Rede von
Volker
Kröning
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auf die Tagesordnung zurückkommen, und zwar auf das Wehrrechtsänderungsgesetz, und darf mich dabei auf den Antrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 13/2757 beziehen.
Die SPD-Fraktion hat aus Anlaß des 40jährigen Jubiläums der Bundeswehr vielfach ihre Grundsatzposition zum Ausdruck gebracht, daß sie zur Wehrpflicht steht, d. h. zum Wehrdienst und zu den als Ersatz für den Wehrdienst gesetzlich vorgesehenen Dienstarten. Man sollte diese Dienste - Friedensdienste mit und ohne Waffe - nicht gegeneinander ausspielen.
Da kann ich mich nicht nur mit einem Appell, sondern sogar mit einer Referenz ausdrücklich an die Koalitionsfraktionen wenden: Sie haben dies heute nicht getan. Deshalb wende ich mich an die anderen Oppositionsvertreter, auch wenn ich nicht sehr hoffnungsfroh bin, sie von unserem Anliegen überzeugen zu können: Friedensdienste mit und ohne Waffe -
Volker Kröning
das sollten wir in dieser Minute noch einmal deutlich machen - haben ein gemeinsames Fundament, nämlich die Pflichterfüllung gegenüber der Allgemeinheit. In einer Zeit der Überordnung des Einzelinteresses über das Allgemeininteresse, einer ebenso ungelösten wie lösungsbedürftigen Konkurrenz von Individualismus und Solidarität ist es nicht das Geringste, neben dem Recht, das immer gegen die Pflicht ausgespielt wird, vor allen Dingen die Pflicht von Menschen gegenüber Menschen zu betonen, die in beiden Dienstarten erfüllt wird.
Das ist für uns Ausgangspunkt für zwei Initiativen, von denen eine neu und eine leider alt ist; doch nach unserem Dafürhalten sind beide überfällig. Es geht um die Gleichbehandlung der Dienstarten im Wehrpflichtgesetz und im Zivildienstgesetz, nämlich in finanzieller Hinsicht des sogenannten Dienstes im Ausland - einer Alternative zum Zivildienst - mit diesem Zivildienst und in zeitlicher Hinsicht des Zivildienstes mit dem Grundwehrdienst.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, dazu einen Blick auf den „Bericht der Bundesregierung zur Gleichbehandlung von Grundwehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden" werfen, der schon vor anderthalb Jahren dem Deutschen Bundestag vorgelegt und neulich im Verteidigungsausschuß behandelt worden ist. Der Bericht spricht in beeindruckender Weise von einem „gesetzgeberischen Willen, ... beide Gruppen von Dienstpflichtigen gleichzustellen" und stellt fest, daß „die Problematik der rechtlichen und tatsächlichen Gleichbehandlung der Grundwehrdienstleistenden und der Zivildienstleistenden im Bewußtsein der Betroffenen besonders sensibel" ist. Ich meine, auch ein 40jähriges Jubiläum der Bundeswehr gibt Anlaß, diesen Punkt, der die Öffentlichkeit ebenfalls interessiert, noch einmal zur Sprache zu bringen.
Wer z. B. als junger Mann auch Russisch gelernt hat und sich verpflichten möchte, in Moskau Kinder und Jugendliche zu betreuen, die von Verwahrlosung bedroht sind, die Gefahr laufen, nicht einmal mehr Kindergärten und Schulen zu besuchen, stellt fest, daß sein Dienst, der im Zivildienstgesetz geregelte sogenannte Andere Dienst im Ausland - die vom Gesetzgeber selber eröffnete Alternative zum Zivildienst im Inland -, in dem Bericht der Bundesregierung überhaupt nicht erwähnt wird. Das muß ihn wundern. Denn dieser Dienst wird, anders als der Wehr- und der Zivildienst, nicht entgolten. Die Kosten für dieses Engagement müssen die jungen Leute selber tragen - oder ihre Eltern und freie Träger, die dazu oft nicht in der Lage sind.
Das ist ein krasser Fall von Ungleichbehandlung, der auch dein Zweck der Regelung zuwiderläuft, der im Gesetz ausdrücklich mit der „Förderung des friedlichen Zusammenlebens der Völker" - eine vielleicht etwas altmodisch klingende, aber nach wie vor berechtigte Formulierung - umschrieben wird. Wir fordern, daß dieses Defizit beseitigt wird.
Darüber hinaus fordert die SPD zum wiederholten Male, die Dauer von Zivildienst und Grundwehrdienst zu vereinheitlichen. Dazu sagt der erwähnte Bericht der Bundesregierung:
Dem Gesetzgeber ist durch die Unterschiede, die die beiden Dienste prägen, ein Gestaltungsspielraum eröffnet; er ist nicht zu einer schematischen Gleichbehandlung verpflichtet.
Dies ist ein seltener Fall von richtig und falsch: Richtig ist, daß der Gesetzgeber anders handeln könnte. Ob er aus rechtlichen Gründen auch anders handeln muß, will ich hier und heute offenlassen. Doch falsch ist, daß sich die Bundesregierung noch immer auf das Bundesverfassungsgericht beruft, das in der Tat die unterschiedliche Dauer von Wehr- und Zivildienst legitimiert hat.
Es bleibt nämlich ein Unikum unserer Rechtsordnung - und das ausgerechnet im Kernbereich von Rechten und Pflichten, von Dienen und Helfen, ja von Leben und Tod - daß gegen den klaren Wortlaut einer Verfassungsnorm verstoßen wird, daß - im Klartext - entgegen Art. 12a des Grundgesetzes der Zivildienst noch immer länger dauert als der Wehrdienst und nach dem vorliegenden Gesetzentwurf auch weiterhin länger dauern soll.
Die grundgesetzliche Vorschrift, daß die Dauer des Ersatzdienstes die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen darf, wird in einer für das juristisch gebildete wie für das unverbildete Publikum erstaunlichen Weise uminterpretiert:
Nicht die Dauer, sondern die Belastung wird verglichen. Die Wehrübungen werden angerechnet. Dabei werden nicht die tatsächlich geleisteten Übungen, sondern eine gegriffene Größenordnung zugrunde gelegt.
Auch diese Begründung ist beinahe überholt. Die Bundesregierung bemüht in ihrem erwähnten Bericht ein denkbar dürftiges Zitat der letzten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
- Doch, doch. Ich will mich nicht auf das Glatteis der Kritik am Bundesverfassungsgericht begeben; aber ich muß Ihnen dieses Zitat, auf das sich die Bundesregierung bezieht, vorlesen. Es heißt dort:
Der Zivildienstleistende ... ist in der Regel einem weniger strengen Dienstverhältnis unterworfen und befindet sich typischerweise in einer weniger belastenden Lebenssituation.
Jeder mag sich darauf einen Reim machen. Doch eines besagt dieser Satz: Es kommt auf die Realität an und darauf, wie sie bewertet wird.
Für uns ist die Antwort eindeutig: Längst werden nahezu alle Wehrpflichtigen, auch alle, die den Kriegsdienst aus Gewissensgründen verweigern,
Volker Kröning
zum Dienst herangezogen. So wichtig der Wehrdienst ist, so unentbehrlich ist der Zivildienst für unsere Gesellschaft inzwischen geworden. Die Zahl der Wehrübungen ist so verschwindend gering, daß sie - selbst wenn man der bisher herrschenden Meinung folgen wollte - eine pauschale Ungleichbehandlung des Zivil- und des Wehrdienstes nicht mehr rechtfertigt.
Meine Damen und Herren, die Funktionsfähigkeit der militärischen Komponente unserer Sicherheit ist bei einer Gleichbehandlung, wie die Verfassung sie fordert oder wie sie der Gesetzgeber zumindest mit dem gegebenen Spielraum einführen sollte, nicht in Gefahr.
Die Voraussetzungen für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind somit entfallen. Der Gesetzgeber sollte keiner der beiden Gruppen von Dienstleistenden die Ernsthaftigkeit ihrer Entscheidung absprechen.
Er sollte für die Attraktivität beider Dienstarten sorgen. Er sollte endlich die Gleichwertigkeit beider Dienstarten anerkennen. Es wird Zeit.
- Sie können sich zu einer Zwischenfrage melden. - Keine der beiden Dienstarten ist „2. Klasse".
Wir bitten deshalb um Annahme unseres Antrages.