Rede von
Dr.
Peter
Corterier
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte gehofft, der letzte Redner zu sein. Da dies offensichtlich nicht der Fall ist, möchte ich natürlich um so lieber diesem Hinweis entsprechen und mich darauf beschränken, einige Antworten auf Ihre Ausführungen, Herr Kollege Marx, zu geben zu versuchen.
Zunächst einmal sagten Sie, daß die Regierung in den letzten Jahren das Notwendige im Bereich unserer Verteidigung nicht getan habe, daß sie vor allem auch ihrer • Pflicht nicht genügt habe, in einem besonders exponierten Land auf gewisse Entwicklungen rechtzeitig hinzuweisen. Sie hatten gerade auch im Zusammenhang mit dem TNF-Bereich davon gesprochem, daß sie dieser Pflicht nicht entsprochen habe.
Ich glaube, Herr Marx, wenn Sie in die Geschichte gehen, können Sie diesen Vorwurf kaum ernsthaft aufrechterhalten; denn ich darf daran erinnern, daß der erste Politiker von internationalem Gewicht der Bundeskanzler gewesen ist, der 1977 in seiner bekannten Rede vor dem Institut für Strategische Studien in London auf die Probleme, die sich in diesem Bereich ergeben haben, hingewiesen hat. Ich habe immer wieder von maßgeblichen Amerikanern, aber auch von Europäern den Hinweis gehört, daß das für sie der erste ernst zu nehmende Hinweis — jedenfalls in der Offentlichkeit — auf diese Problematik gewesen sei.
Ich darf auch daran erinnern, Herr Kollege Marx, daß wir bereits seit 1976 das Verteidigungsverbesserungsprogranun der NATO haben. Auch dieses ist nicht eine Sache, die plötzlich übers Knie gebrochen worden ist, sondern eine, die seit längerer Zeit in Gang ist.
Sie hatten weiterhin gesagt, daß seit 1969 diese Periode der Illusionen über die Entspannungspolitik ausgebrochen sei, daß man die Ziele der Entspannung schon für Realität genommen habe usw. Sie haben leider vergessen, darauf hinzuweisen, mit welchen Problemen wir es gerade 1969 im Verteidigungsbereich zu tun hatten, auch wenn wir an die Beziehungen zu den amerikanischen Verbündeten denken, etwa mit der Mansfield-Resolution. Welcher Erfolg ist es gewesen, daß gerade auch diese Regierung wesentlich mit dazu beitragen konnte, solche Bestrebungen zu verhindern!
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979 15155
Dr. Corterier
Sie haben sich dann mit der Frage auseinandergesetzt, die von einigen Rednern der Koalition an Sie gerichtet worden war: wie es denn die Opposition mit den NATO-Beschlüssen, die in den nächsten Tagen zu fassen sind, halte. Ich glaube, Sie haben diese Frage — das schließe ich jedenfalls aus Ihren Ausführungen — ziemlich mißverstanden; denn Sie haben bezeichnenderweise eigentlich nur über die Rüstungsmaßnahmen, die zu treffen sind, gesprochen, aber nur sehr wenig — und sehr kursorisch über die rüstungskontrollpolitischen Ansätze. Im Grunde konnte doch die Frage an Sie kaum lauten: Wie halten Sie es mit dem Rüstungsansatz? Denn dafür war die Opposition ja immer, von der Wörner-Rede angefangen. Die Frage war doch: Sind Sie bereit, ernsthaft auch den rüstungskontrollpolitischen Ansatz mit zu tragen?
In diesem Zusammenhang, muß ich sagen, habe ich manchmal — oder sogar sehr oft — den Eindruck, daß die Sicherheitspolitik der CDU/CSU vor allem darin besteht, nach allen Waffen zu verlangen, die verfügbar sind, und die rüstungskontrollpolitischen Notwendigkeiten zu vernachlässigen.
Ich glaube, die Opposition ist nicht bereit, genügend auf der Basis des Harmel-Berichtes zu arbeiten, der eben beides vorsieht, nämlich die Aufrechterhaltung der Verteidigungsfähigkeit der Allianz, kombiniert mit der Entspannungspolitik.
Ich meine, wenn wir von Rüstungskontrollpolitik sprechen, dann wäre doch zum Beispiel die Frage an Sie: Wie halten Sie es eigentlich mit dem SALT-IIVertragl Dazu haben wir bisher immer nur Äußerungen gehört, die ich nur als Ausflüchte ansehen kann.
— Ja, ich kenne das Standardargument, lieber Carl Damm; nur überzeugt mich das nicht. Mich überzeugt das keinen Augenblick. Denn wenn dieser SALT-Vertrag — darüber sind wir uns doch einig — für uns alle von sehr hoher Bedeutung ist, wenn er unsere Sicherheitsinteressen in elementarer Weise berührt, dann muß es doch wohl unser aller Pflicht sein, zu sagen, wie wir zu diesem Vertrag stehen und was wir von ihm erwarten.
Sie haben sich bisher auf Ausflüchte beschränkt, mit wenigen Ausnahmen. Es gibt die eine Ausnahme aus den letzten Tagen, nämlich Herrn Habsburg aus dem Europäischen Parlament, der Briefe an amerikanische Kongreßabgeordnete schreibt, in denen er sie auffordert, den SALT-Vertrag abzulehnen. Es wäre interessant zu hören, wie Sie zu dieser Aktion des Herrn Habsburg stehen.
Wir meinen, daß die Ratifikation des SALT-IIVertrages gerade hinsichtlich der weiteren Rüstungskontrollverhandlungen im TNF-Bereich notwendig ist; denn ohne SALT II wird es kein SALT III geben. Wir meinen aber auch, daß dieser Vertrag und seine Ratifikation für den Zusammenhalt des Bündnisses wichtig sind.
Sie haben, Herr Marx, erneut gegen die Berliner Beschlüsse meiner Partei hinsichtlich dessen, was die NATO in den nächsten Tagen tun soll, polemisiert. Ich muß Ihnen sagen, ich verstehe nicht recht, daß Sie erstens nicht zur Kenntnis nehmen, mit welch überwältigender Mehrheit diese Beschlüsse gefaßt worden sind. Daran können sie wirklich nicht mehr herumdeuteln.
Sie nehmen zweitens nicht zur Kenntnis, daß der amerikanische Außenminister in einer Rede, die er gestern in Berlin hat halten lassen, nicht nur der Bundesregierung ausdrücklich für ihre Haltung zu den NATO-Beschlüssen gedankt, sondern auch gesagt hat, daß die Beschlüsse des SPD-Parteitags wichtig und hilfreich für die Allianz seien. Warum muß es eigentlich der amerikanische Außenminister so sehr viel anders sehen als sie? Warum ist es nicht möglich, einmal in diesem einen Punkt zu sagen: „Hier habt ihr recht, und hier sind wir einer Meinung"?
Wäre es nicht schön, wenn wir diese Beschlüsse wirklich alle miteinander trügen, anstatt uns weiter gegenseitig zu kritisieren?
Sie haben dann etwas zum Iran und zu dem gesagt, was sich aus dieser schlimmen Geiselaffäre möglicherweise für unsere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten ergeben könnte. Hier können wir mit wohlfeilen Erklärungen und mit strammen Forderungen nicht allzuviel erreichen. Wir haben am eigenen Leibe erfahren, wieviel Nervenkraft und Umsicht nötig sind, um mit einer solchen Krise wie der im Iran fertig zu werden. Gerade deshalb fühlen wir uns mit dem amerikanischen Präsidenten Carter und mit unseren amerikanischen Freunden so solidarisch, weil sie diese Krise bisher mit einem bewunderswerten Maß an Disziplin und Zurückhaltung durchgestanden haben. Ich glaube, bei der amerikanischen Regierung gibt es überhaupt keinen Zweifel an unserer Solidarität. Aber Sie haben recht, wenn Sie darauf hinweisen wollten, daß es drüben in der öffentlichen Meinung Probleme gibt. Wenn ein so guter Freund wie Senator Javits Kritik geübt hat, dann müssen wir das ernst nehmen. Deswegen begrüße ich es, daß gerade heute die Bundesregierung ihre Anstrengungen auch mehr im Detail erläutert hat. Ich glaube, wir müssen alle miteinander davon ausgehen, daß es bei den Gesprächen, die der Bundeskanzler und der Außenminister heute mit dem amerikanischen Außenminister geführt haben, auch nach außen keinerlei Zweifel an unserer Solidarität mit den Amerikanern geben kann.
Sie haben dann, wiederum Kritik an unserem Parteitag übend, von angeblichem Antiamerikanismus gesprochen, der dort zum Vorschein gekommen sei, Herr Kollege Marx. Ich nehme an, daß Sie damit auf Ausführungen des Vorsitzenden der Jungsozialisten, Schröder, anspielen wollten. Ich darf Ihnen ganz klar sagen, daß ich diese Ausführungen — —
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Dr. Corterier
— Na, gut. Die von Herrn Coppik sind mir im Augenblick nicht gegenwärtig. Ich kann Ihnen jedenfalls sagen, die Ausführungen des Herrn Schröder haben mir überhaupt nicht gefallen.
Nur, Herr Schröder ist Vorsitzender der Jungsozialisten. Denken Sie einmal daran, Herr Marx, was noch vor gar nicht langer Zeit ein Mann wie Herr Strauß, dessen Einfluß in Ihrer Partei sehr viel größer sein dürfte als der von Herrn Schröder in meiner, über den amerikanischen Präsidenten im Zusammenhang mit der Debatte über die Neutronenwaffe gesagt hat. Ich darf daran erinnern, daß er damals sagte:
In meiner Kenntnis der amerikanischen Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg ist dies der erste Fall, wo ein amerikanischer Präsident offen und erkennbar vor einem russischen Zaren gekuscht hat.
Das waren wörtlich die Äußerungen des Herrn Strauß. Ich glaube, daß noch niemals ein verantwortlicher Politiker der SPD in einer ähnlich herausragenden Position etwas Ähnliches über einen amerikanischen Präsidenten gesagt hat. Ich meine, diese Äußerung des Herrn Strauß verdient es durchaus, als Antiamerikanismus von rechts qualifiziert zu werden.
Herr Kollege Marx, Sie haben zum Schluß Ihrer Ausführungen auf die Aktivitäten der DDR in Afrika hingewiesen. Ich darf Ihnen dazu sagen, daß auch wir diese Aktivitäten keineswegs billigen, daß sie uns mit Sorgen erfüllen. Wenn Sie sich aber in der zugegeben sehr kurzen Zeit, die zur Verfügung stand — Sie haben verhältnismäßig viel davon auf das Thema Afrika verwandt —, fast ausschließlich auf die Aktivität der DDR konzentriert haben, dann meine ich, ist das dem Thema einfach nicht angemessen.
— Ja, gut, das ist ein aktueller Anlaß, aber es gibt sehr viel gewichtigere aktuelle Anlässe wie z. B. den Höhepunkt der Rhodesien-Konferenz und andere Dinge mehr. Ich meine, das ist wirklich einer der Punkte, wo wir uns unterscheiden. Wir dürfen dieses Problem Afrika nicht auf den Ost-West-Konflikt reduzieren, nicht in erster Linie unter diesem Aspekt sehen, sondern müssen sehr sorgfältig analysieren, welche Ursachen für die dort zur Zeit stattfindenden Konflikte letztlich maßgebend sind. Dabei mögen auch Probleme des Ost-West-Verhältnisses eine Rolle spielen. Ich nehme an, wir werden in der Afrika-Debatte, die irgendwann stattfinden muß — ich hoffe es mit Ihnen —, auf die Einzelheiten eingehen können.
Ein letztes Wort zu dem, was Sie über Rhodesien gesagt haben. Es war erfreulich, daß Sie so klar die Position der britischen Regierung, die auch unsere Position ist, unterstützt haben und daß Sie den Briten Erfolg gewünscht haben. Hoffentlich tritt er noch in dieser Woche endgültig ein.
— Ja, wenn es zum Friedensvertrag und zum Waffenstillstand kommt, dann ist selbstverständlich die Aufhebung des Embargos eine Folge einer solchen Entwicklung.
Ich darf aber daran erinnern, daß es noch am Vorabend der Konferenz von Ihrer Seite ganz anders geklungen hat, nicht von Ihnen, Herr Marx. Herr Todenhöfer hat uns aber noch wenige Tage vor der Konferenz aufgefordert, einseitig die aus den Frühjahrswahlen, die wir nicht anerkennen konnten, hervorgegangene Regierung anzuerkennen. Das war damals die Politik. Im Frühjahr gab es noch sehr viel mehr Stimmen aus der Opposition, die das gleiche gefordert haben. Mit anderen Worten, wir hätten Ihrer Meinung nach eine Politik akzeptieren sollen, die auf die Hinnahme der internen Lösung hinaus- gelaufen wäre, die aber unserer Meinung nach nicht geeignet gewesen wäre, den Konflikt beizulegen, sondern im Gegenteil dazu gedient hätte, ihn weiter zu verschärfen. Sie hätte uns zusätzlich in einen schweren Gegensatz zu den meisten schwarzafrikanischen Staaten bringen müssen.
Ich hoffe also, daß Sie in Zukunft eher bereit sein werden, vernünftige Lösungen in Afrika mitzutragen, statt die Konfrontation um möglicher innenpolitischer Vorteile willen zu suchen.