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    Plenarprotokoll 9/139 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 139. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Magin und Esters 8692 A Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1982 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 1982) — Drucksachen 9/2049, 9/2138 — Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses — Drucksachen 9/2276, 9/2286 — Carstens (Emstek) CDU/CSU 8685 B Wieczorek (Duisburg) SPD 8688 D Dr. Zumpfort FDP 8692 A Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Haushaltsgesetz 1983) — Drucksachen 9/1920, 9/2050, 9/2139 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses in Verbindung mit Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983) — Drucksachen 9/2074, 9/2140 — Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses — Drucksachen 9/2283, 9/2290 — Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksachen 9/2148, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 9/2163 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 9/2167 — in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksachen 9/2157, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksachen 9/2149, 9/2281 — in Verbindung mit Beratung des Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982 Der Finanzplan des Bundes 1982 bis 1986 — Drucksachen 9/1921, 9/2287 — Dr. Waigel CDU/CSU 8696 B Matthöfer SPD 8701 D Gärtner FDP 8710B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 8713A Dr. Posser, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 8723 A Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 8731 D Roth SPD 8741 C Glos CDU/CSU 8746 A Dr. Haussmann FDP 8750 B Dr. Mitzscherling SPD 8751 D Dr. Kreile CDU/CSU 8754 B Gobrecht SPD 8759 B Dr. Hackel CDU/CSU 8762 B Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksachen 9/2162, 9/2281 — Dr. Rose CDU/CSU 8764 D Zander SPD 8767 D Frau Dr. Engel FDP 8772 B Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW . 8774 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 8778A Namentliche Abstimmung 8779 C Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksachen 9/2146, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksachen 9/2166, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 9/2164 — Dr. Riedl (München) CDU/CSU 8782 A Kühbacher SPD 8784 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 8786 A Wolfgramm (Göttingen) FDP 8787 C Schäfer (Offenburg) SPD 8789 B Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 8791 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 8794 C Dr. von Bülow SPD (Erklärung nach § 30 GO) 8796 B Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksachen 9/2150, 9/2281 — Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . . 8797 A Frau Zutt SPD 8799 B Paintner FDP 8802 A Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 8803 D Ertl, Bundesminister BML 8804 D Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen 9/2152, 9/2281 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 8806 C Hoffmann (Saarbrücken) SPD 8808 B Dr. Riemer FDP 8811B Dr. Dollinger, Bundesminister BMV . . . 8812 D Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksachen 9/2153, 9/2281 — . . . . 8815C Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksachen 9/2159, 9/2281 — Meininghaus SPD 8815 D Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksachen 9/2161, 9/2281 — . . . . 8816 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1983 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1983) — Drucksache 9/2097 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 9/2239 — Niegel CDU/CSU 8816 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes — Drucksache 9/2172 — Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982 III Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 9/2269 — 8817 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Durchführung einer Repräsentativstatistik der Bevölkerung und des Erwerbslebens (Mikrozensusgesetz) — Drucksache 9/1970 —Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksachen 9/2261, 9/2326 — . . . . 8817 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise — Drucksache 9/1809 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 9/2262 — 8818 A Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Weiß, Kiechle, Funk (Gutenzell), Hartmann, Kolb, Feinendegen, Dr. Olderog, Sauer (Salzgitter) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Dr. Riemer, Merker, Rösch, Funke, Frau Noth, Timm, Gattermann, Kleinert und Genossen und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes — Drucksache 9/2201 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr — Drucksache 9/2264 — 8818 B Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Daubertshäuser, Curdt, Kretkowski, Pauli, Wimmer (Eggenfelden) und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Anderung des Personenbeförderungsgesetzes — Drucksache 9/2128 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr — Drucksache 9/2266 — 8818 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrrechts und des Zivildienstrechts — Drucksache 9/1897 — Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses — Drucksachen 9/2279, 9/2328 — . . . . 8819 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz Vierter Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) — Drucksachen 9/1243, 9/2272, 9/2330 — . 8819 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur Situation der Entsorgung der Kernkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland (Entsorgungsbericht) — Drucksachen 8/1281, 9/2280, 9/2232 — . 8819C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahre 1979" Bewertung der Strahlenexposition in der Umgebung von Steinkohlekraftwerken und Vergleich mit der Strahlenexposition durch Kernkraftwerke — Drucksachen 9/644, 9/1247, 9/2263 — . 8819 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht des Bundesministers für das Post-und Fernmeldewesen über die Erschließung des Zonenrandgebiets im Bereich des Post- und Fernmeldewesens — Drucksachen 9/552, 9/2267 — . . . . 8820A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach), Dr. Mertes (Gerolstein) und Genossen Freilassung der letzten deutschen Kriegsverurteilten — Drucksachen 9/1827, 9/2270 — . . . . 8820 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen zu dem IV Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982 Antrag der Abgeordneten Pfeffermann, Lintner, Bühler (Bruchsal), Linsmeier, Merker, Dr. Riemer, Rösch, Funke, Frau Noth, Timm und der Fraktionen der CDU/ CSU und der FDP Bessere Bedingungen für den CB-Funk Antrag der Fraktion der SPD Bessere Bedingungen für den CB-Funk — Drucksachen 9/2125, 9/2195, 9/2274 — . 8820 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Fischer (Hamburg), Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Straßmeir, Sick, Dr. Jobst, Seiters, Feinendegen, Hinsken, Metz, Hanz (Dahlen) und der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordneten Duve, Antretter, Curdt, Daubertshäuser, Kretkowski, Wimmer (Eggenfelden), Grobecker, Paterna und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Riemer, Merker, Rösch, Funke, Dr. Zumpfort, Frau Noth und der Fraktion der FDP Zum Bericht des Seeverkehrsbeirats „Führen fremder Flaggen" vom 9. März 1981 — Drucksachen 9/1872 (neu), 9/2273 — . 8820C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung Vorlage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Stärkung des Binnenmarktes zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zur Vollendung des Binnenmarktes zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zu den während der belgischen Präsidentschaft im Funktionieren des europäischen Binnenmarktes erzielten Fortschritten zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Schwörer, Dr. Schäuble, Dr. Waigel, Frau Dr. Hellwig, Dr. Unland, Dr. van Aerssen und der Fraktion der CDU/CSU Durchsetzung eines mittelfristigen Programms der Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft für die kommenden Jahre und Schaffung eines freien EG-Binnenmarktes — Drucksachen 9/1738 (neu), 9/2047, 9/970, 9/1833, 9/1586, 9/2288 — 8820 D Beratung der Übersicht 11 des Rechtsausschusses über die dem deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/2268 — 8821 A Beratung der Sammelübersicht 50 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 9/2207 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 51 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 9/2256 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 52 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 9/2345 — 8821 C Nächste Sitzung 8821 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8823* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982 8685 139. Sitzung Bonn, den 15. Dezember 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 16. 12. Brandt 16. 12. Junghans 17. 12. Lagershausen 17. 12. Lampersbach 17. 12. Liedtke 16. 12. Löffler 17. 12. Mischnick 17. 12. Müller (Bayreuth) 17. 12. Rayer 16. 12. Rösch ** 16. 12. Schmöle 17. 12. Dr. Vohrer ** 16. 12. Weiskirch (Olpe) 17. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Was gedenken Sie zu tun, um den weiteren Marsch in den Protektionismus zu stoppen und unser vitales nationales Interesse an offenen Weltmärkten zu sichern?
    Wenn Sie, Herr Waigel, sagen, wir möchten da mit unseren sozialistischen Freunden in Frankreich sprechen, dann will ich Ihnen einmal folgendes sagen: Die französischen Bemühungen, ihre Wirtschaft wieder anzukurbeln, verbunden mit dem von Ihnen bekämpften Europäischen Währungssystem, haben dazu geführt, daß in den ersten neun Monaten dieses Jahres der deutsche Handelsüberschuß nach Frankreich um 7,5 Milliarden DM zugenommen hat. Dies ist ein Beschäftigungsprogramm,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    das wir als Nutznießer der französischen Ankurbelungspolitik gewissermaßen frei Haus geliefert bekommen haben, und ich frage mich, wie weit die Franzosen dies uns gegenüber noch weitermachen können.
    Herr Waigel, ich kann nur lachen, wenn Sie sagen, die gute wirtschaftliche Lage von BMW sei ein Verdienst der bayerischen Staatsregierung. Die Ausfuhr von BMW-Wagen nach Frankreich ist im letzten Jahr um 40 % angestiegen, und da liegt der Grund für die gute Beschäftigung.

    (Lemmrich [CDU/CSU]: Merken Sie nicht, wie Sie sich widersprechen?)

    Das ist ein Verdienst der Politik der französischen Regierung und nicht der bayerischen Staatsregierung.
    Da muß der Bundeskanzler aktiv werden, und das kann niemand anders machen. Ich frage mich: Hat er, als die GATT-Konferenz zu diesem Ergebnis führte, wirklich mit den Regierungschefs und Staatsoberhäuptern gesprochen, hat er sich eingeschaltet, hat er erkannt, daß wir ein vitales Interesse daran haben, daß der Welthandel frei bleibt?

    (Dr. Spöri [SPD]: Das sind alles Fototermine gewesen!)

    Die Berichte über die Tagung des Europäischen Rats, wobei man auch gern etwas darüber wissen
    möchte, was da beschlossen worden ist, um den Protektionismus abzubauen und keinen neuen gegenüber dem Rest der Welt einzuführen, werfen auch finanzpolitische Fragen auf. Wir begrüßen es ausdrücklich, daß der Bundeskanzler in der Frage des Eintritts von Spanien und Portugal in die Europäische Gemeinschaft eine so klare und eindeutige Haltung einnimmt. Wir werden ihn in dieser Frage unterstützen. Aber wie wollen Sie, Herr Bundeskanzler, den Widerspruch lösen zwischen Ihrer Absicht, an der Beschränkung der Mehrwertsteuerablieferung an die EG auf maximal 1% der Bemessungsgrundlage festzuhalten, und unserem gemeinsamen Interesse, Spanien und Portugal möglichst bald in die EG aufzunehmen? Das müßte man einmal konkret hören. Wie und mit welchen Mitteln wollen Sie ein Durchstoßen dieser Ein-ProzentGrenze als Folge eines unkontrollierten Anstiegs der Agrarmarktausgaben verhindern, was schon ohne weitere Beitritte für 1983 eine reale Möglichkeit ist?

    (Vorsitz: Vizepräsident Frau Renger)

    Ich frage die Bundesregierung — ich bitte um Auskunft an die Opposition —: Werden Sie sich, Herr Bundeskanzler, gemeinsam mit dem Kanzlerkandidaten der SPD, Hans-Jochen Vogel, für einen Beschäftigungspakt der großen Industriestaaten einsetzen?

    (Beifall bei der SPD)

    Was werden Sie tun für eine gemeinsame beschäftigungsorientierte und investitionsfördernde Finanz-und Geldpolitik der Industrieländer, einen Währungsverbund, in dem auf Abwertungen zur Verbesserung der eigenen Ausfuhr verzichtet wird, eine Geldpolitik, die ein niedriges Zinsniveau in allen Teilnehmerländern ermöglicht, eine gegen den Protektionismus gerichtete Politik, die den Austausch von Gütern und Dienstleistungen, von Kapital und technischem Wissen nicht behindert, sondern weiter verstärkt? Werden Sie sich dafür einsetzen, daß die wirklichen Ursachen der Krise beseitigt werden, oder glauben Sie tatsächlich an Ihre eigene Wahlpropaganda?

    (Beifall bei der SPD)

    Wie soll es bei uns in der Bundesrepublik weitergehen? Es besteht rein verbale Übereinstimmung zwischen den Parteien, daß wir uns nicht passiv mit Stagnation und zunehmender Arbeitslosigkeit abfinden wollen, daß wir eine neue Wachstumsdynamik durch mehr Wettbewerb, durch Unternehmensgründungen, durch Innovationen, technischen Fortschritt und neuartige Lösungen, aber auch durch besseres und umweltfreundliches Wachstum suchen, daß dies alles nicht allein vom Staat gemacht werden kann, daß der Erfolg des Wirtschaftens von Leistung und Geschick aller am wirtschaftlichen Geschehen Beteiligten abhängt und daß man dabei die Regelmechanismen des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs eine wesentliche Rolle spielen lassen muß.
    Eine Wachstumsoffensive, eine zukunftsgerichtete Politik darf aber auf gar keinen Fall mit der
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    Matthöfer
    Kürzung von Ausgaben für Bildung, Wissenschaft und Forschung beginnen.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Ausbildung junger Menschen, ihre Vorbereitung für die Anforderungen des Arbeitsmarktes nicht nur der 90er Jahre, sondern auch darüber hinaus ist die wichtigste Zukunftsinvestition. Kürzungen hier sind keine Antworten auf unsere Probleme. Sie schaffen Probleme.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir können nicht kritisieren, daß der Ergänzungshaushalt keine neuen Konzepte der sozialen Sicherheit ausweist. Wir alle stehen erst am Anfang beim Überdenken der Frage, wie in Zukunft bei schwierigeren Wachstumsbedingungen, vielleicht längerfristig schwachen Wachstumsraten die Systeme der sozialen Sicherheit gestaltet werden können. Wir kritisieren allerdings, daß die CDU/CSU und die FDP, ohne ein solches Konzept zu haben, massive Eingriffe beschließen. Man hätte in ruhigeren Zeiten zwischen allen Parteien diskutieren können,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ach!)

    wie ein Gleichklang zwischen der Entwicklung der Nettoeinkünfte der Erwerbstätigen und der Rentner hergestellt werden kann.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auf einmal!)

    Die CDU/CSU hat bis zuletzt daran festgehalten, daß es bei der Bruttoanpassung bleiben müsse. Ihre merkwürdige Erblasttheorie wird nicht durch die Art und Weise glaubwürdiger,

    (Frau Roitzsch [CDU/CSU]: Das ist keine Theorie, das ist Erfahrung!)

    in der Sie das zeitweilige Aussetzen der Bruttoanpassung publizistisch begleitet haben.

    (Glos [CDU/CSU]: Das war der „merkwürdige" Finanzminister!)

    Ich bin mir sehr wohl bewußt, wie schwierig es ist, Anforderungen an den Bundeshaushalt auf ein finanzpolitisch vertretbares Maß zurückzudrängen. Es hat aber auf Dauer keinen Sinn, in einer sachlich nicht überzeugenden Weise in Systeme einzugreifen, nur, um kurzfristig Einsparungserfolge zu erzielen, die sich nachher als nur scheinbar erweisen.

    (Beifall bei der SPD)

    Mit Kürzungen bei landwirtschaftlichen Sozialleistungen z. B. kommen wir dem Ziel einer weniger subventionierten, marktwirtschaftlich organisierten Marktwirtschaft keinen Schritt näher. Dies setzt nämlich Änderungen der Marktordnungen der Europäischen Gemeinschaft voraus.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich kann aber auch nicht erkennen, daß die andere Seite der Umstrukturierung, die Verstärkung der wachstumsfördernden, der innovativen und investiven Ausgaben in diesem Ergänzungshaushalt berücksichtigt sind. Im Gegenteil: Wir stellen bei einer Reihe von Titeln für investive Ausgaben unvertretbare Kürzungen fest. Wenn Sie etwa Mittel für Kohleheizwerke, Fernwärme und Kohleveredelung streichen, fällt der Anspruch der Umstrukturierung des Haushalts völlig in sich zusammen. Wo sonst denn, wenn nicht bei der Energie-Infrastruktur, kann die öffentliche Hand produktive Zukunftsinvestitionen leisten?

    (Beifall bei der SPD)

    Ein besonderes Beispiel Ihrer arbeitsplatzgefährdenden und vergangenheitsorientierten Politik ist die Politik der Regierung auf dem Gebiet der Mikroelektronik. Die Zukunft vieler Arbeitsplätze und Unternehmen in der Bundesrepublik wird davon abhängen, ob wir auf diesem Gebiet erfolgreich sind. Das gilt für die Elektroindustrie wie für den Maschinenbau. Es gilt allgemein für unsere exportabhängige Wirtschaft.
    Nun haben die frühere Opposition und die FDP in der Technologiepolitik noch nie ein klares Konzept erkennen lassen. Sie haben sich statt dessen darauf konzentriert, eine Bevorzugung der indirekten Förderung durchzusetzen. Gestern habe ich zu meinem Erstaunen gehört, daß der Herr Genscher die großartige Entwicklung der Mikroelektronik in den Vereinigten Staaten auf den Beitrag vieler kleiner Unternehmen zurückführt. Nun ist es zweifellos richtig, daß es dort viele kleine Unternehmen gibt. Aber weiß denn der Herr Genscher nicht, daß Voraussetzung für die Existenz dieser vielen kleinen Unternehmen viele, viele Milliarden Dollar aus dem Verteidigungshaushalt, aus dem Haushalt der amerikanischen Weltraumbehörde waren? Mit diesem Geld wurde das Entstehen der Mikroelektronik überhaupt erst möglich gemacht.

    (Frau Dr. Hellwig [CDU/CSU]: Wollen Sie auch mehr Mittel für unseren Verteidigungshaushalt?)

    Die Behauptung, viele kleine Unternehmen trieben die Mikroelektronik voran, ist ein Beispiel für Ideologie im alten Marxschen Sinne — ein interessebedingtes, notwendigerweise falsches Bewußtsein von der Wirklichkeit. Es wird wirklich gefährlich, wenn ein solcher Mann in einer Schlüsselstellung im politischen Entscheidungsprozeß sitzt.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich hatte in den Koalitionsgesprächen nach der Wahl 1980 ein Mikroelektronik-Programm in Höhe von einigen hundert Millionen Mark mit steigender Tendenz vorgeschlagen. — Übrigens bitte ich dem Herrn Bundeskanzler zu sagen, daß beabsichtigt war, den Großteil davon nach Berlin zu bringen. Ich freue mich ja, daß er Investitionen nach Berlin lenken will.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es wäre gut, wenn wir aus Berlin ein Zentrum der Mikroelektronik machen könnten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das hätten Sie auch machen können!)

    Ich habe das als Forschungsminister, dann als Finanzminister, die Berliner haben dazu beigetragen.
    Es wäre gut, wenn man weitermachen könnte. —
    8708 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982
    Matthöfer
    Aber dieses Programm wurde von Herrn Genscher abgelehnt. „Wir haben doch nicht den Wahlkampf gegen die direkte und für die indirekte Forschungsförderung geführt, um jetzt dieses Programm zu beschließen", so hieß es. — Man weiß ja, wie ernst der Herr Genscher Wahlkampfaussagen nimmt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aufhören!)

    Sind denn die technologischen Durchbrüche auf dem Gebiet der Mikroelektronik durch Marktnachfrage oder durch indirekte Forschungsförderung entstanden? Wenn ich jemals ein Beispiel für einen staatlich organisierten Technologie-Push gesehen habe, dann auf diesem Gebiet.

    (Beifall bei der SPD — Dr. von Geldern [CDU/CSU]: Nun reicht's!)

    Heute erleben wir den für die deutsche Marktwirtschaft glorreichen Tag, an dem Grundig, eines der wenigen Beispiele erfolgreichen Unternehmerwirkens nach dem Zweiten Weltkriege, an einen französischen Staatskonzern verkauft werden soll. Und einer der für den Verkauf Verantwortlichen sagt: „Wenn ich heute die Frage höre, warum wir nicht an Deutsche verkauft haben, dann muß ich auch fragen: Was soll denn ein Unternehmer machen, wenn die Regierung unseres Landes die Entwicklung der Elektronik als Zuschauer betrachtet?" — Die neue Regierung hat die direkte Förderung der Elektronik, der Informations- und Kommunikationstechnik und der neuen Fertigungstechniken um 48 Millionen DM gekürzt. Gleichzeitig verstärkt die japanische Regierung ihre Anstrengungen, die USA zu überholen. 55 Milliarden Franc öffentlicher Mittel investiert die sozialistische Regierung Frankreichs in ihre Elektronikindustrie, um auf diesem strategischen Gebiet eine Schlüsselposition zu erlangen.

    (Broll [CDU/CSU]: Was haben Sie 13 Jahre lang gemacht?)

    Da Sie die direkte Förderung als ersten Schritt zum Sozialismus für verwerflich halten, indirekte Förderung aber überaus teuer ist oder als feinverteilter Geldregen wirkungslos verpufft, auf keinen Fall so aber auf dem Gebiet der Mikroelektronik Durchbrüche erzielt werden können, schaut die Regierung der Bundesrepublik ohne eigene Initiativen zu, wie andere mit staatlicher Förderung an der deutschen Elektronikindustrie vorbeiziehen oder diese aufkaufen. Es lebe die abstrakte Marktwirtschaft! Wen interessieren die konkreten Arbeitsplätze deutscher Arbeitnehmer?

    (Beifall bei der SPD — Broll [CDU/CSU]: Sie haben das ganze Geld schon vorher verfrühstückt! — Frau Dr. Hellwig [CDU/ CSU]: 13 Jahre Rückstand in der Elektronikindustrie sollen wir in einem Monat aufholen!)

    Noch haben wir die stärkste Elektronikindustrie in Europa. Aber wenn die Politik der neuen Regierung zu Ende geführt wird, dann wird sich diese Bastion nicht halten lassen.
    Jetzt hören wir von der Verkabelung als Rettungsanker.

    (Zuruf von der SPD: Kabelix! — Frau Dr. Hellwig [CDU/CSU]: Technikfeindlich! Kernenergiefeindlich! Forschungsfeindlich! Aber eine große Klappe!)

    Verkabelung ohne Rücksicht auf Anschlußdichte und Rentabilität stürzt die Post in unverantwortliche Verlustgeschäfte. Volkswirtschaftlich und innovatorisch gewinnen wir durch Kupferverkabelung nichts. Die Behauptung, daß damit Innovationen ausgelöst werden könnten, halte ich für naiv. Welche Investitionen denn? Bei Koaxialkabeln gibt es nichts mehr zu erfinden. Die wesentlichen Kosten der Verkabelung mit Kupfer, 70 bis 80 %, fallen bei Verlegung und Montage an, d. h. dabei, Straßen und Wege aufzureißen, die Kabel zu verlegen und dann wieder zuzuschütten.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sie haben die doch vorbereitet!)

    Gleichzeitig wird die Möglichkeit vertan, in die Technologien der Zukunft, in die optische Nachrichtentechnik, in digitalisierte, dienstintegrierte Netze, in neue Endgeräte, in Mobilfunk für große Teilnehmerzahlen oder neue Formen der geschäftlichen Kommunikation zu investieren.

    (Frau Dr. Hellwig [CDU/CSU]: Sich das anhören zu müssen! Jetzt kommen Sie noch mit Ihrer Antiverkabelungskampagne! Das ist ein Witz!)

    Was tut denn die Rechtskoalition sonst noch zur Beschäftigungssicherung? Beim Hochschulbau haben wir weder konjunkturelle Wirkungen noch Wachstumsimpulse zu erwarten. Das gleiche gilt für den Rhein-Main-Donau-Kanal oder für ihre Autobahnpläne. Wann werden wir denn endlich erfahren, ob der Bundesverkehrsminister nun neue, unsinnige Straßenprojekte forcieren oder ob er wirklich nur alte Planungen ausführen will? Wie steht es denn eigentlich mit der Auflösung des Genehmigungsstaus bei den Kernkraftwerken? Wie viele Milliarden DM an Auftragsvolumen wollte Herr Dr. Dregger doch damals dadurch mobilisieren.

    (Walther [SPD]: Wo ist er denn?)

    Darf man erfahren, welche Maßnahmen der neue Innenminister Zimmermann in den letzten 10 Wochen unternommen hat, um dieses angebliche Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung wegzuräumen?

    (Beifall bei der SPD)

    Trifft es zu, daß er gar nichts unternommen hat, weil nichts zu unternehmen war, weil Sie und andere dem deutschen Volk Märchen erzählt haben, Herr Dr. Dregger?

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der SPD: Wo ist Herr Dr. Dregger?)

    Die weitere Aushöhlung der Gewerbesteuer, die von Ihnen beabsichtigt ist, begünstigt keineswegs den Mittelstand, wie auch der Wirtschaftsminister fälschlicherweise immer wieder behauptet; der ist weitgehend durch die hohen Freigrenzen freige-
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982 8709
    Matthöfer
    stellt. Sie bedeutet aber eine weitere Aushöhlung der Finanzautonomie der Gemeinden, von dem fast unlösbaren Finanzausgleichsproblem einmal abgesehen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Spöri [SPD]: Der Waffenschmidt kommt weg vom Gemeindebund!)

    Es setzt schon einen starken Glauben in die eigene Propaganda voraus, die jetzt vorgeschlagene Umsatzsteuererhöhung als etwas Besseres darzustellen als die Steuererhöhung, die Sie noch im Mai abgelehnt haben.

    (Broll [CDU/CSU]: Die Verwendung ist besser!)

    Herr Stoltenberg sagt, er beabsichtige, aus Mitteln der Umsatzsteuererhöhung die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen zu fördern — das wollen wir auch; wir werden einen Gesetzentwurf einbringen.
    Unser Vertrauen in Ihre zukünftige Gesetzesinitiative wird auch nicht größer, wenn wir hören, daß in Ihren Koalitionsvereinbarungen steht, daß nur eine Umschichtung innerhalb des 624-DM-Gesetzes beabsichtigt ist. Das wäre ein kostenneutrales Minimalkonzept, mit dem Sie das Verhalten der Tarifpartner nicht beeinflussen können; und darauf kommt es ja wohl an.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ihre sogenannte Insolvenzrücklage ist konzeptionell völlig verfehlt und eine weitere Steigerung in der unseligen Verkomplizierung von Steuerrecht und Steuerverfahren. Es gibt überhaupt keine handhabbaren Abgrenzungskriterien, wann ein Unternehmen vom Konkurs bedroht ist. Das geplante Bescheinigungsverfahren ist reine Augenwischerei. Keine Behörde kann ein fundiertes und objektives Urteil über die Zukunftsaussichten eines Betriebes abgeben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie können das nicht, aber andere können es!)

    Wie soll denn das wohl aussehen!
    Ihre sogenannte Investitionshilfeabgabe kann nur noch als Verirrung politischer Kompromißphantasie bezeichnet werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Fraktion hat oft genug die soziale Unausgewogenheit eines angeblichen Solidarbeitrages der höheren Einkommensschichten deutlich gemacht, der dann nach drei Jahren zurückgezahlt werden soll.

    (Dr. von Geldern [CDU/CSU]: Es spricht der Schuldenmacher!)

    Er ist auch deswegen sozial unausgewogen, weil Sie mit dem viel zu günstigen Investitionsquotienten von 20 % alle Unternehmenseigner, Selbständige, Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater völlig von dieser Ergänzungsabgabe ausnehmen. Das erklärt auch das niedrig geschätzte Aufkommen. Außerdem muß man ja das Ausweichverfahren dieser Gruppen wohl auch noch abwarten.
    Ich wundere mich über die Bedenkenlosigkeit, mit der Sie sich über rechtliche Fragen hinwegsetzen. Die Regierung beschließt einen Gesetzentwurf, obwohl ihr eigener Justizminister zu Protokoll gibt, daß er ihn für rechtswidrig hält. In welche Lage, Herr Bundesfinanzminister, bringen Sie da den Bundespräsidenten?

    (Dr. von Geldern [CDU/CSU]: Das geht aber wirklich zu weit! — Dr. Olderog [CDU/ CSU]: Wo hat er das zu Protokoll gegeben? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ihre Zwangsanleihe bürdet der ohnehin überlasteten Finanzverwaltung sinnlose bürokratische Mehrarbeit auf. Sie erhöhen die angeblich gefährliche und verfassungswidrige Staatsverschuldung — überdies mit extrem kurzer Laufzeit — und werden bis zum Bundesfinanzgericht zitiert werden und dann möglicherweise Ihre Zwangsanleihe umschulden müssen.
    Ich fasse zusammen. Das fachliche Urteil über den beschäftigungs-, haushalts- und steuerpolitischen Einstand der Übergangsregierung Kohl/Zimmermann/Genscher fällt verheerend aus,

    (Beifall bei der SPD — Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Das müssen gerade Sie sagen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    CDU/CSU, FDP, Kohl/Zimmermann/Genscher! In der vielleicht gut gemeinten Absicht, möglichst rasch von der steuerlichen Seite her Ausgleich für den Nachfrageentzug der Haushalts- und Sozialkürzung zu schaffen,

    (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Merken Sie nicht, wie peinlich das ist? Schämen sollten Sie sich!)

    haben Sie unausgegorene Fehlkonstruktionen beschlossen. Erfolgversprechende Wege, nämlich die Erarbeitung einer Strategie zur Bildung von mehr unternehmerischem Risikokapital und stärkerer Beteiligung der Arbeitnehmer, wurden von Ihnen nicht beschritten.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: In Ihrem Urteil sind Sie in der Minderheit!)

    Stückwerk und Fehlentwicklungen wie die Aushöhlung der Gewerbesteuer und der Finanzkraft der Gemeinde drohen mehr Schaden anzurichten, als Nutzen zu stiften. Ihre Zwangsanleihe ist rechtswidrig. Sie ist nicht geeignet, unvermeidbare Lasten sozial gerechter zu verteilen; ihr Aufwand ist wahrscheinlich höher als ihr Nutzen. Die Einschnitte in die Renten-, in die Arbeitslosenversicherung, in die Ausbildungsförderung und andere Leistungen, die Abgabenerhöhung, insbesondere Umsatzsteuererhöhung, richten Schaden an und vermindern die Nachfrage,

    (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Das sind doch die Früchte Ihrer Arbeit! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    ohne daß dafür ein nachhaltiger Nutzen für den wirtschaftlichen Aufschwung entsteht.

    (Beifall bei der SPD)

    8710 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982
    Matthöfer
    Der Herausforderung, neue Wachstums- und Beschäftigungschancen zu erschließen, wird der Ergänzungshaushalt nicht gerecht. Wir müssen befürchten, daß die Arbeitslosigkeit noch wesentlich stärker steigt, als sich bisher wegen der weltweiten Krise als unvermeidlich abgezeichnet hat.
    Zehn Wochen Haushalts- und Finanzpolitik dieser durch Wortbruch zustande gekommenen Rechtskoalition

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    waren zehn Wochen verlorener Glaubwürdigkeit,

    (Beifall bei der SPD)

    falscher Analysen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist schamlos!)

    nicht eingehaltener Versprechungen, des Offenbarwerdens einer systematischen Wählertäuschung durch die Oppositionsredner der vergangenen Jahre,

    (Beifall bei der SPD — Dr. Olderog [CDU/ CSU]: Das sagen Sie, der den Rentenbetrug zu verantworten hat!)

    des Zusammenbruchs amateurhafter und naiver Illusionen und der Verunsicherung der Wirtschaft.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir können im Interesse des deutschen Volkes nur hoffen, daß der Wähler am 6. März 1983 dem konservativen Zwischenspiel ein schnelles Ende bereitet,

    (Beifall bei der SPD)

    damit Sie daran gehindert werden, die von Ihnen für die Zeit nach der Wahl geplanten, noch schlimmeren Maßnahmen verwirklichen zu können.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD — Dr. von Geldern [CDU/CSU]: Da sprach der Schuldner! — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Unglaublich! — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Peinlich!)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Gärtner.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Endlich wieder etwas Ordentliches!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Klaus Gärtner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Matthöfer, ich weiß nicht, ob Sie gestern hier waren, als der Kollege Leber, Ihr Freund aus Hessen, seine Rede gehalten hat. Ich kann mir nicht gut vorstellen, daß Sie diese Rede vollständig gehört haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    In aller Freundschaft: Das, was wir in 13 Jahren zusammen in den Haushaltsberatungen und Sie in den letzten Jahren als Finanzminister gemacht haben, war ja auch nicht so, als könnte man nicht gemeinsam über das Thema „politische Erblast" und Probleme der Finanzpolitik der letzten Jahre streiten.
    Wir haben doch gelegentlich ein paar Meinungsunterschiede gehabt. Ich darf Sie z. B. an Ihre eigene Prognosefähigkeit erinnern, an die Sitzung des Haushaltsausschusses am 12. Juni 1980, als wir zusammen die Frage geprüft haben, welche Risiken in den nächsten Jahren auf uns zukämen. Oder ich darf Sie noch einmal an Ihren eigenen Wende-Brief erinnern, den Sie im Januar 1981 an Ihre eigene Fraktion geschrieben haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Das muß man ja wenigstens noch miteinander diskutieren können.

    (Zuruf des Abg. Kiechle [CDU/CSU])

    — Herr Kiechle, Sie haben nach mir wahrscheinlich noch die Möglichkeit zu reden. Ihr Auftritt kommt noch.
    Ich möchte auch noch einmal auf den Kollegen Waigel eingehen, weil ich es langsam leid bin — ich finde das ärgerlich —, daß Haushaltsberatungen nur noch in Schuldzuweisungsdiskussionen ausarten.

    (Broll [CDU/CSU]: Schulden sind Schulden!)

    — Ja, man muß sich dabei nur fragen, welchen Teil des Schadens man selbst verursacht hat. Ich kann Ihnen ja einmal die Liste der Gesetze vorlesen — von 1970 an —, denen Sie alle zugestimmt haben. Heute will das keiner mehr wahrhaben. Wer hat denn, angefangen beim Bundesversorgungsausgleichsgesetz 1970 bis hin zum Mutterschaftsgeld, zugestimmt? Und wenn Sie nicht zugestimmt haben, dann deshalb, weil Ihnen die Gesetze nicht teuer genug waren, weil beispielsweise im Zusammenhang mit dem Mutterschaftsgeld nur die berufstätige Mutter berücksichtigt wurde.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

    Jeder tut so, als ob er in den letzten Jahren nicht die Haushaltsberatungen verfolgt hätte. Es war doch erkennbar, daß es nicht ohne Auswirkungen bliebe, und zwar in Milliardengrößenordnungen, und daß es in diesem Lande, so wie die Strukturen im Augenblick sind, in einigen Branchen Probleme geben würde.
    Herr Kollege Matthöfer, was das Unternehmen mit der Mikroelekronik anlangt, bitte ich Sie doch herzlich, noch einmal Ihre Kollegen in der EnqueteKommission „Neue Medien" zu fragen, welche Gedanken sie sich in diesem Zusammenhang über Wachstumseffekte und Arbeitsplatzverluste gemacht haben. Ich halte es schon für richtig, daß man über das Problem diskutiert, wo neue Arbeitsplätze, neue Wachstumsfelder geschaffen werden können. Aber dann sollte man fairerweise hinzufügen, daß das auch Probleme auf dem Arbeitsmarkt bringen kann. Das kann man nicht über die Statistik hinbiegen; vielleicht auf kurze Zeit, aber ich meine, das gehört dazu.
    Man sollte einmal bei Johano Strasser nachlesen.

    (Broll [CDU/CSU]: Das sollte man nicht tun!)

    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982 8711
    Gärtner
    — Ich glaube, Sie selbst würden da auch noch ein paar Stichworte finden, die Sie überzeugen können.
    Er schrieb im Februar 1982 — ich darf zitieren —:
    Der Haken an aller Wachstumsförderung, gleich welcher Art, ist, daß sie nirgends mehr so funktioniert, wie ihre Verfechter uns weismachen wollen.
    Er fährt fort:
    Die meisten Sozialdemokraten und Gewerkschafter wollen nicht wahrhaben, daß die gegenwärtige Krise nicht eine übliche Konjunkturkrise ist und daß deswegen auch die keynesianischen Rezepte nur sehr bedingt Abhilfe schaffen können.
    Wenigstens an der Stelle merke ich, daß Ihnen der Text gefallen hat. Ich hoffe, daß Sie dies genauso kritisch lesen wie das, was der Kollege Häfele vor dem Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels sagte, als er auf die wahnwitzige Idee kam zu glauben, man könnte die Neuverschuldung des Staatshaushalts auf Null bringen. Auf diese Idee kann nur jemand kommen, der die Ökonomie noch nicht begriffen hat und das mit „Ökumene" verwechselt.

    (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD — Zuruf des Abg. Dr. Friedmann [CDU/CSU] — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Die Probleme, die in den nächsten Jahren vor uns liegen, sind vergleichsweise klein, wenn man sich anschaut, was jenseits unserer Grenzen passiert. Wenn man über die Grenzen hinausschaut, kann man nicht so reden wie Herr Waigel und auch Herr Matthöfer, frei nach dem Motto „Protektionisten aller Länder, vereinigt euch!" Man kann die geplante Fusion zwischen Grundig und Thomson-Brandt nicht so beurteilen, aber in demselben Satz erklären, man wolle ein gemeinsames Europa schaffen.

    (Beifall bei der FDP)

    Es ist mir völlig unverständlich, wie man über ein gemeinsames Europa reden — Herr Matthöfer sprach sogar die Frage an, inwieweit wir die 1 %-Regelung noch nach oben drücken können; fragen Sie einmal Ihre Kollegen im Haushaltsausschuß, was die davon halten — und gleichzeitig über eine solche Fusion in dieser sehr nationalistischen Art und Weise diskutieren kann.

    (Dr. Spöri [SPD]: Kennst du eigentlich Videocolor?)

    — Lieber Herr Kollege Spöri, wenn man — wie wir gemeinsam — das Ergebnis der GATT-Verhandlungen kritisiert, kann man doch nicht auf dem Standpunkt stehen: Das gilt alles nur dann, wenn es uns nutzt; wenn es uns möglicherweise schadet, sind wir prinzipiell dagegen! Das kann, wie ich finde, nicht überzeugend und ehrlich sein. Wollen wir vielleicht soweit kommen wie die Franzosen, die sozusagen in Anlehnung an die Geschichte in Poitiers, wo früher einmal die Mauren geschlagen wurden, jetzt versuchen, die Japaner zu schlagen? Das kann
    man doch wohl nicht ernsthaft auf diese Art und Weise betreiben. Das ist jedenfalls eine Position, die gegen alle internationalen Absprachen verstößt.
    Lösungsansätze sind hier fast gar nicht diskutiert worden. Der Kollege Matthöfer hat allerdings auf ein paar Positionen hingewiesen, die auch von uns sehr kritisch gesehen werden. Das betrifft beispielsweise den Ausbau des Fernstraßennetzes. Der Kollege Stoltenberg wird hoffentlich im Zusammenhang mit der mittelfristigen Finanzplanung sagen, ob der Kollege Dollinger für seine großen Pläne überhaupt das Geld bekommen kann. Der Kollege Leber hat gestern in seiner Rede an seine Vergangenheit erinnert, als die Straßenbaupolitik sozusagen nach vorn ging. Er hat allerdings bei seiner kritischen Position geflissentlich übersehen, daß zu seiner Zeit der Spatenstiche und Neueinweihungen eine ganze Menge von Brücken entstanden sind, die den berühmten Namen „So-da-Brücken" tragen, weil sie so da in der Landschaft stehen und nicht angeschlossen sind. Da sind eine ganze Menge von Ruinen vorhanden. Ich will hoffen, daß das bei der neuen Regierung, daß das überhaupt bei kommenden Regierungen nicht wieder vorkommt.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Herr Dollinger hat bis jetzt Ihre Pläne übernommen!)

    — Der Kollege Dollinger wird wohl nicht viel mehr übernehmen können, als ihm der Bundestag genehmigt. Ich weiß nicht, ob die Kollegen der CDU/CSU bereit sind, an irgendeiner Stelle Kürzungen vorzunehmen. Ich wage zu bezweifeln, daß wir für ein funktionierendes Straßensystem der Bundesrepublik noch ein paar Kilometer zusätzlich brauchen.
    Zu der Frage, ob das etwas bringt, möchte ich Ihnen, Herr Kollege Matthöfer, die Lektüre der „Frankfurter Rundschau" vom heutigen Tag empfehlen. Dort inseriert eine Ihnen bekannte Bank, nämlich die Bank für Gemeinwirtschaft, unter dem Titel „Rückgewinn für Bauherren" mit einem Sonderprogramm für öffentlich gefördertes und steuerbegünstigtes Wohnungs- und Hauseigentum. Das steht unter der Überschrift „Tut Bonn etwas?". Dann wird das Programm vorgetragen.
    Ich glaube, wenn das nicht wäre, was hier beschlossen wird, verstünde sich die Bank für Gemeinwirtschaft kaum zu einer solchen Anzeige.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Dennoch: Das, was im Haushaltsentwurf 1983 steht, ist ja in allen Teilen so neu nicht. Das müssen wohl alle, die sich im Hauhaltsausschuß mit den Einzelansätzen beschäftigt haben, feststellen. Von daher ist die Diskussion durch die Begriffe „Erblast" und „Erbschleicherei" zwar sehr polemisch, aber wenig an der Sache orientiert.
    Wir haben uns in vielen Fällen auch mit Problemen der Vergangenheit herumzuschlagen. Ich sage dazu etwas selbstkritisch zu uns allen, weil wir die Sache ja auch gemeinsam diskutiert und verabschiedet haben. Ich meine das Thema der kreditfinanzierten öffentlichen Ausgabenprogramme. In dieser Debatte ist viel von einer Umverteilungsak-
    8712 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982
    Gärtner
    tion von unten nach oben, von oben nach unten und wie auch immer die Rede gewesen. Das wird auch in den nächsten Debatten so sein. Dafür werden dann Leistungsgesetze in Anspruch genommen, die sich jetzt zur Vornahme von Kürzungen anbieten.
    Die heutige Diskussion hat der Kollege Matthöfer bestritten. Er hatte auf die Umverteilungseffekte kreditfinanzierter Ausgabenprogramme schon einmal im Ausschuß hingewiesen, aber nicht hier in der Öffentlichkeit. Wenn wir in der einen Hinsicht jetzt durch ein Haushaltsbegleitgesetz 5,6 Milliarden DM einsparen, dann ist das weniger als das, was die Steigerungsrate des Einzelplans 32 für die Zinslasten von 1982 auf 1983 ausmacht. Das ist doch etwas, was uns irgendwo zu denken geben muß. Das ist mit Sicherheit auch eine Umverteilung an diejenigen, die es sich möglich machen können, mit festverzinslichen Papieren zu leben. Ich muß sagen: Das ist etwas, was nicht einen Facharbeiter, sondern den betrifft, der weit über 50 000 DM im Jahr hat. Auf diese Funktion wollte ich noch einmal hinweisen.
    Sicherlich gibt es im Haushalt auch eine ganze Menge Probleme, wo wir durch vergangenes Tun auch heute noch einiges nachfinanzieren müssen. Ich will gar nicht an Ruinen erinnern, die wahrscheinlich jeder von uns in irgendeinem der späteren Haushalte finden wird. Aber, Herr Kollege Matthöfer, den SNR 300 kann ich Ihnen nicht schenken. Den schenke ich niemandem mehr in diesem Hause. Das ist auch ein Stück Erblast, wo man zu Lasten der Förderung alternativer Technologien und der Mikroelektronik — Sie haben beklagt, daß sie nicht direkt gefördert wird — heute nachfinanzieren muß.
    Ganz witzig finde ich, daß Ihre Fraktion nicht bereit ist, wenigstens das zu bezahlen, was bestellt worden ist, nämlich von dem Kollegen von Bülow. Ich weiß nicht, ob Herr von Bülow in der Fraktionssitzung war, als der Änderungsantrag beschlossen wurde. Darin steht nämlich, daß man beim THTR und beim SNR 300 jeweils um 100 Millionen DM kürzen will. Das halte ich schon für ein kleines Bubenstück in der Haushaltspolitik.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)