Rede von
Dr.
Karl
Atzenroth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Sie werden verstehen, daß wir von dem bisherigen Ablauf der heutigen Beratungen sehr angenehm überrascht sind. Ein Ziel, für das wir seit acht Jahren in diesem Hause kämpfen, scheint sich langsam der Verwirklichung zu nähern. Wir sind seit acht Jahren dafür eingetreten, daß sich die öffentliche Hand aus dem Erwerbsleben heraushält. Wir sind sehr froh, dem vorliegenden Gesetzentwurf entnehmen zu können, daß auch die Abgeordneten Adenauer, Erhard und Blank sich dieser Ansicht wieder angeschlossen haben, nachdem sie es am Schluß des 2. Bundestages schon einmal demonstriert hatten. Wir sind ganz besonders überrascht, gerade aus dem Munde eines unserer neuen Kollegen, Arnold, das hohe Lied des Eigentums und der Freiheit vorgetragen zu bekommen,
Dinge, für die wir seit acht Jahren demonstrativ kämpfen, und wir sind sehr begeistert davon, daß wir in Ihnen, Kollege Arnold, nunmehr einen Mitstreiter gefunden haben.
Wir hoffen, daß wir damit das Kapitel Ahlen als erledigt betrachten können.
Wir sind ebenso, wie es der Kollege Arnold vorgetragen hat, für eine breite soziale Streuung des Eigentums. Wir sind dafür, daß Eigentum für alle geschaffen werden kann, d. h., wie Kollege Arnold es eben gesagt hat, daß alle sich Eigentum erwerben können, und zwar jeder durch Leistung auf seinem Gebiet. Wir sind mit Ihnen auch der Meinung, daß die bisherige Verteilung des Eigentums keineswegs in allen Fällen sozial befriedigend ist und daß wir durch unsere gesetzgeberischen Maßnahmen eine
264 Deutscher Bundestag — J. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, ,den 22. Januar 195e
Dr. Atzenroth
befriedigende Verteilung anstreben müssen. Insofern werden wir alle Maßnahmen und Vorschläge der Regierung und der Regierungsparteien unterstützen.
Bevor ich auf die Privatisierung des Volkswagenwerkes zu sprechen komme, möchte ich mich ein wenig mit Ihren allgemeinen Ausführungen beschäftigen, auf die auch der Kollege Hellwig etwas eingegangen ist. Es ist die Frage zu stellen: Ist dieser Gesetzentwurf wirklich geeignet, auf breitester Basis Eigentum zu schaffen? — So haben Sie es ausgedrückt. Sie schaffen ja hiermit kein Eigentum, sondern Sie wollen die Möglichkeit geben, Eigentum in einer anderen Form als bisher zu erwerben. Sie wenden sich also damit an die Menschen, die bisher aus einem gewissen Einkommen Eigentum erworben und dabei den Weg des Sparens gewählt haben. Sie wollen nun einen Anreiz schaffen, einen Anreiz zur Eigentumsbildung auf dem Wege über die Aktie, und Sie wollen — darin finden Sie unsere volle Unterstützung — die Aktie populärer machen, wie es in Amerika der Fall ist, wo es Gesellschaften gibt, die mehr Aktionäre als Arbeitnehmer haben. Damit sind wir voll und ganz einverstanden.
Aber wir haben das Gefühl, daß dieser Weg, auf dem Sie eine andere Form der Eigentumsbildung zu schaffen versuchen, nicht der geeignete ist. Wir werden gar nicht daran vorbeikommen, die Formen der Vermögensbildung verschieden zu gestalten. Für einen Mann, der 50 Mark zur Verfügung hat, ist die Aktie eben nicht die geeignete Kapitalform. Der Mann muß auf die Form des Sparens verwiesen bleiben, bei der wir ihm noch alle möglichen Variationen zur Verfügung stellen können. Insofern sehen wir es als nicht glücklich an, daß Sie das, was mit dem Begriff „Volksaktie" zusammenhängt, in diesen Gesetzentwurf hineingebracht haben.
Wir sind allerdings mit Ihnen der Meinung, daß es, um zu einer echten Breitenstreuung des Aktienbesitzes zu kommen, dringend notwendig ist, das Aktienrecht sehr bald zu ändern. Ich darf daran erinnern, daß ich schon ungefähr in der Mitte der zweiten Legislaturperiode die Bundesregierung gefragt habe, wann wir endlich wenigstens den ersten Teil eines Entwurfs für eine Änderung des Aktienrechts vorgelegt bekommen. Herr Hellwig hat hier mit großer Beredsamkeit dargelegt, welche Mängel in dieser Frage bestehen, welche Macht das Management hat und wie geringen Einfluß eigentlich noch der Kapitalbesitzer, nämlich der Aktionär, besitzt. Daß wir dieses Verhältnis grundlegend ändern müssen, darüber sind wir uns — das haben wir heute in der Diskussion erfahren — alle einig. Wir sollten mit diesen Arbeiten sehr schnell beginnen.
Ich kann Herrn Kollegen Kurlbaum keineswegs zustimmen, wenn er hier derartige Angriffe gegen die bisherige Gesellschaftsform richtet. Herr Kurlbaum, lesen Sie sich doch einmal die Bilanzen deutscher Aktiengesellschaften durch! Ich habe noch keine Bilanz gelesen, aus der sich nicht ergibt, daß die freiwilligen sozialen Leistungen weitaus höher sind als die ausgeschüttete Dividende. Wie wollen Sie gegen eine solche Sozialordnung Vorwürfe erheben? Der Eigentümer bekommt weniger, als freiwillig — über' die gesetzlichen Leistungen hinaus -an die Arbeitnehmer ausgeschüttet wird, weitaus weniger!