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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/52 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 52. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 7. September 1995 Inhalt: Zur Geschäftsordnung Dr. Peter Struck SPD 4394B, 4399A Joachim Hörster CDU/CSU 4395 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4396 C Jörg van Essen F.D.P. 4397 C Eva Bulling-Schröter PDS 4397 D Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) (Drucksache 13/2000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 1995 bis 1999 (Drucksache 13/2001) Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 4345 B Ernst Schwanhold SPD . . . . 4346D, 4360 B Anke Fuchs (Köln) SPD 4349 A Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . 4352A Birgit Homburger F D P. 4352 C Ernst Hinsken CDU/CSU 4352B, 4370D, 4377 C Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 4354 C Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4357 C Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. 4359A Rolf Kutzmutz PDS 4361 A Stefan Heym PDS 4362 C Otto Schily SPD 4363 A Rainer Haungs CDU/CSU 4363 B Anke Fuchs (Köln) SPD . . . . 4364B, 4369A Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . 4365B, 4393 A Uwe Hiksch SPD 4365 D Dr. Uwe Jens SPD 4367 B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . 4368B Kurt J. Rossmanith CDU/CSU . . . 4369 D Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 4371 D Rudolf Dreßler SPD 4375 B Dr. Gisela Babel F.D.P 4378 A Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4379 C Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . 4380 C Rudolf Dreßler SPD 4382A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4384 A Dr. Gisela Babel F.D.P 4386B Manfred Müller (Berlin) PDS 4388B Ulrich Heinrich F D P. 4388 D Ottmar Schreiner SPD 4390 A Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 4390 D Gerda Hasselfeldt CDU/CSU 43928 Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 4399B Doris Odendahl SPD 4401 D Günter Rixe SPD 4401 D Dr. Peter Glotz SPD 4403 C Steffen Kampeter CDU/CSU 4406 C Dr. Peter Glotz SPD 4407 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . 4408B, 4467A Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4409D Steffen Kampeter CDU/CSU 4410A Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4410B Wolf-Michael Catenhusen SPD . • . 4411C Dr. Karlheinz Guttmacher F.D.P. . . . 4412D Maritta Böttcher PDS 4414C, 4432 B Dr. Gerhard Friedrich CDU/CSU . . . 4416A Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4416B Edelgard Bulmahn SPD 4418B Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU . . . 4420 D Gertrud Dempwolf, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ 4422 A Edelgard Bulmahn SPD 4422 B Hanna Wolf (München) SPD 4424 C Johannes Singhammer CDU/CSU . 4426 B Peter Jacoby CDU/CSU 4427 A Wolfgang Dehnel CDU/CSU 4428 C Ingrid Holzhüter SPD 4428D, 4431 D Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4429 B Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . 4430 D Walter Link (Diepholz) CDU/CSU . . . 4433 A Hanna Wolf (München) SPD 4433 B Klaus Hagemann SPD 4434 B Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 4436 C Klaus Kirschner SPD 4439 A Angelika Pfeiffer CDU/CSU 4441 C Marina Steindor BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4443 C Jürgen W. Möllemann F.D.P. . . . . . 4445.A Horst Seehofer CDU/CSU 4445 C Klaus Kirschner SPD 4445C, 4448D Peter DreBen SPD 4446 A Dr. Ruth Fuchs PDS 4447 B Ulf Fink CDU/CSU 4448 B Gudrun Schaich-Walch SPD 4450p Jochen Borchert, Bundesminister BML 4452 A Dr. Peter Struck SPD 4453B, 4463 D Horst Sielaff SPD 4454 C Norbert Schindler CDU/CSU 4456 A Egon Susset CDU/CSU 4457 C Horst Sielaff SPD 4458 B Peter Harry Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 4458C, 4463 B Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4458D Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4460A Jürgen Koppelin F.D.P 4461 C Jochen Borchert CDU/CSU . . 4463A, 4464 A Dr. Günther Maleuda PDS 4464 C Max Straubinger CDU/CSU 4465 C Ilse Janz SPD 4466 C Nächste Sitzung 4468 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4469* A 52. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 7. September 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 7.9.95 Behrendt, Wolfgang SPD 7.9.95 * Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 7.9.95 Frick, Gisela F.D.P. 7.9.95 Grießhaber, Rita BÜNDNIS 7.9.95 90/DIE GRÜNEN Heym, Stefan PDS 7.9.95 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 7.9.95 Hoffmann (Chemnitz), SPD 7.9.95 Jelena Horn, Erwin SPD 7.9.95 Dr.-Ing. Jork, Rainer CDU/CSU 7.9.95 Dr. Klaußner, Bernd CDU/CSU 7.9.95 Dr. Knake-Werner, PDS 7.9.95 Heidi Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 7.9.95 Angelika 90/DIE GRÜNEN Leidinger, Robert SPD 7.9.95 Lemke, Steffi BÜNDNIS 7.9.95 90/DIE GRÜNEN Lengsfeld, Vera BÜNDNIS 7.9.95 90/DIE GRÜNEN Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lotz, Erika SPD 7.9.95 Lüth, Heidemarie PDS 7.9.95 Neuhäuser, Rosel PDS 7.9.95 Neumann (Berlin), Kurt SPD 7.9.95 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 7.9.95 Schätzle, Ortrun CDU/CSU 7.9.95 Schenk, Christa PDS 7.9.95 Schewe-Gerigk, BÜNDNIS 7.9.95 Irmingard 90/DIE GRÜNEN Schmidt (Aachen), SPD 7.9.95 Ursula Schmitt (Langenfeld), BÜNDNIS 7.9.95 Wolfgang 90/DIE GRÜNEN Schultz (Everswinkel), SPD 7.9.95 Reinhard Dr. Schwaetzer, Irmgard F.D.P. 7.9.95 Simm, Erika SPD 7.9.95 Stübgen, Michael CDU/CSU 7.9.95 Thieser, Dietmar SPD 7.9.95 Tröscher, Adelheid SPD 7.9.95 Wieczorek-Zeul, SPD 7.9.95 Heidemarie • für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Matthias Berninger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Weltfrauenkonferenz in Peking wurde von seiten des chinesischen Regimes vorweg ein wichtiger Satz ins Stammbuch geschrieben. Er lautete in bestem Chinesisch: „Erweisen Sie sich als würdiger Gast." Ich glaube, wir können hier gemeinsam sagen: Die vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmer erweisen sich in Peking als würdige Gäste, weil sie die Probleme, die Frauen in dieser Welt haben, über Kulturgrenzen hinweg mit einer relativ großen Einigkeit - ich glaube, sogar mit einer größeren Einigkeit als seinerzeit in Kairo - zur Sprache bringen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Ich meine, das sollten wir begrüßen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P.)

    Das zentrale Problem, vor dem die Frauen in dieser Welt stehen, ist die Armut; das ist völlig klar. Wenn wir hier in einem sehr reichen Land über dieses Thema diskutieren, wird von vielen Frauen in den Entwicklungsländern immer der Vorwurf kommen: Na ja, eure Probleme, die ihr diskutiert, sind angesichts der Armut, mit der wir konfrontiert sind, relative Kleinigkeiten. Ich meine, daß Sie das zentrale Problem ist und bekämpft werden muß. Es macht deutlich, daß Frauenpolitik nicht auf den Einzelplan, den wir gerade diskutieren, reduziert werden kann, sondern daß die Probleme, die angesprochen wurden, von der Bundesregierung auch in sehr vielen anderen Bereichen behandelt werden müssen. Sie müssen in viel stärkerem Maße übernommen werden, als das bisher geschehen ist.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

    Natürlich, Entwicklungspolitik muß Frauen und Männer, die die frauenspezifischen Probleme in Entwicklungsländern, in armen Ländern zum Thema machen, stärken, und zwar viel mehr, als das bisher geschehen ist. Da muß die Entwicklungshilfe der Bundesregierung ansetzen.
    Des weiteren muß das Außenministerium natürlich darauf drängen, daß die Menschenrechte, die unteilbar sind und nicht von irgendwelchen kulturellen „Errungenschaften" - z. B. der Klitorisbeschneidung -beeinträchtigt werden dürfen, angesprochen und zentral thematisiert werden.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ein zweiter Punkt. Frau Nolte hat deutlich gemacht, daß sich das Regime in China nicht als würdiger Gastgeber erwiesen hat. Ich freue mich, daß sie das so offen getan hat. Ich hoffe aber, daß das nicht - wie so oft - eine Feigenblattfunktion hat. Wir haben nämlich einen anderen, wie ich meine, in einer gewissen Form unwürdigen Gastgeber, nämlich die Bundesrepublik Deutschland, erlebt, als die Chinesen hier zu Besuch waren, ihre Verträge machen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit intensivieren wollten. Wenn das, was Frau Nolte bei dieser Konferenz gesagt hat, richtig ist, nämlich, daß die Menschenrechte in China ein zentrales Thema sind, dann muß es auch richtig sein, wenn Herr Wissmann, Herr Rexrodt oder Herr Kohl mit den Chinesen verhandeln. Auch dabei muß das im Zentrum stehen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Matthias Berninger
    Man kann die Brücke zwischen den außen- und den innenpolitischen Dimensionen an einem ganz wichtigen Punkt, den bereits Frau Wolf ansprach, festmachen. Sind geschlechtsspezifische Verfolgungsgründe bei uns ein Grund, um Asyl zu erhalten? Bislang sind sie es nicht. Wenn eine Frau von irgendwelchen Häschern eines Regimes vergewaltigt wird, ist das noch kein Asylgrund.
    Das muß sich ändern. Wir sprechen immer wieder, vor allem in Sonntagsreden davon, daß sich das ändern muß. Ich bitte sehr darum, daß wir das in diesem Jahr, in den nächsten Monaten festschreiben. Das kann doch kein so großes Problem sein.
    Die Realisierung des eigenständigen Aufenthaltsrechts von Frauen darf ebenfalls kein großes Problem sein. Auch hier haben wir in Sonntagsreden einen breiten Konsens. Seit einem Jahr wird es diskutiert, aber es tut sich nichts. Ich denke, hier muß sich sehr schnell etwas tun, weil die Rolle von Frauen, die, wenn sie Asyl beantragen, immer von ihren Männern abhängig sind, zentral und wichtig ist. Wir müssen diese Frauen in den Mittelpunkt einer vernünftigen Einwanderungs- bzw. Asylpolitik stellen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Zur Frauenpolitik hat Frau Nolte vor ihrer Abreise nach China gesagt: Wir müssen die Gleichberechtigung vollenden. Das hat sie vom Kanzler abgeguckt. Wir müssen ja schließlich auch die Einheit „vollenden" . Aber der Eindruck, daß wir soweit sind, geht fehl. Sehen Sie sich an den Universitäten um! Dort gibt es etwa 6 % Professorinnen. Das darf doch wohl nicht wahr sein. Sehen Sie sich in der CDU-Fraktion um! Ich weiß gar nicht, welchen Frauenanteil Sie dort haben. Es werden noch einige Wahlkreise purzeln müssen, wenn Sie die Gleichberechtigung vollenden.
    Wir müssen an einem ganz zentralen Punkt, der noch nicht angesprochen wurde, der uns aber arg zusetzen wird, im Konsens Position beziehen. Das ist die Frage, wie wir es mit Art. 3 GG halten. Ich habe den Eindruck, daß bei den Verfahren, die gegen Gleichstellungsgesetze laufen, die Gerichte wie folgt urteilen werden: Das individuelle Recht auf Gleichheit von Männern und Frauen beim Berufszugang wird über das Recht der Frauen, gleiche Rechte in diesem Land zu erhalten, gestellt. Das scheint mir im Moment die politische Debatte zu sein. Deswegen sind so viele Gleichstellungsgesetze zur Zeit auf dem juristischen Prüfstand. Ich bitte doch sehr darum, daß sich Frau Nolte, wenn sie wieder hier ist, dieses Themas annimmt, und zwar nicht erst, wenn es zu spät ist. Verfassungswirklichkeit muß heißen, daß die Ergänzung des Grundgesetzes, die wir beschlossen haben, endlich in die Tat umgesetzt wird. Ich sehe das im Moment noch nicht und erwarte deutlichere Worte unserer Frauenministerin.
    Es ist ein Problem, daß sie manchmal zu bestimmten Punkten schweigt, obwohl es wichtig wäre, daß sie sie anspricht. Auch in Peking hat sie zum Thema Abtreibung nicht viel gesagt. Frau Dempwolf, vielen Dank, daß Sie sich hinter die Kairo-Beschlüsse gestellt haben. Das ist eine gute Sache. Leuten, die sich wie Dyba hinstellen und erzählen, die katholischen Beratungsstellen werden sich nicht mehr gesetzeskonform verhalten, weil das - so Dyba - Beihilfe zum Mord sei, und die den Kompromiß zu § 218, der nicht gut ist, aus einer gesetzesfernen und extremistischen Haltung weiter unterwandern wollen, muß endlich ein Riegel vorgeschoben werden. Dazu erwarte ich deutliche Worte von einer Ministerin, die Steuergelder in diese Beratungsstellen steckt.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Es kann nicht sein, daß wir katholische Beratungsstellen nach dem Subsidiaritätsprinzip weiterhin unterstützen, obwohl sich ein Herr Dyba hinstellen und sagen kann: Wir bestimmen, wie die sich verhalten. Das Gesetz bestimmt darüber, wie sich katholische Beratungsstellen verhalten. Das heißt, daß zumindest der Kompromiß zu § 218 umgesetzt wird.
    Wir wissen alle, daß das nicht ausreicht. Das kann nicht ausreichen. Aber es ist zumindest ein Anfang. Ich ärgere mich darüber, daß wir in so vielen Punkten nur einen scheinbaren Konsens herstellen, daß wir alle die Gleichberechtigung wollen, daß aber die Männer - und es sitzen eine ganze Reihe von ihnen hier -, sobald es an Besitzstände geht, sei es an den Erziehungsurlaub oder an die Festlegung der Wahlkreise im Bundeswahlgesetz, anfangen, sich zurückzuziehen und zu sagen: Wir müssen erst gucken; es gibt doch Traditionen, und das kann ganz langsam gehen.
    Wenn wir den Konsens in der Haushaltspolitik hochhalten, dann bitte ich Sie: Lassen Sie uns das im nächsten Jahr auch in Gesetze ummünzen! Da ist noch einiges zu tun.
    Vielen Dank.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile der Abgeordneten Cornelia Schmalz-Jacobsen das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Cornelia Schmalz-Jacobsen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen aus unseren Ausschußberatungen, mit was für einer breiten Thematik wir es hier zu tun haben und daß sie meistens andere Ressorts, die Bundesländer oder die Kommunen betrifft. Wir können feststellen, daß wir es mit einem gesellschaftlichen Bereich zu tun haben, der ständigem Wandel unterworfen ist. Der Gesetzgeber kann nicht immer etwas tun. Die Dynamik wird von anderen Eckwerten bestimmt. Wohl aber können wir Akzente setzen; wir können einen Rahmen setzen. Wir müssen von den Realitäten ausgehen. Wir dürfen nicht schwarzmalen, aber wir dürfen auch nicht schönfärben, sondern müssen hinschauen, was Sache ist. Ein Beispiel - es ist schon genannt worden - dafür, wie sensibel und wie rasch veränderte Bedingungen in den Familien zu Buche schlagen, ist der dramatische Rückgang der Geburtenrate in der ehemaligen DDR.

    Cornelia Schmalz-Jacobsen
    Die Familie hat sich verändert. Häufig hat sich aber auch nur unsere Wahrnehmung von dem, was Familie heute ist, verändert. Ein Beispiel faktischer Veränderung, die der Gesetzgeber vorgenommen hat, letztlich auch eine Antwort auf eine veränderte Bewußtseinslage ist der Familienleistungsausgleich. Endlich nennen wir das Kind einmal beim Namen und sprechen nicht mehr von der „Last", sondern von der „Leistung".

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Angesichts vieler Single-Haushalte und vieler Paare ohne Kinder ist es keine selbstverständliche Leistung. Die Lösung, die wir mit dem Familienleistungsausgleich gefunden haben, kann sich, meine ich, sehen lassen, auch wenn es ein Schönheitsfehler ist, daß sie erst unter dem Druck des Bundesverfassungsgerichts möglich war. Zusammen mit dem Entlastungsvolumen bei der Freistellung des Existenzminimums von Erwachsenen werden die Bürger im kommenden Jahr um über 22 Milliarden DM entlastet, was zum großen Teil den Familien zugute kommt. Das war dringend geboten. Aber dies kann mittelfristig natürlich nicht das Ende der Fahnenstange sein.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Aber bei der derzeitigen Haushaltslage - das müssen wir einmal sagen - ist dies sehr beachtlich.
    Aus der Sicht meiner Partei, meiner Fraktion möchte ich besonders hervorheben, daß wir erstmals Steuer- und Sozialrecht miteinander verknüpfen und uns so einen ersten Schritt in Richtung auf das Bürgergeldprinzip bewegt haben, das die Liberalen bekanntlich fordern und vertreten.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Natürlich ist die Folge, daß der Gesamthaushalt des Familienministeriums um fast 20 Milliarden DM zugunsten des Finanzministers schrumpft. Aber ich gehe einmal davon aus, daß sich der Bundesfinanzminister in Sachen Familienfreundlichkeit sicher nichts vorwerfen lassen will.

    (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Zumindest in letzter Zeit nicht!)

    Ich bin unserer Justizministerin dafür dankbar, daß sie das Kindschaftsrecht neu regeln will und wir es hoffentlich noch im Herbst oder im nächsten Jahr zu beraten haben werden.

    (Beifall bei der F.D.P. und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    In den letzten 16 Jahren hat es hier keine Novellierung gegeben. Aber es hat keinen Stillstand in der gesellschaftlichen Entwicklung gegeben. Meine Kolleginnen und Kollegen, es ist höchste Zeit, daß wir das Kindeswohl mehr in den Mittelpunkt rücken. Das wollen, meine ich, auch Mütter und Väter. Die Regelung der Rechtsstellung nichtehelicher Kinder und vernünftige Regelungen beim Sorgerecht geschiedener oder nichtverheirateter Eltern sind notwendig. Dabei müssen wir uns von dem Gedanken „Soviel gemeinsame Elternverantwortung wie möglich" leiten lassen. Dogmatische Vorstellungen bringen hier im übrigen überhaupt nichts.
    Aber natürlich gilt das Prinzip „So viel gemeinsame Elternverantwortung wie möglich" auch für den Alltag bestehender Ehen. Auch hier können wir nur auf Umwegen zum Ziel kommen. Für eine gleichberechtigte Elternschaft sind viele Faktoren notwendig, nämlich eine gerechte Aufteilung von Familienaufgaben, meine Herren, meine Damen, gleichberechtigte Ausbildungschancen, familienfreundliche Arbeitszeitregelungen, gerechte Einkommensverteilung bei Männern und Frauen, die Steuergesetzgebung und last but not least die Kindertagesbetreuung, die hier schon häufiger angesprochen wurde.
    Ich möchte heute noch einen besonderen Aspekt ansprechen. Vieles, was hinter den Kulissen im weiten Bereich der Familienarbeit, die Jugendliche und alte Menschen einschließt, stattfindet, wäre ohne ehrenamtliche Helfer nicht denkbar. Hier haben wir es mit Leistungseliten zu tun. Ehrenamtlich Tätige sind Leistungsträger unserer Gesellschaft.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Ich finde, es ist eine entsetzliche Verkürzung, wenn man den Begriff Leistung immer nur an die finanzielle Leistung koppelt. Was wären wir ohne die ehrenamtlich Tätigen?

    (Zuruf von der SPD)

    - Die Männer. Auch ich bin der Meinung, daß es nicht so gehen kann: dem Mann das Amt, der Frau das Ehrenamt. Darin sind wir uns völlig einig. Aber nur bezahlte Ämter, das geht nicht; nicht nur, weil das nicht bezahlbar ist, sondern weil es den Zusammenhalt unserer Gesellschaft verkümmern ließe.
    Ich möchte gerade den Zusammenhang zwischen ehrenamtlicher Arbeit und ausländischen Familien herstellen. Unter uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, leben viele ausländische Familien und übrigens immer mehr binationale Familien, von denen wir uns manchmal eine Scheibe abschneiden könnten.