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ID0819231300

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    Plenarprotokoll 8/192 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 192. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 Inhalt: Nachruf auf den ehemaligen Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Professor Dr. Carlo Schmid 15177A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung 15177 D Telegramm der deutschen Gruppe der Interparlamentarischen Union an den Schiitenführer Ayatollah Khomeini . . . 15221 D Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1980 (Haushaltsgesetz 1980) — Drucksachen 8/3100, 8/3354 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksache 8/3378 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 8/3393 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 8/3397 — Carstens (Emstek) CDU/CSU 15178A Grobecker SPD 15185A Gärtner FDP 15188B Matthöfer, Bundesminister BMF . . . 15193 B Dr. Schäuble CDU/CSU 15205 D Westphal SPD 15208 C Frau Matthäus-Maier FDP 15212 B Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksache 8/3379 — Glos CDU/CSU 15215 B Frau Simonis SPD 15222 C Dr. Haussmann FDP 15228 B Dr. Biedenkopf CDU/CSU 15231 D Reuschenbach SPD 15238 B Dr. Graf Lambsdorff BMWi 15241 B Gerstein CDU/CSU 15250A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 15253 B Wurbs FDP 15256A II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 Dr. Warnke CDU/CSU 15257 B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 15259A Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksache 8/3387 — 15222 B Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 8/3380 — Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . 15261 C Simpfendörfer SPD 15264A Zywietz FDP 15266 C Ertl, Bundesminister BML 15268 D Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen 8/3382, 8/3430 — in Verbindung mit Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/3383 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU . . . 15270C Müller (Nordenham) SPD . . . 15272D, 15283A Hoffie FDP 15274 C Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) CDU/ CSU 15277A Curdt SPD 15278 D Merker FDP 15281 A Feinendegen CDU/CSU 15282 C Dr. Friedmann CDU/CSU 15283 B Gscheidle, Bundesminister BMV /BMP 15285 D Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 8/3389 — Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 15288 B Frau Traupe SPD 15290 B Gattermann FDP 15293 C Dr. Schneider CDU/CSU 15295 D Müntefering SPD 15298 B Dr. Haack, Bundesminister BMBau . . . 15300 B Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksache 8/3377 — Dr. Friedmann CDU/CSU 15302 C Dr. Emmerlich SPD 15304A Engelhard FDP 15305 B Dr. Vogel, Bundesminister BMJ . . . . 15306A Nächste Sitzung 15307 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 15309* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15177 192. Sitzung Bonn, den 12. Dezember 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen* 14. 12. Dr. Aigner* 14. 12. Alber* 14. 12. Dr. Apel 12. 12. Dr. Bangemann* 14. 12. Blumenfeld* 14. 12. Egert 14. 12. Fellermaier* 14. 12. Frau Dr. Focke* 14. 12. Friedrich (Würzburg) * 14. 12. Dr. Früh* 14. 12. Dr. Fuchs* 14. 12. Gallus 14. 12. von Hassel* 14. 12. Katzer 14. 12. Dr. h. c. Kiesinger 12. 12. Dr. Klepsch* 14. 12. Lange* 14. 12. Lücker* 14. 12. Luster* 14. 12. Milz 14. 12. _ Dr. Möller 12. 12. Dr. Müller-Hermann* 14. 12. Dr. Pfennig * 14. 12. Frau Schleicher* 14. 12. Dr. Schwarz-Schilling 13. 12. Dr. Schwencke (Nienburg) * 14. 12. Seefeld * 14. 12. Sieglerschmidt * 14. 12. Frau Tübler 14. 12. Frau Dr. Walz* 14. 12. Wawrzik * 14. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Oscar Schneider


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich einige Bemerkungen vorausschicke, zunächst an Sie, Frau Kollegin Traupe. Sie haben Ihre Rede mit einem vorzüglichen Charme gehalten. Ihre Sprache war ganz in Lyrik gehalten. Ich habe aber
    15296 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
    Dr. Schneider
    den Eindruck, daß die Sache selbst eine etwas herbe Epik, eine geradezu kafkaeske Epik verdienen würde; denn das Thema, um das es heute und jetzt geht, ist durchaus herb und verdient auch eine solche Sprache.
    Erinnern wir uns: Seit nunmehr 13 Jahren tragen Bundesminister, die der sozialdemokratischen Partei Deutschlands angehören, die Ressortverantwortung für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau.

    (Zuruf von der SPD: Die haben auch viel erreicht!)

    Aber ihre wohnungspolitische Bilanz ist mager, die Perspektiven für die 80er Jahre sind dunkel und traurig, Hoffnungen wurden enttäuscht, Versprechungen gebrochen.
    Wie Hohn klingt dagegen die SPD-Parole, ihre Politik garantiere die Sicherheit für die 80er Jahre.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Für die Wohnungspolitik stimmt das ganz sicher nicht.

    (Kolb [CDU/CSU]: Das steht auf tönernen Füßen!)

    Ich will das begründen. Noch niemals war die Schere zwischen Kostenmiete und Bewilligungsmiete so weit geöffnet wie heute.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Noch niemals war der soziale Wohnungsbau so unsozial und so familienfeindlich wie heute.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zu keiner Zeit war die Wohnungswirtschaft so unrentabel wie heute.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zu keiner Zeit war die Wohnungspolitik mit soviel Hypotheken, Fehlentwicklungen, sozialwidrigen Besitzständen und brennenden Problemen belastet wie heute.

    (Kolb [CDU/CSU]: Und Ideologien!)

    Die Baubilanzen im freifinanzierten und sozialen Wohnungsbau beweisen es. Seit Jahren haben wir Defizite im Neubau zu registrieren. Die Wohnungsnotfälle in den Ballungsgebieten wachsen bedrohlich an. Der neue Präsident des Deutschen Mieterbundes, unser Kollege Jahn, hat vor wenigen Tagen erklärt, es fehlten 500000 Wohnungen in unserem Lande. Allein die heutigen Tageszeitungen — ich nehme nur eine heraus, könnte aber sieben zitieren —, berichten etwa wie die Süddeutsche Zeitung: „Wohnungsnot wird immer drückender. Allein in München fehlen 16000 Wohnungen", Wohnungsnotfälle wohlgemerkt. In Köln lautet die aktuell auf den Tag bezogene Zahl 19 000.
    Die Bundesregierung hat auf all diese drängenden und brennenden Fragen keine Antwort. Ihre Thesen zur Wohnungs- und Städtebaupolitik sind nichts anderes als Analysen, beschönigende Beschreibungen der gegenwärtigen Verhältnisse. Eine Politik, die fortwährend nur reagiert, statt zielgerichtet zu handeln, gerät gegenüber den Notwendigkeiten der
    Zeit mehr und mehr in Verzug, sie wird überständig, wirklichkeitsfremd, unsozial und reaktionär.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das Recht auf eine angemessene familiengerechte Wohnung ist ein Grundrecht, ein Menschenrecht, das im Rahmen der Sozialstaatlichkeit nach unserer Verfassung zu verwirklichen ist. Ich möchte aber auch feststellen, es ist zunächst Sache des einzelnen Bürgers, sich selbst nach Maßgabe seiner persönlichen Umstände und Verhältnisse um eine angemessene Wohnung zu kümmern. Aber nicht alle Familien sind dazu in der Lage. Deshalb müssen Bund, Länder und Gemeinden auch in Zukunft mit zielgerichteten Programmen und mittels fortentwikkelter rechtlicher Instrumentarien für die Wohnungsversorgung der Bevölkerung eintreten.
    Wohnungspolitik muß als integraler Bestandteil der Familien- und Vermögenspolitik gewertet werden. Ihre sozialpolitischen und steuerpolitischen Aspekte sind stets zu berücksichtigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Erfahrungen von gestern sollen dabei nicht außer Betracht bleiben. Meines Erachtens haben sie gelehrt, sozialer Wohnungsbau kann nur auf der Grundlage einer sozialen Wohnungsmarktwirtschaft gedeihen.

    (Frau Traupe [SPD]: Was ist das denn!)

    Diese soziale Wohnungsmarktwirtschaft schließt den sozialen Wohnungsbau nicht aus, sie macht ihn erst sozial und sichert ihn auf Dauer. Was ökonomisch nicht schlüssig ist, kann auf Dauer sozial nicht von Bestand sein.
    Die Bundesregierung, SPD und FDP, scheuen sich, die Frage zu stellen: Wo verläuft die Grenze der Mieten-Einkommen-Relation? Wieviel von seinen verfügbaren Familieneinkommen darf vom Mieter für das Wohnen verlangt werden? Meine Damen und Herren, wir müssen diese Frage um so nachhaltiger stellen, als sich das öffentliche Förderungsvolumen gegenwärtig, alles in allem zusammengenommen, auf etwa 20 Milliarden DM jährlich beläuft. Dabei ist am beklagenswertesten — das hat Herr Bundesminister Haack mehrfach auch öffentlich zugegeben; insbesondere Expertisen aus seinem Hause bestätigen dies —, daß nur ein relativ geringer Teil des gesamten Förderungsvolumens auf die Zielsetzung ausgerichtet ist, die Wohnverhältnisse wirtschaftlich und sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen zu verbessern. Die Bundesregierung hat diesen Befund — wie gesagt — wiederholt selbst festgestellt.
    Frau Kollegin Traupe hat uns einen Frühlingsmorgen in den Saal gezaubert: „noch ein Weilchen, und die Welt steht in Veilchen". Was ist die Wirklichkeit? Der Stundenverrechnungssatz für die Maurerstunde beträgt 39 DM. Wir haben zwar einen sozialen Wohnungsbau, aber es gibt nicht den Sozialmaurer; denn wer mauert, verlangt den Stundenlohn, den die IG Bau, Steine, Erden dafür ausgehandelt hat. In München ist davon auszugehen — ich könnte auch Köln und Düsseldorf nennen —, daß im sozialen Wohnungsbau bei einer Mietobergrenze
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15297
    Dr. Schneider
    von 4,60 DM und Herstellungskosten von 2 400 DM je Quadratmeter der Förderaufwand des Staates für eine 70 qm große Wohnung 140000 DM beträgt. Bei einer Erhöhung der Mietobergrenzen um eine DM verringert sich der Förderaufwand um ganze 11 000 DM. Ein Reihenhaus ist in den Ballungsgebieten nicht mehr unter 350 000 DM zu bekommen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das kaufe ich sofort!)

    in München nicht unter 450 000 DM. Bei der herkömmlichen Finanzierung eines solchen Objektes beträgt die monatliche Belastung unter Einrechnung des 7b-Effektes und der höchstmöglichen Förderung von 4 DM je Quadratmeter und Monat im Regionalprogramm 1856 DM monatlich. Bei einem zugrundegelegten Eigenkapital von 20 % machen die Vorsparleistungen immerhin 70 000 DM aus. Das Nettoeinkommen eines im Regionalprogramm begünstigten Vierpersonenhaushalts mit 40 % über den maßgeblichen Einkommensgrenzen beträgt demgegenüber gegenwärtig 3 150 DM, so daß bei dieser Belastung für den sonstigen Lebensunterhalt noch 1 269 DM verbleiben. Die Wohngeldförderung bringt hier keinerlei Hilfe, da die Einkommensgrenzen für einen Vierpersonenhaushalt bei 1 860 DM enden. Bei einem förderungsfähigen Miethöchstbetrag von 560 DM bei diesem Haushalt beträgt die Wohngeldleistung nur 9 DM.
    Meine Damen und Herren, das muß man vor Augen haben, wenn man realistisch, sachbezogen, wirklichkeitsnah heute über Wohnungspolitik spricht.
    Die Wohnungspolitik der Bundesregierung gefährdet vor allem auch ihre anspruchsvollen städtebaulichen modernisierungspolitischen und umweltrelevanten Ziele. Die Bundesregierung will ernsthaft gar keine Änderung der Wohnungspolitik. Ihr fehlt der Wille zu einer neuen Politik. Andernfalls hätte sie längst mit Unterstützung der CDU/CSU ein wohnungspolitisches Gesamtprogramm, ein Reformprogramm vorgelegt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!)

    Hier würde in Wahrheit das Wort ,,Reformprogramm" gelten; denn hier gilt es wirklich, etwas zu reformieren, der Zeit anzupassen.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das kann doch nicht im Interesse der Neuen Heimat liegen!)

    Die Bundesregierung hat sich im mietrechtlichen Bereich bisher gegen alle notwendigen Korrekturen gesperrt. Gegen eigene bessere Einsicht und gegen den Protest aller Fachleute hat sie alle Verbesserungsvorschläge zurückgewiesen. Beim Bausparen werden junge Menschen benachteiligt und Familien mit Kindern unzulänglich gefördert. Die Vorschläge zur Energieeinsparung und zur Lärmbekämpfung sind unausgewogen, widersprüchlich und hinsichtlich ihrer Finanzierbarkeit höchst fragwürdig.
    Die Fraktion der CDU/CSU hat für die dritte Lesung einen Entschließungsantrag vorgelegt; ich darf ihn noch kurz begründen und unsere Forderungen verdeutlichen.
    Die Wohnungspolitik muß sich in Zukunft schwerpunktmäßig ausrichten auf die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum in funktionsfähigen Städten und Gemeinden — d. h., wir denken an die Bereitstellung der notwendigen Einrichtungen des öffentlichen Gemeingebrauchs und des sozialen wie kulturellen Gemeinbedarfs; Kommunalpolitik ist zu einem wesentlichen Teil auch immer Wohnungs- und Städtebaupolitik —,

    (Dr. Waffenschmidt [CDU/CSU]: Sehr richtig! Sehr gut!)

    die Sicherung gleichwertiger Lebensbedingungen in allen Teilräumen der Bundesrepublik Deutschland durch Maßnahmen der Raumordnung, Landes- und Regionalplanung, die Bereitschaft der Städte und Gemeinden, rechtzeitig und angemessen neues Bauland auszuweisen und zu erschließen. Ich weiß, daß dies nicht in allen Städten möglich ist, beispielsweise nicht in Berlin.
    Hier möchte ich ein Wort zum Ausbau der Bundeshauptstadt und zu den Neubauten für Bundestag und Bundesrat sagen. Sie wissen, die Fraktion der CDU/CSU steht diesen Plänen aufgeschlossen gegenüber. Ich möchte aber ausdrücklich betonen, daß für uns ein Ja zum Neubau von Räumen für Bundestag und Bundesrat nicht ein irgendwie geartetes politisches oder geschichtliches Nein zu Berlin bedeutet. Für uns ist Berlin nach wie vor die deutsche Hauptstadt und Bonn nur die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Das ist gewaltig!)

    Die Wohnungspolitik muß sich auf die Überwindung regionaler und sektoraler Disparitäten am Wohnungsmarkt besonders in Verdichtungsräumen richten, und, was ganz wesentlich ist, sie muß sich richten auf die Wiederherstellung wirtschaftlich vernünftiger, sozial ausgewogener Chancengleichheit zwischen Mieter und Vermieter durch Abbau überholter gesetzlicher Bindungen, Verfügungs- und Nutzungsbeschränkungen, durch Lockerung behördlicher Eingriffslenkungen und durch Verstärkung marktwirtschaftlicher Steuermechanismen.

    (Kolb [CDU/CSU]: Darauf werden wir aber noch lange warten müssen!)

    Sie muß sich auf die Sicherung von tragbaren Mietbelastungen durch rechtzeitige Wohngeldanpassungen richten. Der beabsichtigten Wohngeldanpassung 1981 werden wir zustimmen, wobei wir davon ausgehen, daß die auch im Dritten Familienbericht der Bundesregierung beklagten Unzulänglichkeiten beseitigt werden. Sie muß sich schließlich auf die Rückkehr privater Anleger an den Wohnungsmarkt für Maßnahmen der Stadtsanierung durch eine zumindest mittelfristige Verbesserung der Rentabilität richten.
    Meine Damen und Herren, der soziale Wohnungsbau muß künftig in die allgemeine Wohnungswirtschaft eingebunden und so neu gestaltet werden, daß öffentliche Hilfen gezielter und sicherer den bedürftigen Bevölkerungsschichten zugute kommen, jungen und kinderreichen Familien aus-
    15298 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
    Dr. Schneider
    reichenden Wohnraum sichern, sozialwidrige Besitzstände beseitigen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Hilfe zur Selbsthilfe gewähren und frühzeitiger zur Eigentumsbildung anregen, die Mietbelastung in ein sozial vertretbares und wohnungswirtschaftlich sinnvolles Verhältnis zu den übrigen Aufgabengruppen bringen, die wohnungswirtschaftlichen Fehlentwicklungen — Unterbelegung, Fehlbelegung, Mietpreisverzerrung, förderungsbedingte Mietpreissteigerungen usw. — stufenweise abbauen, die Wohnungsmodernisierung und den Wohnungsneubau langfristig verstetigen,

    (Wehner [SPD]: Kennen Sie das Lied: „Mach End', o Herr, mach' Ende"?)

    die wohnungspolitischen Ziele mit den Notwendigkeiten des Städtebaus besser harmonisieren, das Preis- und Leistungsgefälle zwischen dem öffentlich geförderten und dem frei finanzierten Wohnungsbau angemessen ausgleichen, den Ausgleich des Qualitätsgefälles zwischen neuen und alten Wohngebieten fördern.

    (Wehner [SPD]: Eine Karikatur!)

    Meine Damen und Herren, alle Förderungsmaßnahmen müssen so angelegt werden, daß sie nicht schon von vornherein sozial unerwünschte und wirtschaftlich schädigende Fehlentwicklungen vorausprogrammieren. Eine neue Wohnungspolitik muß dem entschädigungslosen Substanzverzehr in den Altbaubeständen ein Ende machen. Das heißt freilich nicht, daß der Staat als Mietausfallkasse mißbraucht wird. Der Gesetzgeber darf dem Vermieter mittels des positiven Rechts den Anspruch nicht verwehren, kostendeckende Mieten zu verlangen.

    (Grobecker [SPD]: Können Sie das Manuskript nicht besser gleich der Fachzeitschrift geben!)

    — Ich darf Ihnen sagen: Wenn meine Rede so gut war, daß sie sofort in der Fachzeitschrift abgedruckt werden kann, dann ist sie bestens qualifiziert.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Verlängern Sie sie doch noch ein bißchen!)

    Wenn Sie gut zugehört haben, dann haben auch Sie der SPD Ihr wohnungspolitisches Bildungsdefizit ausgeglichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Kolb [CDU/ CSU]: Die haben aber einen langen Lernprozeß!)



Rede von Dr. Richard von Weizsäcker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Müntefering.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Franz Müntefering


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion hat zwei Anträge vorgelegt, einen zur zweiten Beratung. Da geht es um die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit. Dazu hat niemand gesprochen. Das war wohl nicht so ganz ernst gemeint.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das ist in sich schlüssig! Darüber braucht man nicht zu reden!)

    Das lehnen wir sowieso ab.
    Dann gab es einen Antrag zur dritten Lesung, der gerade auch vom Kollegen Dr. Schneider zum Teil erläutert worden ist. Diesen Antrag werden wir zur Überweisung an den zuständigen Ausschuß vorschlagen. Dieser Antrag hat einige interessante Formulierungen und, freundlich ausgedrückt oder weniger freundlich ausgedrückt, einige Plattitüden. Er spricht eigentlich die Gesamtproblematik Städtebau- und Wohnungspolitik in jeder Beziehung an. Er bringt zum Ausdruck, es möge alles doch viel besser werden, als es bisher schon ist. Da wird davon gesprochen, daß neu zu ordnen ist, daß ein neues Konzept auf den Tisch muß, da wird davon gesprochen, daß aufeinander abgestimmt werden muß. Da wird davon gesprochen, daß Mittel „verstetigt" werden müssen. Zu diesen Punkten will ich nun schon einige Dinge sagen, damit einmal deutlich wird, was eigentlich die Schwäche Ihrer ganzen Argumentation und auch dieses Entwurfs ist.
    Sie formulieren so vorsichtig um die eigentlichen Probleme herum, daß die Zielkonflikte, die im Wohnungs- und Städtebau da sind, überhaupt nicht deutlich werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und Sie sprechen sie nicht an!)

    Worum geht es denn in des Städten, um auf den Städtebau zu sprechen zu kommen? Weshalb entstehen diese Probleme in unseren großen Städten?
    Da ist der Punkt Nr. 1, die Explosion, der hohe Anstieg — wenn man so will — der Bauland- und der Baupreise.

    (Niegel [CDU/CSU]: Das ist doch nicht das Problem heutzutage! Ideologisch verkrampft ist das!)

    Dieses ist vielleicht das große historische Versäumnis in dieser Republik überhaupt, daß es nichts gibt, das Bodenrecht so zu praktizieren, daß jede Art Bodenspekulation, verehrter Herr Kollege Niegel — auch für Sie mit gesprochen —, unmöglich ist. Weshalb ist denn die Schwierigkeit in den Städten und Gemeinden da, daß nicht gebaut werden kann, nicht im Eigenheimbau und nicht im Mietwohnungsbau? Doch unter anderem auch deshalb, weil die Bodenpreise jeder realistischen und jeder finanzierbaren Größenordnung davongelaufen sind.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Jahn [Münster] [CDU/CSU]: Was wollen Sie dagegen tun, Herr Müntefering?)

    Dann gibt es das Problem Nr. 2, nämlich den Steuereffekt der insgesamt eingesetzten Mittel. Ich habe mir das einmal herausgesucht. Da wird deutlich, daß aus dem Programm Energiesparen oder aus dem 7 b oder aus der Modernisierung ungefähr 10 bis 20 bzw. 25 % der Mittel in die wirklich schlechten Quartiere fließen, in die, die dringend modernisiert werden
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15299
    Müntefering
    müssen, daß aber all die anderen Mittel in die mittelguten oder guten Quartiere fließen. Dies ist etwas, was der Kollege Gattermann vorhin in seinem Beitrag angesprochen hat, eine überlegenswerte Sache, die man auch aus dem Antrag der CDU/CSU herauslesen kann als Problematik, aber ohne daß von Ihnen aufgezeigt wird, in welcher Weise dies denn eigentlich verändert werden könnte, verändert werden sollte.

    (Dr. Jahn [Münster] [CDU/CSU]: Stimmen Sie denn Herrn Gattermann zu, Herr Müntefering?)

    Es gibt einen dritten wichtigen Punkt, der dazu führt, daß unsere Städte mit diesem Problem zu kämpfen haben. Das ist das Problem des Wohnumfelds. Das ist die Frage, wie belastet die Wohnungen in unseren Städten und Gemeinden sind und was getan werden kann und muß, um sie für die Menschen wieder attraktiver und wohnlicher zu machen.

    (Niegel [CDU/CSU]: Das ist das Ergebnis der SPD-Wohnungspolitik!)

    Da gibt es einige gute Ansätze im Zusammenhang mit anderen Ministerien, zum Beispiel mit dem Verkehrsminister. Da ist der Ansatz, hier für Verkehrsberuhigung die rechtlichen und gesetzlichen Möglichkeiten zu schaffen und so den Gemeinden Gelegenheit zu geben, wieder intensiver in ihrem Kern und da, wo die Menschen wohnen, zu planen.
    Das sind drei Probleme, um einige wenige aufzuzählen, die eine Rolle spielen, wenn es darum geht, für die Städte wieder mehr Rückenwind zu geben, ihnen die Verbesserung ihrer Wohnbereiche zu ermöglichen.
    Nun sprechen Sie davon: Die Dinge müssen aufeinander abgestimmt werden. Das wäre z. B. interessant gewesen beim Heizenergiesparprogramm. An diesem Punkt will ich Ihnen das einmal deutlich machen. Ja, wie kommt das denn, daß heute draußen die Menschen Schlange stehen nach diesen Zuschüssen, die aus diesem Programm herauskommen? Zum Teil doch daher, daß sie die Hälfte der Mittel, die zur Verfügung standen — letztendlich dann auch mit unserem Einverständnis, nachdem das nicht zu umgehen war —, über den steuerlichen Teil abfließen lassen,

    (Kolb [CDU/CSU]: Aber dafür sparen wir Energie ein, Herr Kollege!)

    und da auf der anderen Seite genau die, die eigentlich bedürftig sind, die das Geld eigentlich brauchen, dann in den Kreisen und Städten dastehen und keine Mittel mehr bekommen. Wenn es darum geht, das aufeinander abzustimmen — lassen Sie mich das noch sagen, Herr Kollege Dr. Jahn —, gehört vielleicht auch dazu, daß wir uns dann, wenn wir dieses Programm betreffend Einsparung von Heizenergie in irgendeiner Weise über 1982 hinaus — und das wird ja nötig sein — fortentwickeln, einmal Gedanken darüber machen, wie man dieses Programm z. B. auf eine vernünftige Städtebaupolitik abstimmt, in dem Sinne, wie Sie es in Ihrem Antrag vielleicht verstanden haben, vielleicht aber auch nicht verstanden haben.