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    Plenarprotokoll 13/65 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 65. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Oktober 1995 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, für die Aktuelle Stunde sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 6. November 1995 5563 A Zur Geschäftsordnung Dr. Dagmar Enkelmann PDS 5563 B Joachim Hörster CDU/CSU 5563 D Tagesordnungspunkt 13: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung 40 Jahre Bundeswehr — 5 Jahre Armee der Einheit b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften (Wehrrechtsänderungsgesetz) (Drucksachen 13/1801, 13/2209, 13/2547, 13/2548) . 5564B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Andrea Lederer, Heinrich Graf von Einsiedel, Dr. Willibald Jacob und der weiteren Abgeordneten der PDS: Abschaffung der Wehrpflicht (Drucksache 13/580) . 5564 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Angelika Beer, Christian Sterzing und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Fortsetzung der Bundeswehrreduzierung und Verzicht auf Umstrukturierung der Bundeswehr für weltweite Kampfeinsätze (Drucksache 13/499) 5564 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 14: Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten der PDS: Kampfeinsätze der Bundeswehr (Drucksachen 13/136, 13/1880) . . . . . . . 5564 D Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 5564 D Rudolf Scharping SPD 5568 C Paul Breuer CDU/CSU 5572 A Rolf Köhne PDS 5573 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5575 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . 5577 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 5577 C Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 5580 C Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 5582 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5584 A Walter Kolbow SPD 5585 D Rainer Eppelmann CDU/CSU 5588 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5590 D Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . 5592 C Dieter Heistermann SPD 5594 C Paul Breuer CDU/CSU 5595 D Dr. Klaus Rose CDU/CSU 5597 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5598A Dr. Gregor Gysi PDS 5600A Volker Kröning SPD 5601 D Jürgen Augustinowitz CDU/CSU . . . 5603 B Rolf Köhne PDS 5605 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS (Erklärung nach § 30 GO) 5606A Tagesordnungspunkt 10: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachen Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung (Drucksachen 13/2235, 13/ 2476, 13/2784, 13/2785) 5607 A b) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Christine Scheel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eckwerte für ein grünes Selbsthilfe-Gesetz für eine soziale und ökologische Reform der Wohneigentumsförderung zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Warnick, Dr. Barbara Höll, Dr. Uwe-Jens Rössel und der Gruppe der PDS: Reformierung der Wohneigentumsförderung als ein Bestandteil der Wohnungsbaupolitik (Drucksachen 13/2304, 13/2357, 13/2784) 5607 A c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Abgeordneten Otto Reschke, Achim Großmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Neugestaltung der Wohneigentumsförderung zu dem Antrag der Abgeordneten Dieter Maaß (Herne), Achim Großmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Wohnungsbaugenossenschaften stärken - Mitglieder steuerlich fördern (Drucksachen 13/1501, 13/1644, 13/2771) 5607 B Dr. Kurt Faltlhauser, Parl. Staatssekretär BMF 5607 C Otto Reschke SPD 5608 D Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 5610 C Klaus-Jürgen Warnick PDS 5611B Dr. Barbara Höll PDS 5611 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5612C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. 5613 C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 5614 B Detlev von Larcher SPD 5614 C Klaus-Jürgen Warnick PDS 5615 D Gerhard Schulz (Leipzig) CDU/CSU . 5616D Achim Großmann SPD 5618 A Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 5620 B Otto Reschke SPD 5621 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5622 A Ingrid Matthäus-Maier SPD (Erklärung nach § 31 GO) 5622 B Zusatztagesordnungspunkt 15: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zur Altschuldenregelung für ostdeutsche Kommunen angesichts erster Bewertungsergebnisse eines Rechtsgutachtens zur Auferlegung von Rückzahlungsverpflichtungen 5623 C Dr. Christine Lucyga SPD 5623 D Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 5624 D Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5625 D Jürgen Türk F.D.P 5626 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 5627 C Irmgard Karwatzki, Pari. Staatssekretärin BMF 5628 B Dr. Uwe Küster SPD 5629 A Dr. Michael Luther CDU/CSU 5630 B Gunter Weißgerber SPD 5631 A Susanne Jaffke CDU/CSU 5631 D Dr. Mathias Schubert SPD 5632 D Arnulf Kriedner CDU/CSU 5633 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 5634 B Zusatztagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksache 13/2746) 5635 B Ulf Fink CDU/CSU 5635 C Brigitte Lange SPD 5636 C Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5638 A Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . 5639A Dr. Heidi Knake-Werner PDS 5640 A Nächste Sitzung 5640 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 5641 * A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5641 * C 65. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Oktober 1995 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD SPD SPD SPD 27. 10.95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 Barthel, Klaus BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Blunck, Lilo SPD F.D.P. 27. 10. 95 Conradi, Peter Dietert-Scheuer, Amke SPD SPD 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 Dr. Dobberthien, Marliese CDU/CSU PDS 27. 10. 95 ** Günther (Plauen), Joachim PDS CDU/CSU 27. 10. 95 Dr. Hartenstein, Liesel Hempelmann, Rolf Hörsken, Heinz-Adolf Dr. Jacob, Willibald Jüttemann, Gerhard Kuhn, Werner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Lengsfeld, Vera CDU/CSU SPD 27. 10. 95 Marten, Günter SPD CDU/CSU CDU/CSU SPD 27. 10.95 Meißner, Herbert Neumann (Berlin), Kurt Dr. Pinger, Winfried BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Dr. Reinartz, Bertold Schaich-Walch, Gudrun Scheel, Christine BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Schlauch, Rezzo CDU/CSU CDU/CSU SPD 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 Schmidt (Mülheim), Andreas SPD 27. 10. 95 Schmitz (Baesweiler), Hans Peter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Schultz (Everswinkel), Reinhard Schumann, Ilse Steindor, Marina Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Thiele, Carl-Ludwig Thieser, Dietmar Tippach, Steffen Titze-Stecher, Uta F.D.P. 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 * Vogt (Düren), Wolfgang Dr. Warnke, Jürgen Zierer, Benno SPD PDS SPD CDU/CSU CDU/CSU CDU/CSU *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 689. Sitzung am 13. Oktober 1995 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß § 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: - Achtzehntes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes - Gesetz zu dem Vertrag vom 26. Mai 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand über die Überstellung von Straftätern und über die Zusammenarbeit bei der Vollstreckung von Strafurteilen - Gesetz zu den Protokollen vom 19. Dezember 1988 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sowie zur Übertragung bestimmter Zuständigkeiten für die Auslegung dieses Übereinkommens auf den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 25. Oktober 1995 folgende Vorlagen zurückgezogen: - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (Wahl der Richter und Richterinnen) - Drucksache 13/1626 - - Antrag: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt - Wege zu einem dauerhaft umweltverträglichen Umgang mit Stoffen und Energien" - Drucksache 13/98 - - Antrag: Das Meer ist keine Müllhalde - Drucksache 13/1727 - Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Wirtschaft Drucksachen 13/1376, 13/1787 Nr. 1.1 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksachen 12/6960, 13/725 Nr. 132 5642* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Oktober 1995 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksachen 12/7063, 13/725, Nr. 174 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen haben. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/2306 Nr. 2.67 Innenausschuß Drucksache 13/765 Nr. 1.20 Drucksache 13/765 Nr. 1.21 Finanzausschuß Drucksache 13/1614 Nr. 2.10 Drucksache 13/1614 Nr. 2.11 Drucksache 13/2306 Nr. 2.13 Drucksache 13/2306 Nr. 2.61 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/1338 Nr. 2.2 Drucksache 13/1442 Nr. 1.4 Drucksache 13/1799 Nr. 2.4 Drucksache 13/2306 Nr. 2.27 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 13/725 Nr. 137 Drucksache 13/725 Nr. 139 Drucksache 13/269 Nr. 1.4 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/218 Nr. 98 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/478 Nr. 1.2 Drucksache 13/1038 Nr. 15 Drucksache 13/1338 Nr. 1.6 Drucksache 13/1614 Nr. 1.9 Drucksache 13/1799 Nr. 1.1 Berichtigung Im Anhang zum stenographischen Protokoll der 53. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 8. September 1995 zu EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament ist unter dem Titel Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Drucksachennummer 13/725, Nr. 107, Nr. 108, Nr. 112 und Nr. 124 ersatzlos zu streichen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Andrea Lederer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Mein letzter Satz: Wenn Sie in bezug auf Friedenspolitik glaubwürdig sein wollen, dann müssen Sie erst einmal erklären, weshalb der Waffenexport derart zunimmt. Wer so viel Waffen exportiert und so viel daran verdient, verdient letztlich an Krieg und Bürgerkrieg. Das ist der eigentliche Skandal der heutigen Situation.

    (Beifall bei der PDS Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Das sagt ein Ex-DDR-Kommunist! Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Laßt nächstens die Leute reden, die Ahnung davon haben!)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Bei allen Rednern, Herr Kollege Gysi, hat es bisher geklappt, daß ich, ohne das Mikrophon einzuschalten, von hinten leise gesagt habe: Ende der Redezeit. Dann sind sie zum Schluß gekommen. Sie haben locker eine Minute weitergeredet. Das finde ich nicht fair.

(Widerspruch bei der PDS Dr. Gregor Gysi [PDS]: Das hätte der Kanzler in der UNO auch versuchen können! Hannelore Rönsch [Wiesbaden] [CDU/CSU]: Wann hat sich die PDS je an Spielregeln gehalten?)

Ich erteile das Wort dem Kollegen Volker Kröning.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Volker Kröning


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auf die Tagesordnung zurückkommen, und zwar auf das Wehrrechtsänderungsgesetz, und darf mich dabei auf den Antrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 13/2757 beziehen.
    Die SPD-Fraktion hat aus Anlaß des 40jährigen Jubiläums der Bundeswehr vielfach ihre Grundsatzposition zum Ausdruck gebracht, daß sie zur Wehrpflicht steht, d. h. zum Wehrdienst und zu den als Ersatz für den Wehrdienst gesetzlich vorgesehenen Dienstarten. Man sollte diese Dienste - Friedensdienste mit und ohne Waffe - nicht gegeneinander ausspielen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Da kann ich mich nicht nur mit einem Appell, sondern sogar mit einer Referenz ausdrücklich an die Koalitionsfraktionen wenden: Sie haben dies heute nicht getan. Deshalb wende ich mich an die anderen Oppositionsvertreter, auch wenn ich nicht sehr hoffnungsfroh bin, sie von unserem Anliegen überzeugen zu können: Friedensdienste mit und ohne Waffe -

    (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Dienst mit der Waffe ist keiner!)


    Volker Kröning
    das sollten wir in dieser Minute noch einmal deutlich machen - haben ein gemeinsames Fundament, nämlich die Pflichterfüllung gegenüber der Allgemeinheit. In einer Zeit der Überordnung des Einzelinteresses über das Allgemeininteresse, einer ebenso ungelösten wie lösungsbedürftigen Konkurrenz von Individualismus und Solidarität ist es nicht das Geringste, neben dem Recht, das immer gegen die Pflicht ausgespielt wird, vor allen Dingen die Pflicht von Menschen gegenüber Menschen zu betonen, die in beiden Dienstarten erfüllt wird.
    Das ist für uns Ausgangspunkt für zwei Initiativen, von denen eine neu und eine leider alt ist; doch nach unserem Dafürhalten sind beide überfällig. Es geht um die Gleichbehandlung der Dienstarten im Wehrpflichtgesetz und im Zivildienstgesetz, nämlich in finanzieller Hinsicht des sogenannten Dienstes im Ausland - einer Alternative zum Zivildienst - mit diesem Zivildienst und in zeitlicher Hinsicht des Zivildienstes mit dem Grundwehrdienst.
    Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, dazu einen Blick auf den „Bericht der Bundesregierung zur Gleichbehandlung von Grundwehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden" werfen, der schon vor anderthalb Jahren dem Deutschen Bundestag vorgelegt und neulich im Verteidigungsausschuß behandelt worden ist. Der Bericht spricht in beeindruckender Weise von einem „gesetzgeberischen Willen, ... beide Gruppen von Dienstpflichtigen gleichzustellen" und stellt fest, daß „die Problematik der rechtlichen und tatsächlichen Gleichbehandlung der Grundwehrdienstleistenden und der Zivildienstleistenden im Bewußtsein der Betroffenen besonders sensibel" ist. Ich meine, auch ein 40jähriges Jubiläum der Bundeswehr gibt Anlaß, diesen Punkt, der die Öffentlichkeit ebenfalls interessiert, noch einmal zur Sprache zu bringen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wer z. B. als junger Mann auch Russisch gelernt hat und sich verpflichten möchte, in Moskau Kinder und Jugendliche zu betreuen, die von Verwahrlosung bedroht sind, die Gefahr laufen, nicht einmal mehr Kindergärten und Schulen zu besuchen, stellt fest, daß sein Dienst, der im Zivildienstgesetz geregelte sogenannte Andere Dienst im Ausland - die vom Gesetzgeber selber eröffnete Alternative zum Zivildienst im Inland -, in dem Bericht der Bundesregierung überhaupt nicht erwähnt wird. Das muß ihn wundern. Denn dieser Dienst wird, anders als der Wehr- und der Zivildienst, nicht entgolten. Die Kosten für dieses Engagement müssen die jungen Leute selber tragen - oder ihre Eltern und freie Träger, die dazu oft nicht in der Lage sind.
    Das ist ein krasser Fall von Ungleichbehandlung, der auch dein Zweck der Regelung zuwiderläuft, der im Gesetz ausdrücklich mit der „Förderung des friedlichen Zusammenlebens der Völker" - eine vielleicht etwas altmodisch klingende, aber nach wie vor berechtigte Formulierung - umschrieben wird. Wir fordern, daß dieses Defizit beseitigt wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Darüber hinaus fordert die SPD zum wiederholten Male, die Dauer von Zivildienst und Grundwehrdienst zu vereinheitlichen. Dazu sagt der erwähnte Bericht der Bundesregierung:
    Dem Gesetzgeber ist durch die Unterschiede, die die beiden Dienste prägen, ein Gestaltungsspielraum eröffnet; er ist nicht zu einer schematischen Gleichbehandlung verpflichtet.
    Dies ist ein seltener Fall von richtig und falsch: Richtig ist, daß der Gesetzgeber anders handeln könnte. Ob er aus rechtlichen Gründen auch anders handeln muß, will ich hier und heute offenlassen. Doch falsch ist, daß sich die Bundesregierung noch immer auf das Bundesverfassungsgericht beruft, das in der Tat die unterschiedliche Dauer von Wehr- und Zivildienst legitimiert hat.
    Es bleibt nämlich ein Unikum unserer Rechtsordnung - und das ausgerechnet im Kernbereich von Rechten und Pflichten, von Dienen und Helfen, ja von Leben und Tod - daß gegen den klaren Wortlaut einer Verfassungsnorm verstoßen wird, daß - im Klartext - entgegen Art. 12a des Grundgesetzes der Zivildienst noch immer länger dauert als der Wehrdienst und nach dem vorliegenden Gesetzentwurf auch weiterhin länger dauern soll.
    Die grundgesetzliche Vorschrift, daß die Dauer des Ersatzdienstes die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen darf, wird in einer für das juristisch gebildete wie für das unverbildete Publikum erstaunlichen Weise uminterpretiert:

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das kann man wohl sagen!)

    Nicht die Dauer, sondern die Belastung wird verglichen. Die Wehrübungen werden angerechnet. Dabei werden nicht die tatsächlich geleisteten Übungen, sondern eine gegriffene Größenordnung zugrunde gelegt.
    Auch diese Begründung ist beinahe überholt. Die Bundesregierung bemüht in ihrem erwähnten Bericht ein denkbar dürftiges Zitat der letzten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

    (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Na! Na!)

    - Doch, doch. Ich will mich nicht auf das Glatteis der Kritik am Bundesverfassungsgericht begeben; aber ich muß Ihnen dieses Zitat, auf das sich die Bundesregierung bezieht, vorlesen. Es heißt dort:
    Der Zivildienstleistende ... ist in der Regel einem weniger strengen Dienstverhältnis unterworfen und befindet sich typischerweise in einer weniger belastenden Lebenssituation.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ja!)

    Jeder mag sich darauf einen Reim machen. Doch eines besagt dieser Satz: Es kommt auf die Realität an und darauf, wie sie bewertet wird.
    Für uns ist die Antwort eindeutig: Längst werden nahezu alle Wehrpflichtigen, auch alle, die den Kriegsdienst aus Gewissensgründen verweigern,

    Volker Kröning
    zum Dienst herangezogen. So wichtig der Wehrdienst ist, so unentbehrlich ist der Zivildienst für unsere Gesellschaft inzwischen geworden. Die Zahl der Wehrübungen ist so verschwindend gering, daß sie - selbst wenn man der bisher herrschenden Meinung folgen wollte - eine pauschale Ungleichbehandlung des Zivil- und des Wehrdienstes nicht mehr rechtfertigt.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, die Funktionsfähigkeit der militärischen Komponente unserer Sicherheit ist bei einer Gleichbehandlung, wie die Verfassung sie fordert oder wie sie der Gesetzgeber zumindest mit dem gegebenen Spielraum einführen sollte, nicht in Gefahr.

    ( Vo rs it z : Vizepräsident Hans-Ulrich Klose)

    Die Voraussetzungen für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind somit entfallen. Der Gesetzgeber sollte keiner der beiden Gruppen von Dienstleistenden die Ernsthaftigkeit ihrer Entscheidung absprechen.

    (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Das gebe ich bei meinen nächsten Truppenbesuchen weiter!)

    Er sollte für die Attraktivität beider Dienstarten sorgen. Er sollte endlich die Gleichwertigkeit beider Dienstarten anerkennen. Es wird Zeit.

    (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Fahren sie mal in die neuen Bundesländer, wo die Dienstleistenden mehr als 100 Kilometer zurücklegen müssen!)

    - Sie können sich zu einer Zwischenfrage melden. - Keine der beiden Dienstarten ist „2. Klasse".
    Wir bitten deshalb um Annahme unseres Antrages.

    (Beifall bei der SPD)