Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl ich Ihre Worte im Ohr habe, daß der Bundesrat, zumindest zu Beginn der Verhandlung, nicht im Saal vertreten war, habe ich diesen Antrag nicht gestellt. Denn es ist irgendwie eine listige Weisheit, auch über dieses Thema im Zusammenhang mit der Diskussion am heutigen Vormittag zu sprechen, und der Blumenstrauß der unterschiedlichen Themen hat eines gemeinsam: Es wird hier insgesamt darüber zu reden sein, inwieweit sich Recht, Strafrecht und Zivilrecht, auf schwerwiegende „Übergriffe" und „Verletzung von Menschenrechten", wie es die Präsidentin genannt hat, konzentriert, gleichzeitig aber davon Abstand nimmt, riesigen Verfahrensaufwand in den Angelegenheiten zu betreiben, in denen der Vermögensschutz in Rede steht, weil die Geschädigten selbst aus Kostengründen ihren Eigenschutz massiv vernachlässigen. Insofern besteht ein Zusammenhang, den man eigentlich gar nicht missen möchte, so daß ich heute schon aus Vergnügen an der Zusammenstellung der Themen zu diesem Bereich sprechen möchte.
Meine Damen und Herren, ich finde es berechtigt, über den § 1361b noch einmal sehr intensiv nachzudenken. Darum ist die Initiative des Bundesrates begrüßenswert. Es wurde die Frage gestellt, ob das geltende Recht nicht ausreiche, die Generalklausel des § 1361 b mache doch vieles möglich.
Margot von Renesse
Herr Kollege, Sie haben die Umfragen unter den Justizministerien der Länder zitiert. Vielleicht sollte man auch einmal Umfragen unter den betroffenen Frauen machen.
Denn der Blickwinkel, unter dem Richter das sehen, die ihre Entscheidungen in der Regel ja nicht so schlecht finden, und die Art, wie Betroffene das sehen, mögen doch mitunter zwei Paar Schuhe sein.
Hierbei spielt auch eine Rolle - damit greife ich schon einen Bereich auf, den der Bundesrat hier vorgeschlagen hat -, daß eine Vielzahl dieser Entscheidungen nicht rechtsmittelfähig sind, d. h., der Einzelrichter, dem ich persönlich viel zutraue, hat nur den blauen Himmel über sich und entscheidet über schwere Konflikte, bei denen zumindest ein Betroffener Angst vor der Zukunft hat.
Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß die Entscheidung der Wohnungszuweisung an einen Ehegatten allein für den sogenannten weichenden Ehegatten eine schwerwiegende und belastende, auch grundrechtsrelevante Entscheidung ist. Aber ist sie für den anderen Ehegatten nicht genauso belastend, wenn es zur Antragszurückweisung kommt? Denn auch für ihn bedeutet dies - genauso wie im umgekehrten Fall der Wohungszuweisung -, daß ihm in Zukunft die Wohnung verschlossen bleibt, die für ihn und seine Kinder bisher das Heim war.
Die Gesellschaft gewöhnt sich allmählich - das ist meine Sorge; sie steht hinter dieser Initiative - an eine Umkehr der Verhältnisse. Wir wissen, die Frauenhausbewegung hat das Thema „Gewalt in der Familie" aus den Kellern der Gesellschaft, wo sie ihre Wunschträume und ihre Ängste versteckte, herausgeholt und ein grelles Licht auf die geschundenen Gesichter von Frauen und Kindern gerichtet, von Frauen, die mit Veilchen, mit Schrammen, mitunter noch im Nachthemd, die Kinder heulend an der Seite, zur Nachbarin, zur Freundin oder zur Mutter eilen, fliehen, flüchten, wie man es sich schlimmer nicht vorstellen kann. Dies war lange nicht gesehen worden. Aber gleichzeitig hat sich die Gesellschaft, weil es die Frauenhäuser gibt, daran gewöhnt, zu sagen: Es gibt doch die Frauenhäuser, sollen sie doch dorthin gehen. - Das Opfer muß gehen, und der Gewalttäter bleibt.
Das sind verkehrte Verhältnisse. Das ist gesamt sozial und auch rechtshygienisch nicht erwünscht.
Dies muß geändert werden: für die Allgemeinheit und für die Geschädigten. Darum erscheint es mir wichtig, daß hier die Gesichtspunkte nicht mehr nach der Frage „Was ist die schwere Härte?" sortiert werden, sondern daß bei Verletzungen der Person, und zwar von Frauen und Kindern, die wir bisher noch gar nicht im Gesetz berücksichtigt haben, der Schutzgesichtspunkt in den Vordergrund gestellt wird.
Wir haben über die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe gesprochen und haben gesagt, daß der Schutz - lassen Sie mich das einmal etwas salopp sagen - in der Ehe für die möglichen Opfer verbessert werden muß, damit es nicht geradezu eine Verstärkung des Arguments gibt, die Frauen brauchten vielleicht eher den Schutz vor der Ehe. Das könnte ja der Fall sein.
Aber die Verfolgung der strafbaren Handlung braucht viel Zeit. Die Opfer brauchen dagegen Schutz auf der Stelle. Sie müssen aber erleben, daß sich die Polizei, wenn sie gerufen wird, dem Familienkonflikt nur mit langen Zähnen nähert. Sehr oft nehmen die Polizisten nicht den Täter, sondern die Opfer mit und verfrachten sie gleich ins Frauenhaus, die oft, worauf der Bundesrat mit Recht hinweist, zu Frauenwohnheimen werden - in Klammern: mit sehr kostenintensiven Folgen für die Kommunen. Die Ausweisung des Täters wäre erheblich preisgünstiger, einmal ganz abgesehen von den weiteren Folgen, die so etwas hätte.
Ich denke, daß man sehr ernsthaft über die Bundesratsinitiative nachdenken muß und daß man nicht so tun kann, als bestehe dazu kein Bedürfnis. Wir sollten vielleicht in einer Anhörung klären, wo dieses Bedürfnis liegen könnte, und andere zu Wort kommen lassen als die Richter, die sich mit dem einschlägigen Paragraphen wohl zufriedengeben können, weil er kurze Verhandlungen ermöglicht.
Danke sehr.