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    Plenarprotokoll 11/117 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 117. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 Inhalt: Anteilnahme am Schicksal der Opfer des Absturzes eines amerikanischen Kampfflugzeuges auf ein Wohngebiet in Remscheid 8553 A Erweiterung der Tagesordnung 8553 B Zur Geschäftsordnung Kleinert (Marburg) GRÜNE 8553 C Seiters CDU/CSU 8554 C Bernrath SPD 8555 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 8555 C Zusatztagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Straßmeir, Fischer (Hamburg), Börnsen (Bönstrup), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Richter, Gries, Kohn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Seeschiffahrtsregisters für deutsche Handelsschiffe im internationalen Verkehr (Drucksachen 11/2161, 11/3679) Fischer (Hamburg) CDU/CSU 8556 B Frau Faße SPD 8559 A Richter FDP 8560 C Frau Rock GRÜNE 8561 D Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär BMV 8563 B Straßmeir CDU/CSU 8563 D Ewen SPD 8564 B Funke FDP 8566 A Tagesordnungspunkt 26: Eidesleistung der Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit und des Bundesministers für Wirtschaft Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 8566 D Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi 8567 A Tagesordnungspunkt 27: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Bernrath, Bindig, Duve, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Lage der Menschenrechte in der Türkei (Drucksache 11/2600) c) Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zur Hinrichtung von politischen Häftlingen in Indonesien (Drucksachen 10/6275, 11/3575) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Menschenrechte in Kolumbien (Drucksache 11/2404) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Erste Beratung des von den Abgeordneten Bindig, Dr. Schmude, Frau Bulmahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 (VN-GV- Res. 39/146) (Drucksache 11/3668) Dr. Kohl, Bundeskanzler 8568 A Brandt SPD 8573 B Frau Geiger CDU/CSU 8576 C Frau Olms GRÜNE 8578 D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 8581 D Schäfer, Staatsminister AA 8584 A Dr. Schmude SPD 8585 C Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 8587 B Bindig SPD 8588 D Frau Eid GRÜNE 8590 C Zusatztagesordnungspunkt 10: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 11/2421, 11/3672, 11/3672 [neu], 11/3697) b) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Änderung des Parteiengesetzes (Drucksachen 11/3097, 11/3672, 11/3697) Bernrath SPD 8591 C, 8594 D Spilker CDU/CSU 8592 B Lüder FDP 8596 D Frau Dr. Vollmer GRÜNE 8600 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 8602 C Conradi SPD 8605 C Häfner GRÜNE 8609 B Wüppesahl fraktionslos 8611D Stiegler SPD 8613 A Namentliche Abstimmung 8614 A Ergebnis 8614 B Nächste Sitzung 8616A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 8617* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Struck und Catenhusen (beide SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 11/2421, 11/3672, 11/3673) 8617* C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frau Dr. Adam-Schwaetzer und Frau Dr. Hamm-Brücher (beide FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 11/2421, 11/3672, 11/3673) 8617* D Anlage 4 Amtliche Mitteilungen 8618* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 8553 117. Sitzung Bonn, den 9. Dezember 1988 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 12. Antretter* 9. 12. Bangemann 9. 12. Frau Beck-Oberdorf 9. 12. Becker (Nienberge) 9. 12. Frau Berger (Berlin) 9. 12. Dr. Biedenkopf 9. 12. Dr. Blens 9. 12. Böhm 9. 12. Börnsen (Bönstrup) 9. 12. Dr. Briefs 9. 12. Bühler (Bruchsal) 9. 12. Frau Conrad 9. 12. Daweke 9. 12. Deres 9. 12. Duve 9. 12. Engelsberger 9. 12. Frau Fischer 9. 12. Gansel 9. 12. Gattermann 9. 12. Gautier 9. 12. Genscher 9. 12. Dr. Glotz 9. 12. Dr. Götz 9. 12. Dr. Grünewald 9. 12. Dr. Hauff 9. 12. Frau Hämmerle 9. 12. Heinrich 9. 12. Dr. Hennig 9. 12. Hiller (Lübeck) 9. 12. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 12. Hoss 9. 12. Irmer 9. 12. Jens 9. 12. Jung 9. 12. Kalb 9. 12. Dr. Köhler 9. 12. Kossendey 9. 12. Kreuzeder 9. 12. Dr. Kronenberg 9. 12. Frau Luuk* 9. 12. Dr. Mertens (Bottrop) 9. 12. Möllemann 9. 12. Frau Pack 9. 12. Paintner 9. 12. Petersen 9. 12. Pfuhl 9. 12. Rappe (Hildesheim) 9. 12. Regenspurger 9. 12. Reuschenbach 9. 12. Frau Schilling 9. 12. Frau Schmidt-Bott 9. 12. von Schmude* 9. 12. Freiherr von Schorlemer 9. 12. Dr. Soell* 9. 12. Steiner* 9. 12. Frau Trenz 9. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Warnke 9. 12. Wetzel 9. 12. Wilz 9. 12. Wimmer 9. 12. Zierer* 9. 12. Dr. Zimmermann 9. 12. Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Struck und Catenhusen (beide SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 11/2421, 11/3672, 11/3673) Da nach meiner Überzeugung die Einführung eines Sockelbetrages und die Heraufsetzung der Publizitätspflicht für Spenden von DM 20 000 auf DM 40 000 auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt, werde ich mich der Stimme enthalten. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frau Dr. Adam-Schwaetzer und Frau Dr. Hamm-Brücher (beide FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 11/2421, 11/3672, 11/3673) Die Unterzeichner dieser Erklärung sehen sich (abgesehen von möglichen verfassungsrechtlichen Bedenken) aus folgenden Gründen nicht imstande, der Novelle des Parteienfinanzierungsgesetzes zuzustimmen: 1. Die Mehrkosten von jährlich 68 Millionen DM, die zur Parteienfinanzierung aus Steuermitteln zur Verfügung gestellt werden sollen und die eine Steigerung der Zuwendungen von 20 Prozent ausmachen, können im Hinblick auf notwendige Kosteneinsparungen bei anderen öffentlichen Aufgaben gegenüber dem Bürger nicht überzeugend vertreten werden. 2. Die Bürger erwarten zu Recht von den Parteien, daß Wahlkämpfe so sparsam wie möglich geführt werden. Dies ist immer wieder nachzuweisen und auch möglich. 3. Die Berufung einer unabhängigen Kommission zur Festlegung der Zuschüsse an die Parteien durch den Bundespräsidenten ist ein wichtiger Schritt, um den notwendigen Bedarf der Parteien für ihre Ausgaben transparenter zu machen. Deshalb sollte vor einer Erhöhung der Wahlkampfkostenerstattung auf jeden Fall erst das Votum dieser unabhängigen Kommission eingeholt und die Erhöhung der Zuschüsse bis dahin zurückgestellt werden. 8618* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 11/936 Drucksache 11/1301 Drucksache 11/1537 Drucksache 11/1676 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/4184 Nr. 3 Drucksache 11/138 Nr. 3.39, 3.40 Drucksache 11/973 Nr. 2.4 Drucksache 11/2465 Nr. 2.8, 2.10 Drucksache 11/2580 Nr. 22 Drucksache 11/2956 Nr. 2.4 Drucksache 11/3021 Nr. 2.5 Drucksache 11/3200 Nr. 2.4 — 2.9 Drucksache 11/3311 Nr. 2.3-2.5, 2.7, 2.9 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/2724 Nr. 24, 25 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/439 Nr. 2.12
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    Rede von Friedrich Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit eineinhalb Jahren hat der Deutsche Bundestag einen Unterausschuß für Menschenrechte und humanitäre Hilfe als Unterausschuß des Auswärtigen Ausschusses. Als Vorsitzender dieses Gremiums stelle ich fest, daß die Schaffung
    eines eigenen Gremiums des Parlaments für Menschenrechte ein richtiger Schritt gewesen ist. Wir haben zwischen den Mitgliedern aller Fraktionen ein nach meiner Beurteilung gutes Arbeitsklima herstellen können, und zwar unbeschadet unterschiedlicher Bewertungen einzelner Vorgänge. Ich bedanke mich herzlich bei allen Mitgliedern für diesen guten Geist der Zusammenarbeit.
    Die von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vorgelegte gemeinsame Entschließung für die heutige Beratung ist Ausdruck eines hohen Maßes an Übereinstimmung. Es gibt einen Schönheitsfehler, nämlich den, daß die Fraktion DIE GRÜNEN sich nicht hat bereit finden können, sich diesem Entschließungsantrag anzuschließen. Vielleicht können Sie ihm heute wenigstens zustimmen.
    Lassen Sie mich einige Bemerkungen zur Art und Weise unseres Menschenrechtsengagements im Deutschen Bundestag machen. Wir haben den Unterausschuß für Menschenrechte nicht als Tribunal über andere Völker eingesetzt. Vielmehr müssen wir ihn seriös und behutsam als ein zusätzliches wichtiges Instrument für die mühselige Arbeit zur Durchsetzung des universellen Geltungsanspruchs der Menschenrechte sehen und handhaben.
    Wir Deutschen tun gut daran, uns daran zu erinnern, daß wir nicht die Vorreiter des Menschenrechtsschutzes gewesen sind. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 war die Antwort der Völkergemeinschaft auf eine schreckliche Phase der Mißachtung der Würde des Menschen, für die wir Deutsche eine Hauptverantwortung tragen. Wir sollten deshalb die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 und die beiden vor unserem Beitritt entstandenen grundlegenden Menschenrechtspakte von 1966 als ein Geschenk der Völkergemeinschaft auch an uns begreifen, das die Chance und die Aufforderung enthält, unseren Beitrag zur Verbesserung des Menschenrechtsschutzes zu leisten.
    Wir können und dürfen uns nicht als die berufenen Lehrmeister anderer Völker in Sachen Menschenrechte und erst recht nicht als die Oberzensoren aufspielen. Es steht uns gut an, bei aller Bereitschaft, einen hilfreichen Beitrag zu leisten, bescheiden aufzutreten.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bin dankbar, daß dies auch der Herr Kollege Brandt in der gleichen Weise zum Ausdruck gebracht hat. Was berechtigt uns eigentlich, uns den anderen Völkern sozusagen als das Mustermodell darzustellen?
    Ein kluger Ausländer, der viele Jahre als Botschafter seines Landes in der Bundesrepublik Deutschland gewesen ist, hat in einem jüngst erschienenen Büchlein zwei Sätze formuliert, die ich Ihnen gerne zitieren möchte:
    Der Hang zum Extremen könnte die Deutschen vielleicht zu der Vermutung verleiten, der Anspruch auf ein allseits gültiges ,Modell Deutschland' sei legitim. Soll das alte Wort
    8588 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988
    Vogel (Ennepetal)

    — so fragt er —
    vom deutschen Wesen, an dem die Welt genesen soll, neue Wirkung erfahren?
    Nein, wir haben nicht das „Modell Deutschland" in Sachen Menschenrechte zu vertreiben, sondern unseren Beitrag zur Durchsetzung dessen zu leisten, worauf die Völkergemeinschaft sich erfreulicherweise verständigt hat. Das gilt in Europa in besonderer Weise für die Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention, der alle Mitgliedsländer des Europarates beigetreten sind.
    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einiges zur Türkei sagen. Das Thema wurde heute schon einige Male aufgegriffen, und wir haben einen Antrag der SPD-Fraktion zur Lage der Menschenrechte in der Türkei vorliegen. Ich stimme nachdrücklich der Auffassung zu, daß ein Land, das der westlichen Verteidigungsgemeinschaft angehört, die sich als Wertegemeinschaft begreift, und das Mitglied der Europäischen Gemeinschaft werden will, sich die Anlegung strengerer Maßstäbe gefallen lassen muß als viele andere Länder. Das berechtigt uns aber noch längst nicht zu einer Haltung der Selbstgerechtigkeit gegenüber der Türkei, und es entbindet uns auch nicht von der Verpflichtung, der Türkei Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
    Wir dürfen nicht vergessen, woher die Türkei kommt. Wir dürfen nicht unterschlagen, welchen Weg die Türkei in den letzten Jahren bei der inneren Demokratisierung und der Durchsetzung der Menschenrechte schon zurückgelegt hat. Die Verhältnisse haben sich doch nicht verschlechtert. Sie haben sich eindeutig verbessert.
    Wenn die Türkei als erstes Mitgliedsland des Europarates das Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter ratifiziert und inzwischen die Individualbeschwerde zugelassen hat, dann bezeugt das den Willen und die Bereitschaft, den europäischen Standard auch für die Türkei maßgeblich zu machen.
    Allerdings — das füge ich hinzu — muß sich die Türkei dann auch gefallen lassen, daß wir uns gerade bei ihr mit Menschenrechtsverletzungen, so sie vorkommen, befassen.

    (Zuruf von der SPD: Richtig!)

    Wenn Folterungen vorkommen, gehören sie an den Pranger. Wenn Menschen zu lange in Haft gehalten werden, bevor das Gerichtsverfahren stattfindet, muß das kritisiert werden. Wenn die Rechte von Minderheiten mißachtet werden, muß die Türkei sich darauf ansprechen lassen. Wir werden ja Gelegenheit haben, uns mit alledem eingehender zu befassen. Aber wir müssen es seriös tun.
    Wir müssen vor allem auch nach der Wahrheit dessen forschen, was von dort berichtet wird. Auf keinen Fall dürfen wir uns von solchen Kräften mißbrauchen lassen, die die Menschenrechte als Agitationswaffe zur Durchsetzung ihrer manchmal alles andere als demokratischen politischen Ziele benutzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und des Abg. Mischnick [FDP])

    Meine Damen und Herren, für die Fraktion der CDU/CSU danke ich dem Bundeskanzler für die Regierungserklärung, die er heute aus Anlaß der 40. Wiederkehr der Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte am 10. Dezember 1948 abgegeben hat. Der Bundeskanzler hat deutlich gemacht, daß der Schutz der Menschenrechte selbstverständlicher Bestandteil der Politik der Bundesrepublik Deutschland ist, daß er selbstverständlicher Bestandteil der Politik aller bisherigen Bundesregierungen gewesen ist, der bisherigen Bundesregierung ist und gewiß auch künftiger Bundesregierungen bleiben wird.
    Meine Damen und Herren, ich möchte auch dem Kollegen Brandt für die Rede, die er hier heute gehalten hat, danken, weil ich der Auffassung bin, daß sie einen Geist zum Ausdruck bringt, von dem ich hoffe, daß er der Geist in Sachen Menschenrechte bei allen hier im Hause ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Dann werden wir der Versuchung widerstehen, die Menschenrechte für den innenpolitischen Schlagabtausch zu nutzen.
    Mit der Entschließung, um deren Annahme ich Sie bitte, bekundet der Deutsche Bundestag ebenfalls sein leidenschaftliches, aber an den Zielen orientiertes Engagement für die Menschenrechte.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Bindig.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rudolf Bindig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! So wichtig und richtig es ist, daß wir zum 40. Jahrestag der Verkündung der Allgemeinen Menschenrechtserklärung diese Debatte führen, so notwendig ist es, nicht nur mit dem Finger in der gesamten Welt herumzuzeigen, vielmehr gilt es vor allem auch, den Blick darauf zu werfen, ob wir denn, die Bundesrepublik Deutschland, überall da, wo es uns möglich ist und möglich war, unseren Beitrag zum Schutz der Menschenrechte erbringen und erbracht haben.
    Was die Weiterentwicklung des internationalen Instrumentariums zum Schutz der Menschenrechte und ihrer Rechtsgarantien angeht, gibt es nun leider — durch die Säumigkeit der Bundesregierung veranlaßt — einige Defizite, die unserem Ansehen in diesen Fragen vor der Völkerfamilie abträglich sind.
    Mehrere sehr wichtige Menschenrechtsverträge und -abkommen, die bereits seit einigen Jahren erarbeitet worden sind, sind noch immer nicht ratifiziert oder sogar noch nicht gezeichnet.
    Auf der Herbsttagung der Interparlamentarischen Union in Sofia hat dieses Weltparlament alle Staaten aufgefordert, die erarbeiteten Konventionen zum Schutz der Menschenrechte zu ratifizieren, und hat, um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, die Zusammenstellung einer Liste gefordert, auf der die
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 8589
    Bindig
    Staaten aufgeführt sind, welche wichtigen Abkommen noch nicht beigetreten sind.
    Obwohl die SPD-Bundestagsfraktion seit Jahren immer wieder gemahnt und gedrängt hat, die erforderlichen Ratifikationsgesetze vorzulegen, findet sich die Bundesrepublik auf dieser Liste der säumigen Staaten wieder. Wahrlich kein Ruhmesblatt zum 40jährigen Gedenktag der Menschenrechtserklärung.

    (Beifall bei der SPD)

    Am weitesten zurück ist die Bundesrepublik in der Frage des Beitritts zum Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, welches auch Einzelpersonen einen Beschwerdeweg in Menschenrechtsfragen eröffnen soll.
    Selbst wenn es richtig ist, daß die Europäische Menschenrechtskonvention einen ähnlichen Beschwerdeweg enthält, sind die Motive, welche die Bundesregierung veranlassen, dieses weltweit wirkende Instrument zu ignorieren, nicht nachvollziehbar.
    Hinderlich wirkt diese Haltung deshalb, weil sich die Bundesregierung andererseits selbst um die Entwicklung eines weiteren — zweiten — Fakultativprotokolls zum Zivilpakt bemüht, welches die weltweite Zurückdrängung der Todesstrafe zum Inhalt haben soll. So löblich diese Initiative ist, so hinderlich ist der Umstand, daß dadurch Staaten, welche die Todesstrafe beibehalten wollen, das Argument an die Hand gegeben wird: Ratifiziert doch selbst erst einmal das erste Zusatzprotokoll!, ganz abgesehen von der Peinlichkeit, daß einer der wenigen deutschen Politiker, die sich öffentlich für die Todesstrafe ausgesprochen haben, weiterhin Vertreter der deutschen Delegation im Menschenrechtsausschuß der UN ist.
    Im Hinblick auf Genf ist weiter zu kritisieren, daß die Bundesregierung nach wie vor den beiden Zusatzprotokollen zu dem Genfer Rote-Kreuz-Abkommen zum Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte nicht beizutreten gedenkt.
    Unerledigt ist auf der Ebene des UN-Systems auch die Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Seit Jahren wird die Ratifizierung dieser UN-
    Antifolterkonvention hingezogen. Immer wieder werden auf unser dringendes Mahnen hin neue Ratifikationsabsichten und -termine angekündigt.
    Wir sind diese Nachlässigkeit nun leid und haben deshalb von der SPD-Fraktion aus ein eigenes Ratifikationsgesetz eingebracht, welches wir hier heute in erster Lesung behandeln. Erst im Frühjahr dieses Jahres hatte die Bundesregierung bei der Beantwortung unserer Großen Anfrage zur Bekämpfung und Ächtung der Folter angegeben, daß der federführende Minister der Justiz die Herbeiführung eines Kabinettsbeschlusses zur Einbringung des Vertragsgesetzes zur UN-Antifolterkonvention für 1988 anstrebe. Nun ist der bedeutsame Jubiläumstag da, aber Ihr Gesetzentwurf fehlt weiterhin.
    Ergänzend zu unserem Gesetzentwurf möchten wir noch klarstellen, daß wir selbstverständlich von der Bundesregierung erwarten, daß sie von der Möglichkeit der Art. 22 und 23 der Konvention Gebrauch macht, zu erklären, daß sie bereit ist, Untersuchungen anzuerkennen, wenn von anderen Staaten oder Einzelpersonen geltend gemacht wird, die Verpflichtungen aus der Antifolterkonvention würden nicht eingehalten.
    Wir wollen weder in diesem Punkte noch in der Frage der Abschiebung in einen Folterstaat irgendwelche zweifelhaften Vorbehalte. Gerade die Kontroll- und Überprüfungsmöglichkeiten in Folterfällen sind von besonderer Bedeutung. Da die UN-Antifolterkonvention hier nur sehr schwache Regelungen vorsieht, ist die europäische Antifolterkonvention so wichtig, weil sie vorsieht, daß in Verdachtfällen Nachprüfungen stattfinden können. Diese Konvention befindet sich nun endlich auf dem Gesetzgebungsweg.
    Bei unserer Forderung nach dem Beitritt zu wichtigen Menschenrechtspakten übersehen wir natürlich keineswegs, daß der eigentliche Testfall für jeden Staat nicht der formale Beitritt zu den Antifolterkonventionen darstellt. Testfall ist vielmehr die alltägliche Praxis.
    Bei der Türkei wird deutlich, wie sehr Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen können. Die Türkei ist zur Aufpolierung ihres ramponierten Ansehens im Menschenrechtsbereich sowohl der Antifolterkonvention der Vereinten Nationen als auch der europäischen Antifolterkonvention frühzeitig beigetreten, und dennoch wird in der Türkei in furchtbarer Weise gefoltert.
    Die Tatsache des Beitritts der Türkei zu diesen Abkommen bietet uns allerdings eine besonders berechtigte Möglichkeit und Verpflichtung, die Türkei wegen ihrer Folterpraxis anzuklagen. Zur moralischen Verwerflichkeit der Folterpraxis kommt jetzt noch der Vorwurf des Bruchs einer völkerrechtlichen Verbindlichkeit hinzu.

    (Beifall bei der SPD)

    Zur Verurteilung der Folter in der Türkei, zur Verfolgung der Kurden und zu weiteren Menschenrechtsverletzungen haben wir einen Entschließungsantrag im Bundestag eingebracht, zu dessen Unterstützung wir Sie auffordern.
    Der Entschließungsantrag der GRÜNEN zum 40. Jahrestag übernimmt in weiten Passagen wortgleich die Forderungen von amnesty international. Die meisten der Forderungen werden auch von uns unterstützt. Die GRÜNEN haben in der Eile der Zusammenstellung dieses Antrags aber wohl übersehen, daß amnesty international rund 10 % der Forderungen an diesen Bundestag richtet. Wir können doch hier nicht einen Text beschließen, in dem der Bundestag den Bundestag auffordert, etwas zu tun. Wegen dieser handwerklichen und weiterer Mängel werden wir diesen Antrag leider ablehnen müssen.
    Es liegt dann weiter von den GRÜNEN ein Antrag zu Südafrika vor. Auch hier unterstützen wir den Inhalt sehr. Dennoch enthält er eine solche Ungenauigkeit — hier ist nämlich davon die Rede, daß eine Kornmission eingesetzt werden soll, ohne daß gesagt wird, was für eine Kommission es sein soll — , daß wir mei-
    8590 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988
    Bindig
    nen, dieser Antrag sollte besser in den Ausschüssen beraten werden; sonst ist er in dieser Form wohl nicht abstimmungsreif.
    Die Informationen, die wir dieser Tage aus dem Iran erhalten, sind in erschreckender Weise gegensätzlich. Der Außenminister war zwei Tage lang mit Dutzenden von Wirtschaftsleuten im Iran, welche dort vielfältige Gespräche über eine verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit geführt haben, und es wurde ein neues Kulturabkommen geschlossen. Die Zeitungen berichteten groß: „Bonn hilft Teheran beim Wiederaufbau", „Im Iran winken große Bauaufträge". Zudem wird an neue, verlängerte Hermes-Bürgschaften gedacht. Andererseits wird bekannt, daß das Regime im Iran seine Gegner in erschreckender Weise mit politisch motiviertem Exekutionsterror verfolgt. Genscher hat in Teheran wiederholt nachhaltig die Menschenrechtslage angesprochen. Dies ist zu begrüßen. Es darf aber doch nicht zu einer Arbeitsteilung, wenn auch nicht gewollt, derart kommen: Der Außenminister spricht hartnäckig die Menschenrechte an, die Wirtschaft macht still im Hintergrund ihre Geschäfte.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Mammon darf nicht über die Moral siegen. Es muß unmißverständlich klar werden, daß eine Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran und die Menschenrechtslage inhaltlich zusammenhängen.
    Ganz unerträglich ist es zudem, wenn zu hören ist, daß das Bundesland Rheinland-Pfalz dazu übergeht, abgelehnte Asylbewerber in den Iran abzuschieben. Glaubwürdigkeit beim Eintreten für die Menschenrechte beginnt hier in der Bundesrepublik Deutschland. Deshalb müssen solche Fälle hier in der Bundesrepublik Deutschland anders behandelt werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Auch dies gehört in eine Debatte zum 40. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

    (Beifall bei der SPD)