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    Plenarprotokoll 11/49 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 49. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 Inhalt: Nachruf auf das verstorbene Mitglied des Deutschen Bundestages Dr. h. c. Peter Lorenz 3399 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 3399C, 3440 D Absetzung des Punktes 20a von der Tagesordnung 3400 A Tagesordnungspunkt 16: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Die Reform der Strukturfonds (Drucksachen 11/929 Nr. 2.3, 11/1209) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Mitteilung der Kommission über die Haushaltsdisziplin (Drucksachen 11/929 Nr. 2.2, 11/1211) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Zweite Änderung des Vorschlags für eine Verordnung (EGKS — EWG — EURATOM) des Rates zur Änderung der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 für den Haushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen 11/929 Nr. 2.5, 11/1212) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Sitzung des Europäischen Rates am 29./30. Juni 1987 in Brüssel (Drucksachen 11/523, 11/1293) Dr. Kohl, Bundeskanzler 3400 C Dr. Vogel SPD 3406 D Rühe CDU/CSU 3412D Dr. Mechtersheimer GRÜNE 3418D Mischnick FDP 3421 B Frau Wieczorek-Zeul SPD 3424 B Frau Geiger CDU/CSU 3427 A Frau Beer GRÜNE 3429 C Genscher, Bundesminister AA 3432 B Dr. Spöri SPD 3435 D Bohl CDU/CSU 3438 C Erler SPD 3441A Lintner CDU/CSU 3442 C Frau Flinner GRÜNE 3444 B Frau Würfel FDP 3445 D Dr. Gautier SPD 3447 B Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 3449 C Brück SPD 3451A Becker (Nienberge) SPD (zur GO) 3452 B Seiters CDU/CSU (zur GO) 3452 C Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) 3452 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10, Dezember 1987 Namentliche Abstimmung 3454 A Ergebnis 3482 D Tagesordnungspunkt 17: a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Kohlevorrangpolitik (Drucksache 11/958) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung Zustimmungsbedürftige Verordnung über den Prozentsatz der Ausgleichsabgabe nach dem Dritten Verstromungsgesetz für das Jahr 1988 (Drucksachen 11/1350, 11/1446) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags des Abgeordneten Stratmann und der Fraktion DIE GRÜNEN: Umbaukonzept für die heimische Steinkohle (Drucksache 11/1476) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerstein, Wissmann, Dr. Lammert, Müller (Wadern) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Baum, Beckmann, Dr. Graf Lambsdorff, Dr. Hirsch, Dr. Hoyer, Dr.-Ing. Laermann, Möllemann, Frau Würfel und der Fraktion der FDP: Förderung der deutschen Steinkohle (Drucksache 11/1485) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Solidarität mit dem Widerstand der Bergleute und Stahlarbeiter gegen Arbeitsplatz- und Standortvernichtung (Drucksache 11/1511) Meyer SPD 3455 B Gerstein CDU/CSU 3458 C Stratmann GRÜNE 3460 C Beckmann FDP 3463 A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 3464 C Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 3468A, 3478 C Schreiber CDU/CSU 3472 A Jung (Düsseldorf) SPD 3473 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 3475A, 3478 D Hinsken CDU/CSU 3476 B Dr. Lammert CDU/CSU 3479 A Namentliche Abstimmungen 3479D, 3480A Ergebnisse 3484B, 3485 D Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Beck-Oberdorf und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Finanzierung empfängnisverhütender Mittel durch die Krankenkassen (Drucksache 11/597) Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 3480 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 3488 A Kirschner CDU/CSU 3489 B Frau Würfel FDP 3490 C Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 3491 C Tagesordnungspunkt 19: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu der Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten: Jahresbericht 1986 (Drucksachen 11/42, 11/1131) Weiskirch, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 3492 A Heistermann SPD 3494 B Breuer CDU/CSU 3498 A Frau Schilling GRÜNE 3501 B Nolting FDP 3503 C Leidinger SPD 3505 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 3509 B Leidinger SPD (Erklärung nach § 30 GO) 3512B Vizepräsident Cronenberg 3510D, 3512 C Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1988 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1988) (Drucksachen 11/1000, 11/1431) Niegel CDU/CSU 3512D, 3520A Müller (Pleisweiler) SPD 3514 B Funke FDP 3516B Sellin GRÜNE 3517 B Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär BMWi 3518 C Pfuhl SPD 3519 B Tagesordnungspunkt 20 b: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Ernährungssicherung in Hungerregionen (Drucksachen 11/946, 11/1501) in Verbindung mit Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 III Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: Ernährungssituation in Äthiopien (Drucksache 11/1482) Höffkes CDU/CSU 3520 C Frau Eid GRÜNE 3521 D Frau Folz-Steinacker FDP 3523 D Großmann SPD 3525 C Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär BMZ 3527 A Nächste Sitzung 3528 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 3529* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3399 49. Sitzung Bonn, den 10. Dezember 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung 48. Sitzung, Seite IV, linke Spalte: Statt „ZusFr Frau Bulmahn GRÜNE" ist „ZusFr Frau Bulmahn SPD" zu lesen. Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 11. 12. Dr. Ahrens * 11. 12. Andres 11. 12. Bahr 11. 12. Frau Becker-Inglau 11. 12. Frau Beck-Oberdorf 11. 12. Frau Blunck * 11. 12. Böhm (Melsungen) * 11. 12. Frau Brahmst-Rock 11. 12. Brandt 10. 12. Dr. Briefs 11. 12. Büchner (Speyer) * 11. 12. Dr. von Bülow 11. 12. Frau Fischer * 11. 12. Dr. Friedrich 11. 12. Frau Ganseforth 11. 12. Dr. von Geldern 10. 12. Glos 11. 12. Dr. Glotz 11. 12. Grünbeck 11. 12. Haack (Extertal) 11. 12. Frau Dr. Hellwig 11. 12. Frau Hoffmann (Soltau) 11. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Hürland-Büning 11. 12. Jaunich 10. 12. Frau Kelly 11. 12. Kittelmann * 11. 12. Kolb 11. 12. Kreuzeder 11. 12. Lemmrich * 11. 12. Frau Luuk * 11. 12. Dr. Mahlo 11. 12. Marschewski 11. 12. Dr. Mertens (Bottrop) 11. 12. Dr. Möller 11. 12. Dr. Müller * 11. 12. Dr. Neuling 11. 12. Frau Oesterle-Schwerin 11. 12. Frau Olms 11. 12. Oswald 11. 12. Petersen 11. 12. Poß 10. 12. Rauen 11. 12. Dr. Schmude 10. 12. von Schmude 11. 12. Schröer (Mülheim) 10. 12. Schulze (Berlin) 11. 12. Frau Seuster 11. 12. Frau Dr. Timm * 11. 12. Frau Trenz 11. 12. Frau Vennegerts 11. 12. Dr. Warnke 11. 12. Wieczorek (Duisburg) 11. 12. Würtz 11. 12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Martin Bangemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte in dieser Debatte, die sich ja um den aktuellen Bedarf beim Verstromungsfonds dreht, zunächst noch einmal bestätigen, daß wir von unveränderten Grundlagen unserer Kohlepolitik ausgehen. Der Verstromungsvertrag wird bis 1995 gelten. Der laufende und ab 1989 der neue Hüttenvertrag sowie die Flankierung des Anpassungsprozesses sind für uns nach wie vor verbindlich. Wir werden diese Politik gerade auch aus der Überlegung heraus fortsetzen, daß — wie schon verschiedene Redner gesagt haben — die deutsche Steinkohle in der Tat der einzige nennenswerte heimische Energieträger ist und wir aus Gründen der Versorgungssicherheit auf diese Energie nicht verzichten wollen. Aber ich habe auch schon bei verschiedenen anderen Gelegenheiten gesagt, daß sich diese Politik in die Wirtschafts- und Finanzpolitik einpassen muß und daß man berücksichtigen muß, daß die unvermeidlichen Lasten, die mit dieser Energiesicherungspolitik verbunden sind, nicht so hoch und so untragbar werden dürfen, daß sie andere wirtschaftspolitische Ziele beeinträchtigen.

    (Lennartz [SPD]: Siehe Landwirtschaft!)

    — Das gilt auch für die Landwirtschaft. Auch dabei handelt es sich um eine Art von Sicherung der Lebensgrundlagen. Auch das kostet Geld. Das ist hier bei den Beträgen auch immer genannt worden.
    Wenn ich die Beträge genannt habe und hier noch einmal nenne, dann nicht deswegen, weil ich das nicht weiter verantworten will, sondern deswegen, weil wir in dem Abbau von Überkapazität auch eine vernünftige volkswirtschaftliche Begrenzung dieser Lasten sehen müssen. Bund und Länder geben im Jahr einschließlich des Kohlepfennigs 10 Milliarden DM für die Sicherung des Steinkohlebergbaus aus. Es kommen die Leistungen hinzu, die wir immer wieder
    — auch in den jüngsten Tagen — für die Unternehmen selber erbracht haben.

    (Abg. Dr. Jens [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Herr Jens, ich möchte im Zusammenhang vortragen, weil ich das Gefühl habe, daß es Ihnen guttut, wenn Sie diese Fakten im Zusammenhang zur Kenntnis nehmen.

    (Dr. Jens [SPD]: Das ist nicht zu ertragen, Herr Minister!)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Es ist keine Zusatzfrage zugelassen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Martin Bangemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Wir haben erst jüngst in den Haushaltsberatungen beispielsweise eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 1 Milliarde DM zur Absicherung des Unternehmens Ruhrkohle vereinbart und beschlossen. Wir haben im vergangenen Haushaltsjahr — das werden
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3465
    Bundesminister Dr. Bangemann
    wir auch im nächsten Haushaltsjahr tun — den EBV bei Betriebsverlusten entlastet.
    Wir unterstützen also nicht nur die Verstromung der Kohle und die Verhüttung der Kohle, sondern wir tragen auch dazu bei, daß Betriebsverluste abgedeckt werden.
    Man kann nun wirklich nicht sagen, daß das keine Leistungen des Bundes sind. Deswegen ist es wichtig, daß wir auch gemeinsam den Anpassungsprozeß bewältigen; denn Überkapazitäten, die bestehen, gefährden im Kern diese Kohlepolitik, die wir ja weiter betreiben wollen.

    (Gerstein [CDU/CSU]: Das ist das eigentliche Problem!)

    Überkapazitäten kann man nicht rechtfertigen, am wenigstens unter dem Gesichtspunkt der Energiesicherung.

    (Dr. Daniels [Regensburg] [GRÜNE]: Und was ist mit den Atomkraftwerken?)

    Das weiß auch jeder. Morgen wird man in der Kohlerunde von Erkenntnissen ausgehen, die sich vielleicht noch marginal voneinander unterscheiden. Man wird von einer Überkapazität von 13, 14 oder 15 Millionen t ausgehen. Diese Unterschiede beruhen im übrigen auf unterschiedlichen Einschätzungen und nicht auf einer anderen Einschätzung der Lage insgesamt. Von dieser Überkapazität gehen morgen alle aus.

    (Stratmann [GRÜNE]: Legen Sie die AKWs still, dann haben Sie keine mehr!)

    Ich habe neulich bereits in einer Diskussion in Haltern gesagt: Ich finde es nicht angemessen und im übrigen auch gar nicht nützlich für die Lösung der Probleme, die Herr Meyer mit Recht beschrieben hat, daß so getan wird, als bemühten sich die Bundesregierung — insbesondere der Bundeswirtschaftsminister — und die Regierungskoalition darum, eine Veränderung der Kohlepolitik vorzunehmen, daß sie nun aber auf den entschlossenen Widerstand der SPD und der IGBE stießen.
    Das ist ja nicht so, Herr Meyer; Sie wissen das auch. Ich nehme es Ihnen auch nicht übel, daß Sie es hier nicht so offen gesagt haben.

    (Dr. Vogel [SPD]: Gnädig!)

    Sie haben hier als Mitglied einer Oppositionsfraktion gesprochen. Ich anerkenne das. Sie haben dort eine andere Rolle zu übernehmen. Das ist auch in Ordnung.
    Aber wir werden morgen bei der Kohlerunde sehen, daß wir diesen Anpassungsprozeß gemeinsam bewältigen können und bewältigen müssen.

    (Lennartz [SPD]: In welcher Eigenschaft sprechen Sie hier, als Minister oder als Parteivorsitzender?)

    Strukturelle Absatzeinbußen kann man nicht bestreiten. Wir haben Absatzeinbußen bei der europäischen Stahlindustrie und damit natürlich auch bei der deutschen Stahlindustrie. Wir werden uns morgen mit diesem Problem zu befassen haben. Daß das einen nachlassenden Bedarf an Kokskohle bedeutet, ist jedermann klar. Allein die Nachfrage der deutschen Stahlindustrie hat seit 1985 um mehr als 4 Millionen t nachgelassen. Insgesamt beträgt der Absatzrückgang, wenn man den Wärmemarkt und die anderen Möglichkeiten des Absatzes einbezieht, rund 12 Millionen t.
    Meine Damen und Herren, diese Entwicklung ist nicht konjunkturell verursacht — sonst könnte man das zwei, drei Jahre aufhalten —, sondern sie ist durch einen strukturellen Kapazitätsüberhang bedingt.

    (Zurufe von der SPD)

    — Ich bin ja für vieles verantwortlich. Ich übernehme auch einiges, wofür ich nicht verantwortlich bin, damit Sie immer einen Menschen haben, auf den Sie einschlagen können.

    (Dr. Vogel [SPD]: Sie Armer, mir kommen die Tränen! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Daß ich aber für diesen Anpassungsbedarf veranwortlich bin, das ist nun zuviel.

    (Zurufe von der SPD)

    — Es ist ja das Problem, daß man in einer solchen schwierigen Diskussion, in der man eigentlich damit rechnen müßte, daß jeder sich entweder sachkundig macht oder, wenn er schon sachkundig ist, es nicht vergißt, sich immer wieder mit Argumenten auseinandersetzen muß, die eigentlich nur dem politischen Kampf entstammen, aber nicht der Bereitschaft, eine Lösung zu finden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Auch die Unternehmen wissen seit Jahren, daß die Subventionen insbesondere für die Kokskohlenexporte in der Höhe angepaßt werden müssen. Daß das nicht mit Energiesicherung begründet werden kann, sollte doch wohl hoffentlich klar sein. Wir geben jährlich 800, 900 Millionen DM für die Subventionierung von Exporten von Kokskohle in andere Länder aus. Das kann ja wohl kein Beitrag zur Energiesicherung sein. Dieses Geld — da haben doch die Kollegen aus der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion recht — fehlt uns dann für den Umstrukturierungsprozeß. Es ist doch nicht sinnvoll, Geld für etwas auszugeben, was wirtschaftlich überhaupt keinen Sinn macht, Arbeitsplätze künstlich zu erhalten, die sowieso wegfallen, anstatt das Geld zu nehmen, dafür dann andere Arbeitsplätze zu schaffen oder mindestens dabei zu helfen, daß sie entstehen können.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von den GRÜNEN)

    Deswegen müssen wir diese Überkapazität zurückführen, und das werden wir morgen, wie ich hoffe, einverständlich machen. Wir werden den Prozeß zeitlich so strecken, daß dabei auch eine sozial verträgliche Lösung erreicht werden kann. Wir dürfen letztlich auch nicht übersehen, daß wir mit dieser Politik im Augenblick noch im Windschatten dessen leben, was ich in der Europäischen Gemeinschaft erreicht habe: Vor zweieinhalb Jahren war nämlich die Europäische Gemeinschaft dabei, eine ganz andere Kohlepolitik zu formulieren, die unsere Unterstützung völlig unmöglich gemacht hätte. Ich habe mich damals mit
    3466 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
    Bundesminister Dr. Bangemann
    Erfolg dafür eingesetzt, daß das geändert worden ist, so daß wir das, was wir hier machen, bis 1992 überhaupt fortsetzen können. Aber auch das nehmen Sie ja nicht zur Kenntnis.
    Deswegen sollten wir auch nicht übersehen, daß wir mit dieser Kohlepolitik einen Anpassungsprozeß betreiben müssen, um die internationale Kritik, die mit Sicherheit nach diesem Zeitraum wieder beginnen wird, auffangen zu können. Meine Damen und Herren, ich empfinde es als Pflicht eines Mitglieds der Bundesregierung, solche Wahrheiten auszusprechen und danach zu handeln. Am wenigsten ist den Bergleuten und den Regionen damit geholfen, daß man die Augen aus Angst vor der Entwicklung verschließt und Zukunftsperspektiven vorgaukelt, die überhaupt nicht bestehen.
    Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat uns dazu gebracht, diesen Vorschlag zu machen, den wir heute hier diskutieren. Es ist völlig klar, und jedermann weiß das: Wenn wir, gemessen an den eigentlichen Kosten, den Kohlepfennig festlegen wollten und müßten, müßte er weitaus höher angesetzt sein. Das war übrigens auch im vergangenen Jahr schon so, Herr Meyer. Das wissen auch Sie sehr genau. Wir haben das im vergangenen Jahr nur noch dadurch überspielen können, daß wir das Kreditvolumen des Verstromungsfonds auf 2 Milliarden DM erhöht haben und daß wir — wie auch in diesem Jahr — eine Bugwelle vor uns herschieben, die aus einer vernünftigen, einvernehmlichen Regelung mit EVUs entstanden ist.
    Ich senke den Kohlepfennig, und zwar aus zwei Gründen. Erstens — das hat Klaus Beckmann hier schon deutlich gesagt — : Wir hätten — ich habe vorher selbstverständlich versucht, herauszufinden, wofür Mehrheiten vorhanden sind — eine Mehrheit für einen anderen Kohlepfennig nicht gehabt.
    Das folgende hören Sie nicht gern — ich weiß das, und ich verstehe auch, daß Sie das nicht gerne hören — : Wenn Sie eine Landesregierung — ich nehme nur einmal ein Land — politisch mit dem, was diese Landesregierung in der Kernenergie macht, vorführen und dann gleichzeitig erwarten, daß die Abgeordneten dieses Landes in diesem Hause dafür stimmen, daß der Kohlepfennig noch höher angesetzt wird, der übrigens die revierfernen Länder im nächsten Jahr stärker belasten wird als die Revierländer, dann können Sie sich doch ausmalen, daß Sie das Schicksal der Steinkohle mutwillig mit Ihrer Politik mehr gefährden, als jeder andere es tun könnte. Das ist das Problem.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    — Da gibt es gar nichts zu lächeln, Herr Lafontaine. Ich kann auch Sie einmal als Beispiel für eine Kohlepolitik nehmen, die geradezu unverständlich geworden ist.

    (Gerstein [CDU/CSU]: So ist es! Traurige Wahrheit, leider!)

    Die IGBE im Saarland fordert Sie auf, eine Grube zu schließen, die ganz offensichtlich betriebswirtschaftlich nicht mehr vernünftig betrieben werden kann. Die IGBE des Saarlandes hat eingesehen, daß die Schließung dieser Grube den Saarbergwerken insgesamt eine Zukunft, jedenfalls auf absehbare Zeit, sichern kann. Sie fordert Sie auf, sich daran zu beteiligen. Der Bund will sie schließen. Die Betriebsräte sind damit einverstanden.

    (Gerstein [CDU/CSU]: Nur der Herr Lafontaine nicht!)

    Jedermann sieht die Notwendigkeit ein, diese Grube zu schließen — nur der Herr Lafontaine nicht. Da muß man sich doch einmal fragen,

    (Stratmann [GRÜNE]: Wohin die IG Bergbau gekommen ist!)

    aus welchen Gründen eine solche Politik betrieben wird. Das kann doch nicht mehr eine vernünftige, auf Sicherung der Arbeitsplätze bedachte Politik sein. Das ist eine Politik des Wählerfangs, der Wählertäuschung. Das ist besonders schlimm, wenn es um Arbeitsplätze und Menschen geht.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    — Sie können das alles nachprüfen. Herr Lafontaine
    — „Genosse Lafontaine" kann ich nach seinen neuesten geistespolitischen Ausflügen ja nicht mehr sagen —

    (Dr. Vogel [SPD]: Das können Sie überhaupt nicht sagen, mein Lieber! Wo kämen wir denn da hin! — Weitere Zurufe von der SPD)

    wird ja hier gleich sprechen. Ich habe hier nur wiederholt, was in den Aufsichtsratssitzungen von Saarbergwerk traurige Wahrheit gewesen ist, und Herr Lafontaine kann sich ja dazu äußern. Wir werden auch über die Stahl-Behauptungen, die Sie in Ihrem eigenen Antrag aufstellen, morgen sehr lange und sehr gründlich diskutieren. Dann müssen Sie sich einmal anhören, was die Wahrheit ist und was Ihre Märchen sind, die Sie über die Wahrheit erzählen, obwohl Sie sehr genau wissen, daß es anders ist.

    (Gerstein [CDU/CSU]: Unterstellungen!)

    Wir werden die Kapazitätsanpassungen schrittweise durchführen. Wir werden sie auch mit einer aktiven Regionalpolitik begleiten. Wir werden uns nicht darauf beschränken, daß die sozialen Leistungen länger gewährt werden. Aber ich bitte auch, das nicht geringzuachten. Auch diese Debatte der vergangenen Tage war unerträglich. Wenn das, was eine große Leistung der IG Metall, der Wirtschaftsvereinigung, der Bundesregierung und der Landesregierungen beim Stahl war, als Almosen bezeichnet wird,

    (Beckmann [FDP]: Unglaublich!)

    was soll man denn dann überhaupt noch machen, um den Menschen zu helfen? Merken Sie denn nicht, wohin Sie sich verstiegen haben

    (Zurufe von der SPD: Wir?)

    und was Sie da anrichten?

    (Dr. Vogel [SPD]: Das ist doch die Höhe!) Das ist unglaublich.


    (Dr. Vogel [SPD]: Kommen Sie einmal wieder runter!)

    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3467
    Bundesminister Dr. Bangemann
    Wir bemühen uns, mit Einsatz von viel Geld den Prozeß sozial erträglich zu machen und zu flankieren. Wir werden viel Geld — und zwar gern — in der Regionalpolitik für die Schaffung neuer Arbeitsplätze ausgeben.

    (Zurufe von der SPD: Wo denn? Was denn?)

    Aber das alles wird nur dann gehen, wenn man den Versuch macht, wirklich bei der Wahrheit zu bleiben.

    (Beifall bei der FPD und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Natürlich — das weiß auch ich, Herr Meyer — sind wir mit dieser Festsetzung, die wir beim Kohlepfennig treffen, nicht am Ende der Verhandlungen mit den Energieversorgungsunternehmen. Das ist richtig.
    Sie wissen auch, daß diese Herren, die übrigens in ihren Entscheidungen nicht unbedingt frei sein müssen — sie können ja von Kommunen und Ländern auch einmal beeinflußt werden; da könnten Sie ja einmal versuchen, Ihren politischen Einfluß auszuüben — , einen Grundsatz des römischen Rechts sehr gut hersagen können: „pacta sunt servanda" , aber den anderen Grundsatz, daß man auf veränderte Umstände eingehen muß, nicht kennen.
    Man muß doch der Bundesregierung zugestehen, daß sie darauf verweist, daß sich die Voraussetzungen für die Bezuschussung der Verstromung von Kohle fundamental verändert haben und daß sich für den Bezug auf den Ölpreis aus mehreren Gründen die Grundlage verändert hat: wegen der gesunkenen Ölpreise und wegen des gesunkenen Dollarkurses, aber auch aus dem Grund, weil dieser Bezug ja im Grunde genommen fiktiv geworden ist, soweit und solange Energieversorgungsunternehmen nur noch beschränkt Öl zur Erzeugung von Elektrizität einsetzen. Das trifft für einige zu. Für die große Zahl trifft es nicht zu. Wenn die Bundesregierung dann sagt, diese veränderten Umstände müsse man berücksichtigen, so ist das, glaube ich, nicht mehr als angemessen und gerecht. Das sollten auch die EVUs im Interesse einer gemeinsamen Kohlepolitik einsehen. Im übrigen würden sie es um so mehr einsehen, wenn wir wenigstens an einem Strang zögen und wenn Sie nicht hier diese Position der EVUs auch noch politisch unterstützen würden, sondern mit uns zusammen diesen Sachverhalt deutlich machen und auf die EVUs einwirken würden, und zwar gerade da, wo Sie das politisch können. Dann wäre die Ausgangslage wesentlich günstiger, als sie heute ist.

    (Gerstein [CDU/CSU]: Das ist wohl wahr!)

    Aber ich werde mich bemühen — mit der Festsetzung auf 7,25 % haben wir das nächste Jahr gewonnen —, auch dieses Problem zu lösen. Ich bin ganz sicher, daß wir es lösen können. Wir werden auch den Solidaritätsbeitrag der Elektrizitätswirtschaft sowie den der revierfernen Länder brauchen. Zu diesem Solidaritätsbeitrag gehört aber auch, daß ein energiepolitisches Interesse der revierfernen Länder an der Nutzung sowohl der Kernenergie als auch der Kohle weiterhin vorhanden ist.
    Das, meine Damen und Herren, sind die Voraussetzungen, von denen wir ausgehen. Diese Voraussetzungen kann niemand ändern. Das ist ja das Drama: Der Rückgang der Nachfrage im Bereich Stahl, im Wärmemarkt, die Unmöglichkeit, Kohleexporte weiter zu subventionieren, lassen sich von niemandem zurückdrehen. Deswegen müssen wir die Kapazitätsanpassung bewältigen. Wir können sie ohne Schaden für die Menschen bewältigen, wenn sich eine gewisse Einigkeit aller Beteiligten herstellen läßt:

    (Stratmann [GRÜNE]: Werden Sie nicht kriegen!)

    nicht nur über die Notwendigkeit dieses Anpassungsprozesses, sondern auch über die Maßnahmen, die dabei eingesetzt werden müssen. Und ich wiederhole: Das sind nicht nur soziale Maßnahmen, sondern das werden auch gezielte Programme sein, die in den betroffenen Regionen Förderbedingungen schaffen, bei denen neue Arbeitsplätze entstehen können. Aber
    — das sage ich hier auch mit ganz großem Nachdruck — weder die Bundesregierung noch die Landesregierungen können solche Ersatzarbeitsplätze schaffen. Das muß von Firmen, Unternehmen, insbesondere auch von kleinen und mittleren Unternehmern, getan werden, die die öffentliche Förderung zwar sicherlich als Unterstützung begreifen werden, die aber immer noch einen eigenen Entschluß zur Investition und zum Investitionsstandort fassen müssen. Sie haben die freie Wahl, sie müssen nicht in die Kohleregionen gehen, sie können woanders hingehen. Ich bitte doch nun darum, daß man gemeinsam
    — auch die dort betroffenen Menschen, deren Erregung ich verstehen kann, aber vor allen Dingen die dort politisch Verantwortlichen, die diese Erregung nicht nur verstehen, sondern auch begreifen sollten, daß jemand dann, wenn er in der Erregung dazu beiträgt, daß die Attraktivität eines solchen Ortes für Investitionen nachläßt, dessen Zukunft damit verspielt
    — Besonnenheit an den Tag legt.

    (Anhaltende Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, tragen Sie dazu bei, daß das Ruhrgebiet ein attraktiver Investitionsstandort bleibt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Dann soll der Herr Cromme nicht solche Schweinereien machen! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Ein Investitionsstandort, der attraktiv sein will, darf nicht brennen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich habe das hier jetzt schon oft gehört, ich habe das in manchen Debatten gehört: Wenn die Ruhr brennt, reicht das Wasser des Rheins nicht aus, um den Brand zu löschen. Das ist sicher richtig.

    (Stratmann [GRÜNE]: Dann tun Sie etwas dagegen!)

    Aber tragen wir alle dazu bei, Herr Stratmann, daß die
    Ruhr nicht brennt! Denn wenn das eintritt, dann können wir soviel Geld zur Verfügung stellen, wie wir
    3468 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
    Bundesminister Dr. Bangemann
    wollen, dann wird kein einziger Arbeitsplatz dort geschaffen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Wer zündelt denn? — Weitere lebhafte Zurufe von der SPD — Stratmann [GRÜNE]: Sie kippen immer Öl ins Feuer! — Glocke des Präsidenten)

    Die Verantwortung dafür ist nicht allein eine Verantwortung der Regierung oder der sie tragenden Parteien. Das ist auch Ihre Verantwortung. Und ob Sie sich ihr gerecht erweisen, da habe ich meine großen Zweifel.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Erneute lebhafte Zurufe von der SPD)