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    Plenarprotokoll 11/183 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 183. Sitzung Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1989 Inhalt: Erklärung zum Tag der Menschenrechte . 14149A Tagesordnungspunkt 17: a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG-ReformG 1990) (Drucksache 11/5347) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (12. BAföGÄndG-E) (Drucksache 11/5961) c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD zu einer Reform des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (Drucksache 11/5348) d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen mit der Altersgrenze in der Ausbildungsförderung (Drucksache 11/2823) e) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Achter Bericht nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zur Überprüfung der Bedarfssätze, Freibeträge sowie Vomhundertsätze und Höchstbeträge nach § 21 Abs. 2 (Drucksache 11/5524) Frau Odendahl SPD 14150A Möllemann, Bundesminister BMBW . . 14151D Wetzel GRÜNE 14153D Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 14155 C Kuhlwein SPD 14158B Dr.-Ing. Laermann FDP 14160B Tagesordnungspunkt 18: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Daniels (Regensburg), Stratmann, Frau Teubner und der Fraktion DIE GRÜNEN: Einführung eines einheitlichen linearen zeitvariablen Tarifs für alle Verbrauchergruppen und Stromanwendungsgebiete (Drucksachen 11/2079, 11/5635) Dr. Sprung CDU/CSU 14162A Jung (Düsseldorf) SPD 14162D Dr.-Ing. Laermann FDP 14163 C Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . . . 14164 C Beckmann, Parl. Staatssekretär BMWi . 14165B Tagesordnungspunkt 20: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz — EschG) (Drucksache 11/5460) b) Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Siebenunddreißigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 74 Nr. 19 a — neu —) (Drucksache 11/5709) c) Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1989 zur Regelung von Problemen der künstlichen Befruchtung beim Menschen und bei Eingriffen in menschliche Keimzellen (Drucksache 11/5710) Engelhard, Bundesminister BMJ 14166D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 14167 D Seesing CDU/CSU 14170C Frau Schmidt (Hamburg) GRÜNE . . . 14172C Funke FDP 14173D Tagesordnungspunkt 19: a) Erste Beratung des von dem Abgeordneten Dr. de With, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes — Abschöpfung von Gewinnen, Geldwäsche — (. . . StrÄndG) (Drucksache 11/5313) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes — Vermögensstrafe — (. . . StrÄndG) (Drucksache 11/5461) c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Unterbindung der Geldwäsche zur Bekämpfung des Rauschgifthandels (Drucksache 11/5738) d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Nickels und der Fraktion DIE GRÜNEN: Abrüstung im Drogenkrieg Entkriminalisierung des Drogenkonsums, Verringerung der Kriminalität und Förderung von Hilfsangeboten (Drucksache 11/4936) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Nickels und der Fraktion DIE GRÜNEN: Sofortprogramm für Heroinabhängige (Drucksache 11/5966) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit über die Rauschgiftsituation und die Grundzüge eines Nationalen Rauschgiftbekämpfungsplans Bericht des Bundesministers der Justiz zur Umsetzung der Drogenkonvention, zur Novellierung der Vorschriften über Verfall und Einziehung und anderer Vorschriften des Strafgesetzbuches sowie zu Maßnahmen zum Aufspüren von Drogengewinnen (Drucksache 11/5525) Engelhard, Bundesminister BMJ 14175D Singer SPD 14176D Hörster CDU/CSU 14178 C Frau Nickels GRÜNE 14181 B Kleinert (Hannover) FDP 14182 D Dr. Hauchler SPD 14184 A Nächste Sitzung 14185D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14187* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede des Abgeordneten Dr. Göhner (CDU/CSU) zu Tagesordnungspunkt 11 (Entwurf eines Tierzuchtgesetzes) 14187* D Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 12 der Tagesordnung (Antrag der Abgeordneten Frau Garbe und der Fraktion DIE GRÜNEN: Maßnahmen zum Schutz vor Gesundheits- und Umweltgefahren durch Perchloräthylen und andere chlorierte Kohlenwasserstoffe) 14189* A Anlage 4 Amtliche Mitteilungen 14190* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1989 14149 183. Sitzung Bonn, den 8. Dezember 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein CDU/CSU 08. 12. 89 Dr. Ahrens SPD 08. 12. 89 Antretter SPD 08. 12. 89 * * Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 08. 12. 89 Frau Becker-Inglau SPD 08. 12. 89 Dr. Biedenkopf CDU/CSU 08. 12. 89 Bindig SPD 08. 12. 89 * * Frau Blunck SPD 08. 12. 89* * Dr. Bötsch CDU/CSU 08. 12. 89 Büchner (Speyer) SPD 08. 12. 89* Frau Conrad SPD 08. 12. 89 Daubertshäuser SPD 08. 12. 89 Daweke CDU/CSU 08. 12. 89 Duve SPD 08. 12. 89 Ehrbar CDU/CSU 08. 12. 89 Eich GRÜNE 08. 12. 89* Frau Eid GRÜNE 08. 12. 89 Dr. Faltlhauser CDU/CSU 08. 12. 89 Frau Frieß GRÜNE 08. 12. 89 Frau Ganseforth SPD 08. 12. 89 Dr. Gautier SPD 08. 12. 89 Frau Geiger CDU/CSU 08. 12. 89 Dr. Geißler CDU/CSU 08. 12. 89 Dr. von Geldern CDU/CSU 08. 12. 89 Genscher FDP 08. 12. 89 Dr. Haack SPD 08. 12. 89 Frau Dr. Hartenstein SPD 08. 12. 89 Dr. Häfele CDU/CSU 08. 12. 89 Heimann SPD 08. 12. 89 Hiller (Lübeck) SPD 08. 12. 89 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 08. 12. 89 Hoss GRÜNE 08. 12. 89 Dr. Hüsch CDU/CSU 08. 12. 89 Jaunich SPD 08. 12. 89 Dr. Jenninger CDU/CSU 08. 12. 89 Kittelmann CDU/CSU 08. 12. 89 * * Kißlinger SPD 08. 12. 89 Klein (Dieburg) SPD 08. 12. 89 Dr. Klejdzinski SPD 08. 12. 89* Dr. Kohl CDU/CSU 08. 12. 89 Kolbow SPD 08. 12. 89 Dr. Kreile CDU/CSU 08. 12. 89 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU 08. 12. 89 Lamers CDU/CSU 08. 12. 89 Dr. Laufs CDU/CSU 08. 12. 89 Frau Luuk SPD 08. 12. 89* Dr. Mechtersheimer GRÜNE 08. 12. 89 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 08. 12. 89 Meyer SPD 08. 12. 89 Michels CDU/CSU 08. 12. 89 Dr. Müller CDU/CSU 08. 12. 89* * Nagel SPD 08. 12. 89 Niegel CDU/CSU 08. 12. 89* * Petersen CDU/CSU 08. 12. 89* * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Rawe CDU/CSU 08. 12. 89 Reddemann CDU/CSU 08. 12. 89* Reschke SPD 08. 12. 89 Reuschenbach SPD 08. 12. 89 Dr. Riedl (München) CDU/CSU 08. 12. 89 Frau Rock GRÜNE 08. 12. 89 Frau Rost (Berlin) CDU/CSU 08. 12. 89 Schäfer (Offenburg) SPD 08. 12. 89 Dr. Scheer SPD 08. 12. 89 * * Frau Schilling GRÜNE 08. 12. 89 Schmidt (München) SPD 08. 12. 89 * Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 08. 12. 89 Schmidt (Salzgitter) SPD 08. 12. 89 von Schmude CDU/CSU 08. 12. 89* * Schröer (Mülheim) SPD 08. 12. 89 Schütz SPD 08. 12. 89 Dr. Soell SPD 08. 12. 89 * * Steiner SPD 08. 12. 89* * Dr. Stoltenberg CDU/CSU 08. 12. 89 Frau Teubner GRÜNE 08. 12. 89 Frau Trenz GRÜNE 08. 12. 89 Dr. Unland CDU/CSU 08. 12. 89* * Voigt (Frankfurt) SPD 08. 12. 89 Frau Dr. Vollmer GRÜNE 08. 12. 89 Dr. Vondran CDU/CSU 08. 12. 89 Dr. Waigel CDU/CSU 08. 12. 89 Frau Wieczorek-Zeul SPD 08. 12. 89 Frau Wilms-Kegel GRÜNE 08. 12. 89 Wischnewski SPD 08. 12. 89 Wissmann CDU/CSU 08. 12. 89 Würzbach CDU/CSU 08. 12. 89 Zierer CDU/CSU 08. 12. 89* * Dr. Zimmermann CDU/CSU 08. 12. 89 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede des Abgeordneten Dr. Göhner (CDU/CSU) zu Tagesordnungspunkt 11 (Entwurf eines Tierzuchtgesetzes) * ) Anlaß für das neue Tierzuchtgesetz sind Rechtsvorschriften der EG zur Harmonisierung des Tierzuchtrechtes. Die Neuregelungen bringen wesentliche Vereinfachungen und erweitern den tierzüchterischen Gestaltungsraum. Gegenüber dem bisherigen Tierzuchtrecht wird vor allem künftig die staatliche Körung als Voraussetzung für die Verwendung männlicher Zuchttiere zur Zucht abgeschafft. Andere EG-Mitgliedstaaten haben das Instrument der staatlichen Körung zum Teil nie gehabt. Ich will dahinstehen lassen, ob das alte Tierzuchtrecht die Tierzucht wirklich gefördert hat. Ich bin keineswegs sicher, daß in der Vergangenheit die Tierzuchtbeamten besser gewußt haben, was für die Tierzucht gut war, als die praktischen Landwirte. Und man kann auch nicht behaupten, daß die Tierzucht in *) Vgl. 182. Sitzung Seite 14092 A 14188* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1989 Ländern, z. B. in England, wo es nie eine staatliche Körung gab, deshalb zurückgeblieben sei. Im Gegenteil: In einigen Bereichen ist uns die Tierzucht in diesen Ländern überlegen. Für mich persönlich war es nie überzeugend, daß nach dem alten Tierzuchtrecht der Staat eine Entscheidung darüber traf, welche Zuchtbullen oder Zuchthengste z. B. zur Zucht zugelassen werden sollten. Der Vollzug des alten Tierzuchtrechts wurde — erfreulicherweise — nicht ganz so ernst genommen, wie die Buchstaben des Gesetzes es vorsahen. Mir ist jedenfalls in den letzten Jahren nicht ein einziger Fall bekannt geworden, wonach eine Ordnungswidrigkeit geahndet wurde, weil jemand ein nicht vom Staat gekörtes Vatertier zur Zucht eingesetzt hat. Daß dies gleichwohl in der Praxis häufig geschah, ist jedermann, der sich mit Tierzucht ein wenig befaßt, hinlänglich bekannt. Wir schaffen mit diesem neuen Gesetz den Anachronismus ab, staatlichen Behörden Entscheidungen über die Tierzucht zu überlassen. Die Tierzüchter sind kompetent und mündig genug, solche Entscheidungen allein und selbständig zu treffen. Auch die Zuchtverbände bedürfen für ihre Zuchtpolitik keiner staatlichen Bevormundung. Überflüssige Rechtsstreitigkeiten zwischen Tierzüchtern und Körbehörden entfallen künftig. Insoweit werden mit dem neuen Tierzuchtgesetz überflüssige staatliche Einmischung und Bürokratie abgebaut, die tierzüchterische Eigenverantwortung des einzelnen Tierzüchters und der Zuchtverbände wird gestärkt. Die Auswirkungen des neuen Tierzuchtgesetzes und die Abschaffung der Staatskörung werden allerdings offensichtlich zum Teil von den Zuchtverbänden unterschätzt. Die vielfach zu lesende Behauptung, an Stelle der bisherigen staatlichen Körung trete künftig die Verbandsanerkennung der Zuchtverbände und im übrigen bleibe alles beim alten, entspricht nicht den Tatsachen. Selbstverständlich ist es den Zuchtverbänden auch nach dem neuen Tierzuchtgesetz unbenommen, künftig z. B. Eliteherdbücher oder ein Elitezuchtbuch für besonders anerkannte Zuchttiere zu führen. Aber entscheidend ist, daß die Zuchtverbände die Nachkommen auch von solchen Zuchttieren in ihr Zucht- oder Herdbuch eintragen müssen, die den Qualitätsanforderungen dieser Verbände nicht genügen. Erst dadurch wird letztlich die Entscheidungsfreiheit des einzelnen Tierzüchters gewährleistet. Dabei mag es durchaus sinnvoll sein, daß die Zuchtverbände differenzierte, qualifikations- und leistungsbezogene, unterschiedliche Zucht- oder Herdbücher führen. Ein anerkannter Zuchtverband bleibt jedoch in jedem Falle verpflichtet, die Nachkommen auch nicht besonders anerkannter Zuchttiere einzutragen. Diese gravierende Neuerung darf von den Zuchtverbänden nicht länger übersehen werden. Sie geht letztlich zurück auf entsprechende EG-Richtlinien, deren Umsetzung durch die Bundesrepublik zwingend geboten ist. Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung ist in einigen Punkten durch übernommene Vorschläge des Bundesrates geändert worden, und darüber hinaus ist an einigen Punkten eine Klarstellung durch nachgereichte Vorschläge der Bundesregierung vorgenommen worden. Ich finde es erfreulich, daß diesen ergänzenden Vorschlägen der Bundesregierung auch die SPD-Fraktion beigetreten ist und daß wir dieses Gesetz in grundsätzlichem Konsens verabschieden können. Unterschiedliche Auffassung zwischen Koalition und SPD-Fraktion gab es nur im Hinblick auf die Ermächtigung der Landesregierungen, durch besondere Rechtsverordnung vorschreiben zu können, daß männliche Tiere zur Erzeugung von Nachkommen nur verwendet werden dürfen, wenn sie Zuchttiere sind. Damit hat die Koalition einem ausdrücklichen Wunsch der süddeutschen Bundesländer entsprochen, um auf einige regionale Besonderheiten Rücksicht nehmen zu können. Es gibt z. B. in Baden-Württemberg kleinere ländliche Gemeinden, in denen man eine solche Rechtsverordnung wünscht. Ich mache keinen Hehl daraus, daß ich gerne auf diese Verordnungsermächtigung verzichtet hätte; aber wir müssen andererseits einräumen, daß auch nichts dagegen spricht, auf solche regionalen Situationen mit traditionellen Möglichkeiten Rücksicht zu nehmen. Falsch ist in jedem Fall die Behauptung, damit würde die Benutzung nicht gekörter Vatertiere strafbar. Sie würde nicht einmal eine Ordnungswidrigkeit zur Folge haben. Insofern sollte man diese Kontroverse nicht überbewerten. Eine gravierende Änderung haben wir im Bereich der künstlichen Besamung für die Tierzucht vorgenommen. Um nationale Zuchtprogramme zu sichern, haben wir hier die Position der Besamungsstationen rechtlich gestärkt. Einvernehmlich geregelt haben wir auch die künftige Rolle der Zuchtunternehmen. Entgegen den in der Fachpresse und von den Zuchtunternehmen selbst verbreiteten Behauptungen sind die rechtliche Stellung und der Gestaltungsspielraum der Zuchtunternehmen im neuen Tierzuchtgesetz gestärkt und erweitert worden. Schon der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah keine nachteilige Veränderung im Verhältnis zum alten Tierzuchtrecht vor. In der jetzt zur Verabschiedung stehenden Fassung ist im Zusammenhang mit Fragen der Besamung und Leistungsprüfung ausdrücklich klargestellt worden, daß natürlich auch ein Zuchtunternehmen mit Reinzuchtlinien züchten kann. Allerdings: Ein privates Zuchtunternehmen kann nicht ein Zuchtbuch für Reinzucht führen; das bleibt den Züchtervereinigungen vorbehalten. Wenn ein Zuchtunternehmen Reinzucht im Sinne des Gesetzes mit Herdbuch betreiben will, muß es die Tiere bei einer Züchtervereinigung eintragen lassen. Aber selbstverständlich hindert niemand ein Zuchtunternehmen daran, ob ohne oder mit Herdbuch, ob ohne oder mit Züchtervereinigung, auch mit Tieren aus Reinzucht zu züchten. In diesem Gesetz ist kein Platz für Fragen des Tierschutzes. Dafür gibt es ein besonderes Tierschutzgesetz. Wenn wir Erweiterungen dieses Gesetzes auf diesem Bereich abgelehnt haben, so nicht, weil wir Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1989 14189* den Tierschutz nicht ernst nehmen, sondern weil wir dann überschneidende Regelungen zwischen Tierzucht- und Tierschutzgesetz schaffen würden. Mit dem neuen Tierzuchtgesetz wird die bäuerliche Tierzucht insgesamt gestärkt. Die tierzüchterische Freiheit wird erweitert, und Staat und Zuchtverbände können dem einzelnen Tierzüchter nicht mehr so viel hereinreden, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Ich bin davon überzeugt, daß dieser Schritt der Tierzucht dienen wird. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 12 der Tagesordnung (Antrag der Abgeordneten Frau Garbe und der Fraktion DIE GRÜNEN: Maßnahmen zum Schutz vor Gesundheits- und Umweltgefahren durch Perchloräthylen und andere chlorierte Kohlenwasserstoffe)*) Dr. Göhner (CDU/CSU): Die umfangreiche und detallierte Beschlußempfehlung des Bundestagsausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu diesem Tagesordnungspunkt ist bereits vor mehr als einem Jahr gefaßt worden. Die Koalitionsfraktionen haben in diesem Konzept konkrete Schritte zur Verminderung der PER-Belastungen verlangt. Wir können heute feststellen, daß ein erheblicher Teil dieser Forderungen bereits erfüllt ist, die übrigen Maßnahmen befinden sich in Vorbereitung. Ob das reicht, um die Probleme der Umweltbelastung mit PER zu lösen, ist zu bezweifeln. Eines ist allerdings klar: Der Antrag der GRÜNEN und die Beschlußempfehlung des Ausschusses sind weitgehend überholt. Wir beantragen daher auch die Zurückverweisung an den Ausschuß. Das gibt uns Gelegenheit, die Umsetzung unserer Forderungen zu überprüfen und notwendige weitergehende Überlegungen zu diskutieren. Perchloräthylen steht im Verdacht, krebserzeugend zu sein. Im Sinne eines vorsorgenden Umwelt- und Gesundheitsschutzes müssen wir deshalb Sorge dafür tragen, daß Arbeitnehmer, Verbraucher, Anwohner PER-verwendender Betriebe sowie die Umwelt vor einer Belastung mit PER geschützt werden. PER und andere chlorierte Kohlenwasserstoffe müssen soweit wie möglich durch unschädliche Substanzen ersetzt werden. Die in der Beschlußempfehlung des Umweltausschusses geforderte Lösungsmittel-Höchstmengenverordnung ist verabschiedet und tritt am 1. Januar 1990 in Kraft — mit besonders strengen Grenzwerten für Lebensmittel. Daß den GRÜNEN dies nicht ausreicht, kann nicht verwundern. DIE GRÜNEN verweisen auf die USA, wo PER als krebserzeugend gilt, ohne allerdings derart strenge Grenzwerte zu haben, wie sie bei uns am 1. Januar in Kraft treten. Der Entwurf zur Novellierung der zweiten BundesImmissionsschutz-Verordnung (BIMSchVO) liegt vor: *) Vgl. 182. Sitzung Seite 13093 A In diesem Entwurf sind als Innenraumgrenzwerte die Maßstäbe zugrunde gelegt worden, die der Länderausschuß für Immissionsschutz empfohlen hat. Wichtig ist, daß mit dieser neuen Verordnung ein geschlossenes System vorgeschrieben wird — mit einer maximalen Rückgewinnung von PER und entsprechenden technischen Vorkehrungen. Dennoch bleibt die Frage, ob in chemischen Reinigungen Stoffe mit PER eingesetzt werden müssen. Diese Frage liegt nahe: Es liegt schließlich auch auf dem Tisch der Entwurf der Bundesregierung für eine Verbotsverordnung nach § 17 des Chemikaliengesetzes, eine sogenannte „Aliphatische CKW-VO". Wir begrüßen diese Verordnung ausdrücklich. Mit großer Verwunderung höre ich, daß es dagegen Widerstände gibt, z. B. aus dem Wirtschaftsministerium. Wir fordern die Bundesregierung nachhaltig auf, diesen Verordnungsentwurf aus dem Hause Töpfer so schnell wie möglich in Kraft zu setzen. Die Frage bleibt, ob man PER nicht generell in Reinigungsmitteln verbieten sollte, also auch bei solchen Reinigungsmitteln oder Produkten, mit denen der Verbraucher nicht direkt in Berührung kommt. Damit würde auch das Problem gelöst, bauordnungsrechtliche Anforderungen an einzuhaltende Abstände zwischen Räumen mit unverträglichen Nutzungen zu stellen, vor allem bei chemischen Reinigungsanlagen, die mit Lebensmittelbetrieben unter einem Dach untergebracht sind. Ein Mustererlaß auf der Basis des bestehenden Bauordnungsrechtes ist in Vorbereitung. Ich würde es bevorzugen, wenn man ein Verwendungsverbot von PER möglicherweise im Rahmen der aliphatischen CKW-VO vorsehen würde. Auch die heute noch zulässigen maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen bei PER müssen überprüft werden. Jedenfalls sind die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Innenraumgrenzwerte um ein Vielfaches strenger als die geltenden MAK-Werte. Besonderer Dank ist dem Länderausschuß für Immissionsschutz und der entsprechenden Arbeitsgruppe auszusprechen, die Vorschläge zur Lösung des Problems bei chemischen Reinigungsanlagen gemacht haben, welche bereits heute für die Vollzugsbehörden in den Ländern maßgebend sind. Bundesregierung und Bundesländer haben gemeinsam gehandelt. Die Kritik der GRÜNEN an den Empfehlungen der unabhängigen Expertengruppe aus allen Bundesländern hat wohl seinen Grund darin, daß damit den GRÜNEN ein vermeintliches Thema aus der Hand genommen worden ist. Baum (FDP): Erstens. Das in etwa 85 % aller Chemisch-Reinigungsanlagen als Reinigungsmittel verwendete Perchloräthylen ist in den letzten Jahren auf Grund neuerer Erkenntnisse über seine Umwelt- und Gesundheitsgefährlichkeit in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten. Das Umweltbundesamt schätzt die jährlichen Lösemittelverluste auf ca. 17 000 Tonnen, die zu Umwelt- und Gesundheitsbelastungen führen; dies insbesondere auch auf Grund überwiegend eingesetzter veralteter Techniken sowie Hand- 14190* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1989 habung und Wartung der Anlagen. Das Beispiel PER zeigt den deutlichen Wandel, den manche Stoffe, die früher als Weiterentwicklung angesehen wurden, in der Bewertung erfahren. 90 % der verbrauchten PER-Mengen gehen in die Atmosphäre, auch Grundwasser kann regional und lokal belastet werden. Zweitens. Mit der 2. BImSchV hat die Bundesregierung 1986 bereits einen ersten Schritt getan. Allerdings gibt es Übergangsfristen für Altanlagen bis 1991, und es gibt auch noch Umsetzungsdefizite in bezug auf die 2. BImSchV. So hielten 1987 von ca. 4 000 überprüften Anlagen 60 % die Anforderungen der 2. BImSchV nicht ein. Drittens. Die Emissionsuntersuchungen bei Chemisch-Reinigungsbetrieben haben zudem gezeigt, daß auch in Wohnräumen, die sich in der Nachbarschaft von Textilreinigungsbetrieben befinden, das bei der Reinigung überwiegend eingesetzte PER festgestellt wurde. Auch für Lebensmittel, die in der Nähe verkauft wurden, trifft dies zu. EG-Kommission und die neue MAK-Wert-Liste von 1988 stufen PER als krebsverdächtigen Stoff ein. Das Bundesgesundheitsamt hat entsprechende Empfehlungen herausgegeben. Die Umweltministerkonferenz hat sich mehrfach mit dem Thema befaßt, so im Dezember 1987 und jetzt im November 1989. Auf Grund der Beschlüsse der Umweltministerkonferenz von 1987 wurden eine Reihe von Initiativen beschlossen. Die 33. Umweltministerkonferenz hat Mitte November weitere Beschlüsse gefaßt, die ich voll unterstütze. Fünftens. Mit unserer Beschlußempfehlung haben wir ein umfangreiches Maßnahmenbündel zur Reduzierung und zum Ersatz von PER zusammengefaßt. Es handelt sich um die Anforderungen, die sich kurz und mittelfristig realisieren lassen. Die Bundesregierung hat verschiedene Maßnahmen aus diesem Forderungskatalog umgesetzt. Auch die weiteren Maßnahmen müssen schnellstmöglich realisiert werden. Sechstens. Bei der Bekämpfung von PER ist wie bei anderen problematischen Stoffen vor allem an der Quelle anzusetzen. Die Vorschläge zur Novellierung der 2. BImSchV mit einem Stufenprogramm liegen seit geraumer Zeit vor. Diese Novellierung muß nun schnellstens in Kraft treten, damit die Anforderungen an die Anlagen dem neuesten Stand der Technik entsprechen, der Lösemittelgehalt der gereinigten Ware zum Schutz vor Lösemittelfreisetzungen beim Kunden so minimal wie möglich wird, strenge Grenzwerte für die Emission der Absaugluft aus den Reinigungsanlagen festgelegt werden und die Lösemittelfreisetzung soweit wie irgend möglich minimiert wird. Bei Altanlagen müssen überall da, wo die Gefährdungsstellen überschritten werden, sofort Sanierungsmaßnahmen erfolgen. Gegebenenfalls muß Stillegung erfolgen. Automatische Reinigungsanlagen, die PER verwenden und kein Bedienungspersonal haben, sind zu verbieten. Siebtens. Wir brauchen strenge Grenzwerte, etwa für den Lebensmittelbereich. Die LösungsmittelHöchstmengen-Verordnung tritt am 1. Januar 1990 in Kraft, ebenso die Verordnung zur Entsorgung gebrauchter halogenierter Lösungsmittel. Achtens. Bau- und Gewerbeaufsichtsbehörden sollten künftig nicht mehr die Errichtung von ChemischReinigungen in Wohn- und Ladenzentren genehmigen, solange jedenfalls PER verwendet wird. Würden künftig neue Chemisch-Reinigungsanlagen nur noch außerhalb von Wohnhäusern zugelassen, so würde dies weitere Emissionsminderungen bei angemessenem Aufwand ermöglichen. Zudem könnten umweltfreundlichere Ersatzstoffe angewandet werden, die bei Betrieb der Anlagen in Wohngebäuden nicht in Betracht kommen. Neuntens. Mit der neuen Sachkundenachweispflicht für Chemisch-Reinigungen durch Ergänzung der Umweltverhütungsvorschrift wurde ein weiterer Schritt zur Verbesserung der Situation getan. Zehntens. Ich unterstütze den UMK-Vorschlag, die Möglichkeiten zu prüfen, Konzentrationswerte von PER in der Innenraumluft benachbarter betriebsfremder Wohnräume festzulegen, bei dessen Überschreitung Maßnahmen ggfs. bis hin zur Stillegung der Anlage zu treffen sind. Elftens. Erforderlich ist die verstärkte Förderung von Forschungsvorhaben, die sich mit der Bereitstellung von Ersatzstoffen befassen. Ich erwarte daher mit großem Interesse die möglichst rasche Vorlage eines Sachstandsberichts darüber, wo PER heute noch wirklich erforderlich ist, wo umweltfreundliche Ersatzstoffe bereitstehen und wie die Forschung nach umweltfreundlichen Ersatzstoffen gefördert wird. Zwölftens. Einig dürften wir uns in diesem Hohen Hause auch sicherlich darüber sein, daß FCKW als Ersatz ausscheidet. Deshalb muß der Einsatz von FCKW in Chemisch-Reinigungsanlagen grundsätzlich untersagt werden. Solange wir keinen weniger problematischen Stoff als PER haben, müssen wir jedenfalls alles daransetzen, den PER-Verbrauch und die PER-Immissionen und damit die Umwelt- und Gesundheitsgefahren so drastisch wie irgendwie möglich zu senken. Dreizehntens. Ich appelliere an Bundesregierung und Länder, ihre Anstrengungen zur Minimierung der Risiken durch PER entschlossen fortzusetzen und weiter zu verstärken. Notwendig ist ein möglichst baldiger vollständiger Ersatz. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 1. Dezember 1989 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 — RRG 1992) Gesetz zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften (BeamtVGÄndG) Elftes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes, Zehntes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes und Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1989 14191* Zehntes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Neuntes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Gesetz zur Verbesserung und Vereinfachung der Vereinsbesteuerung (Vereinsförderungsgesetz) Siebtes Gesetz zur Änderung des Wohngeldgesetzes Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz — ProdHaftG) Gesetz zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes und des Arbeitsplatzschutzgesetzes Gesetz über Statistiken der Rohstoff- und Produktionswirtschaft einzelner Wirtschaftszweige (Rohstoffstatistikgesetz — RohstoffStatG) Gesetz zu dem Dritten Zusatzprotokoll vom 20. April 1989 zu dem Protokoll zu dem Europäischen Abkommen zum Schutz von Fernsehsendungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 11/2899 Nr. 3.1 Drucksache 11/3021 Nr. 2.1 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 11/5051 Nr. 44
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    Rede von Johannes Singer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fachleute rechnen damit, daß sich das weltweit bestehende Drogenproblem in den europäischen Ländern bedrohlich ausweiten wird. Die international organisierten Drogensyndikate versuchen, in Europa Absatzorganisationen aufzubauen und sich Absatzmärkte zu erschließen, und sind damit wohl auch schon recht erfolgreich. Der Angebotsdruck bei Kokain und Heroin nimmt erheblich zu. Die sichergestellten Mengen, von denen wir täglich in den Zeitungen lesen, sind inzwischen in Tonnen zu beziffern, während sie früher noch in Kilogramm beziffert wurden. Wir sprechen von etwa 80 000 Abhängigen von illegalen Drogen in der Bundesrepublik. Im letzten Jahr hatten wir 673 Drogentote; für dieses Jahr wird die entsprechende Zahl auf über 1 000 geschätzt.
    Unter diesen Umständen ist der Gesetzgeber gefordert, tätig zu werden und Wege zu finden, um der Narko-Mafia und den international tätigen Drogensyndikaten ans Leder zu gehen.
    Die Gewinne aus der organisierten Kriminalität verstärken den Anreiz zu weiteren Straftaten in einem doppelten Sinne: Zum einen erwecken sie natürlich bei jedem Straftäter die Begehrlichkeit, sie erwecken
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1989 14177
    Singer
    den Eindruck, als ob sich das Verbrechen eben doch lohne. Zum anderen — das ist das Entscheidende — verschaffen sie ihm die finanzielle Basis, um weitere Straftaten zu begehen und um die von mir erwähnten Absatzorganisationen aufzubauen, die Logistik zu bezahlen und die geradezu schon industriell angelegten Tätigkeiten ihrer Syndikate zu verstärken und auszuweiten.
    Praktiker, Kriminologen und der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages fordern daher seit langem, wirksame Vorschriften zur Abschöpfung von Gewinnen aus der organisierten Kriminalität zu schaffen. Es gibt einen Auftrag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 18. Mai 1988, dem die Bundesregierung nur sehr unzureichend nachgekommen ist.
    Die bisher geltenden Vorschriften im Strafgesetzbuch über Verfall und Einziehung waren unpraktikabel. Sie sind von der Praxis kaum angenommen und angewendet worden. Ein Blick in einen Kommentar zeigt, wie wenig höchstrichterliche Rechtsprechung es hierzu gibt. Diese Vorschriften sind deshalb unpraktikabel, weil sie dem Richter ein kompliziertes Prüfungsverfahren aufnötigen. Er muß alle möglichen Abzugsposten z. B. beim Drogenhändler berücksichtigen, bevor er das bei ihm Vorgefundene, das aus dem Drogengeschäft Erlangte einziehen und für verfallen erklären kann. Diese zivilrechtlichen Vorprüfungsschritte scheut der Richter zumeist. Wenn er sie dennoch vornimmt und in das Urteil einbaut, schafft er einen Revisionsgrund. Deshalb sind die Bestimmungen weitgehend wirkungslos geblieben.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: So ist es!)

    Wir haben deswegen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der sich von dem Entwurf der Bundesregierung in einem wesentlichen Punkt unterscheidet: Wir belassen es bei dem engen Zusammenhang zwischen der Gewinnabschöpfung, also dieser neuen Nebenstrafe, und der Schuld des Täters. Insofern wird hier ein elementarer verfassungsrechtlicher Grundsatz beachtet. In dem Entwurf des Bundesjustizministers wird hingegen nur ein Zusammenhang zwischen dem Wert des Vermögens des Täters und dessen kriminellem Verhalten vorher hergestellt. Wir begrenzen das.
    Wir begrenzen die von uns vorgeschlagene Gewinnabschöpfung im übrigen aber nicht nur auf den Drogenhandel, sondern, entsprechend dem Auftrag des Rechtsausschusses, auf die gesamte organisierte Kriminalität, und vermeiden damit verfassungsrechtliche Bedenken.
    Daß mit einer forcierten Gewinnabschöpfung Erfolge zu erzielen sind, hat eine Delegationsreise des Rechtsausschusses in die Vereinigten Staaten vor etwa vier Wochen gezeigt. Wir konnten dort vom Generalstaatsanwalt für Nordkalifornien erfahren, daß allein in seinem Bezirk Vermögenswerte von Drogenhändlern in Höhe von über 26 Millionen US-Dollar eingezogen werden konnten.
    Ein großer Teil dieses Geldes kann in Absprache mit lokalen Polizeibehörden für Aufklärungskampagnen, für Präventionsprogramme und auch für Therapieprogramme verwendet werden. Wir sollten uns überlegen, ob wir uns hier nicht ein Beispiel daran nehmen sollten, d.h. ob wir angesichts der allgemeinen Geldknappheit und der damit verbundenen Schwierigkeit, Geld für Anti-Drogen-Kampagnen und für Therapiebzw. Präventionsprogramme bereitzustellen, nicht auf dieses Beispiel zurückgreifen sollten.
    Der Generalstaatsanwalt von Nordkalifornien hat uns weiter erzählt, daß er aus der in Amerika geltenden forfeiture — so heißt das entsprechende amerikanische Instrument, das unserer Gewinnabschöpfung vergleichbar wäre — für die gesamten USA mit einem Vermögenswert von insgesamt 500 Millionen US-Dollar jährlich rechnet — ein ganz erheblicher Betrag, mit dem man sicherlich einiges anfangen könnte.
    Der Entwurf des Bundesjustizministers hat nicht nur den Nachteil, daß er lediglich die Vermögensstrafe vorschlägt, aber zur Geldwäsche nichts sagt und insofern nur auf den Vorschlag der Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit verweist — es ist also kein geschlossener Entwurf — , sondern hat auch noch den weiteren Nachteil, daß die Vermögensstrafe schon bei einer Strafe von mehr als zwei Jahren greifen soll. Sinn der ganzen Angelegenheit hier ist ja, die Drogenverbrecher, die großen Drogenhändler zu treffen und zu bestrafen. Dafür sieht das Betäubungsmittelgesetz aber Strafen bis zu 15 Jahren vor. Wenn man die Vermögensstrafe schon bei relativ niedrigen Strafen — ab zwei Jahre aufwärts — greifen läßt, besteht doch wieder die Gefahr, daß Polizei und Justiz sagen: Da wir die Großen nicht kriegen, konzentrieren wir uns auf die Kleinen. Damit vergessen sie dann ihre eigentliche Aufgabe.
    Das, was der Minister zur Beschlagnahme gesagt hat, haben wir mit Interesse gehört. Bisher haben wir solche Vorschläge nicht vernommen. In unserem Gesetzentwurf ist ein solcher Vorschlag schon sehr frühzeitig gemacht worden. Es ist nämlich notwendig, illegal erworbene Vermögenswerte sofort nach Beginn des Ermittlungsverfahrens „einzufrieren" und damit dem Täter die Möglichkeit zu nehmen bzw. ihm den Weg zu verlegen, das Geld sofort ins Ausland zu transferieren, sich abzusetzen und sein Tun auf diese Weise fortzusetzen.
    Wir werden die Einzelheiten im Ausschuß durchaus noch zu beraten haben und im einzelnen besprechen müssen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die Beschränkung der Vermögensstrafe im Entwurf des BMJ, habe ich aufgezeigt. Auch habe ich dargestellt, warum wir meinen, daß mit unserer neuen Vorschrift des § 44 a StGB, Abschöpfung des Taterlöses, ein verfassungsrechtlich unbedenkliches Instrument — angemessen und dem Schuldstrafrecht entsprechend — eingeführt werden kann.
    Aber man sollte an dieser Stelle nicht über Sanktionen und Repressionsmittel sprechen, ohne klarzumachen, daß die repressiven Mittel der Polizei beim Kampf gegen Drogen im übrigen weitgehend ausgeschöpft sind. Wir haben in den vergangenen Jahren eine Fülle von Novellierungen des Betäubungsmittelgesetzes gehabt: Wir haben die Strafrahmen erhöht, wir haben die Polizei sächlich und personell besser ausgestattet. Allzuviel hat das nicht geholfen. Die Maßnahmen der USA haben dazu geführt, daß Kokainströme in ungeahntem Ausmaß nach Europa
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    Singer
    gelangen, insbesondere über die kaum kontrollierbaren Grenzen Spaniens, und sich von dort aus in alle Industrieländer Westeuropas verteilen.
    Wir müssen noch einmal klarmachen — darum geht es der SPD-Fraktion in besonderem Maße — : Die Drogenproblematik muß in den kommenden Monaten und Jahren zum Volksthema Nummer eins werden. Wir müssen den Drogenkonsum gesellschaftlich ächten;

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr gut!)

    das ist mir sehr wichtig. Und wir müssen klarmachen, daß der Grundsatz „Therapie vor Strafe" wieder neue Geltung bekommt.

    (Beifall bei der SPD — Frau Nickels [GRÜNE]: Das steht aber nicht in Ihrem Antrag!)

    — Ich habe gesagt, wir werden hier nicht umhinkommen, Frau Nickels, auch — bei der Gewinnabschöpfung — eine Verschärfung des Strafrechts vorzusehen. Im übrigen bleiben wir bei unserer Meinung, daß Prävention, Aufklärung, Erziehung und Therapie die vordringlichen Punkte sind, denen wir unsere Aufmerksamkeit widmen müssen.

    (Zuruf der Abg. Frau Nickels [GRÜNE])

    — Wir werden darauf eingehen. Wir haben auch entsprechende Gesetzentwürfe dazu vorbereitet, keine Sorge!
    Aber für Programme brauche ich keine gesetzlichen Handhabungen.

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Aber Anträge!)

    Da genügt es, z. B. darauf hinzuweisen, daß die Absicht der Ministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, lediglich Postwurfsendungen zu verteilen, nicht ausreicht, daß die Erhöhung der für die Drogenkampagne bereitgestellten Geldmittel von 25 Millionen DM auf 50 Millionen DM — für die AIDS-Kampagne sind es 120 Millionen DM — auch bei weitem nicht ausreicht und daß es sich da einmal empfiehlt, ins Ausland zu blicken. Ein Land wie Peru, vom Bürgerkrieg geschüttelt, ein Land, wo der überwiegende Teil der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebt, ist immerhin in der Lage, professionell gemachte Werbespots über seine Fernsehanstalten regelmäßig kostenlos auszustrahlen und seine Bevölkerung auf die Weise aufzurütteln.
    Wir werden auch die Möglichkeiten der Zusammenarbeit gerade mit den Hauptanbauländern stärker nutzen müssen, weil die Drogenproblematik, was die Abhängigkeit und die ökologischen Gefahren betrifft, die sich aus dem Kokaanbau ergeben, diesen Ländern jetzt erst richtig bewußt wird. Eine Zusammenarbeit mit diesen Ländern und eine europaweite Antwort auf den ja ebenso auf Europa insgesamt konzentrierten Angriff der Narko-Mafia muß gefunden werden. Wenn wir versuchen, hier lediglich mit nationalen Alleingängen zurechtzukommen, werden wir sicherlich scheitern; denn es läßt sich nicht von der Hand weisen, daß in der Vergangenheit manchmal die Maßnahmen in dem einen Land die Maßnahmen in dem anderen Land aufgehoben haben oder wirkungslos haben verpuffen lassen.
    Wer heute über Konzepte oder Strategien zur Drogenbekämpfung redet, könnte mühelos 50, 60 Bücher über die völlig unterschiedlichen Ansätze allein in den europäischen Ländern schreiben. Ohne eine Harmonisierung, ohne eine Vereinheitlichung des Betäubungsmittelrechts und der Art und Weise, wie wir mit dem Problem umgehen, werden wir hier nicht vorankommen. Insofern kann ich die Kritik des Deutschen Richterbundes an den Vorschlägen der Bundesregierung nur aufgreifen, der ebenfalls gesagt hat, das, was von der Bundesregierung bisher auf den Tisch gelegt wird, ist unzureichend. Es ist nicht zu erwarten, daß es uns nennenswert voranbringen wird. Man muß hier in stärkerem Maße auf Europa blicken und einheitliche europäische Regelungen einführen.
    Ich sehe, daß meine Redezeit abgelaufen ist. Es gäbe noch eine ganze Menge zu sagen über die Probleme der Anbauländer sowie darüber, wie wir hier auch mit entwicklungshilfepolitischen Maßnahmen helfen können; aber das werden wir dann in den anstehenden Beratungen noch eingehend erörtern. — Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Hörster ist der nächste Redner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Joachim Hörster


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben alle schon davon gehört und teilweise darüber gelesen, es teilweise auch schon gesehen: hagere Menschen mit 20, 25 Jahren, vorzeitig gealtert, körperlich heruntergekommen, auf öffentlichen Plätzen herumhängend, Jugendliche vor dem Richter wegen Diebstahls, gelegentlich Raubs, häufig Hehlerei, die sich damit Geld verschaffen wollen, Minderjährige und Volljährige beiderlei Geschlechts, die sich anderen gegen Geld anbieten, verzweifelte Eltern, denen die Kinder entfremdet sind, weil sie in eine Welt wegtauchen, die sie nicht mehr ansprechbar macht, Tote um die 30 Jahre, immer häufiger auch jünger, die sich den Goldenen Schuß gesetzt haben. Individuelle Verelendung, beruflicher und gesellschaftlicher Ruin, in vielen Fällen Kriminalität und Tod, sind das Ergebnis der zunehmenden Verbreitung von Rauschgift und psychotropen Suchtmitteln.
    Die Zahl der Drogenabhängigen in der Bundesrepublik wird auf 60 000 bis 80 000 geschätzt; ganz Genaues weiß man nicht. Allein im letzten Jahr wird eine Steigerungsrate von 20 % angenommen. 15 000 bis 20 000 werden zu der Gruppe gezählt, die besonders auffällig sind, weil sie zur Stillung ihrer Drogensucht Beschaffungskriminalität betreiben, als Kleindealer Drogen verbreiten, andere mit Drogen in Kontakt bringen, sie anfixen und damit in den Teufelskreis der Abhängigkeit einführen.
    War man zu Beginn der 80er Jahre der Meinung, das Drogenproblem könne sich entschärfen, so ist jetzt ein Ansteigen der Zahl der Abhängigen, der Drogenaufgriffe, aber insbesondere auch ein Ansteigen der Drogentoten zu verzeichnen.
    Das Problem läßt sich nicht auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen konzentrieren; es ist weder bil-
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    Hörster
    dungs- noch ausbildungsabhängig, noch läßt es sich an der sozialen Stellung oder dem Einkommen festmachen. Menschen aus allen gesellschaftlichen Gruppen sind betroffen und gefährdet.
    Dies ist der Hintergrund, auf dem wir heute die beiden Gesetzentwürfe und verschiedene Anträge beraten. Die heutige Beratung ist jedoch meines Erachtens nicht der Zeitpunkt, um in aller Breite umfängliche rechtssystematische und rechtspraktische Überlegungen zu diesen Gesetzentwürfen und Anträgen zu erörtern.
    Ich möchte versuchen, in einem gewissen Zusammenhang die Entwicklung der Drogenproblematik darzustellen und dabei auch die Grundzüge des Nationalen Rauschgiftprogramms, das uns auf der Drucksache 11/5525 vorliegt, inzidenter mit in die Betrachtung einbeziehen.
    Um die Diskussion zur heutigen Tagesordnung auf das wesentliche zu konzentrieren, will ich jedoch auch mit einem Vorurteil aufräumen. Diejenigen, die sich mit dem illegalen Rauschgifthandel und der Drogenkriminalität befassen, verkennen keineswegs das Problem, das der Gesellschaft dadurch verursacht wird, daß Alkoholabhängigkeit, Tablettenabhängigkeit und andere Abhängigkeiten ebenfalls zu schweren sozialen Folgen führen. Dennoch, die Rauschgiftproblematik hat eine Dimension, die alleine durch Fallzahlen nicht erfaßt werden kann.
    Der Drogenhandel und die Sucht nach Rauschgift wurden erstmals in diesem Jahrhundert als ein internationales Problem erkannt. Die Wechselbeziehungen zwischen den europäischen Staaten und ihren kolonialen Besitzungen, die Zuwanderung in die Vereinigten Staaten, vor allem aus Asien, brachten das Opiumproblem. Bereits 1912 wurde das internationale Opiumabkommen als erste internationale Akte zur Bekämpfung des Rauschgifthandels geschlossen. Nationale Gesetze folgten in den europäischen Ländern, u. a. 1929 in Deutschland. Das Gesetz wurde ausdrücklich als Opiumgesetz bezeichnet.
    Diese Gesetze waren nicht Bestandteile der normalen nationalen Strafgesetzgebung, sondern schufen in Nebengesetzen neue Straftatbestände. Geschütztes Rechtsgut war die Gesundheit der Bevölkerung. Aus gesundheitspolitischen und sozialpolitischen Erwägungen sollten befürchtete Ansteckungsgefahren und individuelle Verelendung mit diesen Gesetzen verhindert werden.
    Damals war der illegale Handel mehr individuell begründet. Organisationen, die dieses kriminelle Geschäft betrieben, waren im Vergleich zu heute nur rudimentär vorhanden.
    Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einem sprunghaften Anstieg des Warenaustauschs und des Personenverkehrs über Länder und Kontinente. Es entwickelte sich zunehmend auch der illegale Drogenhandel. Es war einfach technisch leichter, die Rauschmittel aus den Erzeugerländern in die Verbraucherländer zu schaffen, denn die Ausweitung des Handels und des Personenverkehrs machten den Reisenden nicht mehr zu einer leicht kontrollierbaren Einzelerscheinung.
    In den 60er und 70er Jahren war dann ein sprunghafter Anstieg des Drogenmißbrauchs sowohl in den USA als auch bei uns in Europa zu verzeichnen, gefördert von einem rasch wachsenden Wohlstand der Bevölkerung, der manche persönliche Identitätskrise auslöste, gefördert sicher auch durch den Vietnamkrieg und seine Auswirkungen auf die amerikanische Gesellschaft. Die Erscheinung der Flower-Power-Bewegung der Hippie-Gesellschaft darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden.
    Mit einer gewissen Verzögerung waren neue
    — meist verschärfte — Betäubungsmittelgesetze die Folge; bei uns 1982 die Neufassung des Betäubungsmittelgesetzes. Die Rechtsgüter, die geschützt werden sollten, waren im Kern so wie früher auch schon die Volksgesundheit und mit einer besonderen Verstärkung der Jugendschutz. Also, die Drogenproblematik ist nicht neu.
    Dennoch diskutieren wir heute im Jahre 1989 dieses Thema erneut.

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Aber Sie kramen immer noch die alten Knüppel aus, ohne sich andere Mittel auszudenken!)

    — Das Zuhörenkönnen ist eine besondere Qualität.

    (Becker [Nienberge] [SPD]: Zwischenrufe sind aber gestattet!)

    — Selbstverständlich. — Erstmals hat eine Bundesregierung Grundzüge eines Nationalen Rauschgiftbekämpfungsprogramms entwickelt. Das Bundeskabinett hat sich bereits mit dieser Frage befaßt. Der Bundeskanzler selbst hat die Problematik anläßlich der Befragung der Bundesregierung am 24. Oktober 1989 und am selben Tag vor der Bundespressekonferenz zu einer Aufgabe von nationalem Rang erklärt.
    Das, was seit einiger Zeit befürchtet worden ist und sich weit weg von uns entwickelt hat, ist auch für uns zu einer großen Gefahr geworden. Denn die Rauschgiftkriminalität hat eine völlig neue Dimension bekommen. Diese neue Dimension drückt sich in sprunghaft steigenden Rauschgifteinfuhren nach Europa und auch in die Bundesrepublik aus, erklärt sich aber nicht mehr mit mehr oder minder ausgeprägten Folgeerscheinungen von Wohlstandsgesellschaften oder sonstigen, individuellen Problemen. Die neue Dimension der Gefahr des internationalen Rauschgifthandels erfährt man in der Dritten Welt.
    Im Gebiet des Goldenen Dreiecks in Südostasien werden weite Landesteile nicht mehr von den Regierungen kontrolliert. In Birma, wo 75 % des gesamten Heroins in Südostasien produziert werden, gibt es Shangebiete, wo die Regierung keine Kontrolle mehr ausübt und Armeen von 10 000 Mann mit modernen Waffen unterhalten werden. Dort dient der Drogenhandel der Waffenbeschaffung.
    Im benachbarten Thailand bekämpft die Regierung den illegalen Rauschgifthandel zur Wahrung der nationalen Integrität, aber auch, weil die Zahl von mehr als 320 000 Heroinabhängigen — man vergleiche diese Zahl im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland — eine große Gefahr für die Sozialstruktur und die innere Ordnung darstellt.
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    Hörster
    Ähnliche Situationen ergeben sich im Gebiet des Goldenen Halbmondes. Zum Beispiel in Pakistan wird die Zahl der Heroinabhängigen auf über 400 000 Menschen geschätzt, obwohl dort das Bruttosozialprodukt pro Kopf der Bevölkerung 390 US-Dollars beträgt, es sich also um ein sehr armes Land handelt. Über die südamerikanische Rauschgiftmafia in Kolumbien ist in den letzten Wochen viel geredet worden. Die Koka-Bosse beherrschen den Markt in den USA. Ganze Inselstaaten in der Karibik wären ohne Rauschgiftgelder nicht zahlungsfähig. Panama wäre ohne Rauschgiftgeld zwischenzeitlich zahlungsunfähig. Auch hier zeigt sich, daß in den Grenzgebieten zu den benachbarten Staaten die Regierungskontrolle praktisch verloren gegangen ist, Guerillaorganisationen die Situation beherrschen und infolge dessen dort die Rauschgiftproduktion weitestgehend ungestört vonstatten gehen kann.
    Ich weise auf diese Sachzusammenhänge hin, weil dies eigentlich die neue Dimension der Bedrohung durch den illegalen Rauschgifthandel deutlich macht. In den Rauschgiftanbau- und produzentenländern sind politisch instabile Verhältnisse entstanden. Diese werden durch die Rekrutierung zahlloser Abhängiger gefördert. Die Gewinne werden zunächst teilweise in Waffen, teilweise in beachtliche Bestechungsgelder investiert, um neue Einflußmöglichkeiten, neue Märkte, neue Möglichkeiten der Geldanlage zu erschließen.
    Vor allem aus Südamerika kommend, ist die Rauschgiftmafia straff organisiert. Sie verfügt über eine intelligente Logistik und über immense Finanzmittel, die geeignet sind, auch unsere staatlichen Strukturen durch Bestechung zu gefährden und zu unterwandern. Im Bericht der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe „Waschen von Gewinnen aus illegalem Betäubungsmittelhandel — Abschöpfung der Gewinne aus Straftaten" heißt es vornehm amtlich:
    . . zeigt jedoch die Entwicklung in einigen Ländern der Dritten Welt, so besonders deutlich in Kokainproduktionsländern wie Kolumbien, daß die Drogengewinne, angehäuft in den Händen weniger krimineller Organisationen, einen gesellschaftlichen Machtfaktor darstellen, der diesen Organisationen zu erheblichem politischen Einfluß verhilft. Die Gefahr verstärkter Einflußnahmen krimineller Organisationen ist aber auch für entwickelte Industrienationen wie die Bundesrepublik Deutschland schon deshalb vorstellbar, weil große Vermögen in den Händen von Straftätern unter anderem auch ein Potential für Korruptionsversuche darstellen."
    Diese Sachzusammenhänge muß man sehen, um zu wissen, was auf uns zukommt und was dazu geführt hat, daß sich die Bundesregierung mit den Problemen des internationalen Rauschgifthandels befaßt und zu einer Chefsache erklärt hat.
    Ich möchte zu den vorliegenden Gesetzentwürfen einiges sagen. Der illegale Rauschgifthandel soll durch die Einführung einer Vermögensstrafe an seiner empfindlichsten Stelle, nämlich bei der Sicherung des kriminell erzielten Gewinnes, getroffen werden. Neben einer lebenslangen oder zeitlichen Freiheitsstrafe kann auf eine Vermögensstrafe erkannt werden.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte ausdrücklich den konstruktiven Einfluß der Bundesländer beim Zustandekommen dieses Regierungsentwurfs hervorheben. Das Problembewußtsein der Justizminister der Bundesländer hat wesentlich dazu beigetragen, daß nach anfänglich zähen Überlegungen ein brauchbarer Regierungsentwurf zustande gekommen ist.
    Ich denke, daß wir hinsichtlich der Einführung einer Vermögensstrafe bei den Beratungen im Rechtsausschuß und in den mitberatenden Ausschüssen einen breiten Konsens auch mit der SPD erzielen werden.
    Was den Teil des Gesetzentwurfes der SPD anbetrifft, der sich mit der Geldwäsche befaßt, wird der von Frau Matthäus-Maier initiierte Antrag dem vorgeschlagenen neuen § 257 a StGB „Geldwäsche" ihres eigenen Entwurfes nicht gerecht. Die von Frau Matthäus-Maier und der SPD-Fraktion vorgeschlagene Aufweichung des Steuergeheimnisses, die Aufnahme der Geldwäsche in den Katalog der verbotenen Bankgeschäfte sowie die Meldepflicht bei Bareinzahlungen — an wen eigentlich? — sind wohl aus den amerikanischen Regelungen abgekupfert und hinsichtlich ihrer Praktikabilität unter den Gesichtspunkten des deutschen und europäischen Kapitalmarktes mehr als zweifelhaft.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Publizistische Schnellschüsse!)

    Zu meinem Bedauern aber sehe ich mich nicht in der Lage, dem Bericht der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe „Waschen von Gewinnen aus illegalem Betäubungsmittelhandel — Abschöpfung der Gewinne aus Straftaten" zu folgen, in dem es heißt:
    Derzeit liegen noch nicht genügend Rechtstatsachen vor, um die Frage beantworten zu können, in welchen Bereichen und in welchem Umfang ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.
    Diese Schlußfolgerung des Regierungsberichtes steht in eklatantem Widerspruch zu den Ausführungen, die man wenige Zeilen vorher in dem gleichen Teil dieses Berichtes liest.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) Dort heißt es nämlich:

    Neuere polizeiliche Erkenntnisse zeigen, daß sich Straftäter insbesondere im Falle des organisierten Handelns nicht mehr auf einen Kriminalitätsbereich beschränken. Es muß danach von einer Wechselbeziehung zwischen der Finanzierung zukünftiger Straftaten sowohl im Drogen- als auch in anderen Kriminalitätsbereichen ausgegangen werden.

    (Zuruf von der SPD: Richtig umfassend!) — Gut zuhören! Und es heißt des weiteren:

    Durch die Schaffung einer Strafvorschrift, die das Waschen von Gewinnen aus bestimmten, nicht dem Betäubungsmittelbereich zuzurechnenden schweren Straftaten unter Strafe stellt, könnte der
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    Hörster
    Verschleierung in diesen Bereichen ebenfalls vorgebeugt und damit letztlich die Entziehung dieser Gewinne eingeleitet werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    Wegen der Wechselbeziehung zwischen der Finanzierung von Straftaten sowohl im Drogen- als auch in anderen Kriminalitätsbereichen wäre die Einführung einer solchen Strafvorschrift bereits alleine unter dem Aspekt der Bekämpfung der Betäubungskriminalität wünschenswert.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    So der Regierungsbericht. Insoweit begrüße ich den Gesetzentwurf der SPD, weil er uns Gelegenheit gibt, konkret schon in diesem Stadium über die Einführung einer Strafe für das Geldwaschen zu beraten.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir ist die Zeit davongelaufen. Ich hätte gern noch etwas zu den Anträgen der GRÜNEN gesagt.

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Ich hätte auch gern etwas dazu gehört!)

    Ich hätte auch gerne noch etwas zu den Anträgen der SPD, bezogen auf das Geldwaschen, gesagt. Ich bin der Auffassung, daß ein Vergleich mit dem ebenfalls im Regierungsbericht angeführten englischen und schweizerischen Recht uns einen Weg aufzeigt, wie man ohne Einrichtung großer Bürokratien das Problem des Geldwaschens sauber in den Griff bekommen kann.
    Ich darf hier an den neuen Artikel 305 Abs. 2 und 3 des Schweizerischen Strafgesetzbuches denken. Ich darf an den Abschnitt 24 des Drug Trafficking Offences Act aus Großbritannien denken, wo ebenfalls solche Regelungen getroffen worden sind. Beide Länder, weder die Schweiz noch England, sind etwa dafür bekannt, daß sie überbürokratisch wären oder etwas gegen Finanzgeschäfte oder Geldmärkte hätten.