Rede von
Dr.
Jürgen
Schmude
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Staatsminister, sehe ich das richtig, daß Ihr Appell, den Sie an unsere israelischen Freunde gerichtet haben, voll übereinstimmt mit den Sorgen, die der Deutsche Bundestag in seiner Debatte im März hier ausgedrückt hat; Sorgen, die jetzt nach Ablauf eines ganzen Jahres noch dringlicher geworden sind?
Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege Schmude, ich sehe das genauso wie Sie. Ich glaube, deshalb sollte man hier nicht eine Stellungnahme zu solchen schwerwiegenden Vorgängen mit einer anti-israeli-
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 8585
Staatsminister Schäfer
schen Einstellung verwechseln, wie das leider immer wieder versucht wird. Ich muß das hier einmal in aller Deutlichkeit sagen. Wir bemühen uns um die Herstellung der Menschenrechte überall. Die Bundesrepublik Deutschland hat auch bei der Verabschiedung der UN-Resolution mitgestimmt, die aus der Sorge der Weltgemeinschaft geboren ist, daß die Zustände so nicht andauern können. Ich glaube, dazu müssen wir auch hier in aller Deutlichkeit ein Wort sagen.
Wir lassen uns dafür hier nicht an den Pranger stellen, meine Damen und Herren.
Die Menschenrechtslage im Iran gibt uns Anlaß zu großer Sorge. Auch hier gilt, daß wir uns besonders betroffen fühlen, weil wir gute Beziehungen zum Iran haben und viele Iraner bei uns leben. Bundesminister Genscher hat Menschenrechtsfragen zu einem zentralen Thema seiner Gespräche in Teheran gemacht. Ich muß mich hier gegen Unterstellungen verwahren, als sei das nur am Rande geschehen, wie das von einigen Kollegen behauptet wurde. Dabei ist er auf die Berichte über vermehrte Hinrichtungen eingegangen, hat sich gegen die Verhängung der Todesstrafe ausgesprochen und sich mit großem Nachdruck für diejenigen Haftfälle eingesetzt, die ihm namentlich bekannt waren.
Ich darf in diesem Zusammenhang nochmals auf das hinweisen, was ich im Ausschuß bereits gesagt habe, daß der Bundesminister der iranischen Regierung dringend empfohlen hat, den Sonderberichterstatter der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen nach Iran einreisen zu lassen und mit ihm zusammenzuarbeiten. Es ist ihm in Aussicht gestellt worden.
Das deutliche Eintreten des Bundesaußenministers für die Menschenrechte ist im übrigen in Teilen der iranischen Presse nach seinem Abflug mit erheblicher Kritik versehen worden.
Wo sollen die Schwerpunkte der künftigen Menschenrechtspolitik der Bundesregierung liegen? Wie können wir auf die stärkere Beachtung der Menschenrechte in aller Welt hinwirken? Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, religiöse Intoleranz und totalitäre Selbstherrlichkeit müssen wir überwinden. Sie sind Ursache zahlreicher Menschenrechtsverletzungen, die besonders bei Bürgerkriegen und inneren Unruhen in letzter Zeit in vielen Teilen der Welt gefährlich eskalieren. Es ist ein Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt, aus dem die Menschheit herauskommen muß, wenn sie ihr Überleben langfristig sichern will. So verstanden ist Menschenrechtspolitik auch Sicherheitspolitik. Wer die Menschenrechte bei sich achtet, wird die Rechte anderer Staaten respektieren. Wer zu Hause Unterdrückung zur Maxime politischen Handelns erhebt, wird auch in der internationalen Gemeinschaft zum Störenfried werden.
Deutsche waren in diesem Jahrhundert mitverantwortlich für eine schreckliche Mißachtung der Menschenrechte in ihrem Land und in fast ganz Europa. Viele Deutsche haben damals geschwiegen. Schweigen dürfen und wollen wir heute nicht mehr, wenn Menschenrechte verletzt werden, einerlei, wo dies geschieht und durch wen dies geschieht.
Vielen Dank.