Rede von
Dr.
Franz Josef
Strauß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Kollege, darf ich Sie noch einmal an mein Stichwort „Violinschlüssel" erinnern. Sowohl bei den Verhandlungen um die Saar wie bei den Verhandlungen um den Streifen an der belgischen Grenze handelte es sich bei aller Schärfe der nationalen Gegensätze, bei aller Verhärtung der Gemüter und bei aller Leidenschaft letzten Endes doch um Menschen, die denselben Violinschlüssel im Herzen hatten. Wenn das drüben auch der Fall wäre, wäre die Frage kein Problem.
Aber ich nehme Ihnen zuviel Zeit weg.
Die Voraussetzungen für Österreich lagen doch ganz anders. Es waren keine zwei „Österreicher" da.
— Da gab's verschiedene Violinschlüssel: aber da lagen die historischen und geschichtlichen Voraussetzungen ganz anders. Ich könnte darauf antworten. Ich bitte Sie, es Ihnen und mir zu ersparen.
Ich wollte als zweites Zitat ein Wort des Bürgerkriegstheoretikers, des Bürgerkriegsmeisters, des Altkommunisten Manuilsky aus dem Jahre 1931 zitieren:
Kampf bis aufs Messer zwischen Kommunismus und Kapitalismus ist unvermeidlich. Heute sind wir natürlich nicht in der Lage und stark genug, um anzugreifen. Unsere Zeit wird in zwanzig oder dreißig Jahren kommen. Um die Bourgeoisie einzuschläfern, werden wir die ein-
drucksvollste Friedensbewegung der Welt starten. Es wird sensationelle Angebote und Zugeständnisse geben. Die kapitalistischen Länder, stupid und dekadent wie sie sind, werden freudig an ihrer eigenen Vernichtung mitarbeiten. Sie werden jede Chance wahrnehmen wollen, um unsere Freunde zu werden. Sobald sie ihre Wachsamkeit verloren haben, werden wir sie mit unserer geballten Faust vernichten.
Daß hier zwischen Theorie und Ausführung in der Zwischenzeit viel Wasser die Donau hinuntergeflossen ist, darüber sind wir uns auch klar. Daß aber diese Mentalität latent und in der Potenz vorhanden ist, darüber gibt es hoffentlich für Sie und gibt es auch für uns nicht den geringsten Zweifel.
Wenn Sie deshalb uns mahnen, wir sollten von der Sowjetunion keine Kapitulation verlangen, dann ist darauf zu sagen, wir verlangen von ihr nichts anderes als das normale Verhalten eines jeden Volkes und eines jeden Staates, das einer großen Macht viel leichterfällt als einer kleinen Macht, den anderen die Freiheit zu lassen; sie braucht vor niemand zu kapitulieren. Die Sowjetrussen sollen begreifen, daß die Freundschaft mit Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei und die Freundschaft mit uns für sie viel mehr wert ist als die Kampfkraft der Roten Armee und das Atompotential, das dahintersteht. Das sollen sie begreifen, das ist doch der Weg, der zu gehen ist. Aber dafür bei den Freunden unentbehrlich und bei denen, die heute noch nicht diese Sprache sprechen, respektabel zu sein in dem, über was man zu verfügen hat, das ist der einzig reale Weg, auf dem wir an den Konferenztisch und dann, so Gott will, zur Wiedervereinigung kommen wollen.
Eines, Kollege Erler, bitte ich Sie als alten Europäer, nicht zu sagen. Sie würden auch nicht, wenn preußische Truppen in Bayern stationiert wären, von fremden Truppen sprechen.
Sie als alter Europäer sollten einsehen, daß, wenn englische und französiche Truppen — amerikanische Truppen brauchen wir zwar noch dringender — auf deutschem Boden stehen und Einheiten von uns auf ihrem Boden, das dann Freunde ein und desselben Kontinents, ein und desselben geistigen und hoffentlich bald auch staatlichen Vaterlandes sind.