Rede:
ID1305215500

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Kollege: 1
    2. Steffen: 1
    3. Kampeter,: 1
    4. Sie: 1
    5. haben: 1
    6. das: 1
    7. Wort.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/52 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 52. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 7. September 1995 Inhalt: Zur Geschäftsordnung Dr. Peter Struck SPD 4394B, 4399A Joachim Hörster CDU/CSU 4395 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4396 C Jörg van Essen F.D.P. 4397 C Eva Bulling-Schröter PDS 4397 D Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) (Drucksache 13/2000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 1995 bis 1999 (Drucksache 13/2001) Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 4345 B Ernst Schwanhold SPD . . . . 4346D, 4360 B Anke Fuchs (Köln) SPD 4349 A Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . 4352A Birgit Homburger F D P. 4352 C Ernst Hinsken CDU/CSU 4352B, 4370D, 4377 C Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 4354 C Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4357 C Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. 4359A Rolf Kutzmutz PDS 4361 A Stefan Heym PDS 4362 C Otto Schily SPD 4363 A Rainer Haungs CDU/CSU 4363 B Anke Fuchs (Köln) SPD . . . . 4364B, 4369A Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . 4365B, 4393 A Uwe Hiksch SPD 4365 D Dr. Uwe Jens SPD 4367 B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . 4368B Kurt J. Rossmanith CDU/CSU . . . 4369 D Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 4371 D Rudolf Dreßler SPD 4375 B Dr. Gisela Babel F.D.P 4378 A Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4379 C Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . 4380 C Rudolf Dreßler SPD 4382A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4384 A Dr. Gisela Babel F.D.P 4386B Manfred Müller (Berlin) PDS 4388B Ulrich Heinrich F D P. 4388 D Ottmar Schreiner SPD 4390 A Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 4390 D Gerda Hasselfeldt CDU/CSU 43928 Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 4399B Doris Odendahl SPD 4401 D Günter Rixe SPD 4401 D Dr. Peter Glotz SPD 4403 C Steffen Kampeter CDU/CSU 4406 C Dr. Peter Glotz SPD 4407 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . 4408B, 4467A Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4409D Steffen Kampeter CDU/CSU 4410A Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4410B Wolf-Michael Catenhusen SPD . • . 4411C Dr. Karlheinz Guttmacher F.D.P. . . . 4412D Maritta Böttcher PDS 4414C, 4432 B Dr. Gerhard Friedrich CDU/CSU . . . 4416A Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4416B Edelgard Bulmahn SPD 4418B Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU . . . 4420 D Gertrud Dempwolf, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ 4422 A Edelgard Bulmahn SPD 4422 B Hanna Wolf (München) SPD 4424 C Johannes Singhammer CDU/CSU . 4426 B Peter Jacoby CDU/CSU 4427 A Wolfgang Dehnel CDU/CSU 4428 C Ingrid Holzhüter SPD 4428D, 4431 D Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4429 B Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . 4430 D Walter Link (Diepholz) CDU/CSU . . . 4433 A Hanna Wolf (München) SPD 4433 B Klaus Hagemann SPD 4434 B Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 4436 C Klaus Kirschner SPD 4439 A Angelika Pfeiffer CDU/CSU 4441 C Marina Steindor BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4443 C Jürgen W. Möllemann F.D.P. . . . . . 4445.A Horst Seehofer CDU/CSU 4445 C Klaus Kirschner SPD 4445C, 4448D Peter DreBen SPD 4446 A Dr. Ruth Fuchs PDS 4447 B Ulf Fink CDU/CSU 4448 B Gudrun Schaich-Walch SPD 4450p Jochen Borchert, Bundesminister BML 4452 A Dr. Peter Struck SPD 4453B, 4463 D Horst Sielaff SPD 4454 C Norbert Schindler CDU/CSU 4456 A Egon Susset CDU/CSU 4457 C Horst Sielaff SPD 4458 B Peter Harry Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 4458C, 4463 B Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4458D Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4460A Jürgen Koppelin F.D.P 4461 C Jochen Borchert CDU/CSU . . 4463A, 4464 A Dr. Günther Maleuda PDS 4464 C Max Straubinger CDU/CSU 4465 C Ilse Janz SPD 4466 C Nächste Sitzung 4468 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4469* A 52. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 7. September 1995 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 7.9.95 Behrendt, Wolfgang SPD 7.9.95 * Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 7.9.95 Frick, Gisela F.D.P. 7.9.95 Grießhaber, Rita BÜNDNIS 7.9.95 90/DIE GRÜNEN Heym, Stefan PDS 7.9.95 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 7.9.95 Hoffmann (Chemnitz), SPD 7.9.95 Jelena Horn, Erwin SPD 7.9.95 Dr.-Ing. Jork, Rainer CDU/CSU 7.9.95 Dr. Klaußner, Bernd CDU/CSU 7.9.95 Dr. Knake-Werner, PDS 7.9.95 Heidi Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 7.9.95 Angelika 90/DIE GRÜNEN Leidinger, Robert SPD 7.9.95 Lemke, Steffi BÜNDNIS 7.9.95 90/DIE GRÜNEN Lengsfeld, Vera BÜNDNIS 7.9.95 90/DIE GRÜNEN Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lotz, Erika SPD 7.9.95 Lüth, Heidemarie PDS 7.9.95 Neuhäuser, Rosel PDS 7.9.95 Neumann (Berlin), Kurt SPD 7.9.95 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 7.9.95 Schätzle, Ortrun CDU/CSU 7.9.95 Schenk, Christa PDS 7.9.95 Schewe-Gerigk, BÜNDNIS 7.9.95 Irmingard 90/DIE GRÜNEN Schmidt (Aachen), SPD 7.9.95 Ursula Schmitt (Langenfeld), BÜNDNIS 7.9.95 Wolfgang 90/DIE GRÜNEN Schultz (Everswinkel), SPD 7.9.95 Reinhard Dr. Schwaetzer, Irmgard F.D.P. 7.9.95 Simm, Erika SPD 7.9.95 Stübgen, Michael CDU/CSU 7.9.95 Thieser, Dietmar SPD 7.9.95 Tröscher, Adelheid SPD 7.9.95 Wieczorek-Zeul, SPD 7.9.95 Heidemarie • für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Peter Glotz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat einen Zukunftsminister berufen. Sie hat in der Koalitionsvereinbarung eine Qualifikations- und Innovationsoffensive angekündigt. Wir Sozialdemokraten haben das eine wie das andere begrüßt. Wir haben Herrn Minister Rüttgers beim Haushalt 1995 mit Samthandschuhen angefaßt, mit dem Argument, als neu berufener Minister habe er den Haushalt 1995 nicht wirklich beeinflussen können.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das hat er aber gut gemacht!)

    Den jetzigen Haushalt konnte er beeinflussen. Ich muß heute feststellen: Die Qualifikations- und Innovationsoffensive findet nicht statt. Sie ist heiße Luft.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Der Zukunftsminister findet sozusagen statt, aber bloß als Kommunikator, nicht als Umsetzer. Herr Rüttgers mag der Tag- und Nachtschatten des Bundeskanzlers sein - um Günter Grass zu zitieren. Auf seinen Haushalt hat sich das aber noch nicht ausgewirkt. Der Zukunftsminister ist blaß um die Nase.
    Ich spiele hier nicht das alberne Schwarzer-PeterSpiel zwischen Regierung und Opposition und zwischen Bund und Ländern. Ich weiß wohl, wie tief auch sozialdemokratische Länder gelegentlich in den Bildungshaushalt hineinschneiden. Ich weiß wohl, daß auch die SPD angesichts der Staatsverschuldung und der Einnahmesituation der öffentlichen Haushalte nicht beliebig viel Geld für Forschung und Bildung zur Verfügung hätte.
    Aber ich sage mit allem Ernst, meine Damen und Herren, und unter voller Deckung durch meine Fraktion einschließlich der Haushaltspolitiker: Die deutschen Hochschulen und die deutsche Berufsbildung sind in einem Zustand, in dem man den Karren nicht weiterlaufen lassen kann wie in den letzten eineinhalb Jahrzehnten.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Dr. Peter Glotz
    Ich neige nicht zu pathetischen Übertreibungen, aber ich fühle mich verpflichtet festzustellen: Wenn wir noch ein halbes Jahrzehnt lang Bildung und Forschung weiterhin als Haushaltsposten unter Haushaltsposten bewerten, dann sind viele deutsche Hochschulen ruiniert, und die deutsche Berufsbildung ist halbiert, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    In diesem Punkt helfen die Rechnungen von 1995 auf 1996, die Herr Rüttgers stolz vorträgt, nicht weiter. Der Bundesanteil am Bildungsbudget lag 1975 bei rund 10 %. Jetzt liegen wir weit unter 8 %.
    Wenn der Bund so wie 1975 weitergemacht hätte - damals war der Höhepunkt der Finanzierung -, hätten wir heute 3 Milliarden DM mehr im Haushalt des Herrn Rüttgers stehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    - Sie haben durchaus recht. Der Abstieg fing nicht erst bei Helmut Kohl an. Aber bei Helmut Kohl hat er sich - und zwar nicht erst ab 1989 wegen der Sonderbedingung Wiedervereinigung, sondern bereits ab 1982 - absolut radikalisiert. Sie haben dieses Thema überhaupt nicht wichtig genommen.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Regierung betreibt ein Zentralgebiet der Politik wie ein Kavallerieregiment die Schreibstube: als Nebensache. Das ist nicht nur verantwortungslos. Ich glaube, es ist auch töricht.

    (Beifall bei der SPD)

    Es geht jetzt nicht um den üblichen Zank zwischen Christdemokraten und Sozialdemokraten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Offensichtlich aber doch!)

    Jetzt geht es um den Rang unserer Hochschulen und um das Überleben eines Systems, das in der ganzen Welt berühmt ist, das aber in Gefahr gerät, nämlich um die duale Berufsausbildung. Bildung und Forschung müssen wieder den Rang bekommen, den sie beispielsweise unter Bundeskanzler Brandt hatten, oder wir verfehlen alle gemeinsam unsere Verantwortung.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Dazu ist auch eine Trendwende beim Bildungs- und Forschungshaushalt des Bundes notwendig. Sie haben recht, wenn Sie sagen, Herr Rüttgers, Geld ist nicht alles. Sie haben recht, wenn Sie sagen, der Bund allein kann vieles nicht bewegen. Sie haben recht, wenn Sie auf die Finanzierungsprobleme hinweisen. Aber Sie haben unrecht, wenn Sie auf eine neue Prioritätensetzung zugunsten von Bildung und Forschung verzichten.

    (Beifall bei der SPD)

    An unseren Anträgen zur zweiten und dritten Lesung werden Sie erkennen, daß wir an hundert Stellen Einsparungsvorschläge machen. Bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und bei der Investition in Köpfe aber muß Butter bei die Fische. Dies werden Sie an der sozialdemokratischen Haushaltspolitik erkennen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Es ist eine Versündigung an den nachkommenden Generationen, daß diese Bundesregierung auf eine solche Trendumkehr verzichtet.

    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Jetzt ist aber ein bißchen viel Pathos dabei!)

    Jetzt, ein knappes Jahr nach Ihrem Amtsantritt, Herr Minister, muß ich das auch an Sie persönlich adressieren. Wenn Sie sich die Statistiken ansehen, stellen Sie fest: 1991 gibt es eine deutliche Ausbuchtung des Bildungs- und Forschungshaushaltes nach oben. Ich mache Jürgen Möllemann nur ungern Komplimente, aber ich muß sagen: Das ist die Möllemann-Ausbuchtung. Ich stelle mit Bedauern fest: Eine auch nur einigermaßen vergleichbare RüttgersAusbuchtung haben Sie noch nicht zustande bekommen, Herr Bundesminister.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Aber trickreicher als Ihre direkten Vorgänger sind Sie schon. Ich meine nichts Negatives, wenn ich Ihre Geschäftsführerraffinesse lobe. Die Idee, Ihren Haushalt über Zinszahlungen des einkommensmäßig untersten Fünftels der Studentenschaft aufzunorden, ist so hinterlistig - auf bayerisch würde ich sagen, aber das möchte ich Ihnen als rheinischem Menschen nicht zumuten: hinterfotzig -,

    (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Sie Mensch aus Bayern!)

    daß sich einem fast ein gequältes Bewunderungsstöhnen entringt. Aber ich füge gleich hinzu: Für viele Studierende würde sich die Rückzahlungsschuld verdoppeln und damit Dimensionen erreichen, die vom Studium abschrecken.
    Wohin, verehrter Herr Rüttgers, wollen Sie die Leute eigentlich abschrecken, nachdem auch die Zahl der Ausbildungsplätze im dualen System zurückgeht?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ihr Plan ist konzeptionslos oder, schärfer ausgedrückt, ruchlos.

    (Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])

    Meine Damen und Herren, wir werden uns überlegen müssen, wo wir neue Finanzierungsquellen für die Bildung erschließen. Ich glaube auch nicht, daß alle notwendigen Mittel einfach aus staatlichen Haushalten erschlossen werden können. Aber ausgerechnet die untersten 20 % zu kneifen, die sowieso

    Dr. Peter Glotz
    schon am meisten gekniffen sind, das ist ganz und gar unakzeptabel.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Damit bin ich wieder bei der Geschäftsführerraffinesse unseres Zukunftsministers.

    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ihr wärt froh, wenn ihr solche hättet!)

    Er weiß natürlich, daß er mit seiner BAföG-Umschichtung an den sozialdemokratischen Ländern im Bundesrat scheitert. Deswegen will er die Länder nach dem Motto „Mit Speck fängt man Mäuse" ködern und sperrt zusätzliche Mittel für Hochschulbau, Forschungsorganisation oder Hochschulsonderprogramme qualifiziert.

    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das stimmt gar nicht!)

    Hinter diesem Konzept steht die Anthropologie von Pferdehändlern. Ich prophezeie Ihnen, Herr Bundesminister: Mit diesem Zaubertrick werden Sie scheitern. Was wir jedenfalls dazu beitragen können, daß Sie im Bundesrat scheitern, das werden wir tun.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Selbstverständlich beschränken wir uns nicht auf bissige Kritik. Wir haben Ihrem Vorschlag einen eigenen entgegengestellt, den Sie heute mit fragwürdigen und von der Öffentlichkeit schwer kontrollierbaren Rechnungen zu konterkarieren versucht haben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Gleichwohl richtig!)

    - Nein, nicht gleichwohl richtig. Der Grundtatbestand, auf den wir hinweisen, ist der folgende. Sie haben einen ordentlichen Professor an einer Universität eines unserer Bundesländer. Er ist mit einer Oberstudienrätin verheiratet.

    (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Das gibt es tatsächlich!)

    Er sagt einem - jetzt passen Sie einmal auf -: Mein Sohn ist mit 27 Jahren jetzt gerade fertig geworden. Wissen Sie, was mir im Budget fehlt? 700 DM.
    Das heißt, ein Ehepaar mit diesem Einkommen hat Bildungstransfers - Kindergeld, Kinderfreibeträge und anderes - von 700 DM. Das, meine Damen und Herren, ist in der Tat unnötig. Von diesem Geld kann man ein ganzes Stück von dem finanzieren, was Herr Rüttgers den ärmsten 20 % der Studenten wegnehmen will. Das ist der Grundgedanke.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Dann ist die Frage, ob man allen, die eine Ausbildungsvergütung bekommen, die berühmten 400 DM oder 500 DM gibt. Ich gebe Ihnen recht: Da muß man genau rechnen, ob es 380 DM oder 500 DM sind. Zu dieser gemeinsamen Rechnung sind wir ja bereit. Aber dann müssen auch Sie dazu bereit sein und dürfen nicht einfach nur sagen Das steht in meinem
    Haushalt, das mache ich jetzt ganz schnell, bei den unteren 20 % kassieren wir ab, und damit sind meine Probleme gelöst. - Das geht nicht, meine Damen und Herren, jedenfalls nicht mit uns.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie wissen im übrigen ja auch, was die Hochschulrektorenkonferenz, das Deutsche Studentenwerk, die Gewerkschaften und selbst unionsgeführte Länder zu Ihrem Patentrezept sagen. Reden Sie mit uns, bevor Sie mit Karacho in die Sackgasse fahren.
    Hier bin ich sozusagen beim Cantus firmus dieser Haushaltsdebatte im Forschungs- und Bildungsbereich. Mein Plädoyer lautet: Trauen Sie sich Komplexität zu, Herr Rüttgers. Die Probleme des Ressorts, in dem Sie arbeiten und in dem wir arbeiten, sind nur durch neue Ideen lösbar, nicht durch Schlaumeiereien. Ich möchte das an zwei Beispielen verdeutlichen.
    Erstes Beispiel: Schon seit einigen Jahren werden die notwendigen Ausbildungsplätze im dualen System nur noch mit Preßwehen geboren. Die Regierung macht große Appelle. Die Opposition weist pflichtgemäß auf die Defizite hin. Die Regierung beschimpft die Opposition wegen angeblicher Schwarzmalerei. Am Schluß wurde das Problem dann, jedenfalls bisher, mit Ach und Krach gelöst. Wir wünschen uns gemeinsam, daß es auch dieses Jahr gelingen möge. Ihr Sonderprogramm für 14 500 außerbetriebliche Ausbildungsplätze mag ja dazu beitragen. Es gibt aber keinen Anlaß, die Opposition zu beschimpfen und einen Kollegen wie den Kollegen Thierse mit dem Begriff „verhetzen" zu belegen. Herr Kollege Rüttgers, diesen Begriff sollten Sie wirklich aus der Debatte nehmen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS Zuruf von der SPD: Widerlich!)

    Herr Kollege Rüttgers, es ist absehbar, daß irgendwann der Zeitpunkt kommt, ab dem auf diese Weise die Probleme nicht mehr lösbar sind. Jetzt sage ich: Beenden Sie doch den jährlichen Eiertanz, und denken Sie mit uns gemeinsam über einen überbetrieblichen Leistungsausgleich zur Rettung des dualen Systems nach. Ich will keine klassenkämpferisch motivierte Abgabe. Wir wollen eine pfiffige Lösung, die uns diesen jährlichen Eiertanz erspart. Muten Sie sich Komplexität zu, und diskutieren Sie mit uns, wie man eine Politik der pathetischen und immer wirkungsloseren Appelle an die Wirtschaft durch eine Politik der intelligenten Anreize ablösen kann.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Mein zweites Beispiel zielt auf das Thema Risikokapital für junge Technologieunternehmen. Da stimmen wir beide in der Rhetorik deckungsgleich miteinander überein. Das Problem ist nur: Weil Sie wissen, daß man zu einem wirksamen Programm den Finanzminister, den Wirtschaftsminister, die Justizministerin, die Banken und noch viele andere Partner braucht, fassen Sie das heiße Eisen gar nicht an. Ich

    Dr. Peter Glotz
    sage Ihnen: Nichts gegen Geschäftsführergeschicklichkeit und gegen Vermittlungsausschußlogik; aber als Zukunftsminister werden Sie damit nicht durchkommen.
    In dieser Bundesrepublik ist es derzeit so: Alle reden von Innovation, aber sie passiert nicht. Ich habe Ihnen vor einem Jahr jede Kooperation im Hinblick auf ein vielfältiges Innovationsprogramm angeboten. Es müßte viele Elemente umfassen: Förderung von „start up and seed capital", verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten für junge Technologieunternehmen, Änderungen von Steuersätzen, Reform des Insolvenzrechts. Ja, das ist schwierig, das ist komplex. Aber wenn Sie sich Komplexität nicht zutrauen, werden Sie in diesem Ressort scheitern, Herr Rüttgers.
    Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stelle ich fest:
    Erstens. Wir fordern die Bundesregierung auf, der Forschungs- und Bildungspolitik nicht nur in Sonntagsreden - das tun alle -, sondern auch in der täglichen Politik und beim Haushalt eine neue Priorität zu geben. Die Qualität unserer Bildungseinrichtungen ist nun wirklich wichtiger als die Verschickung irgendwelcher Tornados irgendwohin und manches andere, was von dieser Regierung für wichtig genommen wird.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Zweitens. Die Probleme von Bildung und Forschung sind angesichts leerer Kassen nicht durch clevere Zauberkunststücke, sondern nur durch anspruchsvolle und zugegebenermaßen schwer zu bewerkstelligende Reformkonzepte lösbar. Sie müssen sich Komplexität zutrauen und Ihr ganzes Kabinett für die Bildungsreform gewinnen. Wenn Sie es als Einzelkämpfer versuchen, müssen Sie scheitern.
    Drittens. Entweder bringen wir gemeinsam - der ganze Bundestag - durch Veränderung der Rahmenbedingungen Bewegung in unsere erstarrte Industrie, oder die Arbeitslosigkeit wird in der Tat immer schlimmer werden. Wo gibt es in der Bundesrepublik Unternehmen, die jünger als 20 Jahre sind und beispielsweise einen Umsatz von mehr als 500 Millionen DM haben? Wo sind die deutschen Entsprechungen zu Apple oder Compaq? Jetzt könnte ich noch eine ganze Reihe von anderen Namen nennen.
    Meine Damen und Herren, der Zukunftsminister - das ist mein letzter Satz - darf die Zukunft nicht nur beschwören, er müßte sie gestalten.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Kollege Steffen Kampeter, Sie haben das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Steffen Kampeter


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Vorlage des Etats für 1996 wird im Bereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung erstmals ein Zahlenwerk vorgelegt, das auch haushälterisch die Vereinigung von zwei unabhängigen Ministerien zu einem Zukunftsministerium vollzieht. War der Haushaltsentwurf 1995 lediglich die Zusammenfassung ehemals separater Etats, so haben wir es jetzt hier mit einem gemeinsamen, integrierten Etat für Bildung, Forschung, Wissenschaft und Technologie im vereinten Deutschland zu tun.
    Die bereits mit dem Etat 1995 eingelöste Zusage des Bundeskanzlers für Zuwächse in den Bereichen Forschung und Technologie wird auch mit dem Etatentwurf für 1996 verwirklicht. Mit einem Gesamtvolumen von rund 15,5 Milliarden DM ist dieser Einzelplan der fünftgrößte im Bundeshaushalt, und trotz des sinkenden Gesamtvolumens des Bundeshaushalts für 1996, Herr Kollege Glotz, steigen die Ausgaben dieses Etats immerhin noch um 2,3 %.
    Die Mittel für die Förderung von Forschung und Technologie steigen gegenüber 1995 innerhalb dieses Etats überproportional mit einem Satz von 2,8 %. Das ist immerhin eine Steigerung gegenüber der bisherigen Finanzplanung in Höhe von 275 Millionen DM allein im Jahr 1996.

    (Zuruf von der SPD: Das ist gerade die Inflationsrate!)

    Somit wird zumindest für die eine Seite des Hauses klar, daß der hohen politischen Bedeutung, die diesem Politikbereich im gesamten Haus eingeräumt wird, auch eine entsprechende Würdigung im Haushalt des Bundes gegenübersteht, und dies vor dem Hintergrund von umfassenden Kürzungen in den Länderetats. Ich erinnere daran, was sich z. B. in Niedersachsen in der Forschungslandschaft abspielt. Sie können somit auch Unterschiede zwischen sozialdemokratischer und der hier von der christdemokratisch-liberalen Koalition vertretenen Forschungs- und Bildungspolitik eindeutig erkennen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn Sie, Herr Kollege Glotz, in Ihrem Debattenbeitrag zu diesem Bereich davon sprechen, wir versündigten uns an etwas, dann ist das nicht nur mit übermäßigem Pathos ausgestattet, sondern es zeigt auch, daß man einen Politikbereich auch kaputtzureden versuchen kann. Sie haben dann auch noch die Tornados mit dem Bildungsbereich in Zusammenhang gebracht. So etwas fand ich schon zu der Zeit, als ich studiert habe und als es um die Pershings ging, die gegen die Bildungsausgaben hochgerechnet worden sind, ausgesprochen billig. Daß Sie sich auf dieses Niveau herablassen, verwundert mich doch sehr.
    Die Schwerpunktsetzung für den Haushalt 1996 ist klar und eindeutig: 4,6 Milliarden DM für Hochschule, Bildung und Berufsbildung, 5,2 Milliarden DM für Wissenschaft und Forschung, 4,3 Milliarden DM für die Projektförderung und 1,5 Milliarden DM für die internationale Forschungskooperation und die europäische Weltraumforschung.

    Steffen Kampeter
    Wichtige Positionen in diesem Haushaltsentwurf betreffen die Verwirklichung zentraler Reformvorhaben wie BAföG, Meister-BAföG und Hochschulbaureform. Das sind ehrgeizige Vorhaben, für die im Vergleich zu den Mitteln, die wir bisher in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen hatten, mehr Spielräume für Ausgaben in diesem Bereich geschaffen werden.
    Ich möchte allerdings davor warnen, daß wir die Bedeutung dieses Politikbereichs allein an den Haushaltszahlen ablesen. Sie können ein günstiges Innovationsklima in Deutschland nicht allein über einen Etat steuern. Sie können Technologiefreundlichkeit oder -feindlichkeit von Menschen nicht mit Millionen beeinflussen, und Sie können handwerkliches Können nicht ohne das Zutun von privaten Unternehmen fördern.
    Wir sind alle aufgefordert, deutlich zu machen, daß im Bereich Bildung, Forschung, Wissenschaft und Technologie eine der Schlüsselaufgaben für die Gestaltung der Politik im nächsten Jahrtausend liegt, und ich glaube, dieser Etat für 1996 ist dafür eine gute, eine solide Grundlage.

    (Zuruf von der SPD: Das ist eben der Irrtum!)

    Lassen Sie mich einiges darüber sagen, wie Forschung in Arbeitsplätze umgewandelt wird, was ja ein ganz wesentliches Ziel unserer Förderpolitik ist. Deswegen wird auch im Etat für 1996 gerade auf die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen ein besonderer Akzent gesetzt. Sie wird mit rund 630 Millionen DM weiter aufgestockt. Die mittelstandsbezogene Innovationsförderung wächst um knapp 20 %, denn kleine und mittlere Unternehmen setzen Forschung rascher am Markt um und schaffen im Vergleich zu industriellen Investitionen mehr Arbeitsplätze.
    Minister Rüttgers hat in seiner Etatrede das Lehrstellenprogramm für die neuen Länder erläutert. Eine Zeitung übertitelte kürzlich einen Artikel zur Lehrstellensituation: „Ausbildung als Eintrittskarte in die Zukunft". Die politisch relevante Frage scheint in diesen Tagen zu sein: Wer zahlt für diese Eintrittskarte? Es darf kein dauerhaft beschrittener Weg sein, daß der Staat die Kosten für Ausbildung übernimmt.
    Ausbildung ist und bleibt zentrale Aufgabe der Wirtschaft. Schließlich ist die Qualifikation einer der wenigen unbestrittenen Vorzüge des Wirtschaftsstandorts Deutschland.
    Das hier jetzt vorgeschlagene Lehrstellenprogramm erfüllt allerdings in bestimmten Regionen, wo wir Engpässe haben, die wir zur Kenntnis genommen haben, und jetzt politisch handeln, auch die Zusage des Bundeskanzlers, daß für die Jugendlichen im Osten die notwendigen Ausbildungsperspektiven genutzt werden.
    Die Finanzierung dieses Lehrstellenprogramms stellt eine wichtige Querschnittsaufgabe über alle Etats des Bundeshaushalts dar. Aus ordnungspolitischer wie aus haushälterischer Sicht kann es jedoch nicht Daueraufgabe sein, Lehrstellenprogramme außerbetrieblicher Art zu finanzieren.
    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einiges zu den Ausführungen zur BAföG-Reform sagen, die Sie, Herr Glotz, hier vorgetragen haben. Ich war einigermaßen erstaunt, daß Sie hier vor dem Deutschen Bundestag behauptet haben, die Rückzahlung treffe die Ärmsten der Ärmsten. Ich bin BAföG-Student gewesen. Mein akademisches Ausbildungsende liegt mehr als vier Jahre zurück. Sie können nicht sagen, daß ich, wenn mich jetzt die Rückforderung trifft, zu den Ärmsten der Ärmsten gehöre.
    Das Modell, das Sie hier verzerrt dargestellt haben, sieht vier Jahre nach dem Ausbildungsende unter Zugrundelegung von Sozialklauseln eine Rückzahlung des BAföG-Darlehens vor, und zwar lediglich die Hälfte und teilweise verzinst.