Rede von
Heinz
Lanfermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich ist es die vornehmste Aufgabe des Gesetzgebers, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für ein vernünftiges Miteinander der Menschen zu schaffen. Dabei sollte in der Tat völlig unstreitig sein, daß in Fällen von Gewalt in der Familie bei allen Entscheidungen vorrangig an den Schutz des Gewaltopfers und an das Wohl der Kinder zu denken ist. Aber ebenso unstreitig sollte es unter uns sein, daß nur die Gesetzesnovelle sinnvoll ist, die tatsächlich zu einer Verbesserung der Rechtslage führt.
Deshalb hat, wie schon erwähnt, das Justizministerium Stellungnahmen der gerichtlichen Praxis eingeholt und haben die Gerichte überwiegend erklärt, daß sie bereits heute das geltende Recht, nach dem die Wohnung einem der Ehegatten zur Vermeidung
Heinz Lanfermann
einer schweren Härte zugewiesen werden kann, im Sinne der vorgeschlagenen Novelle auslegen. Eine schwere Härte wird demzufolge insbesondere bei Mißhandlungen und der Gefährdung des Kindeswohles mit der Folge angenommen, daß einem der Ehegatten - dies ist meistens in der Tat die Ehefrau - die Wohnung zugewiesen wird.
Ich habe - weil Sie die Verknüpfung mit der vorherigen Debatte ansprachen, Frau Kollegin von Renesse - auch bei Ihrer Kollegin Brandt-Elsweier sehr wohl vernommen, wie argumentiert wurde. Sie hat nämlich wirklich innerhalb von zwei Sätzen als erstes gesagt: Jeder Einzelfall muß differenziert behandelt werden, und zweitens hat sie eine gleiche Regelung für alle Fälle gefordert. Dieser Versuchung sind auch Sie gerade in Ihren Ausführungen hier erlegen.
Ich denke, wenn das geltende Recht zur Lösung der Problemfälle ausreicht, dann ist eine Novelle einfach überflüssig. Es entsteht auch ein bißchen der Eindruck, als solle Symbolpolitik jetzt an die Stelle von vernünftigen, sachgerechten Entscheidungen gesetzt werden. Ich möchte gern wissen: Welche Entscheidungen waren wie falsch? Wo ist offensichtlich ein falscher Gebrauch von Recht durch Gerichte geschehen? Wie könnte man dies tatsächlich ändern? Denn eine Klausel, die die Wohnung generell nur der Ehefrau zuweisen würde, wird von Ihnen nicht gewollt, wäre auch nicht denkbar. Was anders geschehen soll, als nach dem Begriff der „schweren Härte" vorzugehen, ist mir auch aus Ihrer Rede, Frau Kollegin, nicht recht verständlich geworden.
Das heißt, der Gesetzgeber wäre in der Tat überfordert, jede im Rahmen zulässiger Auslegung vernünftigerweise gefundene Rechtsentwicklung in geltendes Recht zu überführen, was bei der Auslegung aber eher noch mehr Probleme schaffen würde.
Meine Damen und Herren, die F.D.P. verkennt gerade nicht, daß sich neben Ehe und Familie vielfältige neue Lebensformen bilden. In nichtehelichen Lebensgemeinschaften lebende Kinder sind natürlich ebenso vor jeder Diskriminierung zu schützen wie die Kinder eines Ehepaares.
Diesem berechtigten Anliegen will die F.D.P. jedoch nicht mit einer isolierten einzelnen Gesetzesvorschrift Rechnung tragen, sondern es im Rahmen einer umfassenden Reform des Kindschaftsrechts berücksichtigen. Das erscheint auch gerade deshalb sachgerecht, weil die Politik es akzeptieren muß, wenn sich eine zunehmend größer werdende Zahl von Mitbürgerinnen und Mitbürgern für eine nichteheliche Lebensgemeinschaft als Lebensform entscheidet. Entsprechend können wir die rechtlichen Regelungen meiner Auffassung nach ergänzen.
Allerdings - auch das muß man sagen - erfordert dies eine umfassende und auf vielfältige Einzelfragen Rücksicht nehmende Gesamtregelung, die nicht isoliert für einen ganz bestimmten Sachverhalt vorgenommen werden kann.
Abschließend möchte ich hinsichtlich der vorgeschlagenen Erweiterung der Beschwerdemöglichkeiten nur kurz darauf hinweisen, daß dadurch natürlich die aktuellen Bemühungen um eine Straffung und Beschleunigung des Zivilverfahrens konterkariert werden.
Meine Damen und Herren, da durch den Gesetzentwurf des Bundesrates eine qualitative Verbesserung der Rechtsstellung einer Antragstellerin sowie ihrer Kinder im Moment nicht zu erkennen ist, sehe ich auch keinen aktuellen Handlungsbedarf.
Vielen Dank.