Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Wehrrechtsänderungsgesetz wird die tiefgreifendste gesetzliche Eingriffsmaßnahme in die Bundeswehr in dieser Wahlperiode sein. Deswegen will ich mich auf dieses Gesetz konzentrieren.
Kernpunkt des Gesetzes ist die Verkürzung des Grundwehrdienstes auf zehn Monate, mit der Möglichkeit, freiwillig bis zu 23 Monate in der Bundeswehr zu dienen. Es gehört zur Redlichkeit dazu, zu sagen, daß es im Vorfeld dieser politischen Entscheidung Diskussionen über diese Frage in der Gesellschaft und natürlich auch in der CDU/CSU und der F.D.P., also in der Koalition, gegeben hat.
Denn es gibt in der Tat ein Problem, nämlich die Auswirkungen dieser Verkürzung auf die personelle Bedarfsdeckung der Bundeswehr.
Es ist zweifelsohne auch richtig, daß es einen gewissen Zielkonflikt zwischen der Verkürzung auf zehn Monate und der Friedensstärke von 340 000 Soldaten gibt, vor allem mit Blick auf die doch sehr stark gestiegene Quote der Wehrdienstverweigerer.
Es kommt entscheidend darauf an, daß wir diese auch vom Bundesminister immer als kompakt bezeichnete zehnmonatige Ausbildung entsprechend umsetzen. Dazu brauchen wir genügend Ausbilder, die für die Durchführung dieser kompakten und fordernden Ausbildung zur Verfügung stehen. Es ist auch politisch besonders wichtig für das Ministerium, genügend Ausbilder zu bekommen.
Wir haben gesagt, daß diese Frage intensiv diskutiert worden ist.
- Frau Kollegin Schulte, das wissen Sie genau; Sie waren doch immer dabei. - Letztlich war es so, daß dies auch von der Leitung des BMVg für machbar gehalten worden ist. Die Risiken sind also beherrschbar.
Einhergehend mit der Verkürzung des Grundwehrdienstes auf zehn Monate wird auch die Grundausbildung bei Heer und Luftwaffe auf zwei Monate reduziert. Ich möchte die Hardthöhe wirklich bitten, diese Verkürzung der Grundausbildung zu einer echten Entrümpelung zu nutzen, damit nicht immer wieder zivil erlernte Maßnahmen in der Bundeswehr neu erlernt werden müssen, z. B. Stichwort Führerschein.
Die Koalitionsfraktionen - man muß wirklich blind sein, wenn man das nicht anerkennt - haben in den parlamentarischen Beratungen im Ausschuß - das wissen Sie ganz genau, Herr Kollege Heistermann - deutliche Verbesserungen für die Grundwehrdienstleistenden mit einem Gesamtvolumen von annähernd 300 Millionen DM erreicht.
Wenn Sie ehrlich und redlich sein wollen, hätten Sie auch dies einmal erwähnen müssen.
Sie haben den Eindruck vermittelt, als ob es hier zu Kürzungsmaßnahmen gekommen wäre. Aber ich habe Ihnen angemerkt: Sie haben sich bei der Darstellung dieses Themas in Ihrer eigenen Haut nicht wohlgefühlt.
Alle Maßnahmen, die wir umgesetzt haben, haben nur ein Ziel: Die Stärkung des verfassungsmäßig vorrangigen Grundwehrdienstes. Ich möchte auf diese Punkte im einzelnen eingehen.
Das erste ist der schon zitierte Mobilitätszuschlag, ein völlig neues Instrument, das wir in der Tat dazu konzipiert haben, den Grundwehrdienst zu stärken. Ich finde, 90 DM pro Monat für jemanden, der mehr
Jürgen Augustinowitz
als 50 Kilometer fährt, und 180 DM pro Monat für jemanden, der mehr als 100 Kilometer fährt, sind bei einem Wehrsold von etwa 400 DM eine sehr deutliche Verbesserung, die man auch hier im Parlament einmal deutlich hervorheben muß.
Der zweite Punkt. Herr Kollege Heistermann, Sie haben so getan, als ob es schon seit Jahren ab dem vierten Monat Dienstzeitausgleich gäbe. Wir haben mit diesem Gesetz umgesetzt, daß der Dienstzeitausgleich auch für unsere Grundwehrdienstleistenden ab dem vierten Monat gilt. Nicht Sie, sondern wir haben das umgesetzt. Bisher war das nämlich ab dem siebten Monat der Fall.
Man kann das doch wirklich einmal sagen, wenn sich etwas verbessert hat. Tun Sie doch nicht so, als ob wir hier nur Dinge machten, die nicht passen!
Ich will hinzufügen, daß dieser Dienstzeitausgleich auch für die militärische Leitung und das Ministerium in der Regel in Geld geleistet werden soll. Aber wir wollen den militärischen Führern auch das Führungsinstrument Freizeitausgleich in Zeit lassen. Wir werden bei der Formulierung des Erlasses genau darauf achten, daß das eingehalten wird.
Die Forderung einer Gleichbehandlung zwischen Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden bleibt auch beim Dienstzeitausgleich. Wir haben bei den parlamentarischen Beratungen eine Änderung des § 32 des Zivildienstgesetzes eingefordert. Die Bundesregierung ist hier in der Bringschuld.
Drittens: Verkürzung der Beförderungsintervalle. In der nächsten Zeit wird der Grundwehrdienstleistende bereits nach drei Monaten Gefreiter. Das ist nicht nur finanziell, sondern vor allem auch ideell wichtig. Wir haben außerdem bereits zum 1. Oktober dieses Jahres das doppelte Verpflegungsgeld an allen dienstfreien Tagen eingeführt. Das kostet übrigens 90 Millionen DM im Jahr, Herr Kollege Heistermann. Warum reden Sie eigentlich nicht einmal davon? Das ist doch eine positive Sache.
Das sind wichtige Erfolge der Koalitionsfraktionen für die Grundwehrdienstleistenden. Ich will deutlich machen: Das sind materielle Anreize, im Mittelpunkt unserer Bemühungen müssen aber die immateriellen Dinge stehen, auf die ich gleich noch eingehen werde. Sie sind wichtiger als die materiellen Leistungen.
Aber auch die Bundeswehr muß einen eigenen Beitrag zur Senkung der Verweigererquote leisten. Hierzu zählt insbesondere der Umgang mit den Wehrpflichtigen in der Truppe wie bei den Wehrersatzbehörden. Die Jahresberichte der Wehrbeauftragten zeigen immer wieder, daß es in diesen Bereichen noch erheblichen Spielraum für Verbesserungen gibt. Gerichtet an die Inspekteure der Teilstreitkräfte und den Generalinspekteur sage ich: Hier können Sie und die Vorgesetzten in der Truppe noch etwas tun, und darum bitten wir Sie hier im Parlament.
Nur wenn der Soldat die Bundeswehr mit dem Bewußtsein verläßt, wirklich gebraucht worden zu sein und einen sinnvollen Dienst geleistet zu haben, wird er ein positives Bild von den Streitkräften mit in das Zivilleben nehmen und in die Bevölkerung tragen.
Es ist sehr zu begrüßen, daß der Fraktionsvorsitzende der SPD heute ein klares Wort zur Wehrpflicht gesagt hat. Dafür bin ich ihm auch im Namen der CDU/CSU-Fraktion dankbar. Das ist für unsere Bundeswehr wichtig.
Aber das eine ist das Reden, das andere ist das tatsächliche Handeln. Ihr Antrag, die Dauer des Zivildienstes an die Dauer des Grundwehrdienstes anzugleichen, bedeutet doch in der Praxis die Aufgabe der allgemeinen Wehrpflicht, weil wir dann Verweigerungszahlen bekommen würden, die den Personalumfang der Bundeswehr nicht mehr sicherstellen würden.
Das ist ein unverantwortlicher Antrag, den Sie zum wiederholten Male gemacht haben. Schauen Sie, Herr Kollege, einmal nach Frankreich. Die Franzosen haben einen Grundwehrdienst von zehn Monaten. Wissen Sie, wie lange dort der Zivildienst dauert? Er dauert 20 Monate, und die Franzosen haben eine Verweigerungsquote von 5 %.
Ehrlicher sind dabei die Grünen. Die Grünen sagen: Wir wollen die Abschaffung der Wehrpflicht, um die Bundeswehr insgesamt abzuschaffen. Das ist zumindest eine ehrliche Antwort auf die Fragen, die wir uns alle stellen. Dafür muß ich sie ausdrücklich loben.
Ich möchte noch etwas Grundsätzliches zum Thema Wehrpflicht sagen: Es ist eine der grundlegenden Pflichten des Staates, seine Bürger vor äußeren Gefahren zu schützen. Für Deutschland ist diese Verpflichtung in Art. 1 Grundgesetz ausdrücklich festgeschrieben. Dem Privileg des Bürgers, vom Staat geschützt zu werden, steht die Pflicht gegenüber, als Teil unseres Staates am Erhalt der äußeren Sicherheit mitzuwirken, zumindest zeitweise mitzuwirken.
Der Bürger erfüllt diese Pflicht, indem er sich für einen Zeitraum in den Dienst der bewaffneten Streitkräfte stellt. Die allgemeine Wehrpflicht ist der greifbare Ausdruck der persönlichen Mitverantwortung des Bürgers für ein Leben der deutschen Nation in Frieden und Freiheit.
Der Grundwehrdienstleistende ist verpflichtet, treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Das bedeutet für den Grundwehrdienstleistenden, im Katastrophen-, im Spannungs- oder im Verteidigungsfall unter Einsatz seiner Gesundheit oder seines Lebens für Frieden und Freiheit unseres Volkes einzutreten. Das unterscheidet den Grundwehrdienstleistenden fundamental vom Zivildienstleistenden.
Jürgen Augustinowitz
Es ist eine entscheidende politische Führungsaufgabe, den unauflösbaren Zusammenhang zwischen Wehrpflicht und Landesverteidigung zu verdeutlichen. Landesverteidigung und Wehrpflicht sind zwei Seiten der gleichen Medaille.
Die Bundeswehr hat nach dem Ende des kalten Krieges aus Sicht vieler junger Menschen ein Begründungsproblem. Die hohe KDV-Quote ist ein Beleg dafür. Seit dem Wegfall der massiven, unmittelbaren Bedrohung Deutschlands durch den Warschauer Pakt glaubt mancher Wehrpflichtiger, daß sein Dienst in der Bundeswehr nicht mehr notwendig sei, da Deutschland mangels einer konkreten Bedrohung keine Streitkräfte mehr brauche.
Diese Fehleinschätzung ist eine Folge der oberflächlichen Begründung der Existenz der Bundeswehr während des kalten Krieges. Die Bundeswehr wurde zu wenig als Ausweis für die Souveränität Deutschlands begründet, als die Fähigkeit des deutschen Staates, seine Bürger vor Gewalt und Bedrohung von außen zu schützen. Statt dessen wurde die bequemere, weil offensichtliche Begründung der Bedrohung aus dem Osten als Existenzgrund angeführt. Dies rächt sich jetzt.
Daß sich viele Wehrpflichtige unter diesen Bedingungen gegen den Dienst in der Bundeswehr entscheiden, deren Sinn und Legitimation ihnen zum Teil nie richtig vermittelt wurde, kann nicht verwundern. Hier ist die Politik in der Verantwortung, Veränderungen durchzusetzen. Dabei spielen auch z. B. Schulen eine Rolle. Im Schulunterricht muß über dieses Thema vernünftig geredet werden.