Rede von
Matthias
Berninger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Weltfrauenkonferenz in Peking wurde von seiten des chinesischen Regimes vorweg ein wichtiger Satz ins Stammbuch geschrieben. Er lautete in bestem Chinesisch: „Erweisen Sie sich als würdiger Gast." Ich glaube, wir können hier gemeinsam sagen: Die vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmer erweisen sich in Peking als würdige Gäste, weil sie die Probleme, die Frauen in dieser Welt haben, über Kulturgrenzen hinweg mit einer relativ großen Einigkeit - ich glaube, sogar mit einer größeren Einigkeit als seinerzeit in Kairo - zur Sprache bringen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Ich meine, das sollten wir begrüßen.
Das zentrale Problem, vor dem die Frauen in dieser Welt stehen, ist die Armut; das ist völlig klar. Wenn wir hier in einem sehr reichen Land über dieses Thema diskutieren, wird von vielen Frauen in den Entwicklungsländern immer der Vorwurf kommen: Na ja, eure Probleme, die ihr diskutiert, sind angesichts der Armut, mit der wir konfrontiert sind, relative Kleinigkeiten. Ich meine, daß Sie das zentrale Problem ist und bekämpft werden muß. Es macht deutlich, daß Frauenpolitik nicht auf den Einzelplan, den wir gerade diskutieren, reduziert werden kann, sondern daß die Probleme, die angesprochen wurden, von der Bundesregierung auch in sehr vielen anderen Bereichen behandelt werden müssen. Sie müssen in viel stärkerem Maße übernommen werden, als das bisher geschehen ist.
Natürlich, Entwicklungspolitik muß Frauen und Männer, die die frauenspezifischen Probleme in Entwicklungsländern, in armen Ländern zum Thema machen, stärken, und zwar viel mehr, als das bisher geschehen ist. Da muß die Entwicklungshilfe der Bundesregierung ansetzen.
Des weiteren muß das Außenministerium natürlich darauf drängen, daß die Menschenrechte, die unteilbar sind und nicht von irgendwelchen kulturellen „Errungenschaften" - z. B. der Klitorisbeschneidung -beeinträchtigt werden dürfen, angesprochen und zentral thematisiert werden.
Ein zweiter Punkt. Frau Nolte hat deutlich gemacht, daß sich das Regime in China nicht als würdiger Gastgeber erwiesen hat. Ich freue mich, daß sie das so offen getan hat. Ich hoffe aber, daß das nicht - wie so oft - eine Feigenblattfunktion hat. Wir haben nämlich einen anderen, wie ich meine, in einer gewissen Form unwürdigen Gastgeber, nämlich die Bundesrepublik Deutschland, erlebt, als die Chinesen hier zu Besuch waren, ihre Verträge machen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit intensivieren wollten. Wenn das, was Frau Nolte bei dieser Konferenz gesagt hat, richtig ist, nämlich, daß die Menschenrechte in China ein zentrales Thema sind, dann muß es auch richtig sein, wenn Herr Wissmann, Herr Rexrodt oder Herr Kohl mit den Chinesen verhandeln. Auch dabei muß das im Zentrum stehen.
Matthias Berninger
Man kann die Brücke zwischen den außen- und den innenpolitischen Dimensionen an einem ganz wichtigen Punkt, den bereits Frau Wolf ansprach, festmachen. Sind geschlechtsspezifische Verfolgungsgründe bei uns ein Grund, um Asyl zu erhalten? Bislang sind sie es nicht. Wenn eine Frau von irgendwelchen Häschern eines Regimes vergewaltigt wird, ist das noch kein Asylgrund.
Das muß sich ändern. Wir sprechen immer wieder, vor allem in Sonntagsreden davon, daß sich das ändern muß. Ich bitte sehr darum, daß wir das in diesem Jahr, in den nächsten Monaten festschreiben. Das kann doch kein so großes Problem sein.
Die Realisierung des eigenständigen Aufenthaltsrechts von Frauen darf ebenfalls kein großes Problem sein. Auch hier haben wir in Sonntagsreden einen breiten Konsens. Seit einem Jahr wird es diskutiert, aber es tut sich nichts. Ich denke, hier muß sich sehr schnell etwas tun, weil die Rolle von Frauen, die, wenn sie Asyl beantragen, immer von ihren Männern abhängig sind, zentral und wichtig ist. Wir müssen diese Frauen in den Mittelpunkt einer vernünftigen Einwanderungs- bzw. Asylpolitik stellen.
Zur Frauenpolitik hat Frau Nolte vor ihrer Abreise nach China gesagt: Wir müssen die Gleichberechtigung vollenden. Das hat sie vom Kanzler abgeguckt. Wir müssen ja schließlich auch die Einheit „vollenden" . Aber der Eindruck, daß wir soweit sind, geht fehl. Sehen Sie sich an den Universitäten um! Dort gibt es etwa 6 % Professorinnen. Das darf doch wohl nicht wahr sein. Sehen Sie sich in der CDU-Fraktion um! Ich weiß gar nicht, welchen Frauenanteil Sie dort haben. Es werden noch einige Wahlkreise purzeln müssen, wenn Sie die Gleichberechtigung vollenden.
Wir müssen an einem ganz zentralen Punkt, der noch nicht angesprochen wurde, der uns aber arg zusetzen wird, im Konsens Position beziehen. Das ist die Frage, wie wir es mit Art. 3 GG halten. Ich habe den Eindruck, daß bei den Verfahren, die gegen Gleichstellungsgesetze laufen, die Gerichte wie folgt urteilen werden: Das individuelle Recht auf Gleichheit von Männern und Frauen beim Berufszugang wird über das Recht der Frauen, gleiche Rechte in diesem Land zu erhalten, gestellt. Das scheint mir im Moment die politische Debatte zu sein. Deswegen sind so viele Gleichstellungsgesetze zur Zeit auf dem juristischen Prüfstand. Ich bitte doch sehr darum, daß sich Frau Nolte, wenn sie wieder hier ist, dieses Themas annimmt, und zwar nicht erst, wenn es zu spät ist. Verfassungswirklichkeit muß heißen, daß die Ergänzung des Grundgesetzes, die wir beschlossen haben, endlich in die Tat umgesetzt wird. Ich sehe das im Moment noch nicht und erwarte deutlichere Worte unserer Frauenministerin.
Es ist ein Problem, daß sie manchmal zu bestimmten Punkten schweigt, obwohl es wichtig wäre, daß sie sie anspricht. Auch in Peking hat sie zum Thema Abtreibung nicht viel gesagt. Frau Dempwolf, vielen Dank, daß Sie sich hinter die Kairo-Beschlüsse gestellt haben. Das ist eine gute Sache. Leuten, die sich wie Dyba hinstellen und erzählen, die katholischen Beratungsstellen werden sich nicht mehr gesetzeskonform verhalten, weil das - so Dyba - Beihilfe zum Mord sei, und die den Kompromiß zu § 218, der nicht gut ist, aus einer gesetzesfernen und extremistischen Haltung weiter unterwandern wollen, muß endlich ein Riegel vorgeschoben werden. Dazu erwarte ich deutliche Worte von einer Ministerin, die Steuergelder in diese Beratungsstellen steckt.
Es kann nicht sein, daß wir katholische Beratungsstellen nach dem Subsidiaritätsprinzip weiterhin unterstützen, obwohl sich ein Herr Dyba hinstellen und sagen kann: Wir bestimmen, wie die sich verhalten. Das Gesetz bestimmt darüber, wie sich katholische Beratungsstellen verhalten. Das heißt, daß zumindest der Kompromiß zu § 218 umgesetzt wird.
Wir wissen alle, daß das nicht ausreicht. Das kann nicht ausreichen. Aber es ist zumindest ein Anfang. Ich ärgere mich darüber, daß wir in so vielen Punkten nur einen scheinbaren Konsens herstellen, daß wir alle die Gleichberechtigung wollen, daß aber die Männer - und es sitzen eine ganze Reihe von ihnen hier -, sobald es an Besitzstände geht, sei es an den Erziehungsurlaub oder an die Festlegung der Wahlkreise im Bundeswahlgesetz, anfangen, sich zurückzuziehen und zu sagen: Wir müssen erst gucken; es gibt doch Traditionen, und das kann ganz langsam gehen.
Wenn wir den Konsens in der Haushaltspolitik hochhalten, dann bitte ich Sie: Lassen Sie uns das im nächsten Jahr auch in Gesetze ummünzen! Da ist noch einiges zu tun.
Vielen Dank.