Rede von: Unbekanntinfo_outline
Was gedenken Sie zu tun, um den weiteren Marsch in den Protektionismus zu stoppen und unser vitales nationales Interesse an offenen Weltmärkten zu sichern?
Wenn Sie, Herr Waigel, sagen, wir möchten da mit unseren sozialistischen Freunden in Frankreich sprechen, dann will ich Ihnen einmal folgendes sagen: Die französischen Bemühungen, ihre Wirtschaft wieder anzukurbeln, verbunden mit dem von Ihnen bekämpften Europäischen Währungssystem, haben dazu geführt, daß in den ersten neun Monaten dieses Jahres der deutsche Handelsüberschuß nach Frankreich um 7,5 Milliarden DM zugenommen hat. Dies ist ein Beschäftigungsprogramm,
das wir als Nutznießer der französischen Ankurbelungspolitik gewissermaßen frei Haus geliefert bekommen haben, und ich frage mich, wie weit die Franzosen dies uns gegenüber noch weitermachen können.
Herr Waigel, ich kann nur lachen, wenn Sie sagen, die gute wirtschaftliche Lage von BMW sei ein Verdienst der bayerischen Staatsregierung. Die Ausfuhr von BMW-Wagen nach Frankreich ist im letzten Jahr um 40 % angestiegen, und da liegt der Grund für die gute Beschäftigung.
Das ist ein Verdienst der Politik der französischen Regierung und nicht der bayerischen Staatsregierung.
Da muß der Bundeskanzler aktiv werden, und das kann niemand anders machen. Ich frage mich: Hat er, als die GATT-Konferenz zu diesem Ergebnis führte, wirklich mit den Regierungschefs und Staatsoberhäuptern gesprochen, hat er sich eingeschaltet, hat er erkannt, daß wir ein vitales Interesse daran haben, daß der Welthandel frei bleibt?
Die Berichte über die Tagung des Europäischen Rats, wobei man auch gern etwas darüber wissen
möchte, was da beschlossen worden ist, um den Protektionismus abzubauen und keinen neuen gegenüber dem Rest der Welt einzuführen, werfen auch finanzpolitische Fragen auf. Wir begrüßen es ausdrücklich, daß der Bundeskanzler in der Frage des Eintritts von Spanien und Portugal in die Europäische Gemeinschaft eine so klare und eindeutige Haltung einnimmt. Wir werden ihn in dieser Frage unterstützen. Aber wie wollen Sie, Herr Bundeskanzler, den Widerspruch lösen zwischen Ihrer Absicht, an der Beschränkung der Mehrwertsteuerablieferung an die EG auf maximal 1% der Bemessungsgrundlage festzuhalten, und unserem gemeinsamen Interesse, Spanien und Portugal möglichst bald in die EG aufzunehmen? Das müßte man einmal konkret hören. Wie und mit welchen Mitteln wollen Sie ein Durchstoßen dieser Ein-ProzentGrenze als Folge eines unkontrollierten Anstiegs der Agrarmarktausgaben verhindern, was schon ohne weitere Beitritte für 1983 eine reale Möglichkeit ist?
Ich frage die Bundesregierung — ich bitte um Auskunft an die Opposition —: Werden Sie sich, Herr Bundeskanzler, gemeinsam mit dem Kanzlerkandidaten der SPD, Hans-Jochen Vogel, für einen Beschäftigungspakt der großen Industriestaaten einsetzen?
Was werden Sie tun für eine gemeinsame beschäftigungsorientierte und investitionsfördernde Finanz-und Geldpolitik der Industrieländer, einen Währungsverbund, in dem auf Abwertungen zur Verbesserung der eigenen Ausfuhr verzichtet wird, eine Geldpolitik, die ein niedriges Zinsniveau in allen Teilnehmerländern ermöglicht, eine gegen den Protektionismus gerichtete Politik, die den Austausch von Gütern und Dienstleistungen, von Kapital und technischem Wissen nicht behindert, sondern weiter verstärkt? Werden Sie sich dafür einsetzen, daß die wirklichen Ursachen der Krise beseitigt werden, oder glauben Sie tatsächlich an Ihre eigene Wahlpropaganda?
Wie soll es bei uns in der Bundesrepublik weitergehen? Es besteht rein verbale Übereinstimmung zwischen den Parteien, daß wir uns nicht passiv mit Stagnation und zunehmender Arbeitslosigkeit abfinden wollen, daß wir eine neue Wachstumsdynamik durch mehr Wettbewerb, durch Unternehmensgründungen, durch Innovationen, technischen Fortschritt und neuartige Lösungen, aber auch durch besseres und umweltfreundliches Wachstum suchen, daß dies alles nicht allein vom Staat gemacht werden kann, daß der Erfolg des Wirtschaftens von Leistung und Geschick aller am wirtschaftlichen Geschehen Beteiligten abhängt und daß man dabei die Regelmechanismen des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs eine wesentliche Rolle spielen lassen muß.
Eine Wachstumsoffensive, eine zukunftsgerichtete Politik darf aber auf gar keinen Fall mit der
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982 8707
Matthöfer
Kürzung von Ausgaben für Bildung, Wissenschaft und Forschung beginnen.
Die Ausbildung junger Menschen, ihre Vorbereitung für die Anforderungen des Arbeitsmarktes nicht nur der 90er Jahre, sondern auch darüber hinaus ist die wichtigste Zukunftsinvestition. Kürzungen hier sind keine Antworten auf unsere Probleme. Sie schaffen Probleme.
Wir können nicht kritisieren, daß der Ergänzungshaushalt keine neuen Konzepte der sozialen Sicherheit ausweist. Wir alle stehen erst am Anfang beim Überdenken der Frage, wie in Zukunft bei schwierigeren Wachstumsbedingungen, vielleicht längerfristig schwachen Wachstumsraten die Systeme der sozialen Sicherheit gestaltet werden können. Wir kritisieren allerdings, daß die CDU/CSU und die FDP, ohne ein solches Konzept zu haben, massive Eingriffe beschließen. Man hätte in ruhigeren Zeiten zwischen allen Parteien diskutieren können,
wie ein Gleichklang zwischen der Entwicklung der Nettoeinkünfte der Erwerbstätigen und der Rentner hergestellt werden kann.
Die CDU/CSU hat bis zuletzt daran festgehalten, daß es bei der Bruttoanpassung bleiben müsse. Ihre merkwürdige Erblasttheorie wird nicht durch die Art und Weise glaubwürdiger,
in der Sie das zeitweilige Aussetzen der Bruttoanpassung publizistisch begleitet haben.
Ich bin mir sehr wohl bewußt, wie schwierig es ist, Anforderungen an den Bundeshaushalt auf ein finanzpolitisch vertretbares Maß zurückzudrängen. Es hat aber auf Dauer keinen Sinn, in einer sachlich nicht überzeugenden Weise in Systeme einzugreifen, nur, um kurzfristig Einsparungserfolge zu erzielen, die sich nachher als nur scheinbar erweisen.
Mit Kürzungen bei landwirtschaftlichen Sozialleistungen z. B. kommen wir dem Ziel einer weniger subventionierten, marktwirtschaftlich organisierten Marktwirtschaft keinen Schritt näher. Dies setzt nämlich Änderungen der Marktordnungen der Europäischen Gemeinschaft voraus.
Ich kann aber auch nicht erkennen, daß die andere Seite der Umstrukturierung, die Verstärkung der wachstumsfördernden, der innovativen und investiven Ausgaben in diesem Ergänzungshaushalt berücksichtigt sind. Im Gegenteil: Wir stellen bei einer Reihe von Titeln für investive Ausgaben unvertretbare Kürzungen fest. Wenn Sie etwa Mittel für Kohleheizwerke, Fernwärme und Kohleveredelung streichen, fällt der Anspruch der Umstrukturierung des Haushalts völlig in sich zusammen. Wo sonst denn, wenn nicht bei der Energie-Infrastruktur, kann die öffentliche Hand produktive Zukunftsinvestitionen leisten?
Ein besonderes Beispiel Ihrer arbeitsplatzgefährdenden und vergangenheitsorientierten Politik ist die Politik der Regierung auf dem Gebiet der Mikroelektronik. Die Zukunft vieler Arbeitsplätze und Unternehmen in der Bundesrepublik wird davon abhängen, ob wir auf diesem Gebiet erfolgreich sind. Das gilt für die Elektroindustrie wie für den Maschinenbau. Es gilt allgemein für unsere exportabhängige Wirtschaft.
Nun haben die frühere Opposition und die FDP in der Technologiepolitik noch nie ein klares Konzept erkennen lassen. Sie haben sich statt dessen darauf konzentriert, eine Bevorzugung der indirekten Förderung durchzusetzen. Gestern habe ich zu meinem Erstaunen gehört, daß der Herr Genscher die großartige Entwicklung der Mikroelektronik in den Vereinigten Staaten auf den Beitrag vieler kleiner Unternehmen zurückführt. Nun ist es zweifellos richtig, daß es dort viele kleine Unternehmen gibt. Aber weiß denn der Herr Genscher nicht, daß Voraussetzung für die Existenz dieser vielen kleinen Unternehmen viele, viele Milliarden Dollar aus dem Verteidigungshaushalt, aus dem Haushalt der amerikanischen Weltraumbehörde waren? Mit diesem Geld wurde das Entstehen der Mikroelektronik überhaupt erst möglich gemacht.
Die Behauptung, viele kleine Unternehmen trieben die Mikroelektronik voran, ist ein Beispiel für Ideologie im alten Marxschen Sinne — ein interessebedingtes, notwendigerweise falsches Bewußtsein von der Wirklichkeit. Es wird wirklich gefährlich, wenn ein solcher Mann in einer Schlüsselstellung im politischen Entscheidungsprozeß sitzt.
Ich hatte in den Koalitionsgesprächen nach der Wahl 1980 ein Mikroelektronik-Programm in Höhe von einigen hundert Millionen Mark mit steigender Tendenz vorgeschlagen. — Übrigens bitte ich dem Herrn Bundeskanzler zu sagen, daß beabsichtigt war, den Großteil davon nach Berlin zu bringen. Ich freue mich ja, daß er Investitionen nach Berlin lenken will.
Es wäre gut, wenn wir aus Berlin ein Zentrum der Mikroelektronik machen könnten.
Ich habe das als Forschungsminister, dann als Finanzminister, die Berliner haben dazu beigetragen.
Es wäre gut, wenn man weitermachen könnte. —
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Aber dieses Programm wurde von Herrn Genscher abgelehnt. „Wir haben doch nicht den Wahlkampf gegen die direkte und für die indirekte Forschungsförderung geführt, um jetzt dieses Programm zu beschließen", so hieß es. — Man weiß ja, wie ernst der Herr Genscher Wahlkampfaussagen nimmt.
Sind denn die technologischen Durchbrüche auf dem Gebiet der Mikroelektronik durch Marktnachfrage oder durch indirekte Forschungsförderung entstanden? Wenn ich jemals ein Beispiel für einen staatlich organisierten Technologie-Push gesehen habe, dann auf diesem Gebiet.
Heute erleben wir den für die deutsche Marktwirtschaft glorreichen Tag, an dem Grundig, eines der wenigen Beispiele erfolgreichen Unternehmerwirkens nach dem Zweiten Weltkriege, an einen französischen Staatskonzern verkauft werden soll. Und einer der für den Verkauf Verantwortlichen sagt: „Wenn ich heute die Frage höre, warum wir nicht an Deutsche verkauft haben, dann muß ich auch fragen: Was soll denn ein Unternehmer machen, wenn die Regierung unseres Landes die Entwicklung der Elektronik als Zuschauer betrachtet?" — Die neue Regierung hat die direkte Förderung der Elektronik, der Informations- und Kommunikationstechnik und der neuen Fertigungstechniken um 48 Millionen DM gekürzt. Gleichzeitig verstärkt die japanische Regierung ihre Anstrengungen, die USA zu überholen. 55 Milliarden Franc öffentlicher Mittel investiert die sozialistische Regierung Frankreichs in ihre Elektronikindustrie, um auf diesem strategischen Gebiet eine Schlüsselposition zu erlangen.
Da Sie die direkte Förderung als ersten Schritt zum Sozialismus für verwerflich halten, indirekte Förderung aber überaus teuer ist oder als feinverteilter Geldregen wirkungslos verpufft, auf keinen Fall so aber auf dem Gebiet der Mikroelektronik Durchbrüche erzielt werden können, schaut die Regierung der Bundesrepublik ohne eigene Initiativen zu, wie andere mit staatlicher Förderung an der deutschen Elektronikindustrie vorbeiziehen oder diese aufkaufen. Es lebe die abstrakte Marktwirtschaft! Wen interessieren die konkreten Arbeitsplätze deutscher Arbeitnehmer?
Noch haben wir die stärkste Elektronikindustrie in Europa. Aber wenn die Politik der neuen Regierung zu Ende geführt wird, dann wird sich diese Bastion nicht halten lassen.
Jetzt hören wir von der Verkabelung als Rettungsanker.
Verkabelung ohne Rücksicht auf Anschlußdichte und Rentabilität stürzt die Post in unverantwortliche Verlustgeschäfte. Volkswirtschaftlich und innovatorisch gewinnen wir durch Kupferverkabelung nichts. Die Behauptung, daß damit Innovationen ausgelöst werden könnten, halte ich für naiv. Welche Investitionen denn? Bei Koaxialkabeln gibt es nichts mehr zu erfinden. Die wesentlichen Kosten der Verkabelung mit Kupfer, 70 bis 80 %, fallen bei Verlegung und Montage an, d. h. dabei, Straßen und Wege aufzureißen, die Kabel zu verlegen und dann wieder zuzuschütten.
Gleichzeitig wird die Möglichkeit vertan, in die Technologien der Zukunft, in die optische Nachrichtentechnik, in digitalisierte, dienstintegrierte Netze, in neue Endgeräte, in Mobilfunk für große Teilnehmerzahlen oder neue Formen der geschäftlichen Kommunikation zu investieren.
Was tut denn die Rechtskoalition sonst noch zur Beschäftigungssicherung? Beim Hochschulbau haben wir weder konjunkturelle Wirkungen noch Wachstumsimpulse zu erwarten. Das gleiche gilt für den Rhein-Main-Donau-Kanal oder für ihre Autobahnpläne. Wann werden wir denn endlich erfahren, ob der Bundesverkehrsminister nun neue, unsinnige Straßenprojekte forcieren oder ob er wirklich nur alte Planungen ausführen will? Wie steht es denn eigentlich mit der Auflösung des Genehmigungsstaus bei den Kernkraftwerken? Wie viele Milliarden DM an Auftragsvolumen wollte Herr Dr. Dregger doch damals dadurch mobilisieren.
Darf man erfahren, welche Maßnahmen der neue Innenminister Zimmermann in den letzten 10 Wochen unternommen hat, um dieses angebliche Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung wegzuräumen?
Trifft es zu, daß er gar nichts unternommen hat, weil nichts zu unternehmen war, weil Sie und andere dem deutschen Volk Märchen erzählt haben, Herr Dr. Dregger?
Die weitere Aushöhlung der Gewerbesteuer, die von Ihnen beabsichtigt ist, begünstigt keineswegs den Mittelstand, wie auch der Wirtschaftsminister fälschlicherweise immer wieder behauptet; der ist weitgehend durch die hohen Freigrenzen freige-
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stellt. Sie bedeutet aber eine weitere Aushöhlung der Finanzautonomie der Gemeinden, von dem fast unlösbaren Finanzausgleichsproblem einmal abgesehen.
Es setzt schon einen starken Glauben in die eigene Propaganda voraus, die jetzt vorgeschlagene Umsatzsteuererhöhung als etwas Besseres darzustellen als die Steuererhöhung, die Sie noch im Mai abgelehnt haben.
Herr Stoltenberg sagt, er beabsichtige, aus Mitteln der Umsatzsteuererhöhung die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen zu fördern — das wollen wir auch; wir werden einen Gesetzentwurf einbringen.
Unser Vertrauen in Ihre zukünftige Gesetzesinitiative wird auch nicht größer, wenn wir hören, daß in Ihren Koalitionsvereinbarungen steht, daß nur eine Umschichtung innerhalb des 624-DM-Gesetzes beabsichtigt ist. Das wäre ein kostenneutrales Minimalkonzept, mit dem Sie das Verhalten der Tarifpartner nicht beeinflussen können; und darauf kommt es ja wohl an.
Ihre sogenannte Insolvenzrücklage ist konzeptionell völlig verfehlt und eine weitere Steigerung in der unseligen Verkomplizierung von Steuerrecht und Steuerverfahren. Es gibt überhaupt keine handhabbaren Abgrenzungskriterien, wann ein Unternehmen vom Konkurs bedroht ist. Das geplante Bescheinigungsverfahren ist reine Augenwischerei. Keine Behörde kann ein fundiertes und objektives Urteil über die Zukunftsaussichten eines Betriebes abgeben.
Wie soll denn das wohl aussehen!
Ihre sogenannte Investitionshilfeabgabe kann nur noch als Verirrung politischer Kompromißphantasie bezeichnet werden.
Meine Fraktion hat oft genug die soziale Unausgewogenheit eines angeblichen Solidarbeitrages der höheren Einkommensschichten deutlich gemacht, der dann nach drei Jahren zurückgezahlt werden soll.
Er ist auch deswegen sozial unausgewogen, weil Sie mit dem viel zu günstigen Investitionsquotienten von 20 % alle Unternehmenseigner, Selbständige, Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater völlig von dieser Ergänzungsabgabe ausnehmen. Das erklärt auch das niedrig geschätzte Aufkommen. Außerdem muß man ja das Ausweichverfahren dieser Gruppen wohl auch noch abwarten.
Ich wundere mich über die Bedenkenlosigkeit, mit der Sie sich über rechtliche Fragen hinwegsetzen. Die Regierung beschließt einen Gesetzentwurf, obwohl ihr eigener Justizminister zu Protokoll gibt, daß er ihn für rechtswidrig hält. In welche Lage, Herr Bundesfinanzminister, bringen Sie da den Bundespräsidenten?
Ihre Zwangsanleihe bürdet der ohnehin überlasteten Finanzverwaltung sinnlose bürokratische Mehrarbeit auf. Sie erhöhen die angeblich gefährliche und verfassungswidrige Staatsverschuldung — überdies mit extrem kurzer Laufzeit — und werden bis zum Bundesfinanzgericht zitiert werden und dann möglicherweise Ihre Zwangsanleihe umschulden müssen.
Ich fasse zusammen. Das fachliche Urteil über den beschäftigungs-, haushalts- und steuerpolitischen Einstand der Übergangsregierung Kohl/Zimmermann/Genscher fällt verheerend aus,
CDU/CSU, FDP, Kohl/Zimmermann/Genscher! In der vielleicht gut gemeinten Absicht, möglichst rasch von der steuerlichen Seite her Ausgleich für den Nachfrageentzug der Haushalts- und Sozialkürzung zu schaffen,
haben Sie unausgegorene Fehlkonstruktionen beschlossen. Erfolgversprechende Wege, nämlich die Erarbeitung einer Strategie zur Bildung von mehr unternehmerischem Risikokapital und stärkerer Beteiligung der Arbeitnehmer, wurden von Ihnen nicht beschritten.
Stückwerk und Fehlentwicklungen wie die Aushöhlung der Gewerbesteuer und der Finanzkraft der Gemeinde drohen mehr Schaden anzurichten, als Nutzen zu stiften. Ihre Zwangsanleihe ist rechtswidrig. Sie ist nicht geeignet, unvermeidbare Lasten sozial gerechter zu verteilen; ihr Aufwand ist wahrscheinlich höher als ihr Nutzen. Die Einschnitte in die Renten-, in die Arbeitslosenversicherung, in die Ausbildungsförderung und andere Leistungen, die Abgabenerhöhung, insbesondere Umsatzsteuererhöhung, richten Schaden an und vermindern die Nachfrage,
ohne daß dafür ein nachhaltiger Nutzen für den wirtschaftlichen Aufschwung entsteht.
8710 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982
Matthöfer
Der Herausforderung, neue Wachstums- und Beschäftigungschancen zu erschließen, wird der Ergänzungshaushalt nicht gerecht. Wir müssen befürchten, daß die Arbeitslosigkeit noch wesentlich stärker steigt, als sich bisher wegen der weltweiten Krise als unvermeidlich abgezeichnet hat.
Zehn Wochen Haushalts- und Finanzpolitik dieser durch Wortbruch zustande gekommenen Rechtskoalition
waren zehn Wochen verlorener Glaubwürdigkeit,
falscher Analysen,
nicht eingehaltener Versprechungen, des Offenbarwerdens einer systematischen Wählertäuschung durch die Oppositionsredner der vergangenen Jahre,
des Zusammenbruchs amateurhafter und naiver Illusionen und der Verunsicherung der Wirtschaft.
Wir können im Interesse des deutschen Volkes nur hoffen, daß der Wähler am 6. März 1983 dem konservativen Zwischenspiel ein schnelles Ende bereitet,
damit Sie daran gehindert werden, die von Ihnen für die Zeit nach der Wahl geplanten, noch schlimmeren Maßnahmen verwirklichen zu können.