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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, deren 40. Jahrestag wir heute begehen, konkretisiert eines der ganz großen Ziele der Vereinten Nationen. Gemäß Art. 1 Abs. 3 der Charta sind alle Mitgliedstaaten verpflichtet, die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle, ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion, zu fördern und zu festigen. Somit besitzt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 trotz ihres deklaratorischen Charakters weltweite Verbindlichkeit. Daher können und müssen wir die Achtung der Menschenrechte fordern und Menschenrechtsverletzungen zur Sprache bringen, wo immer sie vorkommen. Keine Regierung kann Menschenrechte zur inneren Angelegenheit erklären, in die andere sich nicht einmischen dürfen. Seit 40 Jahren ist die Achtung der Menschenrechte ein universales Prinzip, von dem wir nirgendwo abweichen dürfen.
Der Deutsche Bundestag, der Bundespräsident und die Bundesregierung nutzen alle Wege und Möglichkeiten, auf der Wahrung der Menschenrechte zu bestehen. Es ist das unveräußerliche Recht des Deutschen Bundestages, den Entrechteten in allen Teilen der Welt seine Unterstützung auszudrücken.
Öffentlich geäußerte Empörung und internationaler Druck haben sehr oft zum Einlenken von Regierungen geführt. Sie haben einige Beispiele hier heute morgen genannt. Selbst in Südafrika haben unsere Interventionen und die Interventionen anderer Parlamente in bestimmten Fällen ein solches Einlenken hervorgerufen. In anderen Fällen können Erfolge nur durch stille Bemühungen, Frau Kollegin Olms, erzielt werden. Keine der Geiseln im Libanon wäre durch lautstarke Proteste freigelassen worden, wenn nicht höchste Diskretion bei den Verhandlungen bestanden hätte; das ist das, was Sie gelegentlich — auch im Zusammenhang mit der Reise des Bundesaußenministers — mit „Leisetreterei" verwechseln. Davon kann überhaupt keine Rede sein.
Welcher Weg jeweils der beste ist, muß stets neu beurteilt und entschieden werden. Einerlei, ob wir laut oder leise Menschenrechte einfordern, wir müssen es ohne Unterschiede überall und ohne falsche Rücksichten tun.
Der Bundestag hat auch in diesem Jahr mehrfach bewiesen, daß er bei Menschenrechtsverletzungen nicht schweigt. Er hat den Einsatz von Giftgas im Golfkrieg und gegen die Kurden verurteilt. Er hat auf die drohende Zerstörung rumänischer Dörfer aufmerksam gemacht. Er hat den Irak aufgefordert, den in Nachbarländer geflüchteten Kurden die Rückkehr zu ermöglichen. Er hat sich für die Sharpville-Six eingesetzt und zu ihrer Begnadigung beitragen können.
Wenn wir Menschenrechtsverletzungen in Ländern feststellen, die uns besonders eng verbunden sind,
mag es schwerfallen — und das fiel auch heute morgen auf — , die Dinge beim Namen zu nennen. Aber zur Freundschaft gehört Offenheit. So haben wir hier wiederholt unsere Sorgen über die immer wieder zu verzeichnenden Menschenrechtsverletzungen in türkischen Gefängnissen zum Ausdruck gebracht. Wir haben aber auch Verständnis für die trotz positiver Entwicklung der letzten Jahre immer noch vorhandenen Schwierigkeiten in der Türkei, die ja nicht vergleichbar ist mit einem Land, mit einer Geschichte wie sie etwa andere europäische Staaten aufweisen. Wir beobachten mit Genugtuung, daß dort zumindest das Bewußtsein dafür wächst, daß stärkere Integration in den europäischen Einigungprozeß die Beachtung europäischer Rechtsüberzeugungen voraussetzt.
Auch unsere engen freundschaftlichen Beziehungen zu Israel, meine Damen und Herren, das seinem Selbstverständnis nach an europäischen Maßstäben zu messen ist, hat uns nicht zu Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten schweigen lassen. Gestern vor genau einem Jahr begann im Westjordanland und im Gazastreifen der bis heute anhaltende Aufstand vorwiegend junger Palästinenser, die für ihre Zukunft in den von Israel besetzten Gebieten keine Perspektive mehr sehen. Das Aufbegehren der Bevölkerung hat nichts zu tun und nichts gemein — und darauf hat der Bundesminister des Auswärtigen vor diesem Hause bereits am 11. März dieses Jahres hingewiesen — mit den Kommando- und Terroraktionen extremistischer Gruppen, die sich gegen den Staat Israel und seine Bürger richten und die wir immer und stets verurteilt haben. Diese Erhebung aus Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit hat große Teile der palästinensischen Bevölkerung erfaßt. Sie hat mehrere hundert Tote und verletzte Jugendliche gefordert und andere sehr schlimme Folgen gehabt.
Wir unterstützen unsere Freunde in Israel, die sich um den Weg ihres Landes sorgen. Wir erwarten von der künftigen israelischen Regierung, daß sie den wiederholten Appellen der Europäischen Gemeinschaft und der Vollversammlung der Vereinten Nationen endlich Gehör schenkt und die Menschenrechte in den besetzten Gebieten respektiert.
Die Menschenrechtslage im Iran gibt uns Anlaß zu großer Sorge.