Rede von
Bärbel
Sothmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frau sei dem Manne untertan. So steht es in der Bibel geschrieben, und jahrtausendelang haben die unterschiedlichsten Gesellschaften dieses Gebot auch anerkannt. Auch heute noch, auch in Deutschland, gilt für viele Männer und auch für den Gesetzgeber der Grundsatz: Die Frau ist Eigentum des Mannes. Der Beischlaf gilt bei ihnen nach wie vor als eheliche Pflicht der Frau. Denn wie anders ist es zu erklären, daß Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in unserem Land nach geltendem Recht nur dann bestraft werden, wenn sie außerehelich erfolgen?
Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in der Ehe finden im rechtsfreien Raum statt und können bisher nur als Nötigung und/oder Körperverletzung - wir haben das alles bereits gehört - strafrechtlich geahndet werden. Das ist nicht akzeptabel. Diese Praxis entspricht nicht mehr dem heutigen partnerschaftlichen Verständnis von Ehe und Familie.
Die Frau ist nicht das Eigentum des Ehemannes. Es darf nicht sein, daß eine verheiratete Frau schlechter vor den sexuellen Übergriffen eines Mannes geschützt wird als eine geschiedene oder ledige Frau.
Genaue Zahlen gibt es zwar nicht; aber man schätzt, daß in jeder fünften Ehe schon mindestens einmal eine Vergewaltigung vorgekommen ist. Die Dunkelziffer liegt natürlich sehr hoch. Es besteht also Handlungsbedarf. Ich bin deshalb sehr froh, daß das Thema heute wieder auf der Tagesordnung steht. Vergewaltigung in der Ehe darf nicht länger ein gesellschaftliches Tabuthema bleiben.
Ich finde es deshalb außerordentlich positiv, daß nach jahrelanger Diskussion endlich eine Lösung in Sicht ist. Alle Seiten signalisieren Kompromißbereitschaft. Über die Parteigrenzen hinweg ist man sich einig, daß die Vergewaltigung in der Ehe ein ebenso strafwürdiges Unrecht ist wie die außereheliche Vergewaltigung. Hier wie dort wird das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung der Frau verletzt.
Bärbel Sothmann
Als Vorsitzende der Gruppe der Frauen der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion begrüße ich den Referentenentwurf der Bundesjustizministerin,
der für uns eine sehr gute Diskussionsgrundlage ist. Es ist ein wichtiges Anliegen von uns, daß bei der Änderung des Sexualstrafrechts dem besonderen Charakter der Ehe Rechnung getragen wird. Zu prüfen ist deshalb auch, ob nicht ein eigenständiger Verbrechenstatbestand „Vergewaltigung in der Ehe" geschaffen werden sollte.
Meine Damen und Herren, verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Vergewaltigung in der Ehe ist ebenso verwerflich wie eine außereheliche Vergewaltigung. Hinzu kommt, daß der Täter in der Ehe ein besonderes Vertrauensverhältnis mißbraucht. Trotzdem kann es auch im Interesse des betroffenen Paares bzw. der Familie liegen, die Ehe nach einer Vergewaltigung fortzusetzen und die Familie zu erhalten. Der Staat darf sich einem solchen Wunsch nicht widersetzen, zumal Art. 6 unseres Grundgesetzes Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt.
Wir Frauen von der CDU/CSU fordern daher, daß der staatliche Strafanspruch bei einer Vergewaltigung hinter dem Willen der Ehepartner, sich zu versöhnen, zurücktreten muß. Deshalb befürworten wir eine Regelung, die es der Staatsanwaltschaft ermöglicht, auf eine Strafverfolgung zu verzichten, wenn eine Versöhnung zwischen den Eheleuten stattgefunden hat und der vergewaltigte Ehepartner eine Einstellung des Verfahrens beantragt. Dieses Recht darf dem Opfer nicht genommen werden. Wie eine solche Regelung genau aussehen soll, muß jedoch noch intensiv diskutiert werden.
Die Gesetzentwürfe von SPD und Bundesrat - vom Bundesrat ist übrigens keiner hier - und der Referentenentwurf der Bundesjustizministerin enthalten eine Versöhnungsklausel, d. h., sie schlagen vor, daß die Gerichte die Strafe mildern oder von Strafe absehen können, wenn eine Versöhnung stattgefunden hat und dies im Interesse der Aufrechterhaltung der Ehe sinnvoll erscheint.
Sie enthalten jedoch kein Widerspruchsrecht des Opfers gegen die Strafverfolgung des Vergewaltigers. Dies wirft Probleme auf. Denn an Hand welcher Kriterien und Maßstäbe soll das Gericht beurteilen und entscheiden, ob eine Versöhnung stattgefunden hat bzw. zweckmäßig ist? Wenn die Frau ihre Anzeige zurückzieht, sollte das Gericht dann tatsächlich das Recht haben, das Verfahren fortzusetzen und das Intimleben des Paares weiter zu durchforsten?
Aber auch ein Widerspruchsrecht des Opfers, wie es Rechtspolitiker der Union vorschlagen und dem auch ich zuneige, kann problematisch sein. Es besteht nämlich eine erhöhte Gefahr, daß die Frau von ihrem Mann oder dessen Familie erpreßt wird, ihre Anzeige zurückzuziehen.
Welche Lösung hier für die vergewaltigte Frau am besten ist - die Einführung eines Antrags- oder eines Offizialdelikts oder eines Offizialdelikts mit Widerspruchsrecht -, muß also noch geprüft werden. Im Moment tendiere ich jedoch dazu, zu sagen: Die Verfahrensherrschaft muß beim Opfer liegen.
Vor einer endgültigen Lösung müssen selbstverständlich auch noch andere Punkte geklärt werden. Dazu gehören z. B. die Frage nach der Höhe des Mindeststrafmaßes und die Frage, ob außer dem erzwungenen Beischlaf auch noch andere sexuelle Übergriffe in den Straftatbestand der Vergewaltigung aufgenommen werden sollen.
Die offenen Fragen können und müssen jetzt im Interesse aller Frauen schnell beantwortet werden. Ich erwarte, daß wir noch in diesem Jahr zu einer einvernehmlichen Regelung kommen.
Ich danke Ihnen.