemeinden auf eine krisenfeste Grundlage zu stellen, wird brüchig. Das muß uns über Fraktionsgrenzen hinweg in der nächsten Zeit intensiv beschäftigen.
    Es ist schon ein starkes Stück, Herr Waigel, wenn Sie in diesen Tagen einen Stabilitätspakt zwischen Bund und Ländern anmahnen und gleichzeitig massiv finanzielle Lasten vom Bund auf die Länder und die Gemeinden abschieben wollen:

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    beispielsweise beim Aufbau Ost, bei der Arbeitslosenhilfe und bei der kostenlosen Beförderung der Schwerbehinderten.
    Zum wirtschaftlichen Aufbau in Ostdeutschland mit Hilfe massiver staatlicher Unterstützung gibt es keine Alternative. Die Förderung darf deshalb nicht zurückgefahren werden, sondern ihre Zielgenauigkeit muß verbessert und effektiver gestaltet werden. Dieser Aufgabe haben Sie sich bisher völlig unzureichend gestellt. Es besteht dort ein Förderwirrwarr. Die über 500 Programme mit über 700 Einzelmaßnahmen müssen konzeptionell überarbeitet und gebündelt werden, damit die Mittel auch dorthin kommen, wo sie wirklich gebraucht werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Vorbelastung künftiger Haushaltsjahre durch Verpflichtungsermächtigungen hat ein bisher nicht gekanntes Ausmaß angenommen. Im Verkehrshaushalt haben Sie bereits den Punkt erreicht, daß neue Maßnahmen nicht mehr begonnen werden können, weil die Ausgabenansätze gerade dafür reichen, eingegangene Verpflichtungen aus den Vorjahren zu finanzieren. An diesem Punkt ist Ihr Handlungsspielraum bei Null.
    Weil der Bund finanziell am Ende ist, weichen Sie im Bildungs-, im Forschungs- und im Verkehrsbereich auf private Vorfinanzierungen aus. Das geht voll zu Lasten künftiger Haushalte. Der Bundesrechnungshof stellt für den Verkehrssektor fest, daß dadurch die Finanzierung der im Bundesverkehrswegeplan vorgesehenen Maßnahmen erschwert wird. Ich fordere Sie, Herr Waigel, auf, sich mit der Kritik

    Karl Diller
    des Rechnungshofs wirklich auseinanderzusetzen, anstatt sie als lästig beiseite zu schieben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Wie unkritisch der Bundesfinanzminister mit den Verteidigungsausgaben umgeht, ist ein starkes Stück. Obwohl Sie am 17. Oktober dieses Jahres eine Haushaltssperre verfügten, genehmigen Sie Beschaffungen durch den Verteidigungsminister, die noch nicht einmal im Haushalt eingeplant waren, zum Beispiel den Kauf von gebrauchten Flugzeugen, als wäre das Geld in Hülle und Fülle vorhanden.
    Sie lassen es zu, daß sich der Verteidigungsminister durch künstlich überhöhte Veranschlagungen für 1996 eine schwarze Kasse von über 400 Millionen DM zulegt. Der Verteidigungshaushalt ist für Sozialdemokraten kein Steinbruch der Haushaltspolitik, aber wir haben den Eindruck, unter Minister Rühe wird einfach nicht sparsam genug mit dem Geld des Steuerzahlers umgegangen.

    (Beifall bei der SPD)

    Unsere Kürzungsvorschläge in diesem Bereich lehnten Sie im ersten Durchgang ab, um sie im zweiten da wieder aufzugreifen, wo es Ihnen paßt. Dort aber, wo dem Bürger signalisiert würde, daß auch die Regierung Kohl bei sich selbst bereit ist, massiv zu sparen, kneift sie. Warum gibt diese Regierung 450 Millionen DM nur für Propaganda aus?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ihre falsche Politik wird doch nicht dadurch besser, daß Sie sie in Hochglanzbroschüren millionenfach unter die Leute bringen wollen.

    (Uta Titze-Stecher [SPD]: Die haben sie nötig! Beifall des Abg. Dr. Peter Struck [SPD])

    Leider verbietet mir die Verschwiegenheitspflicht nach dem Aktiengesetz und nach dem Kreditwesengesetz, Ihnen darüber ausführlich und konkret zu berichten, was der Rechnungshof zusammengetragen hat. Wenn die Bevölkerung wüßte, was der Bundesrechnungshof auf diesen 48 Seiten alles an milliardenschweren Verschwendungen in der politischen Verantwortung von Minister Waigel kritisiert, dann würde sie ihn aus dem Amt jagen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Die SPD hat auf Umschichtungsanträge zur zweiten Lesung des Bundeshaushalts verzichtet, um damit klarzustellen, daß es an diesem völlig verfahrenen Haushalt nichts mehr zu reparieren gibt. Sie haben den Haushalt wie ein Auto gegen die Wand gefahren, und der Rahmen ist total verzogen. Wenn der Rahmen total verzogen ist, dann genügt es nicht mehr, nur die Blechschäden zu reparieren. Da kommt am besten ein neues Auto in Frage.

    (Beifall bei der SPD Zuruf von der SPD: Ein neuer Fahrer!)

    Deshalb haben wir unsere Alternativen zu Ihrer Politik in einem Entschließungsantrag zur dritten Lesung zusammengefaßt.
    Am 14. Dezember dieses Jahres schlägt dem Bundesfinanzminister eine historische Stunde. Der Bund der Steuerzahler hat vor seinem Eingang eine Schuldenuhr angebracht. Die wird an diesem Tag um 15.30 Uhr auf 2 000 Milliarden DM Schulden springen. Innerhalb Theo Waigels Amtszeit haben sich Schulden und Zinslast mehr als verdoppelt. Er und sein Kanzler Kohl sind damit die größten Schuldenmacher aller Zeiten.

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    1996 werden die Zinszahlungen des Staates 145 Milliarden DM ausmachen, davon allein 92 Milliarden DM beim Bund. Die Zinsen für das Waigelsche Bundesschuldenmassiv - „Schuldenberg" wäre Verniedlichung - fressen die Steuereinnahmen förmlich auf. 1991 waren es noch rund 13 Prozent der Einnahmen oder jede achte Mark, die für Zinszahlungen draufging. Im nächsten Jahr werden es über 26 Prozent sein. Das heißt, jede vierte Steuermark geht ausschließlich für Zinszahlungen drauf. Das ist eine Umverteilungspolitik. Was Sie dem Bürger an Arbeitsmarktpolitik, an einem besseren Verkehrssystem, an besserer Ausbildung oder an mehr Wohnungen verweigern, fließt als Vermögensbildung in die Taschen der Kapitalanleger.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Mehr denn je ist richtig: Sie regieren zu Lasten der Zukunft unserer Kinder.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Der Finanzminister versucht, diese deprimierende Bilanz mit dem Hinweis zu beschönigen, daß er - ich zitiere - in den letzten beiden Jahren, also 1993 und 1994, 40 Milliarden DM weniger Schulden gemacht habe, als im Finanzplan vorgesehen. Herr Waigel, da haben Sie wohl in den falschen Finanzplan geschaut, denn im Finanzplan 1992 veranschlagten Sie für 1993 und 1994 eine Neuverschuldung von zusammen 68 Milliarden DM. Im Ergebnis waren es aber nicht 68 Milliarden, sondern 116 Milliarden DM neue Schulden, und das sind immer noch 48 Milliarden DM mehr, als ursprünglich eingeplant, und nicht, wie Sie behaupten, 40 Milliarden DM weniger.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie machen Finanzpläne wohl in Anlehnung an Brechts „Dreigroschenoper" . Da heißt es nämlich:
    Ja, mach nur einen Plan,
    Sei nur ein großes Licht!
    Und mach dann noch 'nen zweiten Plan, Gehn tun sie beide nicht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der PDS)

    Auch die Beurteilungen aus dem Ausland werden kritischer. Die OECD hat Ihnen vorgehalten, daß Sie falsch rechnen. Nach den OECD-Zahlen steht

    Karl Diller
    Deutschland bei der Nettoverschuldung, das heißt unter Berücksichtigung der riesigen Überschüsse, die Sozialversicherungen in anderen Ländern haben, schlechter da als USA, Japan, Frankreich oder die skandinavischen Länder. Mit seinem Anteil der Staatsschulden am Bruttoinlandsprodukt steht Deutschland danach sogar schlechter da als der Durchschnitt der sieben wichtigsten Industrieländer. Herr Waigel, der Lack ist ab, der Glanz bei Ihnen ist hin.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS Dr. Peter Struck [SPD]: Den Glanz hat er doch noch gar nicht gehabt!)

    Das 20-Milliarden-DM-Loch im Bundeshaushalt zeigt nur die Spitze des strukturellen Haushaltsdefizits, das Sie mittelfristig weder mit höheren Steuern noch mit immer neuen Schuldenrekorden, noch mit einem ungezügelten Verhökern von staatlichen Vermögenswerten werden schließen können.

    (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Das Wort „ungezügelt" nehmen Sie zurück!)

    Ihre angeblich symmetrische Finanzpolitik von Schuldenabbau und Steuersenkung ist ein Flop. Sie stecken dauerhaft in der Schuldenfalle und haben in Wahrheit kein Geld für Steuersenkungen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Die SPD-Fraktion zieht aus dem Steuereinbruch von 55 Milliarden DM bei Bund, Ländern und Gemeinden drei Schlußfolgerungen:
    Erstens. Mit Ihrer Steuerpolitik haben Sie die Axt an die finanziellen Grundlagen unseres Staates gelegt. Ihre Steuerpolitik ist zusammengebrochen. Wie urteilte der Präsident des Deutschen Steuerberaterverbandes:
    Das System ist konzeptlos, die Steuersätze sind maßlos, und die Bürger sind fassungslos.
    Recht hat er!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Viermal mußte das Bundesverfassungsgericht die Regierung Kohl zur Ordnung rufen: beim Familienleistungsausgleich, beim steuerfreien Existenzminimum, bei der Zinsbesteuerung und jüngst bei den Einheitswerten. In allen Fällen hatten Sozialdemokraten tragfähige verfassungskonforme Konzepte vorgelegt, denen Sie sich über lange Zeit verweigerten.
    Beim Familienleistungsausgleich und beim steuerlichen Grundfreibetrag und jetzt bei der Wohnungsbauförderung haben wir Sozialdemokraten die Bundesregierung und die Koalition im Ergebnis dazu gebracht, unsere Vorstellungen zu übernehmen. Aber die Reparatur der Grundübel Ihrer Steuerpolitik in den letzten zwölf Jahren steht noch aus. Sie haben die Belastung des Durchschnittsverdieners mit Steuern und Abgaben auf 48 Prozent geschraubt. Die Regierung Kohl ist damit der größte Steuer- und Abgabenerhöher aller Zeiten.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ihre Steuerpolitik hat zu einer vollkommenen Unübersichtlichkeit des Steuerrechts und zu einer totalen Überforderung der Finanzverwaltung geführt. Ergebnis ist ein immer stärkeres Auseinanderfallen der Spitzensteuersätze einerseits und der tatsächlichen Steuerbelastung andererseits. Ihre Politik hat das Tor zur legalen Steuerverkürzung, aber auch zur illegalen Steuervermeidung weit geöffnet. Der Steuerehrliche ist durch Ihre Politik der Dumme. Das ist das Schlimme daran.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Überbelastung des Normalverdieners steht die Übersubventionierung unproduktiver Kapitalanlagen gegenüber. Diese Bundesregierung hilft denen, die sich selber helfen können. Diese Bundesregierung fördert die Vermögensbildung bei denen, die bereits Vermögen haben. Die Gerechtigkeitslücke ist weiter aufgerissen denn je.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Der Staat verfügt über keine verläßlichen Schätzgrundlagen mehr für seine Steuereinnahmen. Der dramatische Steuereinbruch von 55 Milliarden DM geht zu einem hohen Anteil darauf zurück, daß Steuersubventionen von Kapitalanlegern in einem wesentlich höheren Ausmaß als erwartet in Anspruch genommen werden.
    Diese Milliardenausfälle müssen Anlaß zu einer Durchforstung, Herr Waigel, und Korrektur ganz offensichtlicher Fehlsubventionierungen sein. Es geht nicht an, daß uns die Vermögenden und die Spekulanten mit überzogenen Steuerabschreibungen riesige Haushaltslöcher reißen und Sie dann die staatlichen Investitionen in Bildung, in Forschung, in Arbeit und Wohnen dafür kürzen wollen. Das geht nicht an.

    (Beifall bei der SPD)

    Dazu dürfen Sie als Bundesfinanzminister nicht länger schweigen. Hier haben Sie nicht nur einen Handlungsbedarf, hier besteht Handlungszwang.

    (Beifall bei der SPD)

    Die zweite Schlußfolgerung aus dem 55-Milliarden-Loch heißt: Die Regierung Kohl ist nicht in der Lage, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so zu verbessern, daß von ihnen ein durchgreifender Impuls auf die Beschäftigung ausgeht. Wie Sie, Herr Waigel, noch erwarten können - ich zitiere Sie -, „daß die private Nachfrage als wichtigste Konjunktur- und Wachstumsstütze kräftig anzieht", das bleibt Ihr Geheimnis.
    Durch Ihre verfehlte Politik steigen nämlich 1996 die Beiträge zur Rentenversicherung und zur Krankenversicherung. Einschließlich der Pflegeversicherung gehen im nächsten Jahr rund 30 Milliarden DM

    Karl Diller
    an Abgabenerhöhungen zu Lasten der Arbeitnehmer und ihrer Betriebe.

    (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Sind Sie dagegen?)

    Sie machen damit weitgehend kaputt, was wir Sozialdemokraten Ihnen mühsam zur finanziellen Entlastung der Bürger und der Familien mit Kindern abgerungen haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Regierung Kohl dreht sich auf einem Steuer- und Abgabenkarussell ohne Ende.
    Die dritte Schlußfolgerung aus dem 55-MilliardenLoch heißt: Die Grundlagen Ihrer mittelfristigen Finanzplanung sind zusammengebrochen.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Makulatur!)

    Kennzeichnend dafür ist bereits die Art und Weise, wie Sie mit dem konjunkturell bedingten Steuerausfall umgehen. Noch beim Konjunktureinbruch 1993 waren Sie der Meinung: Konjunkturell bedingte Steuermindereinnahmen sind durch eine Erhöhung der Neuverschuldung auszugleichen. Sie nannten dies - ich zitiere Sie -: die antizyklischen Stabilisatoren wirken lassen. Jetzt aber müssen Sie diesen Weg scheuen, weil Sie damit eine Lawine lostreten würden. Jeder weitere Anstieg über die sprunghaft auf 60 Milliarden DM gestiegene Neuverschuldung hinaus käme nämlich Ihrem öffentlichen Eingeständnis gleich, daß Ihre Politik gescheitert ist, daß Steuersenkung und Abbau der Staatsquote in weite Ferne gerückt sind.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ihre Finanzplanung sieht für 1997 bisher eine Neuverschuldung von 50 Milliarden DM vor. Das wäre kein Abbau, sondern so hoch wie dieses Jahr. Dazu kommen aber der Basiseffekt des jetzigen Einbruchs bei den Steuereinnahmen - er ist noch nicht berücksichtigt - sowie ein weiterer Bedarf in Milliardenhöhe bei der Bundesanstalt für Arbeit, für den Sie auch nicht vorgesorgt haben.
    Schließlich stehen Sie immer noch bei Leistungsverbesserungen, zum Beispiel beim Wohngeld, im Wort.
    Wenn man das zusammenrechnet, kommt man in die Größenordnung eines zweistelligen Milliardenrisikos für 1997. Das heißt, der von Minister Rexrodt vor wenigen Monaten errechnete Steuersenkungsspielraum von 50 Milliarden DM bis 1998 ist dahingeschmolzen wie Schnee in der Sonne, der angekündigte Spielraum für Senkungen des Solidarzuschlags genauso.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Die können beide nicht rechnen!)

    Ob Unternehmensteuerreform oder Solidarzuschlag,
    lassen Sie sich eines gesagt sein: Für Steuersenkungen auf Pump sind wir Sozialdemokraten nicht zu haben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Die Regierung Kohl/Waigel versucht immer noch, sich um die Wahrheit herumzumogeln, daß die öffentlichen Haushalte nur zu sanieren sind, wenn die gewaltigen Kosten der Arbeitslosigkeit - man sagt: 140 Milliarden DM jährlich - deutlich gesenkt werden. Das darf aber nicht durch Sozialabbau wie mit der von Ihnen vorgesehenen Kürzung der Arbeitslosenhilfe um 3,4 Milliarden DM geschehen, sondern das muß durch eine Politik erfolgen, die wettbewerbsfähige neue Arbeitsplätze schafft.

    (Beifall bei der SPD)

    Während diese Bundesregierung den Sozialstaat vor allem als Kostenfaktor sieht, ist die soziale Sicherheit für Sozialdemokraten ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil des Standortes Deutschland. Die Politik der Regierung Kohl reduziert sich auf fortwährende Angriffe gegen den Sozialstaat, auf Angriffe gegen die Tarifautonomie, auf Angriffe gegen die Mitbestimmungsrechte,

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Sie haben Herrn Zwickel nicht gehört!)

    auf Angriffe gegen die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung und gegen die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
    Ihre Antwort auf den rasanten ökonomischen Strukturwankel, auf die Internationalisierung der Produktions- und Kapitalmärkte ist die Teilnahme am weltweiten Kostensenkungswettlauf. Wenn Sie Kostensenkung zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit nur auf der Personalseite und durch Entlassungen suchen, geben Sie einen unverzichtbaren Standortvorteil dieses Landes auf. Sie entwerten unser Kapital an hervorragend ausgebildeten Wissenschaftlern, Ingenieuren und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Von Ludwig Erhard bis Helmut Schmidt galt: Moderne Wirtschaftspolitik ist gleichzeitig auch fortschrittliche Gesellschaftspolitik.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Das war 1982 besonders gut!)

    Es war das deutsche Modell der Sozialpartnerschaft, das diesem Land einen beispielhaften Wohlstand ermöglichte. Wir Sozialdemokraten wollen deshalb eine neue, auf enge Zusammenarbeit von Wirtschaft und Gewerkschaften, Staat und Bundesbank ausgerichtete Strategie von Angebots- und Nachfragepolitik, die die Umgestaltung der industriellen Produktion vorantreibt. Mit einer ökologischen Modernisierung der Wirtschaft wollen wir Zukunftsmärkte erschließen und neue Arbeitsplätze schaffen. Während sich Ihre Koalition über eine ökologische Steuerreform zerstreitet und mit der Einführung einer CO2-/ Energiesteuer ebenso Schiffbruch erleidet wie mit der Umlegung der Kfz-Steuer auf die Mineralöl-

    Karl Diller
    steuer, haben wir Sozialdemokraten ein Konzept vorgelegt, das die Kräfte des Marktes für den Umweltschutz nutzbar macht. Die Leitidee unserer Steuerreform heißt: Runter mit den Lohnnebenkosten bei gleichzeitigen Anreizen für mehr Umweltschutz und Energieeinsparung! Und dieses Konzept wird strikt aufkommensneutral sein.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir wollen eine Technologie- und Strukturpolitik, die die Herstellung innovativer und international wettbewerbsfähiger Produkte vorantreibt. Nur auf diesem Wege kann der internationale Wettbewerb gewonnen werden. Erforderlich ist industrielle Zusammenarbeit in Forschung, Ausbildung, Produktion und Vertrieb, um die in Deutschland vorhandenen Spitzentechnologien zur Entwicklung neuer Produkte zu verknüpfen. Dafür muß die Wirtschaft flexibler werden. Die Politik kann fehlende Innovationskraft bei den Unternehmen nicht ersetzen. Aber wir können durch die Modernisierung des Staates unseren Beitrag dazu leisten, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)

    Investitionen in Bildung, Ausbildung, Forschung und Wissenschaft sind Investitionen für die Zukunft. Deshalb brauchen wir eine Qualifikationsoffensive und eine Reform des dualen Ausbildungssystems. Damit meinen wir keine kurzatmigen Sonderprogramme und auch keine rückwärtsgewandten BAföG-Verschlechterungen à la Rüttgers. Sie wollen damit doch nur fähige junge Leute aus einfachen Verhältnissen vom Studium abschrecken.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS Widerspruch bei der CDU/ CSU)

    Dieses Land braucht aber keine Abschreckung, sondern eine Strategie zur Ausschöpfung der im Volk vorhandenen Bildungspotentiale, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)

    Mit einer aktiven Arbeitsmarktpolitik wollen wir dafür sorgen, daß die Mittel, die jetzt vor allem für die Bezahlung der Arbeitslosigkeit ausgegeben werden, künftig verstärkt für die Finanzierung von Arbeit eingesetzt werden. Unser Konzept zur Modernisierung und Verzahnung der Arbeitsmarkt- und der regionalen Strukturpolitik und für eine bessere Verteilung der Arbeit liegt dem Bundestag vor. Weil dies angesichts von 3,5 Millionen Arbeitslosen vordringlicher ist als alles andere, fordern wir Sie erneut auf: Verweigern Sie sich nicht weiter, sondern beschreiten Sie mit uns neue Wege in der Arbeitsmarktpolitik, die zu mehr Beschäftigung führen!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Der Sozialstaat muß finanzierbar bleiben,

    (Zuruf von der F.D.P.: Sehr wahr!)

    aber nicht durch Sozialabbau, sondern durch eine
    Politik des sozialen Umbaus. Nur wenn die Politik
    den Arbeitnehmern und den Gewerkschaften dabei
    ermöglicht, trotz zunehmender persönlicher Risiken den Strukturwandel engagiert und motiviert mitzutragen, wird die Modernisierung Deutschlands gelingen. Deshalb erteilen wir Ihren erneuten Angriffen auf die Arbeitslosenhilfe eine deutliche Absage.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wir Sozialdemokraten halten am Ziel einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion fest; sie muß kommen. Aber sie darf nur kommen als Stabilitätsgemeinschaft. Deshalb müssen die Stabilitätskriterien des Maastricht-Vertrages strikt eingehalten und durch eine bessere Abstimmung der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Teilnehmerstaaten auf Dauer gesichert werden.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Oswald Metzger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Zuruf von der CDU/CSU: Das habt ihr vom
    CDU-Parteitag abgeschrieben!)
    Wenn die Feststellung des Finanzministers zu den Chancen eines Mitgliedstaates, 1997 die MaastrichtKriterien zu erfüllen, zum Absturz der dortigen Währung, der Lira, und zu Wettbewerbsnachteilen für deutsche Unternehmen führt, dann ist das ein Alarmzeichen. Anscheinend gibt es in Europa eben doch die Meinung, daß im Zweifel die Stabilitätskriterien politisch aufgeweicht werden, um einer größeren Zahl von Mitgliedsländern den Eintritt in die Währungsunion zu ermöglichen.
    Gemeinsames Geld ist gemeinsames Schicksal, meine Damen und Herren. Deshalb wird die Fraktion der SPD einer gemeinsamen europäischen Währung nur zustimmen, wenn sichergestellt ist, daß dieses Geld auf Dauer so stabil ist wie die Deutsche Mark.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die Bundesregierung hat es bisher versäumt, die vielfach geäußerten Befürchtungen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger wirklich ernst zu nehmen. Sie sind mit Ihrer Politik den überzeugenden Beweis schuldig geblieben, Herr Kohl, daß die Wirtschafts- und Währungsunion zu mehr Wachstum und zu mehr Arbeitsplätzen führen wird. Bereits bei der Errichtung des Binnenmarktes 1992 haben Sie, Herr Bundeskanzler, den Menschen mehr Arbeit versprochen. Aber Sie haben die zunehmende Verflechtung innerhalb Europas nicht zu einer europäisch abgestimmten Wachstumsinitiative für mehr Arbeitsplätze genutzt. Statt eines europäischen Beschäftigungspaktes ist der Verlust von Millionen von Arbeitsplätzen EU-weit eingetreten.

    (Beifall bei der SPD)

    Mit einer solchen Politik können Sie aber keine Zustimmung der Bevölkerung erwarten.
    Die Bürger meines Wahlkreises - er liegt an der luxemburgischen Grenze, wie Sie wissen - erleben täglich, wie die Vermögenden aus der ganzen Republik ihr Geld auf der A 48 über die Grenze schaffen und bei den Filialen deutscher Bankhäuser in Luxemburg .

    Karl Diller
    mutmaßlich auch Beihilfe zur Steuerhinterziehung erwarten.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Der Waigel läßt das zu!)

    Ein Bundesfinanzminister, der durch eine verfassungswidrige Besteuerung der Kapitalerträge diese Zustände selbst mit herbeigeführt hat und eine europäische Regelung der Kapitalbesteuerung nicht durchsetzen kann, bringt Europa in Verruf und braucht sich nicht über die Kritik der Menschen zu wundern.

    (Beifall bei der SPD)

    In der Amtszeit unseres ehemaligen Haushaltsausschußkollegen, des jetzigen Ministers für Agrar, lieber Kollege Jochen Borchert, ist der europäische Agrarmarkt keinen Deut effizienter geworden. Wenn der Europäische Rechnungshof Maßmanagement, Betrug und Verschwendung in einer Größenordnung bis zu 4 Prozent des EU-Haushalts feststellt, dann ist Theo Waigel persönlich gefordert, hier einzuschreiten, meine Damen und Herren. Wenn in den Augen der Bürger nationale Gesetzgebung, angefangen vom Kartellrecht, über Umwelt- und Sozialstandards bis hin zur Frauenförderung, durch europäisches Recht ausgehöhlt wird, dann trägt die Bundesregierung Mitverantwortung, weil sie in Brüssel mitbeschließt.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist eine Schande, daß die Regierung Kohl den 4. Rahmenplan zur Förderung der Frau in der Europäischen Union bis jetzt blockiert.
    Es ist höchste Zeit, daß die Bundesregierung ihre europäischen Hausaufgaben macht, damit die Bürger von der Notwendigkeit, der Machbarkeit und den Vorteilen einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion überzeugt sein können.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei der ersten Lesung des Bundeshaushaltes vor zwei Monaten haben wir unsere Kritik in den Worten zusammengefaßt, daß das Motto dieses Haushaltes nicht „Sparen und Gestalten" ist, wie Theo Waigel behauptete, sondern „Verschieben und Spalten" . Dieses Urteil über den Haushalt 1996 ist durch die Haushaltsberatungen noch verstärkt worden. Die Haushalts- und Finanzpolitik der Bundesregierung legt die Axt an die finanziellen Grundlagen unseres Staates.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Bei diesem Horrorgemälde müßtet ihr jetzt nach Hause gehen!)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächster spricht der Kollege Adolf Roth.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Adolf Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Diller, ich kann Sie irgendwie ganz gut verstehen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Nel)

    Die SPD ist als Partei und als Fraktion schon lange gänzlich von der Rolle. Aus den Chaostagen im Sommer sind Wochen und sogar Monate geworden. Vor diesem Hintergrund ist es natürlich verständlich, daß Sie nach einem politischen Szenenwechsel geradezu süchtig sind. Sie haben aber scheinbar nicht gemerkt, daß Sie zu diesem Anlaß das absolut falsche Thema und auch die falsche Zielscheibe gewählt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Karl Diller [SPD]: „Zielscheibe" sagt er zu Theo Waigel! Das müssen Sie zurückweisen, Herr Waigel!)

    Eines garantiere ich Ihnen: Der Arbeitsplatz von Theo Waigel ist garantiert sicherer als der Arbeitsplatz von Rudolf Scharping.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Abwarten! Weiterer Zuruf von der SPD: Der Waigel hat doch nur eine ABMStelle!)

    Ein Weiteres müssen Sie ertragen: Dem Bundeskanzler Helmut Kohl fällt nach 13 erfolgreichen Amtsjahren das Regieren allemal leichter als der SPD die Rolle der Opposition unter ihrem mittlerweile sechsten Gegenkandidaten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Peinlich! - Detlev von Larcher [SPD): Sagen Sie mal etwas zum Haushalt! - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da fallen einem ja die letzten Haare aus!)

    Es trifft sich gut, daß der Finanzminister Theo Waigel inzwischen genauso lange im Amt ist

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Viel zu lange, Herr Roth! Jetzt reicht es wirklich!)

    wie der zweite Finanzminister, den die Regierung Helmut Kohl gestellt hat, Gerhard Stoltenberg.

    (Zuruf von der SPD: Schlimm genug!)

    Wir sind auf beide Finanzminister stolz. Sie haben beide unsere Anerkennung; sie haben beide Großes geleistet. Beide haben immer unser Vertrauen gehabt.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.])

    Deshalb lautet die ruhige Botschaft dieser Haushaltswoche:

    (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Die „frohe"!)

    Die Koalitionsfraktionen, CDU/CSU und F.D.P., werden den Bundeshaushalt 1996 in der zweiten und in der dritten Lesung mit ihrer stabilen Mehrheit so verabschieden, wie wir ihn in arbeitsreichen Wochen im Haushaltsausschuß fertiggestellt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Adolf Roth (Gießen)

    Dieser Bundeshaushalt ist ein klassischer Sparhaushalt.

    (Lachen und Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So kann man das auch nennen, Herr Roth!)

    - Herr Kollege Fischer, an Ihrer Stelle wäre ich etwas zurückhaltender. Ihr etwas verwahrloster hessischer Landesverband diskutiert jetzt auf Landesdelegiertentagungen, ob Ihre Partei eine normale oder mittlerweile eine stinknormale Partei geworden ist, wobei darüber gestritten wird, auf welcher Silbe die eigentliche Betonung liegt.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Es stinkt jedenfalls sehr!)

    Die Konsolidierungsziele und Eckwerte, die wir im Sommer im Regierungsentwurf aufgestellt haben, sind ebenso wie die Stabilitäts- und Haushaltskriterien der Europäischen Union, also die niedrige Inflation, das begrenzte öffentliche Defizit und die beschränkte Gesamtschuldenaufnahme der öffentlichen Hand, eingehalten worden.
    Kollege Diller, die Flucht in höhere Steuern oder zusätzliche Schulden findet nicht statt.

    (Zuruf von der PDS: Natürlich!)

    Das ist Ihr Pech - denn Sie haben das seit Monaten angekündigt -, aber es ist gut für die deutschen Steuerzahler, die Verbraucher und die Wirtschaft. Dieser Haushalt ist ausgeglichen. Er paßt in die konjunkturpolitische Landschaft, ist stabilitätsgerecht, vertrauensbildend

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das glauben Sie ja selber nicht!)

    und widerlegt Punkt für Punkt das Katastrophengeschwätz, mit dem die Opposition das Fehlen einer eigenen Alternative in diesem Haus überdecken will.
    Ich habe mir wirklich ernsthaft vorgenommen, Kollege Diller, der Sie jetzt telefonieren,

    (Karl Diller [SPD]: Ja, Entschuldigung!)

    mir zu notieren, was Sie in Ihrem Beitrag an haushaltspolitischen Alternativen vorgebracht haben.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Da war nichts! Eduard Oswald [CDU/CSU]: Immer das gleiche: ein leeres Blatt!)

    Ich habe auch das Alternativkonzept des SPD-Fraktionsvorsitzenden Scharping mitgebracht, um beides zusammenschreiben zu können. Hier ist das Konzept: Hinten nichts, vorne nichts! Leeres Blatt, leeres Gerede! Von einer Regierungsfähigkeit sind Sie Welten entfernt. Ich sage Ihnen: Das wird auch so bleiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.])

    Wenn Sie nämlich über ein schlüssiges Haushaltskonzept verfügten, dann hätten Sie das hier vorgetragen und nicht auf die dritte Lesung verschoben. Damit hätten Sie vielleicht mehr Aufmerksamkeit erzielen können als mit Ihrem verunglückten Auszugsmanöver bei der Haushaltsschlußberatung. Budenzauber, Ramba-Zamba - das alles war für die Öffentlichkeit sehr eindrucksvoll. Es ist aber kein Ersatz für eine anständige und seriöse Politik. Sie haben sich damit eher blamiert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Da wir als Haushaltspolitiker unsere eigenen Traditionen haben, möchte ich an dieser Stelle innehalten und es trotz aller Kritik nicht versäumen, mich nach diesen Wochen der Arbeit bei allen Haushaltskollegen zu bedanken. Das gilt für die Haushälter der SPD wie auch für die der CDU/CSU und der F.D.P., vor allem für meinen Kollegen Dr. Wolfgang Weng. Ich möchte meinen Dank aussprechen für eine bis zur Schlußwoche durchaus zügige und ergebnisorientierte Arbeit am Bundeshaushalt 1996. Einschließen möchte ich auch alle Mitarbeiter der verschiedenen Ebenen und die Ressorts. Besonders danke ich dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Helmut Wieczorek, für seine in allen Situationen souveräne Handhabung seines Amtes.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Erstmals seit 1953 werden wir 1996 - also nach vier Jahrzehnten - die Ausgaben des Bundes deutlich senken. Mit 451 Milliarden DM sind sie um 26 Milliarden DM unter dem Soll des laufenden Haushaltsjahres veranschlagt und liegen trotz der erkennbaren Mehrbelastungen, trotz der zusätzlich eingestellten Arbeitsmarkt-Milliarden um 700 Millionen DM unter dem Ansatz des Regierungsentwurfs.
    Die investiven Ausgaben - Sie haben das als Skandal hinstellen wollen - erreichen mit über 66 Milliarden DM ein deutlich über dem Durchschnitt der letzten Jahre liegendes, konjunkturpolitisch sehr erfreuliches Niveau. Mit 59,9 Milliarden DM liegt die Nettokreditaufnahme finanzplangerecht und entspricht dem von der Koalition gesetzten Rahmen. Meine Damen und Herren, dies ist ein sauberes und gutes Ergebnis. Sie sollten es neidlos anerkennen.
    Für Theo Waigel und die Bundesregierung bedeutet das enge Korsett dieser Haushaltsbewilligung aber auch - wie in den zurückliegenden Jahren - einen beträchtlichen Härtetest in der Haushaltsführung. Denn Haushaltspolitik spielt sich ja nicht an einigen wenigen Tagen ab, sondern muß auf die Dauer der zwölfmonatigen Geltungszeit der Veranschlagung tragfähig sein. Der Kredit- und der Ausgabenrahmen müssen eingehalten werden. Das, was der Bundesfinanzminister in diesem Jahr trotz der Mindereinnahmen, die zu verkraften waren, geschafft hat, wird er mit unserer Unterstützung auch im kommenden Jahr erreichen. Dessen bin ich ganz zuversichtlich.
    Es stimmt, daß die Finanzierung dieses Haushalts wegen der um 13 Milliarden DM niedrigeren Steuereinnahmen ohne zusätzliche Einnahmen aus Privatisierungen und Beteiligungsverkäufen dieses Mal nicht erreichbar gewesen wäre. Kollege Diller, Sie haben etwas anderes erhofft und sind jetzt zornig,

    Adolf Roth (Gießen)

    daß wir das angestrebte Ergebnis trotzdem erreicht haben.
    Die Kritik der Opposition an diesen zusätzlichen Einnahmen ist in der Sache nicht nachvollziehbar. Dieser Weg ist nämlich haushaltspolitisch richtig, weil nur so eine deutliche Erhöhung der Nettokreditaufnahme mit all ihren negativen Auswirkungen auf Zinsen, Investitionen und Arbeitsplätze vermieden werden kann. Dieser Weg ist konjunkturpolitisch richtig, weil die verfügbaren Einkommen der Verbraucher ungeschmälert bleiben und das Wachstum stabilisiert wird. Dieser Weg ist wirtschafts- und ordnungspolitisch richtig, weil er dazu beiträgt, die staatliche Komponente in unserer Wirtschaft weiter zu reduzieren. Meine Damen und Herren, das ist seit jeher das ordnungspolitische Credo dieser Koalition gewesen; es ist politisch gewollt. Deswegen sind wir froh, daß es im nächsten Jahr zu diesem wichtigen Privatisierungsschritt kommen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie reiben sich an der Form der Haushaltsveranschlagung und üben Kritik, weil durch den vollständigen Ausgleich Ihre Negativrechnungen und Ihre Katastrophenbilder ins Wanken gekommen sind. Dieser Kritik fehlt allerdings jede sachliche Berechtigung.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Logo!)

    Denn die Haushaltssouveränität des Parlaments ist in jeder Phase dieser Beratungsrunde beachtet worden. Als Opposition haben Sie sämtliche Bereinigungsvorlagen, Anträge, Deckblätter, Vermerke und Erläuterungen gehabt. Das waren dicke Ordner und Bündel. Jetzt die Sache hier so darzustellen, als sei das auf einem einzigen Blatt Papier zusammengefaßt gewesen, ist eine Irreführung der Öffentlichkeit. Das weisen wir entschieden zurück.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Die als zusätzliche Privatisierungseinnahmen veranschlagten Einzelpositionen sind korrekt und eher vorsichtig bewertet: Die Einnahmen aus der Verwertung der VEAG-Vermögensverwaltungsgesellschaft stehen mit 1,7 Milliarden DM zur unmittelbaren Rückführung in den Bundeshaushalt zur Verfügung. Bei der Privatisierung der Postbank liegen bereits konkrete Angebote vor. Es ist deshalb irreführend und absurd, wenn der in Ansatz gebrachte Betrag von 3,1 Milliarden DM hier als „Luftbuchung" apostrophiert wird. Meine Damen und Herren, über das eigentliche Konzept wird im Verlauf des kommenden Jahres parlamentarisch und politisch zu entscheiden sein, wenn alle Vorprüfungen abgeschlossen sind. Aber wir wollen diese Privatisierung, und sie ist richtig.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Bei den zur Veräußerung anstehenden Beteiligungen des Bundes an Wohnungsbaugesellschaften liegt der Substanzwert erheblich über dem zunächst angesetzten Betrag von 4 Milliarden DM. Die Aufstachelung der Mieter durch die Opposition und auch
    durch Sie, Herr Diller, ist nichts weiter als eine bösartige Panikmache.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Die Veräußerung des Bundesanteils an der Deutschbau und an der Frankfurter Siedlungsgesellschaft mindert die Rechte der Mieter in keiner Weise, insbesondere ändert die Veräußerung nichts an der Sozialbindung des jeweiligen Wohnungsbestandes. Auch hier ist eine parlamentarische Beteiligung bei der Privatisierung im nächsten Jahr eindeutig vorgesehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Mit dem Privatisierungspaket gleicht der Bund in vernünftiger Weise die Einnahmelücken der jüngsten Steuerschätzung aus und wählt damit das gesamtwirtschaftlich schonendste Verfahren.
    Meine Damen und Herren, zu den Schätzabweichungen der letzten Steuerschätzung hat es in den zurückliegenden Wochen einige bissige Kommentare gegeben. Soweit sie sich ausschließlich auf Theo Waigel konzentrierten, haben sie den Adressaten verfehlt, denn im Arbeitskreis „Steuerschätzung" sitzen neben dem Bund die SPD-regierten Bundesländer. In gleicher Weise sind die Institute, die Sachverständigen und die Bundesbank beteiligt.
    Theo Waigel ist derjenige, der als erster öffentlich den Korrekturbedarf deutlich gemacht sowie klare Konsequenzen angekündigt und gezogen hat. Unmittelbar nach seiner Rückkehr von den Beratungen auf der Weltwährungstagung in Washington hat er hier im Deutschen Bundestag am 12. Oktober 1995 eine klare Aussage gemacht und die konsequente Ausnutzung der verfügbaren Privatisierungspotentiale des Bundes angekündigt. Wodurch sind Sie eigentlich überrascht worden, wenn Sie bei diesen Diskussionen und Debatten selbst anwesend waren?
    Die Kritik am Finanzminister ist nichts weiter als ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver. Ich kann Ihnen eines sagen: Wenn der Internationale Währungsfonds, die OECD und andere Organisationen die deutsche Finanzpolitik als „beispielhaft für ganz Europa" einschätzen und öffentlich so bewerten, dann werden Sie mit Ihrer Philippika und Ihren Angriffen an einem nichts ändern: Gemeint sind bei dieser vorbildhaften Finanzpolitik nicht die Herren in Hannover und Saarbrücken, die Finanzspezialisten der SPD, gemeint sind Theo Waigel und diese Bundesregierung mit ihrer Arbeit in den letzten Jahren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Für uns Christliche Demokraten sind die aufgetretenen Steuermindereinnahmen kein Schreckensszenario. Wenn die steuerlichen Fördermaßnahmen in den neuen Ländern greifen oder wenn bei weitgehend inflationsfreiem Wachstum unserer Wirtschaft die „heimlichen" Steueraufblähungen ausbleiben, dann wird das von unserer Seite eher begrüßt als verurteilt. Seit Konrad Adenauer wissen wir, daß stabiles Geld die beste Sozialpolitik ist. Stabiles Geld ist auch ein Schutz vor einer gefährlichen Steuerdynamik. Es ist mir unerklärlich, was Sie dazu treibt, in diesem Zusammenhang, also bei Steuermindereinnahmen bei stetiger und durchaus stabiler Konjunktur, von ei-

    Adolf Roth (Gießen)

    nem „Fiasko für den Bundeshaushalt" zu schwadronieren. Einerseits beklagen Sie populistisch eine zu hohe Steuer- und Abgabenlast, andererseits schreien Sie Zeter und Mordio, wenn die Steuereinnahmen einmal hinter den Erwartungen zurückbleiben. Meine Damen und Herren, das paßt einfach so nicht zusammen.
    Die Steuer- und Abgabenlast ist in Deutschland tatsächlich zu hoch. Der durch die Stabilitätspolitik dieser Koalition gezügelte Steuerzufluß ist aber kein Krisensymptom, erst recht nicht, wenn der Ausgleich ohne Erhöhung der Defizite zustande kommt.
    Entgegen dem sachverständigen Rat der Institute gehen wir nicht den Weg höherer Verschuldung, weil dieser Weg falsch ist. Eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme hätte negative Auswirkungen auf die Zinsen, die Investitionen und damit auch auf die Arbeitsplätze. Die zusätzlichen Privatisierungseinnahmen erlauben es uns 1996, konjunkturpolitisch unerwünschte Eingriffe in den Wirtschaftsablauf zu vermeiden.
    Wenn es also in der deutschen Finanzpolitik ein Fiasko gibt, dann ist es eher das Fiasko der sogenannten Finanzexperten der Opposition. Niemand hat sich in den letzten Jahren mehr verschätzt als die SPD.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Ach!)

    Statt der 50 Milliarden DM Nettokreditaufnahme, die im laufenden Jahr 1995 getätigt wird, haben Sie gerade vor einem Jahr, vor der letzten Bundestagswahl, öffentlich ein 100-Milliarden-DM-Finanzloch an die Wand gemalt. Sie, Oskar Lafontaine und Ingrid Matthäus-Maier, haben sich damit um nicht- weniger als 100 Prozent verschätzt. Ihre Schätzfehler sind so groß wie die gesamte Nettokreditaufnahme in diesem Jahr.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Daß Ihre Zahlen miserabel sind, das wissen wir heute!)

    - Frau Matthäus-Maier, überschätzen Sie Ihre Kräfte nicht weiter, sonst sind Sie mitten in der nächsten Fehlschätzung.

    (Jörg Tauss [SPD]: Waigel, der Oberfehlschätzer!)

    Der Etat 1996 ist ein Sparhaushalt ohne Wenn und Aber. Die Bundesregierung und die Koalition haben das beschlossene Ausgabenmoratorium strikt eingehalten. Was nicht in den Plafonds erbracht oder durch nachhaltige Einsparungen gedeckt wird, hat bei uns keine Chance auf eine Haushaltsbewilligung gehabt. Ausdruck dieser Entschlossenheit sind das insgesamt niedrigere Etatvolumen und der um die Neuordnung beim Familienleistungsausgleich bereinigte Ausgabenrückgang von rund 7 Milliarden DM oder 1,4 Prozent.
    Wir haben dieses Ergebnis erreichen können, weil wir den rigorosen Sparkurs der letzten Jahre noch einmal verschärft haben. Der Sach- und Verwaltungsaufwand des Bundes wurde kompromißlos nach unten korrigiert; an die tausend Titelabsenkungen belegen dies. Die Personalstellenpläne der obersten Bundesbehörden und des nachgeordneten Bereichs werden, von wenigen sicherheitsrelevanten Komplexen abgesehen, 1996 kegelgerecht um weitere 1,5 Prozent gekürzt, womit rund 4 000 Planstellen und Stellen eingespart werden können.
    Als Haushaltsgesetzgeber erwarten wir Signale des Umdenkens: Im zeitlichen Umfeld des Parlaments- und Regierungsumzugs nach Berlin müssen sich sämtliche Häuser und Verwaltungen einer Organisationsstrukturreform unterwerfen, mit der Schwachstellen aufgedeckt und beseitigt werden sollen. Was in Bonn nach eingehender Analyse nicht mehr zeit- und aufgabengerecht ist, das wollen wir in Berlin erst gar nicht so sehen. Deshalb müssen die Ressorts hier auf den Prüfstand,

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dann ist am Ende die Regierung weg! Dr. Peter Struck [SPD]: Ein paar Ministerien abschaffen!)

    Weitere 6 Milliarden DM Einsparungen sind beim Zinsaufwand des Bundes, beim Erblastentilgungsfonds, bei den Zuschüssen zur Bundesanstalt für Vereinigungsbedingte Sonderaufgaben sowie bei der Aktualisierung von Schätzansätzen der Leistungsgesetze erzielt worden.
    Zum Thema Ausgabendisziplin im parlamentarischen Haushaltsverfahren gehört aber auch, daß wir die zum Teil massiven Mehrausgabeforderungen der Opposition zurückgewiesen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sparvorschläge der SPD hat es ohnehin nicht gegeben.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Bei einer objektiven Gesamtbewertung sollten Sie nicht immer wieder die Ausgangslage nach Inkrafttreten der Solidarpaktregelungen in Deutschland und des neuen Bund-Länder-Finanzausgleichs außer acht lassen. Mit Mehrausgaben und Steuerverzichten von insgesamt 50 Milliarden DM ist hier der Bund in besonderer Weise belastet, insbesondere durch die Erblasten. Ferner kommen 1996 rund 19 Milliarden DM an politisch gewollten Steuerentlastungen hinzu. Allein die Entlastungen für die Familien belasten den Bundeshaushalt mit 12 Milliarden DM. Weitere 8 Milliarden DM für den deutschen Steinkohlebergbau als Folge des weggefallenen Kohlepfennigs und bis zu 9 Milliarden DM für die ab 1996 in den Verkehrshaushalt übernommene Kreditaufnahme des Bundeseisenbahnvermögens sind zu verkraften gewesen.
    Wenn Sie das alles zusammenrechnen und dann noch die aktuellen Steuerausfälle und die Mehrbelastungen durch die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt im Bundeshaushalt 1996 berücksichtigen, dann kommen Sie auf ein Gesamtvolumen von an die 100 Milliarden DM, das letztlich bewältigt und integriert werden mußte. Dies ist aber gelungen! Ich hätte einmal hören wollen, wie Ihre Kritik ausgefallen wäre, wenn wir in diesem Jahr am Ziel unserer Haushaltsvorgaben deutlich vorbeigeschossen wären.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Adolf Roth (Gießen)

    Meine Damen und Herren, die politische Gestaltung im Bereich der wichtigen Zukunftsfelder ist gleichwohl nicht auf der Strecke geblieben. Beim Forschungs- und Bildungshaushalt haben wir keine Abstriche gemacht, sondern wesentliche Strukturverbesserungen eingeleitet. Ich erinnere nur an die Stichworte BAföG, Meister-BAföG, Hochschulbau, mittelständische Forschung und Entwicklung.
    Wir haben im Verkehrshaushalt große Anstrengungen unternommen, um den investiven Anteil zu verstärken; denn er ist der wichtigste Investitionshaushalt des Bundes. Insbesondere mit Blick auf die aktuelle Bedarfssituation in den alten und den neuen Bundesländern haben wir im Haushaltsausschuß die Baransätze für den Bundesstraßen- und Bundesfernstraßenbau nochmals um rund 300 Millionen DM erhöht; zusätzlich 100 Millionen DM können aus Mehreinnahmen aus der Lkw-Vignette dem Straßenbau zugeführt werden. Damit ist sichergestellt, daß wichtige baureife Vorhaben planmäßig begonnen werden können und im Bereich der Infrastrukturinvestitionen ein deutlicher Verstärkungsimpuls gegeben wird, nicht zuletzt auch ein Investitionsimpuls für die Bauwirtschaft, die das gut gebrauchen kann. Aber es ist auch ein Beitrag zur Standortverbesserung in Deutschland.
    Meine Damen und Herren, auch 1996 wird der Bund etwa jede vierte Mark für den Aufbauprozeß in den neuen Ländern ausgeben. Unsere Politik trägt dort Früchte. Das kontinuierlich überproportionale Wachstum der ostdeutschen Wirtschaft drückt sich in ersten Entlastungseffekten auf dem Arbeitsmarkt aus. Wir haben für das Lehrstellenprogramm Ost 138 Millionen DM für bis zu 14 500 außerbetriebliche Ausbildungsplätze bereitgestellt. Wir haben im Bereich der Industrieforschung Ost 60 Millionen DM zusätzlich im Haushalt ausgebracht und die Mittel damit auf 365 Millionen DM erhöht. Wir haben die Verpflichtungsermächtigungen beim Eigenkapitalhilfeprogramm um weitere 70 Millionen DM angehoben. Wir haben bei der Gemeinschaftsaufgabe Ost 1996 auch dafür gesorgt, daß ausreichende Wirtschaftsförderungsmittel zur Verfügung stehen, gegebenenfalls verstärkt durch nicht verbrauchte Haushaltsreste aus dem laufenden Jahr.
    Wichtigstes Zukunftsfeld bleibt die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in ganz Deutschland. Ihr gegenwärtiges Ausmaß mindert unser Bruttoinlandsprodukt um 200 Milliarden DM jährlich und kostet uns vom tatsächlich erwirtschafteten Inlandsprodukt jedes Jahr weit über 100 Milliarden DM. Den Bundeshaushalt belastet die Arbeitslosigkeit inzwischen mit 40 bis 50 Milliarden DM, jeweils zur Hälfte im Bereich der Einnahmen und der Ausgaben.
    Das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium wird auch 1996 auf hohem Niveau zum Einsatz kommen. Dennoch: Mit einer unkritischen Ausweitung der aktiven Arbeitsmarktpolitik wird das eigentliche Ziel des Schritthaltens im internationalen Kostenwettbewerb nicht erreicht. Wir brauchen nicht mehr, sondern weniger Staatslastigkeit auf den Märkten - auch auf dem Arbeitsmarkt -, also mehr Flexibilität, mehr Mobilität und mehr Differenzierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir haben mit dem Bundeshaushalt 1996 ein wichtiges Etappenziel auf dem weiterhin steinigen Weg zu unserem eigentlichen Ziel, der Absenkung der Staats- und Steuerquote bis zum Jahr 2000 auf den Stand vor der Wiedervereinigung, erreicht. Allerdings müssen wir auch klar erkennen - das sei mir als kritische Anmerkung erlaubt -, daß nur die nachhaltig erzielbaren Steuereinnahmen auch der mittelfristigen Ausgabenplanung des Bundes zugrunde gelegt werden können. Die sich aus der aktuellen Steuerschätzung ergebenden Basiseffekte bei den regulären Einnahmen belasten den Finanzplan der nächsten Jahre, also ab 1997. Dies zwingt zu wichtigen politischen Entscheidungen, um die sich aber niemand in diesem Hohen Hause herumdrücken kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Aus diesem Grund müssen die Verantwortlichen in Bund und Ländern sehr bald weiterführende Abstimmungen im Gesamtbereich der öffentlichen Leistungen und Ausgaben vornehmen. CDU und CSU begrüßen ausdrücklich das Angebot des Bundesfinanzministers Theo Waigel an die Bundesländer, einen Stabilitätspakt zu vereinbaren, um den gesamtwirtschaflich notwendigen Konsolidierungsprozeß voranzubringen. Wir alle wissen, daß die Spielräume für die dringend erforderlichen Abgabensenkungen bei gleichzeitigem Defizitabbau heute noch nicht vorhanden sind und nur durch gemeinsames Vorgehen freigeschaufelt werden können.
    Das bedeutet für uns: Wir sind mit dem Sparen längst nicht am Ende; wir werden und müssen die Sparstiefel anbehalten.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was für ein Bild: der Sparstiefel! )

    Sowohl im Staatsbereich als auch bei gesetzlichen Leistungsansprüchen sind Einschränkungen für die Gesundung der Staatsfinanzen unausweichlich. Selbst bei relativ günstigem nominalen Wirtschaftswachstum kann es in den nächsten Jahren der Finanzplanperiode keinen realen Zuwachs bei den Staatsausgaben geben.
    Mit seiner Haushaltssperre hat Theo Waigel die Zügel der Ausgabenbewirtschaftung jetzt noch enger gezogen. Das ist gerade in diesem Jahr nach der sinn- und ergebnislosen Haushaltsblockade durch den Bundesrat ein zielführender Schritt, der von uns unterstützt wird.
    Akribische Sorgsamkeit beim Umgang mit knappen Haushaltsmitteln ist die logische Vorstufe zu einer Politik weiterreichender Korrekturen am staatlichen Leistungsumfang. Die Beschlüsse zum Bundeshaushalt 1996 sind ein beachtlicher Erfolg. Sie machen aber auch deutlich, daß zukunftsorientiertes Umsteuern bei Aufgaben und Ausgaben des Staates noch große politische Anstrengungen erforderlich macht.
    Wir werden zu dieser Anstrengung bereit sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)