Rede von
Wolfgang
Steiger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegenden Anträge von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS sind wieder einmal typische Belege für Ihr Mißtrauen gegenüber der in Deutschland insgesamt und vorbildlich funktionierenden Kreditwirtschaft und für Ihre übertriebene Neigung zu reglementieren, obwohl das Bundesfinanzministerium zusammen mit dem Zentralen Kreditausschuß längst gehandelt hat und alle Beteiligten schon auf dem besten Lösungsweg bis hin zu einer Selbstverpflichtung vorangeschritten sind.
In diesem Zusammenhang will ich die grundsätzliche Bereitschaft der Kreditwirtschaft begrüßen, jedem Bürger in ihrem jeweiligen Geschäftsbereich ein Girokonto bereitzuhalten. Deshalb geben wir der Kreditwirtschaft in der Tat die Gelegenheit, den Ankündigungen nun auch Taten folgen zu lassen.
Wolfgang Steiger
Die Initiativen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS sind zum jetzigen Zeitpunkt überflüssig. Sie stützen sich im wesentlichen auf Spekulationen, die mit der Wirklichkeit nur wenig gemeinsam haben.
Da werden z. B. durch nichts und von niemandem belegte Zahlen von 500 000 Personen - gerade waren es fast 1 Million - genannt, die angeblich kein Recht auf ein Girokonto hätten. Da wird ohne genaue Prüfung die so wichtige Vertragsfreiheit in unserem Land beträchtlich und erheblich in Frage gestellt, ja sogar konterkariert.
Wer die Diskussion in der Kreditwirtschaft verfolgt hat, weiß, daß Banken und Sparkassen schon intensiv dabei sind, sich selbst zu verpflichten, ein Konto für jedermann auf Guthabenbasis einzuführen.
Wir sollten in diesem Zusammenhang auch einmal die Frage stellen, welche Personen es sind, die kein Girokonto bekommen und warum. Wie kommen Sie eigentlich darauf, daß gerade Sozialhilfeempfängern oder Arbeitslosengeldbeziehern die Kontoeröffnung verweigert wird? Bei Banken steht immer - das habe ich so gelernt, und das hat sich auch nicht geändert - die Einzelfallprüfung im Mittelpunkt, und nur bei grobem Fehlverhalten wird eine Kontoverbindung aufgelöst bzw. erst gar nicht eingegangen. Daraus leiten Sie die doch beträchtliche Forderung nach einem Kontrahierungszwang für alle Kreditinstitute ab
- nein, Herr Präsident, ich möchte im Zusammenhang reden -, anstatt der angekündigten Selbstverpflichtung den Vorzug zu geben.
Würden wir Ihren Anträgen folgen, müßten künftig alle Banken mit allen Kunden Kontoverbindungen eingehen, obwohl gerade das Geschäft mit Geld besonderes Vertrauen erfordert und rechtfertigt
und dies die Basis einer dauerhaften und erfolgreichen Kundenverbindung darstellt.
Dies würde weiterhin bedeuten, daß wir die in Deutschland garantierte Vertragsfreiheit unterlaufen. Es würde bedeuten, daß sie über einen Kontrahierungszwang verfügen, dem Kreditinstitute auf Grund ihrer innerbetrieblichen Strukturen und unternehmerischen Zielsetzungen überhaupt nicht Folge leisten können.
Ich nenne Ihnen als Beispiel Hypothekenbanken oder reine Wertpapierbanken.
Es ist in der Tat so, wie Sie es gesagt haben: Wer auf Grund der flächenmäßigen Verbreitung, des großen Marktanteils im sogenannten Massengeschäft und der gemeinnützigen Satzung am ehesten dazu in der Lage ist, ein Girokonto für jedermann umzusetzen, sind in der Tat die öffentlich-rechtlichen Sparkassen und die Volks- und Raiffeisenbanken.
Beide Verbände - auch das haben Sie erwähnt - haben in bezug auf eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Kontoeröffnung befriedigende Erklärungen abgegeben, ohne daß sie sich einem Kontrahierungszwang durch den Gesetzgeber unterwerfen müssen.
Auch die Stellungnahmen der privaten Banken gehen in diese Richtung. Der zur Zeit in Hannover stattfindende Sparkassentag hat positive Fortschritte erzielt und der Öffentlichkeit präsentiert. Die Kreditinstitute sind derzeit gemeinsam mit der Diskussion technischer Probleme beschäftigt.
Also: Ja zur freiwilligen Selbstverpflichtung. Auch und gerade weil die Banken die Zunahme des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in der Vergangenheit wesentlich fordert haben, teile ich die Auffassung, daß sie ihrer moralischen Pflicht nachkommen sollten, ein Girokonto auf Guthabenbasis für jedermann anzubieten.
Aber: kein Zwang! Er ist gegen das Prinzip der Vertragsfreiheit und wird in der Praxis keinen Bestand haben. Oder wollen Sie Kreditinstitute zwingen, mit Wohnsitzlosen Kontoverbindungen einzugehen, obwohl überhaupt keine Adresse angegeben werden kann? Wollen Sie Kontoverbindungen mit fortgesetzt vertragsuntreuen Personen erzwingen?
- Wenn Sie Beifall klatschen wollen, schlagen Sie einfach die Hände aneinander. - Oder wie wollen Sie Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse behandeln, die im Regelfall - neben einem erheblichen Arbeitsaufwand - zur Sperrung eines Kontokorrentkontos führen? Sollen solche Konten etwa von der Pfändung freigestellt werden? Dadurch würden wir Mißbrauch und Betrug Tür und Tor öffnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, im übrigen sind Sie mit keinem Wort auf den erheblichen Arbeitsaufwand bei Konten auf reiner Guthabenbasis eingegangen. Hier sind weit über das übliche Maß hinaus organisatorische Sicherheitsvorkehrungen notwendig, um jedwede Überziehung zu vermeiden bzw. bestimmte Zahlungsformen - ich nenne als Beispiel die Lastschriften - auszuschließen. Würden wir Ihrem Antrag folgen, müßten die daraus resultierenden Kosten auf die Allgemeinheit umgelegt werden. Was glauben Sie eigentlich, was der breite Kundenstamm der Banken und Sparkassen zu solchen Umlageverfahren sagen würde?
Wenn ich mir jetzt noch eine Studie der von Ihnen zitierten Schuldnerberatung vor Augen führe, wird ersichtlich, daß von 53 zitierten Kontokündigungen allein 29 aus dem Sparkassensektor resultieren und davon 27 aus jenen Bundesländern - die haben Sie
Wolfgang Steiger
angeführt -, in denen bereits gesetzliche Verpflichtungen bestehen. Da gibt es offensichtlich eine bemerkenswerte Differenz zwischen Theorie und Praxis.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es handelte sich nicht hauptsächlich um Sozialhilfeempfänger oder Bezieher von Arbeitslosenhilfe oder -geld, wie es in allen Anträgen der Oppositionsparteien unterstellt wird. Aus den Rückantworten auf den Rundbrief der Schuldnerberatung geht deutlich hervor, daß ihre willkürliche Verknüpfung überhaupt nicht zutrifft. Es waren z. B. Ehepaare - Doppelverdiener - mit 4 800 DM Nettoeinkommen enthalten; da wurde ein Überziehungskredit vollkommen ausgeschöpft; diverse Kleinkredite konnten nicht zurückgezahlt werden. Das sind offensichtlich keine Personen, die zu den sozial Schwächeren in unserer Gesellschaft zählen.
Wir sollten in der Tat aufpassen, daß wir mit der Diskussion „Macht der Banken" nicht ständig die Wettbewerbsbedingungen verschlechtern und den Finanzplatz Deutschland in seinem bislang sehr guten Ansehen nachhaltig und langfristig beschädigen.
Vergleichen wir unsere Diskussion mit der in den europäischen Nachbarländern, stellen wir fest, daß dort im großen und ganzen Fehlanzeige herrscht.
Wir sollten die sehr geschätzte Vertragsfreiheit wahrlich nicht aufs Spiel setzen. Wir würden per gesetzlicher Regelung jedweden zwingen, mit jedem Geschäfte zu machen - ohne Ansehen der Person, ohne Rücksichtnahme auf schlechte Bonitätsauskünfte.
Das Bundesfinanzministerium vertritt hierbei nach meiner Auffassung die richtige Position, das von uns allen gewollte Ziel auch ohne gesetzlichen Zwang erreichen zu können.
Lassen wir die Kreditwirtschaft auf dem richtigen Weg der freiwilligen Selbstverpflichtung weitergehen! Ich wiederhole mich gerne: Geben wir ihr Gelegenheit, den Ankündigungen konkrete Taten folgen zu lassen. Rein spekulative Zahlen sind wahrlich nicht dazu geeignet, für einen klaren, realistischen, praxisorientierten Blick in der politischen Betrachtungsweise zu sorgen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die in Deutschland geltende Vertragsfreiheit ist zu wichtig, als daß wir sie unterlaufen dürften. Die Anträge von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS sind auf Grund der geschilderten Aktivitäten, die, wie jedermann sieht, im Gange sind, deshalb überflüssig. Wir lehnen sie ab.