Rede von
Joachim
Hörster
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben alle schon davon gehört und teilweise darüber gelesen, es teilweise auch schon gesehen: hagere Menschen mit 20, 25 Jahren, vorzeitig gealtert, körperlich heruntergekommen, auf öffentlichen Plätzen herumhängend, Jugendliche vor dem Richter wegen Diebstahls, gelegentlich Raubs, häufig Hehlerei, die sich damit Geld verschaffen wollen, Minderjährige und Volljährige beiderlei Geschlechts, die sich anderen gegen Geld anbieten, verzweifelte Eltern, denen die Kinder entfremdet sind, weil sie in eine Welt wegtauchen, die sie nicht mehr ansprechbar macht, Tote um die 30 Jahre, immer häufiger auch jünger, die sich den Goldenen Schuß gesetzt haben. Individuelle Verelendung, beruflicher und gesellschaftlicher Ruin, in vielen Fällen Kriminalität und Tod, sind das Ergebnis der zunehmenden Verbreitung von Rauschgift und psychotropen Suchtmitteln.
Die Zahl der Drogenabhängigen in der Bundesrepublik wird auf 60 000 bis 80 000 geschätzt; ganz Genaues weiß man nicht. Allein im letzten Jahr wird eine Steigerungsrate von 20 % angenommen. 15 000 bis 20 000 werden zu der Gruppe gezählt, die besonders auffällig sind, weil sie zur Stillung ihrer Drogensucht Beschaffungskriminalität betreiben, als Kleindealer Drogen verbreiten, andere mit Drogen in Kontakt bringen, sie anfixen und damit in den Teufelskreis der Abhängigkeit einführen.
War man zu Beginn der 80er Jahre der Meinung, das Drogenproblem könne sich entschärfen, so ist jetzt ein Ansteigen der Zahl der Abhängigen, der Drogenaufgriffe, aber insbesondere auch ein Ansteigen der Drogentoten zu verzeichnen.
Das Problem läßt sich nicht auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen konzentrieren; es ist weder bil-
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dungs- noch ausbildungsabhängig, noch läßt es sich an der sozialen Stellung oder dem Einkommen festmachen. Menschen aus allen gesellschaftlichen Gruppen sind betroffen und gefährdet.
Dies ist der Hintergrund, auf dem wir heute die beiden Gesetzentwürfe und verschiedene Anträge beraten. Die heutige Beratung ist jedoch meines Erachtens nicht der Zeitpunkt, um in aller Breite umfängliche rechtssystematische und rechtspraktische Überlegungen zu diesen Gesetzentwürfen und Anträgen zu erörtern.
Ich möchte versuchen, in einem gewissen Zusammenhang die Entwicklung der Drogenproblematik darzustellen und dabei auch die Grundzüge des Nationalen Rauschgiftprogramms, das uns auf der Drucksache 11/5525 vorliegt, inzidenter mit in die Betrachtung einbeziehen.
Um die Diskussion zur heutigen Tagesordnung auf das wesentliche zu konzentrieren, will ich jedoch auch mit einem Vorurteil aufräumen. Diejenigen, die sich mit dem illegalen Rauschgifthandel und der Drogenkriminalität befassen, verkennen keineswegs das Problem, das der Gesellschaft dadurch verursacht wird, daß Alkoholabhängigkeit, Tablettenabhängigkeit und andere Abhängigkeiten ebenfalls zu schweren sozialen Folgen führen. Dennoch, die Rauschgiftproblematik hat eine Dimension, die alleine durch Fallzahlen nicht erfaßt werden kann.
Der Drogenhandel und die Sucht nach Rauschgift wurden erstmals in diesem Jahrhundert als ein internationales Problem erkannt. Die Wechselbeziehungen zwischen den europäischen Staaten und ihren kolonialen Besitzungen, die Zuwanderung in die Vereinigten Staaten, vor allem aus Asien, brachten das Opiumproblem. Bereits 1912 wurde das internationale Opiumabkommen als erste internationale Akte zur Bekämpfung des Rauschgifthandels geschlossen. Nationale Gesetze folgten in den europäischen Ländern, u. a. 1929 in Deutschland. Das Gesetz wurde ausdrücklich als Opiumgesetz bezeichnet.
Diese Gesetze waren nicht Bestandteile der normalen nationalen Strafgesetzgebung, sondern schufen in Nebengesetzen neue Straftatbestände. Geschütztes Rechtsgut war die Gesundheit der Bevölkerung. Aus gesundheitspolitischen und sozialpolitischen Erwägungen sollten befürchtete Ansteckungsgefahren und individuelle Verelendung mit diesen Gesetzen verhindert werden.
Damals war der illegale Handel mehr individuell begründet. Organisationen, die dieses kriminelle Geschäft betrieben, waren im Vergleich zu heute nur rudimentär vorhanden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einem sprunghaften Anstieg des Warenaustauschs und des Personenverkehrs über Länder und Kontinente. Es entwickelte sich zunehmend auch der illegale Drogenhandel. Es war einfach technisch leichter, die Rauschmittel aus den Erzeugerländern in die Verbraucherländer zu schaffen, denn die Ausweitung des Handels und des Personenverkehrs machten den Reisenden nicht mehr zu einer leicht kontrollierbaren Einzelerscheinung.
In den 60er und 70er Jahren war dann ein sprunghafter Anstieg des Drogenmißbrauchs sowohl in den USA als auch bei uns in Europa zu verzeichnen, gefördert von einem rasch wachsenden Wohlstand der Bevölkerung, der manche persönliche Identitätskrise auslöste, gefördert sicher auch durch den Vietnamkrieg und seine Auswirkungen auf die amerikanische Gesellschaft. Die Erscheinung der Flower-Power-Bewegung der Hippie-Gesellschaft darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden.
Mit einer gewissen Verzögerung waren neue
— meist verschärfte — Betäubungsmittelgesetze die Folge; bei uns 1982 die Neufassung des Betäubungsmittelgesetzes. Die Rechtsgüter, die geschützt werden sollten, waren im Kern so wie früher auch schon die Volksgesundheit und mit einer besonderen Verstärkung der Jugendschutz. Also, die Drogenproblematik ist nicht neu.
Dennoch diskutieren wir heute im Jahre 1989 dieses Thema erneut.
— Das Zuhörenkönnen ist eine besondere Qualität.
— Selbstverständlich. — Erstmals hat eine Bundesregierung Grundzüge eines Nationalen Rauschgiftbekämpfungsprogramms entwickelt. Das Bundeskabinett hat sich bereits mit dieser Frage befaßt. Der Bundeskanzler selbst hat die Problematik anläßlich der Befragung der Bundesregierung am 24. Oktober 1989 und am selben Tag vor der Bundespressekonferenz zu einer Aufgabe von nationalem Rang erklärt.
Das, was seit einiger Zeit befürchtet worden ist und sich weit weg von uns entwickelt hat, ist auch für uns zu einer großen Gefahr geworden. Denn die Rauschgiftkriminalität hat eine völlig neue Dimension bekommen. Diese neue Dimension drückt sich in sprunghaft steigenden Rauschgifteinfuhren nach Europa und auch in die Bundesrepublik aus, erklärt sich aber nicht mehr mit mehr oder minder ausgeprägten Folgeerscheinungen von Wohlstandsgesellschaften oder sonstigen, individuellen Problemen. Die neue Dimension der Gefahr des internationalen Rauschgifthandels erfährt man in der Dritten Welt.
Im Gebiet des Goldenen Dreiecks in Südostasien werden weite Landesteile nicht mehr von den Regierungen kontrolliert. In Birma, wo 75 % des gesamten Heroins in Südostasien produziert werden, gibt es Shangebiete, wo die Regierung keine Kontrolle mehr ausübt und Armeen von 10 000 Mann mit modernen Waffen unterhalten werden. Dort dient der Drogenhandel der Waffenbeschaffung.
Im benachbarten Thailand bekämpft die Regierung den illegalen Rauschgifthandel zur Wahrung der nationalen Integrität, aber auch, weil die Zahl von mehr als 320 000 Heroinabhängigen — man vergleiche diese Zahl im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland — eine große Gefahr für die Sozialstruktur und die innere Ordnung darstellt.
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Ähnliche Situationen ergeben sich im Gebiet des Goldenen Halbmondes. Zum Beispiel in Pakistan wird die Zahl der Heroinabhängigen auf über 400 000 Menschen geschätzt, obwohl dort das Bruttosozialprodukt pro Kopf der Bevölkerung 390 US-Dollars beträgt, es sich also um ein sehr armes Land handelt. Über die südamerikanische Rauschgiftmafia in Kolumbien ist in den letzten Wochen viel geredet worden. Die Koka-Bosse beherrschen den Markt in den USA. Ganze Inselstaaten in der Karibik wären ohne Rauschgiftgelder nicht zahlungsfähig. Panama wäre ohne Rauschgiftgeld zwischenzeitlich zahlungsunfähig. Auch hier zeigt sich, daß in den Grenzgebieten zu den benachbarten Staaten die Regierungskontrolle praktisch verloren gegangen ist, Guerillaorganisationen die Situation beherrschen und infolge dessen dort die Rauschgiftproduktion weitestgehend ungestört vonstatten gehen kann.
Ich weise auf diese Sachzusammenhänge hin, weil dies eigentlich die neue Dimension der Bedrohung durch den illegalen Rauschgifthandel deutlich macht. In den Rauschgiftanbau- und produzentenländern sind politisch instabile Verhältnisse entstanden. Diese werden durch die Rekrutierung zahlloser Abhängiger gefördert. Die Gewinne werden zunächst teilweise in Waffen, teilweise in beachtliche Bestechungsgelder investiert, um neue Einflußmöglichkeiten, neue Märkte, neue Möglichkeiten der Geldanlage zu erschließen.
Vor allem aus Südamerika kommend, ist die Rauschgiftmafia straff organisiert. Sie verfügt über eine intelligente Logistik und über immense Finanzmittel, die geeignet sind, auch unsere staatlichen Strukturen durch Bestechung zu gefährden und zu unterwandern. Im Bericht der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe „Waschen von Gewinnen aus illegalem Betäubungsmittelhandel — Abschöpfung der Gewinne aus Straftaten" heißt es vornehm amtlich:
. . zeigt jedoch die Entwicklung in einigen Ländern der Dritten Welt, so besonders deutlich in Kokainproduktionsländern wie Kolumbien, daß die Drogengewinne, angehäuft in den Händen weniger krimineller Organisationen, einen gesellschaftlichen Machtfaktor darstellen, der diesen Organisationen zu erheblichem politischen Einfluß verhilft. Die Gefahr verstärkter Einflußnahmen krimineller Organisationen ist aber auch für entwickelte Industrienationen wie die Bundesrepublik Deutschland schon deshalb vorstellbar, weil große Vermögen in den Händen von Straftätern unter anderem auch ein Potential für Korruptionsversuche darstellen."
Diese Sachzusammenhänge muß man sehen, um zu wissen, was auf uns zukommt und was dazu geführt hat, daß sich die Bundesregierung mit den Problemen des internationalen Rauschgifthandels befaßt und zu einer Chefsache erklärt hat.
Ich möchte zu den vorliegenden Gesetzentwürfen einiges sagen. Der illegale Rauschgifthandel soll durch die Einführung einer Vermögensstrafe an seiner empfindlichsten Stelle, nämlich bei der Sicherung des kriminell erzielten Gewinnes, getroffen werden. Neben einer lebenslangen oder zeitlichen Freiheitsstrafe kann auf eine Vermögensstrafe erkannt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte ausdrücklich den konstruktiven Einfluß der Bundesländer beim Zustandekommen dieses Regierungsentwurfs hervorheben. Das Problembewußtsein der Justizminister der Bundesländer hat wesentlich dazu beigetragen, daß nach anfänglich zähen Überlegungen ein brauchbarer Regierungsentwurf zustande gekommen ist.
Ich denke, daß wir hinsichtlich der Einführung einer Vermögensstrafe bei den Beratungen im Rechtsausschuß und in den mitberatenden Ausschüssen einen breiten Konsens auch mit der SPD erzielen werden.
Was den Teil des Gesetzentwurfes der SPD anbetrifft, der sich mit der Geldwäsche befaßt, wird der von Frau Matthäus-Maier initiierte Antrag dem vorgeschlagenen neuen § 257 a StGB „Geldwäsche" ihres eigenen Entwurfes nicht gerecht. Die von Frau Matthäus-Maier und der SPD-Fraktion vorgeschlagene Aufweichung des Steuergeheimnisses, die Aufnahme der Geldwäsche in den Katalog der verbotenen Bankgeschäfte sowie die Meldepflicht bei Bareinzahlungen — an wen eigentlich? — sind wohl aus den amerikanischen Regelungen abgekupfert und hinsichtlich ihrer Praktikabilität unter den Gesichtspunkten des deutschen und europäischen Kapitalmarktes mehr als zweifelhaft.
Zu meinem Bedauern aber sehe ich mich nicht in der Lage, dem Bericht der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe „Waschen von Gewinnen aus illegalem Betäubungsmittelhandel — Abschöpfung der Gewinne aus Straftaten" zu folgen, in dem es heißt:
Derzeit liegen noch nicht genügend Rechtstatsachen vor, um die Frage beantworten zu können, in welchen Bereichen und in welchem Umfang ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.
Diese Schlußfolgerung des Regierungsberichtes steht in eklatantem Widerspruch zu den Ausführungen, die man wenige Zeilen vorher in dem gleichen Teil dieses Berichtes liest.
Dort heißt es nämlich:
Neuere polizeiliche Erkenntnisse zeigen, daß sich Straftäter insbesondere im Falle des organisierten Handelns nicht mehr auf einen Kriminalitätsbereich beschränken. Es muß danach von einer Wechselbeziehung zwischen der Finanzierung zukünftiger Straftaten sowohl im Drogen- als auch in anderen Kriminalitätsbereichen ausgegangen werden.
— Gut zuhören! Und es heißt des weiteren:
Durch die Schaffung einer Strafvorschrift, die das Waschen von Gewinnen aus bestimmten, nicht dem Betäubungsmittelbereich zuzurechnenden schweren Straftaten unter Strafe stellt, könnte der
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Verschleierung in diesen Bereichen ebenfalls vorgebeugt und damit letztlich die Entziehung dieser Gewinne eingeleitet werden.
Wegen der Wechselbeziehung zwischen der Finanzierung von Straftaten sowohl im Drogen- als auch in anderen Kriminalitätsbereichen wäre die Einführung einer solchen Strafvorschrift bereits alleine unter dem Aspekt der Bekämpfung der Betäubungskriminalität wünschenswert.
So der Regierungsbericht. Insoweit begrüße ich den Gesetzentwurf der SPD, weil er uns Gelegenheit gibt, konkret schon in diesem Stadium über die Einführung einer Strafe für das Geldwaschen zu beraten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir ist die Zeit davongelaufen. Ich hätte gern noch etwas zu den Anträgen der GRÜNEN gesagt.
Ich hätte auch gerne noch etwas zu den Anträgen der SPD, bezogen auf das Geldwaschen, gesagt. Ich bin der Auffassung, daß ein Vergleich mit dem ebenfalls im Regierungsbericht angeführten englischen und schweizerischen Recht uns einen Weg aufzeigt, wie man ohne Einrichtung großer Bürokratien das Problem des Geldwaschens sauber in den Griff bekommen kann.
Ich darf hier an den neuen Artikel 305 Abs. 2 und 3 des Schweizerischen Strafgesetzbuches denken. Ich darf an den Abschnitt 24 des Drug Trafficking Offences Act aus Großbritannien denken, wo ebenfalls solche Regelungen getroffen worden sind. Beide Länder, weder die Schweiz noch England, sind etwa dafür bekannt, daß sie überbürokratisch wären oder etwas gegen Finanzgeschäfte oder Geldmärkte hätten.