Rede:
ID1302205000

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Ich: 1
    2. erteile: 1
    3. der: 1
    4. Kollegin: 1
    5. Bärbel: 1
    6. Sothmann: 1
    7. das: 1
    8. Wort.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/22 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 22. Sitzung Bonn, Freitag, den 17. Februar 1995 Inhalt: Tagesordnungspunkt 10: a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sexualstrafrechts (§§ 177 bis 179, 184c StGB) (Drucksache 13/199) b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sexualstrafrechts - §§ 177 bis 179, 184c StGB (Drucksache 13/323) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Erste Beratung des von der Abgeordneten Christina Schenk und der weiteren Abgeordneten der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sexualstrafrechts (§§ 177 bis 179 StGB) und strafprozessualer Regelungen bei Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen (Drucksache 13/536) Erika Simm SPD 1523 B Horst Eylmann CDU/CSU 1526 D Dr. Dietrich Mahlo CDU/CSU 1527 C Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 1528 C Christina Schenk PDS 1530 D Freimut Duve SPD 1532 C Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 1532 D Erika Simm SPD 1533 D Hanna Wolf SPD 1534 D Norbert Geis CDU/CSU 1536 B, 1539 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 1536 C Margot von Renesse SPD 1537 D Hanna Wolf SPD 1538 A Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 1539 A Heinz Lanfermann F.D.P 1540 A Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 1541 C Anni Brandt-Elsweier SPD 1542 C Bärbel Sothmann CDU/CSU 1544 C Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU 1545 C Tagesordnungspunkt 11: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (Drucksache 13/374) Alfred Hartenbach SPD 1547 B Norbert Röttgen CDU/CSU 1549 A Otto Schily SPD 1549 C Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 1550 B Alfred Hartenbach SPD 1551 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1552 A Jörg van Essen F.D.P. 1552 D Dr. Dagmar Enkelmann PDS 1554 A Jörg van Essen F.D.P. 1554 C Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 1554 D Tagesordnungspunkt 12: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes fiber die erleichterte Zuweisung der Ehewohnung (Drucksache 13/196) Wolfgang Bosbach CDU/CSU 1555 D Margot von Renesse SPD 1556 D Heinz Lanfermann F.D.P 1557 D Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1558 C Christina Schenk PDS 1559 C Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 1560 C Nächste Sitzung 1561 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 1563* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 1563* C Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 22. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Februar 1995 1523 22. Sitzung Bonn, Freitag, den 17. Februar 1995 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bachmaier, Hermann SPD 17. 02. 95 Berger, Hans SPD 17. 02. 95 Dr. Böhme (Unna), Ulrich SPD 17. 02. 95 Büttner (Schönebeck), CDU/CSU 17. 02. 95 Hartmut Dörflinger, Werner CDU/CSU 17. 02. 95 Eichstädt-Bohlig, BÜNDNIS 17.02. 95 Franziska 90/DIE GRÜNEN Graf von Einsiedel, PDS 17. 02. 95 Heinrich Fuchs (Köln), Anke SPD 17. 02. 95 Dr. Gysi, Gregor PDS 17. 02. 95 Hacker, Hans-Joachim SPD 17. 02. 95 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 17. 02. 95 Dr. Hauchler, Ingomar SPD 17. 02. 95 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 17. 02. 95 Dr. Heuer, Uwe-Jens PDS 17. 02. 95 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 17. 02. 95 Hoffmann (Chemnitz), SPD 17. 02. 95 Jelena Dr. Jacob, Willibald PDS 17. 02. 95 Kanther, Manfred CDU/CSU 17. 02. 95 Knoche, Monika BÜNDNIS 17. 02. 95 90/DIE GRÜNEN Kraus, Rudolf CDU/CSU 17. 02. 95 Lamers, Karl CDU/CSU 17. 02. 95 Dr. Leonhard, Elke SPD 17. 02. 95 Louven, Julius CDU/CSU 17. 02. 95 Meckel, Markus SPD 17. 02. 95 Reschke, Otto SPD 17. 02. 95 Scheffler, Siegfried SPD 17. 02. 95 Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 17. 02. 95 90/DIE GRÜNEN Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 17. 02. 95 Hans Peter Frhr. von Schorlemer, CDU/CSU 17. 02. 95 Reinhard Schumann, Ilse SPD 17. 02. 95 Seiters, Rudolf CDU/CSU 17. 02. 95 Terborg, Margitta SPD 17. 02. 95 Tippach, Steffen PDS 17. 02. 95 Titze-Stecher, Uta SPD 17. 02. 95 Vergin, Siegfried SPD 17. 02. 95 Dr. Vollmer, Antje BÜNDNIS 17. 02. 95 90/DIE GRÜNEN Wallow, Hans SPD 17. 02. 95 Welt, Jochen SPD 17. 02. 95 Wieczorek-Zeul, SPD 17. 02.95 Heidemarie Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Finanzausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Drucksache 13/218 Nr. 12 Drucksache 13/218 Nr. 14 Der Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung hat mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden EG-Vorlage absieht, da der Rat der Europäischen Union bereits seinen Beschluß gefaßt hat: Drucksache 13/218 Nr. 105 Der Vorsitzende des Ausschusses für Verkehr hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Drucksache 13/265 Nr. 1.34
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Anni Brandt-Elsweier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich an die letzte Debatte zum Thema der Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe denke, dann kommen bei mir äußerst zwiespältige Erinnerungen auf. Es ist eine Mischung aus Hoffnung auf Einsicht, aus Unverständnis und Empörung, aber leider auch der schale Beigeschmack, den politisches Taktieren auf Kosten der Betroffenen immer hinterläßt.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Aber jetzt soll es endlich soweit sein. Das Koalitionslager hat sich geeinigt. Die bisher gezeigte Rücksichtnahme auf eine kleine Minderheit in der Koalition, die immer noch einem besitzergreifenden Ehebild anhängt, nach dem Frau und Kinder dem Ehemann gehören, wird es wohl nicht mehr geben. Ich halte es nicht für eine primitive Polemik, Herr Kollege Geis, wenn wir fordern, daß eine Vergewaltigung in der Ehe auch als eine Vergewaltigung und nicht nur als Nötigung bestraft wird.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir tun das ja!)

    Die neue Frauenministerin, so kann man lesen, hat sich mit der Justizministerin geeinigt, die Sache zügig vorantreiben zu wollen. Das haben wir hier auch deutlich gehört. Frau Ministerin Nolte, ich höre es wohl, und ich höre es gerne. Vielleicht gelingt es Ihnen ja tatsächlich, ein bißchen frischen Wind in Ihre Reihen zu bringen. Erforderlich wäre dies allemal.
    Die SPD-Fraktion im Bundestag versucht nun schon seit 22 Jahren, die Unterscheidung des Strafrechts in außereheliche und eheliche Vergewaltigung aufzuheben, seit 1972 also, Frau Ministerin. Ich glaube, in jenem Jahr wurden Sie gerade eingeschult. Das soll aber bitte nicht als Kritik an Ihrer Jugend verstanden werden, sondern nur ein Hinweis auf den Zeitablauf sein und die Hoffnung auf Veränderung ausdrücken:

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Der Fortschritt ist eine Schnecke!)

    Hoffnung darauf, daß sich in der Regierungskoalition neben der Erkenntnis über die Schwere des Vergehens jetzt auch endlich der Wille zum Handeln durchsetzt;

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Anni Brandt-Elsweier
    Hoffnung darauf, daß jetzt endlich nicht mehr eine Minderheit, vor allein wohl auch eine männliche Minderheit, das politische Handeln bestimmt; Hoffnung darauf, daß sich in der Regierungskoalition jetzt niemand mehr hinter „eigentlich", „sicherlich" und „im Prinzip einig" versteckt und damit doch nur halbherziges Handeln kaschiert.
    Allerdings gebe ich zu, daß ich gerade gestern wieder sehr hellhörig wurde, als mir die Pressemitteilung Nr. 11 des Frauenministeriums vorgelegt wurde. In der Erklärung beziehen Sie sich, Frau Ministerin, auf den Sonderbericht an die Vereinten Nationen zum Thema „Gewalt gegen Frauen", schildern die von der Bundesregierung bereits ergriffenen Maßnahmen und weisen auf die in der Bundesrepublik geführte Diskussion hin. Genau in dieser Erklärung kann man sie wieder erahnen, die Halbherzigkeit, die Unentschlossenheit.

    (Vorsitz : Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch)

    Frau Ministerin, warum sprechen Sie dort wieder nur von einer „möglichen" Erweiterung des Straftatbestandes der Vergewaltigung in der Ehe? Warum fällt Ihnen hier eigentlich eine Formulierung so schwer, die die Notwendigkeit einer Änderung ganz deutlich macht? Und, Frau Ministerin, warum haben Sie nur „verhaltenen" Optimismus? Mir wäre ein deutlicher Optimismus sehr viel lieber.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich erinnere mich noch an die Rede von Frau Professor Männle im letzten Jahr und an das ungute Gefühl, das sie bei mir hinterlassen hat. Frau Männle hat darauf hingewiesen, daß im Bewußtsein weiter Teile der Bevölkerung die Eheschließung mit einem ständigen Verfügungsrecht des Mannes über die Frau gleichgesetzt und daß die Vergewaltigung vom ehelichen Täter daher häufig nicht als Unrecht empfunden würde. Sollte diese damalige Erklärung eigentlich dazu dienen, die angebliche Notwendigkeit einer Anhörung zu untermauern, obwohl es nach dem damaligen richtigen Hinweis des Kollegen van Essen überhaupt keinen Anhörungsbedarf mehr gab?
    Damals haben fast alle Koalitionsredner einen ziemlichen Eiertanz aufgeführt. Da wimmelte es nur davon, daß ehelicher Mißbrauch ja „eigentlich" schwerer wiegen würde als außerehelicher, daß die daraus resultierenden Verletzungen ja „sicherlich" gravierend seien. Daß sexuelle Gewalt in der Ehe ein strafwürdiges Unrecht sei, darüber sei man sich ja „im Prinzip einig". Dennoch, das Aber war ganz deutlich zu hören: Aber wir ziehen nicht die Konsequenzen.
    Damals haben Sie unserem Gesetzentwurf nicht zugestimmt. Nun liegt er Ihnen wieder vor. Zumindest scheinen Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, heute nicht mehr das Stichwort „kriminologische Indikation" in die Diskussion zu werfen - eine Verknüpfung, die ich im übrigen nie nachvollziehen konnte. Und sollte sie wiederholt werden: Gerade gegen diese unsinnige Verknüpfung
    hat ja unser damaliger Kollege Hans de With in der letzten Debatte ausführliche und scharfsinnige Argumente angeführt. Eine Wiederholung erübrigt sich daher.
    Eine Streitfrage scheint mir jedoch noch immer die gleiche zu sein: Soll die vergewaltigte Ehefrau ein Strafverfahren aufhalten können, wenn sie denn die Ehe aufrechterhalten will? Wir meinen: nein, lassen aber dem Gericht die Möglichkeit, die Strafe zu mildern oder von der Strafe abzusehen, wenn dies im Interesse der Aufrechterhaltung der Ehe oder der eheähnlichen Gemeinschaft geboten erscheint. Die Entscheidung des Gerichts würde sicher durch den Wunsch der Ehefrau, es noch einmal mit dem Partner versuchen zu wollen, und die Einwilligung des Täters in eine Partnerschaftstherapie beeinflußt. Ich habe das Vertrauen in die Gerichte, daß sie mit dieser Möglichkeit richtig umgehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Frau Ministerin Nolte, Sie haben die Frage nach dem Vetorecht der Ehefrau mit Ja beantwortet. Zwar sehen Sie die Gefahr, daß der Ehemann Druck auf seine Frau ausüben könnte. Dennoch sind Sie dagegen, daß der Mann auch gegen den Willen der Frau verurteilt wird. Ich meine, es kommt immer auf den Einzelfall an.
    Daß auch Druck von anderer Seite kommen kann, haben Sie dabei nicht berücksichtigt. Druck auf die Frau wird auch durch die aktuelle Wohnungsnot ausgeübt, eine Wohnungsnot, die sich unter der Regierungskoalition dramatisch verschärft hat.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Leider!)

    Wo soll die mißhandelte und vergewaltigte Frau denn hin, wenn der Mann die Wohnung nicht verläßt? Ist Ihnen bekannt, daß Alleinerziehende in der Regel das Dreifache der Miete als Nettoeinkommen nachweisen müssen, bevor sie einen Mietvertrag erhalten? Unterhaltsansprüche werden hier übrigens nicht angerechnet.
    Anders als z. B. in Israel oder Argentinien muß der gewalttätige Ehemann die Wohnung eben nicht zwangsläufig räumen. Deshalb setze ich große Hoffnungen in den Entwurf des Bundesrates - er liegt vor -, der die erleichterte Zuweisung der Ehewohnung anstrebt. Nach diesem Entwurf soll der Begriff der schweren Härte durch ein Benennen der schutzwürdigen Interessen der Frau und der Kinder ersetzt werden. Bei vorausgegangenen Mißhandlungen soll kraft Gesetzes vermutet werden, daß solche auch weiterhin zu befürchten sind, eine Annahme, die nach Aussage Sachkundiger leider der Realität entspricht.
    Äußerer Zwang wird aber auch durch rasche Verschlechterung der finanziellen Lage der Familien auf die Frau ausgeübt, eine finanzielle Misere übrigens, die von der Regierungskoalition ganz offensichtlich billigend in Kauf genommen wird.

    (Beifall bei der SPD - Ingrid MatthäusMaier [SPD]: Leider!)


    Anni Brandt-Elsweier
    Denn oft reicht das Familieneinkommen für ein Getrenntleben nicht aus. Unter diesem Druck entscheidet sich die Frau nicht selten für ein Verbleiben in einer Ehe, in der sie sexuelle Gewalt zu erdulden hat. Sie hat Schlichtweg Existenzängste, hat Angst davor, mit ihren Kindern von der Sozialhilfe abhängig zu werden, die ja bekanntermaßen von der Bundesregierung ebenfalls immer weiter gekürzt wird.
    In der Debatte des letzten Jahres wurde von den Rednern der Regierungskoalition immer wieder darauf hingewiesen, daß die Frau gerade auch in der Ehe einen besonderen Schutz genieße, daß der eheliche Mißbrauch eben auch deshalb besonders schwer wiege, weil er das Vertrauen der Frau gröblich mißachte. Wenn Sie aber mit mir einig sind, daß die Frau mit dem Ja auf dem Standesamt nicht ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung verliert, wenn Sie mit mir einig sind, daß die Ehegemeinschaft vom Grundsatz her auf gleichberechtigte Partnerschaft, auf gegenseitige Liebe und Achtung angelegt ist, dann, meine Damen und Herren, sollte es unter uns eigentlich nicht strittig sein, daß der Staat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat, einen Strafanspruch geltend zu machen, wenn dieser Grundsatz gewaltsam außer Kraft gesetzt wird.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Dieser Verpflichtung darf sich der Staat nicht dadurch entziehen, daß er erst einmal den Strafantrag des Opfers abwartet. Hier muß der Staat von sich aus tätig werden.
    Eines lassen Sie mich noch anmerken: Jeder, dem hier für den erzwungenen ehelichen Beischlaf ein niedrigeres Strafmaß vorschwebt als für die außereheliche Vergewaltigung, der entlarvt damit seinen Wunsch, im Grunde alles beim alten belassen zu wollen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Damit zeigt er auch, daß er traurigerweise nichts begriffen hat.
    Vergessen Sie nicht die tragischen Fälle - sie wurden hier schon erwähnt -, in denen der getrennt lebende Ehemann sein angebliches Recht auf Beischlaf, oft einhergehend mit Hausfriedensbruch, gewaltsam und brutal einfordert. Er genießt ebenfalls den Schutz des Strafrechts, d. h. er kann nur wegen Nötigung oder Körperverletzung belangt werden, weil er ja noch verheiratet ist.
    Zum Schluß nur noch eine kurze Frage an Sie, Frau Ministerin Nolte: Bedauern Sie es nicht, daß diese Strafrechtsänderung nur deshalb nicht schon unter „bereits erledigt" in dem genannten Bericht an die Vereinten Nationen erscheint, weil ebendiese Änderung von Ihrer Koalition ganz bewußt verzögert wurde?
    Ich denke, diese Bundesrepublik hätte es verdient, auf der Seite der Nationen zu stehen, die allen Opfern gleiches Recht sprechen, gleich, ob ihnen außerhalb oder innerhalb der Ehe Gewalt angetan wurde.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Christina Schenk [PDS])



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile der Kollegin Bärbel Sothmann das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Bärbel Sothmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frau sei dem Manne untertan. So steht es in der Bibel geschrieben, und jahrtausendelang haben die unterschiedlichsten Gesellschaften dieses Gebot auch anerkannt. Auch heute noch, auch in Deutschland, gilt für viele Männer und auch für den Gesetzgeber der Grundsatz: Die Frau ist Eigentum des Mannes. Der Beischlaf gilt bei ihnen nach wie vor als eheliche Pflicht der Frau. Denn wie anders ist es zu erklären, daß Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in unserem Land nach geltendem Recht nur dann bestraft werden, wenn sie außerehelich erfolgen?
    Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in der Ehe finden im rechtsfreien Raum statt und können bisher nur als Nötigung und/oder Körperverletzung - wir haben das alles bereits gehört - strafrechtlich geahndet werden. Das ist nicht akzeptabel. Diese Praxis entspricht nicht mehr dem heutigen partnerschaftlichen Verständnis von Ehe und Familie.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Frau ist nicht das Eigentum des Ehemannes. Es darf nicht sein, daß eine verheiratete Frau schlechter vor den sexuellen Übergriffen eines Mannes geschützt wird als eine geschiedene oder ledige Frau.
    Genaue Zahlen gibt es zwar nicht; aber man schätzt, daß in jeder fünften Ehe schon mindestens einmal eine Vergewaltigung vorgekommen ist. Die Dunkelziffer liegt natürlich sehr hoch. Es besteht also Handlungsbedarf. Ich bin deshalb sehr froh, daß das Thema heute wieder auf der Tagesordnung steht. Vergewaltigung in der Ehe darf nicht länger ein gesellschaftliches Tabuthema bleiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Ich finde es deshalb außerordentlich positiv, daß nach jahrelanger Diskussion endlich eine Lösung in Sicht ist. Alle Seiten signalisieren Kompromißbereitschaft. Über die Parteigrenzen hinweg ist man sich einig, daß die Vergewaltigung in der Ehe ein ebenso strafwürdiges Unrecht ist wie die außereheliche Vergewaltigung. Hier wie dort wird das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung der Frau verletzt.

    Bärbel Sothmann
    Als Vorsitzende der Gruppe der Frauen der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion begrüße ich den Referentenentwurf der Bundesjustizministerin,

    (Zuruf von der SPD: Haben Sie ihn denn schon?)

    der für uns eine sehr gute Diskussionsgrundlage ist. Es ist ein wichtiges Anliegen von uns, daß bei der Änderung des Sexualstrafrechts dem besonderen Charakter der Ehe Rechnung getragen wird. Zu prüfen ist deshalb auch, ob nicht ein eigenständiger Verbrechenstatbestand „Vergewaltigung in der Ehe" geschaffen werden sollte.
    Meine Damen und Herren, verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Vergewaltigung in der Ehe ist ebenso verwerflich wie eine außereheliche Vergewaltigung. Hinzu kommt, daß der Täter in der Ehe ein besonderes Vertrauensverhältnis mißbraucht. Trotzdem kann es auch im Interesse des betroffenen Paares bzw. der Familie liegen, die Ehe nach einer Vergewaltigung fortzusetzen und die Familie zu erhalten. Der Staat darf sich einem solchen Wunsch nicht widersetzen, zumal Art. 6 unseres Grundgesetzes Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt.
    Wir Frauen von der CDU/CSU fordern daher, daß der staatliche Strafanspruch bei einer Vergewaltigung hinter dem Willen der Ehepartner, sich zu versöhnen, zurücktreten muß. Deshalb befürworten wir eine Regelung, die es der Staatsanwaltschaft ermöglicht, auf eine Strafverfolgung zu verzichten, wenn eine Versöhnung zwischen den Eheleuten stattgefunden hat und der vergewaltigte Ehepartner eine Einstellung des Verfahrens beantragt. Dieses Recht darf dem Opfer nicht genommen werden. Wie eine solche Regelung genau aussehen soll, muß jedoch noch intensiv diskutiert werden.
    Die Gesetzentwürfe von SPD und Bundesrat - vom Bundesrat ist übrigens keiner hier - und der Referentenentwurf der Bundesjustizministerin enthalten eine Versöhnungsklausel, d. h., sie schlagen vor, daß die Gerichte die Strafe mildern oder von Strafe absehen können, wenn eine Versöhnung stattgefunden hat und dies im Interesse der Aufrechterhaltung der Ehe sinnvoll erscheint.
    Sie enthalten jedoch kein Widerspruchsrecht des Opfers gegen die Strafverfolgung des Vergewaltigers. Dies wirft Probleme auf. Denn an Hand welcher Kriterien und Maßstäbe soll das Gericht beurteilen und entscheiden, ob eine Versöhnung stattgefunden hat bzw. zweckmäßig ist? Wenn die Frau ihre Anzeige zurückzieht, sollte das Gericht dann tatsächlich das Recht haben, das Verfahren fortzusetzen und das Intimleben des Paares weiter zu durchforsten?
    Aber auch ein Widerspruchsrecht des Opfers, wie es Rechtspolitiker der Union vorschlagen und dem auch ich zuneige, kann problematisch sein. Es besteht nämlich eine erhöhte Gefahr, daß die Frau von ihrem Mann oder dessen Familie erpreßt wird, ihre Anzeige zurückzuziehen.
    Welche Lösung hier für die vergewaltigte Frau am besten ist - die Einführung eines Antrags- oder eines Offizialdelikts oder eines Offizialdelikts mit Widerspruchsrecht -, muß also noch geprüft werden. Im Moment tendiere ich jedoch dazu, zu sagen: Die Verfahrensherrschaft muß beim Opfer liegen.
    Vor einer endgültigen Lösung müssen selbstverständlich auch noch andere Punkte geklärt werden. Dazu gehören z. B. die Frage nach der Höhe des Mindeststrafmaßes und die Frage, ob außer dem erzwungenen Beischlaf auch noch andere sexuelle Übergriffe in den Straftatbestand der Vergewaltigung aufgenommen werden sollen.
    Die offenen Fragen können und müssen jetzt im Interesse aller Frauen schnell beantwortet werden. Ich erwarte, daß wir noch in diesem Jahr zu einer einvernehmlichen Regelung kommen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)