Rede von
Franz
Müntefering
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion hat zwei Anträge vorgelegt, einen zur zweiten Beratung. Da geht es um die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit. Dazu hat niemand gesprochen. Das war wohl nicht so ganz ernst gemeint.
Das lehnen wir sowieso ab.
Dann gab es einen Antrag zur dritten Lesung, der gerade auch vom Kollegen Dr. Schneider zum Teil erläutert worden ist. Diesen Antrag werden wir zur Überweisung an den zuständigen Ausschuß vorschlagen. Dieser Antrag hat einige interessante Formulierungen und, freundlich ausgedrückt oder weniger freundlich ausgedrückt, einige Plattitüden. Er spricht eigentlich die Gesamtproblematik Städtebau- und Wohnungspolitik in jeder Beziehung an. Er bringt zum Ausdruck, es möge alles doch viel besser werden, als es bisher schon ist. Da wird davon gesprochen, daß neu zu ordnen ist, daß ein neues Konzept auf den Tisch muß, da wird davon gesprochen, daß aufeinander abgestimmt werden muß. Da wird davon gesprochen, daß Mittel „verstetigt" werden müssen. Zu diesen Punkten will ich nun schon einige Dinge sagen, damit einmal deutlich wird, was eigentlich die Schwäche Ihrer ganzen Argumentation und auch dieses Entwurfs ist.
Sie formulieren so vorsichtig um die eigentlichen Probleme herum, daß die Zielkonflikte, die im Wohnungs- und Städtebau da sind, überhaupt nicht deutlich werden.
Worum geht es denn in des Städten, um auf den Städtebau zu sprechen zu kommen? Weshalb entstehen diese Probleme in unseren großen Städten?
Da ist der Punkt Nr. 1, die Explosion, der hohe Anstieg — wenn man so will — der Bauland- und der Baupreise.
Dieses ist vielleicht das große historische Versäumnis in dieser Republik überhaupt, daß es nichts gibt, das Bodenrecht so zu praktizieren, daß jede Art Bodenspekulation, verehrter Herr Kollege Niegel — auch für Sie mit gesprochen —, unmöglich ist. Weshalb ist denn die Schwierigkeit in den Städten und Gemeinden da, daß nicht gebaut werden kann, nicht im Eigenheimbau und nicht im Mietwohnungsbau? Doch unter anderem auch deshalb, weil die Bodenpreise jeder realistischen und jeder finanzierbaren Größenordnung davongelaufen sind.
Dann gibt es das Problem Nr. 2, nämlich den Steuereffekt der insgesamt eingesetzten Mittel. Ich habe mir das einmal herausgesucht. Da wird deutlich, daß aus dem Programm Energiesparen oder aus dem 7 b oder aus der Modernisierung ungefähr 10 bis 20 bzw. 25 % der Mittel in die wirklich schlechten Quartiere fließen, in die, die dringend modernisiert werden
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15299
Müntefering
müssen, daß aber all die anderen Mittel in die mittelguten oder guten Quartiere fließen. Dies ist etwas, was der Kollege Gattermann vorhin in seinem Beitrag angesprochen hat, eine überlegenswerte Sache, die man auch aus dem Antrag der CDU/CSU herauslesen kann als Problematik, aber ohne daß von Ihnen aufgezeigt wird, in welcher Weise dies denn eigentlich verändert werden könnte, verändert werden sollte.
Es gibt einen dritten wichtigen Punkt, der dazu führt, daß unsere Städte mit diesem Problem zu kämpfen haben. Das ist das Problem des Wohnumfelds. Das ist die Frage, wie belastet die Wohnungen in unseren Städten und Gemeinden sind und was getan werden kann und muß, um sie für die Menschen wieder attraktiver und wohnlicher zu machen.
Da gibt es einige gute Ansätze im Zusammenhang mit anderen Ministerien, zum Beispiel mit dem Verkehrsminister. Da ist der Ansatz, hier für Verkehrsberuhigung die rechtlichen und gesetzlichen Möglichkeiten zu schaffen und so den Gemeinden Gelegenheit zu geben, wieder intensiver in ihrem Kern und da, wo die Menschen wohnen, zu planen.
Das sind drei Probleme, um einige wenige aufzuzählen, die eine Rolle spielen, wenn es darum geht, für die Städte wieder mehr Rückenwind zu geben, ihnen die Verbesserung ihrer Wohnbereiche zu ermöglichen.
Nun sprechen Sie davon: Die Dinge müssen aufeinander abgestimmt werden. Das wäre z. B. interessant gewesen beim Heizenergiesparprogramm. An diesem Punkt will ich Ihnen das einmal deutlich machen. Ja, wie kommt das denn, daß heute draußen die Menschen Schlange stehen nach diesen Zuschüssen, die aus diesem Programm herauskommen? Zum Teil doch daher, daß sie die Hälfte der Mittel, die zur Verfügung standen — letztendlich dann auch mit unserem Einverständnis, nachdem das nicht zu umgehen war —, über den steuerlichen Teil abfließen lassen,
und da auf der anderen Seite genau die, die eigentlich bedürftig sind, die das Geld eigentlich brauchen, dann in den Kreisen und Städten dastehen und keine Mittel mehr bekommen. Wenn es darum geht, das aufeinander abzustimmen — lassen Sie mich das noch sagen, Herr Kollege Dr. Jahn —, gehört vielleicht auch dazu, daß wir uns dann, wenn wir dieses Programm betreffend Einsparung von Heizenergie in irgendeiner Weise über 1982 hinaus — und das wird ja nötig sein — fortentwickeln, einmal Gedanken darüber machen, wie man dieses Programm z. B. auf eine vernünftige Städtebaupolitik abstimmt, in dem Sinne, wie Sie es in Ihrem Antrag vielleicht verstanden haben, vielleicht aber auch nicht verstanden haben.