Plenarprotokoll 12/62
Deutscher Bundestag
Stenographischer Bericht
62. Sitzung
Bonn, Freitag, den 29. November 1991
Inhalt:
Zusatztagesordnungspunkt:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Wieland Sorge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gleichstellung von Meistern in der Industrie und Meistern im Handwerk in den neuen Bundesländern (Drucksache 12/738) . . . 5279A
Zusatztagesordnungspunkt:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Gründung von drei unselbständigen Stiftungen unter dem Dach des Bundesarchivs (Drucksache 12/1379) . . . 5279B
Tagesordnungspunkt VII:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1992 (Haushaltsgesetz 1992) (Drucksachen 12/1000, 12/1329, 12/1401 bis 12/1415, 12/1416 [neu], 12/1417 bis 12/1422, 12/1424 bis 12/1430, 12/1600, 12/1601)
Anke Fuchs (Köln) SPD 5279 D
Dr. Klaus Rose CDU/CSU 5282 D
Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . . 5284 D
Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . 5288 A
Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 5291A
Ingrid Matthäus-Maier SPD 5292 C
Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 5293 A
Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . 5293 D
Johannes Nitsch CDU/CSU 5297 C
Ina Albowitz FDP 5299 B
Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 5301 A
Maria Michalk CDU/CSU 5302 D
Rudi Walther (Zierenberg) SPD 5304 B
Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 5310B
Namentliche Abstimmung 5315 B
Ergebnis 5317 A
Tagesordnungspunkt VIII:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes und zur Änderung des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz) (Drucksache 12/1643)
Dr. Paul Laufs CDU/CSU 5315D
Andrea Lederer PDS/Linke Liste 5318D
Dr. Peter Struck SPD 5319 C
Ingrid Köppe Bündnis 90/GRÜNE . . . 5320 A
Dr. Rolf Olderog CDU/CSU 5320 D
Dr. Burkhard Hirsch FDP 5322 A
Ingrid Köppe Bündnis 90/GRÜNE . . 5322 D
Beratungen ohne Aussprache
Tagesordnungspunkt IX
a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des D-Markbilanzgesetzes (Drucksache 12/1467, 12/1605) . . . . 5323 B
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Mitteilung der Kommission
II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. November 1991
der Europäischen Gemeinschaften an den Rat über ein europäisches Hochgeschwindigkeitsbahnnetz
Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Entwicklung eines europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes (Drucksachen 12/311 Nr. 2.18, 12/1173) . . . . 5323 B
c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Zweite Änderung zum Vorschlag für eine Fünfte Richtlinie des Rates nach Artikel 54 EWG-Vertrag über die Struktur der Aktiengesellschaft sowie die Befugnisse und Verpflichtungen ihrer Organe (Drucksachen 12/269 Nr. 2.4, 12/1464) 5323 C
d) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgaben bei Kapitel 11 12 Titel 681 02 — Sozialzuschlag zu Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe (Drucksachen 12/1264, 12/1497) . . . 5223 C
e) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des
Bundesministers der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung zur Veräußerung der bundeseigenen Liegenschaft in Planegg, Flur Nr. 411 (Drucksachen 12/1146, 12/1498) 5323 D
Nächste Sitzung 5324 C
Berichtigung 5324
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 5325* A
Anlage 2
Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Einzelplans 17 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Frauen und Jugend —
Uta Würfel FDP 5325* C
Anlage 3
Amtliche Mitteilungen 53268* C
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. November 1991 5279
62. Sitzung
Bonn, den 29. November 1991
Beginn: 9.00 Uhr
Berichtigung
60. Sitzung, Seite 5053 C, dritter Absatz, vierte Zeile muß es statt „Weltinnenpolitik" „Innenweltpolitik" heißen.
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich
Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 29. 11. 91
Dr. von Bülow, Andreas SPD 29. 11. 91
Cronenberg (Arnsberg), FDP 29. 11. 91
Dieter-Julius
Dr. Däubler-Gmelin, SPD 29. 11. 91
Herta
Dempwolf, Gertrud CDU/CSU 29. 11. 91
Deß, Albert CDU/CSU 29. 11. 91
Doppmeier, Hubert CDU/CSU 29. 11. 91
Eymer, Anke CDU/CSU 29. 11. 91
Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 29. 11. 91
Dr. Funke-Schmitt-Rink, FDP 29. 11. 91
Margret
Genscher, Hans Dietrich FDP 29. 11. 91
Graf, Günter SPD 29. 11. 91
Grünbeck, Josef FDP 29. 11. 91
Hackel, Heinz-Dieter FDP 29. 11. 91
Haschke CDU/CSU 29. 11.91
(Großhennersdorf),
Gottfried
Dr. Hauchler, Ingomar SPD 29. 11. 91
Dr. Haussmann, Helmut FDP 29. 11. 91
Heyenn, Günther SPD 29. 11. 91
Dr. Holtz, Uwe SPD 29. 11. 91*
Huonker, Gunter SPD 29. 11. 91
Jäger, Claus CDU/CSU 29. 11. 91
Dr. Jobst, Dionys CDU/CSU 29. 11. 91
Kampeter, Steffen CDU/CSU 29. 11. 91
Koschnick, Hans SPD 29. 11. 91
Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 29. 11. 91
Günther
Krey, Franz Heinrich CDU/CSU 29. 11. 91
Kubicki, Wolfgang FDP 29. 11. 91
Kuhlwein, Eckart SPD 29. 11. 91
Dr. Graf Lambsdorff, Otto FDP 29. 11. 91
Lamers, Karl CDU/CSU 29. 11. 91
Leidinger, Robert SPD 29. 11. 91
Dr. Leonhard-Schmid, SPD 29. 11. 91
Elke
Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 29. 11. 91
Klaus W.
Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 29. 11. 91
Dorothea
Dr. Meseke, Hedda CDU/CSU 29. 11. 91
Molnar, Thomas CDU/CSU 29. 11. 91
Nolte, Claudia CDU/CSU 29. 11. 91
Dr. Ortleb, Rainer FDP 29. 11. 91
Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 29. 11. 91
Dr. Pick, Eckhart SPD 29. 11. 91
Dr. Pohler, Hermann CDU/CSU 29. 11. 91
Rempe, Walter SPD 29. 11. 91
Roth, Wolfgang SPD 29. 11. 91
Schaich-Walch, Gudrun SPD 29. 11. 91
Dr. Scheer, Hermann SPD 29. 11. 91
Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 29. 11. 91
Andreas
Schröter, Gisela SPD 29. 11. 91
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich
Schuster, Hans Paul FDP 29. 11. 91
Hermann
Seidenthal, Bodo SPD 29. 11. 91
Dr. Solms, Hermann Otto FDP 29. 11. 91
Dr. von Teichman, FDP 29. 11. 91*
Cornelie
Voigt (Frankfurt), SPD 29. 11. 91
Karsten D.
Vosen, Josef SPD 29. 11. 91
Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 29. 11. 91
Dr. Wieczorek, Norbert SPD 29. 11. 91
Dr. Wieczorek CDU/CSU 29. 11. 91
(Auerbach), Bertram
Wollenberger, Vera Bündnis 29. 11. 91
90/GRÜNE
Yzer, Cornelia CDU/CSU 29. 11. 91
Dr. Zöpel, Christoph SPD 29. 11. 91
*für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
Anlage 2
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Einzelplans 17 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Frauen und Jugend -*
Uta Würfel (FDP): Der diesjährige Einzelplan 17 des Haushaltsentwurfs gibt Anlaß zu der Frage: wie lieb und teuer ist uns denn die Verwirklichung der Politik für Frauen? Gut die Hälfte der Ausgaben des Haushaltsplanes für Frauen und Jugend sind für den Zivildienst veranschlagt und kommt damit also ausschließlich einem bestimmten Teil der männlichen Bevölkerung zugute. Mit gerade 20 Millionen von 2,56 Milliarden Gesamtvolumen sind die Arbeiten und Maßnahmen zur Verbesserung der rechtlichen und sozialen Stellung der Frau bedacht.
Zähneknirschend haben wir Frauenpolitikerinnen uns wegen der notwendigen Haushaltskonsolidierung bescheiden zurückgehalten und sogar einen im Vergleich zum letzten Haushalt geringeren Etat in Kauf nehmen müssen. Politik für Frauen ist eine Querschnittsaufgabe und bestimmt durch das gesellschaftliche Umfeld, in dem die Frau lebt. Politik für Frauen muß zum Ziel haben, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen und Chancengleichheit herzustellen. Individuelle Lebensentwürfe - meist für Männer etwas Selbstverständliches - müssen auch Frauen offenstehen. Nicht die Wahl: entweder Beruf oder Familie, sondern „sowohl ... als auch" heißt die Forderung. Und leider müssen wir es uns immer noch eingestehen: berufstätige Mütter finden nicht die Rahmenbedingungen vor, die sie für einen eigenen Lebensentwurf brauchen.
Alleinerziehende Frauen haben es besonders schwer. Deren Bemühungen, ihren Aufgaben gerecht zu werden, gleicht auch heute noch einer Quadratur des Kreises.
*) siehe 61. Sitzung Seite 5263 D
5326* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. November 1991
Es ist gesellschaftliche Realität: noch nie waren so viele Frauen berufstätig und noch nie hatten so viele gleichzeitig den Wunsch, auch Kinder in ihre Lebensplanung einzubeziehen. Noch immer scheitert ihre Wahl allzu häufig daran, daß die Abstimmung der Bedürfnisse von Familie und Beruf sich in erster Linie an den Erfordernissen der Arbeitswelt orientiert.
Frauen integrieren heute zu Recht in ihre Lebensgestaltung eine berufliche Perspektive: Karriere und Einflußnahme im Beruf sind nicht länger alleine die Freuden des männlichen Geschlechts. Frauen lassen sich nicht länger aussperren. Deshalb ist es unumgänglich, für flexiblere Arbeitsorganisation und -zeiten zu sorgen. Erfreulicherweise haben inzwischen auch die Gewerkschaften erkannt, daß Teilzeitarbeit und job sharing Formen einer frauenfreundlicheren Ausgestaltung des Arbeitsplatzes sind.
Natürlich ist damit nicht allen Frauen geholfen. Diejenigen, die alleine ihre Kinder ernähren, kleiden und erziehen müssen, brauchen dringend mehr Betreuungseinrichtungen für ihre Kinder. Es ist unvorstellbar: fehlende Kinderbetreuungseinrichtungen sind der Grund, daß Frauen, auch wenn sie es dringend wünschten, für ihren Lebensunterhalt nicht selbst sorgen können. Es fehlen in den alten Bundesländern über 500 000 Kindergartenplätze so wie auch Krippen für Kinder unter 3 Jahren.
Diese Tatsache wirft ein Schlaglicht auf den Umgang mit Frauen in unserer Gesellschaft und ihren Bedürfnissen. Im Vergleich mit dem europäischen Ausland schneiden wir hier sehr schlecht ab. Leider haben wir bisher eine entsprechende steuerliche Anerkennung für individuelle Betreuung durch eine Tagesmutter nicht umsetzen können. Neben den bereits im Gesetz zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs vorgesehenen Maßnahmen werden wir uns auch diesem Erfordernis anzunehmen haben.
In den neuen Bundesländern werden sogar Krippen und Kindergärten geschlossen. Gerade alleinerziehende Mütter sind deshalb gezwungen, ihren Beruf aufzugeben, müssen mit der Sozialhilfe das Existenzminimum bestreiten.
Auf der anderen Seite waren noch nie so viele Frauen so gut ausgebildet wie heute, weisen doch so viele qualifizierte Schul- und Berufsabschlüsse auf. Die heutigen Frauen haben ein Recht darauf, die Rahmenbedingungen vorzufinden, die ihnen erlauben, ihre Fähigkeiten zu beweisen und Leistung zu erbringen.
Wenn auch in der Vergangenheit der Schwerpunkt der politischen Bemühungen auf der Wiedereingliederung von Frauen nach der Erziehungsphase lag, so wird sich in Zukunft wegen der Forderungen der jungen Frauen eine andere Situation ergeben, aber auch wegen der Anforderungen der Wirtschaft. Bereits jetzt nimmt die Wirtschaft zur Kenntnis, daß qualifizierte Frauen fehlen. Nicht von ungefähr fördern nun die Betriebe bereits ihre Mitarbeiterinnen, um sie dann für das Topmanagement zur Verfügung zu haben. Darüber hinaus bieten manche Betriebe eine berufsbegleitende und berufsspezifische Weiterbildung an. Neben der betrieblichen Weiterbildung ist es Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Frauen mit Kindern eine überbetriebliche Weiterbildung sicherstellen.
Die Situation von Frauen zu verbessern, heißt auch, Freiräume für sie zu schaffen. Dies geht nur, wenn auch Männer — Ehemänner, Kollegen, Arbeitgeber und Gewerkschaftler — zu einem Umdenken bereit sind. Partnerschaftliches Denken ist notwendig, damit den Frauen ein Teil ihrer Doppel- und Dreifachbelastung abgenommen wird.
Die Verantwortung für die Kindererziehung muß mehr aufgeteilt werden; innerhalb der Familie zwischen den Ehepartnern ebenso wie auch zwischen Familien und Gesamtgesellschaft. Kinder sind das Beste, was wir haben, sie gehören zum Leben und zu einer Gesellschaft.
Eine Anmerkung zu dem sozialen Maßnahmenkatalog, mit dem endlich eine kinder- und frauenfreundlichere Gesellschaft geschaffen werden soll. Die sozial flankierenden Maßnahmen zum § 218 werden erst im nächsten Haushalt enthalten sein. Sie sind die erste große Gesamtmaßnahme für eine kinderfreundlichere Gesellschaft. Es handelt sich um ein ganzes Bündel von Maßnahmen, das dem Lebensschutz gerecht werden soll.
Anlage 3
Amtliche Mitteilungen
Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht:
Haushaltsausschuß Drucksache 12/894 Ausschuß für Wirtschaft
Drucksache 12/217
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Drucksache 11/8165
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/2134
Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
Drucksache 11/8115
Drucksache 12/1019
Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen, bzw. von einer Beratung abgesehen hat:
Haushaltsausschuß
Drucksache 12/1174 Nr. 2.2
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Drucksache 12/187 Nr. 2.15 Drucksache 12/269 Nr. 2.32 Drucksache 12/1174 Nr. 2.22
Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
Drucksache 12/187 Nr. 2.21 Drucksache 12/1339 Nr. 2.20 Drucksache 12/1339 Nr. 2.21